Öffentlichkeit

Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1985 erschienen.

Gut erzogene Demokraten stellen dem System, in das es sie verschlagen hat, immer wieder gerne ein kleines Kompliment aus. Sie bilden sich die Furcht vor Zuständen ein, in denen Nachrichten unterdrückt oder ausgerichtet werden.

Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1984 erschienen.

Das grundgesetzlich verbriefte Recht, seine Meinung frei zu äußern, erfährt auffallend grundsätzliche Würdigungen. Daß öffentlich Kritik geübt werden dürfe, zählt zu den beliebtesten Meinungsäußerungen - von akkreditierten Vertretern der freien Presse und von maßgeblichen Vertretern des Volkes.

Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1991 erschienen.

Die bürgerliche Öffentlichkeit bestimmt nichts. Sie vollzieht geistig nach, was die Politik auf die Tagesordnung setzt.

Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1990 erschienen.

Die herrschende Klasse eines siegreichen Systems - Politiker, Banker, Industrielle und ihre Klugscheißer - macht sich daran, das jahrzehntelang als unmenschlich, widernatürlich, überhaupt grundverkehrt denunzierte und jetzt endlich besiegte System durch das eigene zu ersetzen.
Mit Falschgeld und anderen verkehrten Rechengrößen wird gründlich aufgeräumt; denn alles zeugt nur von der unheilbaren Hinfälligkeit sozialistischer Pseudowirtschaft.

Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1989 erschienen.

In ihrer nationalen Besoffenheit über die Öffnung der Berliner Mauer und der DDR durch die SED zeigt die westdeutsche Öffentlichkeit, daß sie sich als geistiges Kind der Wiedervereinigungspolitik der Bundesrepublik versteht - und zwar so radikal, daß der wirkliche Anschluß längst nicht vollzogen sein muß, um den Schreibtischtätern von "Bild" bis zur "Tagesschau" schon jetzt die vielfältigsten Einheitsschlagzeilen zu liefern: "Deutschland umarmt sich". Was als "Thema der Nachkriegszeit" daherkommt, entspringt reinem nationalen Anspruchsdenken, keiner Wirklichkeit - aber die Sowjetunion zählt da nichts.

Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1988 erschienen.

Politiker üben ihren Beruf aus, indem sie Entscheidungen treffen. Deren wegweisende Bedeutung besteht in der Gewalt des Staates, die aus einem Beschluß eine für den Rest des Volkes verbindliche Maßnahme werden läßt.

Dieser Artikel ist in der MSZ 9-1988 erschienen.

Daß für das Sicherheitsinteresse von Staaten Opfer - auch Menschenopfer - gebracht werden müssen -, ist modernen Demokraten eine Selbstverständlichkeit. Schlagzeilenträchtig werden solche Leichen erst, wenn sie zwar wegen dieses Sicherheitsinteresses draufgegangen sind, für dieses Interesse aber weder von Nutzen noch überhaupt vorgesehen waren.

Dieser Artikel ist in der MSZ 9-1987 erschienen.

Es ist schon grotesk: Eine Öffentlichkeit, die christliche Parteien normal findet, ihren politischen Führern bei öffentlichem Schaubeten zuguckt und Horoskope keineswegs ablehnt, schüttelt den Kopf über den islamischen Religionseifer, der im Iran regiert. Sie versteht es gut, wenn der US-Präsident die Sowjetunion in apokalyptischen Bildern als "Reich des Bösen" beschimpft; daß für den Imam Khomeini das westliche Imperium der "große Satan" ist, findet sie hingegen unbegreiflich.

Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1986 erschienen.

Zum ersten Mal seit Ende des 2. Weltkriegs haben die USA ihr Verhältnis zu einem souveränen Staat am Mittelmeer, zu Libyen, als Kriegszustand definiert.

Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1982 erschienen.

Systematik

Daß alle Welt von Polen redet, hat einen einfachen politischen Grund: Die NATO-Staaten haben beschlossen, die polnischen Verhältnisse fürs eigene weltpolitische Interesse zu nutzen, und das macht eine Weltkrise aus. Wo die westlichen Politiker bekanntgeben, daß sie in Polen keine Herrschaft dulden werden, die nicht ihren Segen hat, regieren sie flott in den sowjetischen Machtbereich hinein, stellen ihn unter dem Stichwort ‚Jalta‘ sogar explizit in Frage: Ist die 1945 festgelegte Abgrenzung einer westlichen und einer sowjetischen Einflußsphäre in Europä heute noch zu halten?