Die diesmaligen Herhstmanöver der Bundeswehr und der NATO, die immer alljährlich stattfinden, weisen einige Neuheiten auf. Zunächst einmal weniger Blabla als sonst.
Das Kulturgut, Marke Menschenrecht, wächst nicht auf Bäumen. Das körperliche Organ, nach dem "alle Menschen frei sind und gleich an Würde und Rechten geboren" (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO), hat die Mutter Natur dem Säugling nicht in die Wiege gelegt.
Das wissen sie also, die Sandinisten, daß Wahlen so ziemlich das letzte sind, was ihr Volk braucht. Immerhin hat es eine Revolution gemacht, um sich der Herrschaft des Somoza-Clans zu entledigen, und damit seinen Willen sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.
Die Pharmaindustrie kommt aus der schlechten Presse nicht heraus: Ob es die Preise sind, die "unser Gesundheitswesen in den Ruin treiben", oder Medikamente, die wegen zu vieler Toter wieder aus dem Handel gezogen werden, die "erschreckenden" Umsatzzahlen von Psychopharmaka, die an Kinder verabreicht werden, oder Rheumamittel, die angeblich bei falscher Indikation eingesetzt werden und/oder zumindest Darm und Leber schädigen, schuld an den "Skandalen" soll eines sein: das Geschäft, das mit der Krankheit gemacht wird.
Dabei handelt es sich da um
Die neuen Gesetze zur "Beschäftigungsförderung", zur Arbeitszeit, zum "Jugendarbeitsschutz" und zu den Schwerbehinderten fügen der auf dem Gebiet der Einschränkung "staatlicher Sozialleistungen" theoretisch wie praktisch ungemein erfolgreichen (Selbst)Kritik des Sozialstaats ein neues Kapitel an: einige Abteilungen des Arbeits- und Sozialrechts wurden als "beschäftigungshemmend" entlarvt und im Zuge liberal-konservativer "Beschäftigungspolitik" diesem ernsten Vorwurf entsprechend abgeändert.
Zwar hat ganz offenkundig kein soziales Recht die umfängliche Produktion von Arbeitslosen, Frühinvaliden und sonstigen Sozialfällen verhindert; die Nutznießer des Arbeitskräfteüberschusses, der krankmachenden Arbeit und des Pauperismus haben offenbar stets Mittel und Wege gefunden, mit den entsprechenden "Schutz"Vorschriften schöpferisch umzugehen und mit ihnen gut zu leben.
Bei den gelehrten Besprechungen der "Ausländerfrage", die heute jedermann beherrscht, sind so häßliche Töne wie "Ausländer raus!" kaum zu vernehmen, wenn eine härtere Gangart im Umgang mit dem nunmehr unerwünschten Menschenmaterial propagiert wird.
Anfang September wurde vom amtlichen Bonn einmal ein Türke ausgesprochen freundlich behandelt. Es war der Ministerpräsident Turgut Özal auf Staatsbesuch, und er verkörperte nicht das Ausländerproblem, sondern die "traditionell guten Beziehungen" zwischen der Türkei und uns.
Aufgrund der bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland haben die Christdemokraten ihren Ärger über den grünen Konkurrenten um die Macht "analysiert" und sich gegenseitig "Argumentationshilfen" an die Hand gegeben.
Mit demokratischer Diskussion, wie sie im Schulbuch vorgestellt wird - im Geist der Toleranz unter Achtung des demokratischen Gegners und was weiter die schönen Ideale demokratischen Umgangsstils sind -, hat die "inhaltliche Auseinandersetzung" (Geißler) mit den Grünen wenig zu tun.
Reagan hielt eine Rede vor der UN-Vollversammlung mit neuen Vorschlägen für diplomatische Kontakte zur SU; er traf sich drei Stunden mit Gromyko. Und schon stand die Weltöffentlichkeit Kopf über ein neues "historisches Datum": "Ende der Eiszeit?"
Die Unternehmer äußern sich nach erfolgtem Tarifabschluß über dessen Inhalt - niedrige Lohnkosten auf längere Sicht und Arbeitszeit nach Unternehmermaß - ausgesprochen zufrieden, was sie natürlich nicht daran hindert, der Gewerkschaft vorzuwerfen, der vorangegangene Streik habe "der Wirtschaft", also ihnen, unnötigerweise geschadet.
Das nehmen sich deutsche Gewerkschaften tatsächlich als Vorwurf zu Herzen und haben nichts Eiligeres zu tun, als sich öffentlich zu rechtfertigen.
Vor kurzem ist Alfred Dregger ins Gerede gekommen. Dabei hat er nur offen und deutlich gesagt, was seine Freunde im Regierungslager im Grunde genauso sehen: Die Bundesrepublik ist doch nicht auf den Besuch Honeckers angewiesen.
Die römische Glaubenskongregation, so heißt die Heilige Inquisition der Katholischen Kirche im aufgeklärten 20. Jahrhundert, hat unter dem Vorsitz ihres deutschen Kardinals Ratzinger die sogenannte Theologie der Befreiung, auch "Volkskirche" oder "Kirche der Armen" genannt, aus dem Kreis der Letiren ausgeschlossen, die sich des Segens der Mutter Kirche erfreuen dürfen.
"Wir haben uns versöhnt, wir sind Freunde", erklärten sie feierlich, Deutschlands Kanzler und der Präsident von Frankreich. Beim Normandie-Tag hatte es noch nicht geklappt mit der symbolischen Zurschaustellung deutsch-französischer Waffenbrüderschaft auf den Leichen des vorletzten Kriegs. Verdun als Kulisse erspart dem Kanzler "die Erinnerung an eine militärische Operation, die den Vorhang zur deutschen Kapitulation hob". Damals ging's unentschieden aus. Über eine halbe Million Tote "sinnlos" gefallen - vom Standpunkt der Bündnispartner 1984. Jetzt "sind wir Freunde geworden", d.h. nie wieder Krieg gegeneinander, sondem nur noch zusammen: "Die Ehrenformation, abwechselnd ein deutscher und ein französischer Soldat Seite an Seite, nur an den Baretten zu unterscheiden, grün bei den Deutschen, schwarz bei den Franzosen und an den neuen Schnellfeuergewehren der französischen Armee. Die 34. Panzerbrigade in Koblenz hat in den letzten Tagen gemeinsame Übungen mit französischen Panzereinheiten in der Gegend von Verdun abgehalten.
An geschichtsträchtiger Stätte haben sie geübt, für was ihre Oberbefehlshaber sie panzerfahren lassen: "Die Einigung Europas ist unser gemeinsames Ziel - dafür arbeiten wir - im Geist der Brüderlichkeit." Und wenn die Brüder im Osten nicht wollen, sind wir gerüstet. Dafür sind die Stellungskrieger und Materialschlächter von Verdun Vorbild ("Wir sind Erben einer großen europäischen Tradition."). Die Überlebenden waren eingeladen: "Unter den deutschen Fahnen eine mit dem Reichsadler des alten Heeres, eine andere mit der Aufschrift 'Die Treue ist das Mark der Ehre'." Kohl hatte Ernst Jünger mitgebracht ("Das Caesarenhaupt unter dem Regenschirm schritt der Pour-le merite-Träger...").
Skandal in Bonn: Der italienische Außenminister Andreotti erhob Einspruch gegen den nationalen Haupt- und Oberzweck der bundesdeutschen Politik, die "deutsche Teilung" in einem befreiten Europa vom Atlantik bis zum Ural zu "überwinden". Ihm paßt es offenbar nicht, daß die BRD das gemeinsame NATO-Anliegen ganz selbstherrlich für ihre Großmachtambitionen benutzen will:
Die Bundesregierung hat mit ihrem bislang gut einjährigen Entscheidungsprozeß in Sachen Auto-Abgasreinigung keine gute Presse. Was da aber an Kritik zu vernehmen ist, blamiert sich durchaus an der umweltpolitischen Ausgewogenheit des Kabinettsbeschlusses vom 19.