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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1984 erschienen.


DIE BESSEREN DEUTSCHEN

Nein! Vaterlandslose Gesellen sind sie nicht. Sie möchten es auch nicht sein. Wenn Grüne schon mal in lichten Augenblicken das Subjekt ihrer Kriegsangst andeutungsweise benennen - "Eine Politik der Wiedervereinigung und des Offenhaltens der deutschen Frage halten wir für friedensbedrohend" -, dann haben sie Andreotti nachgeplappert und ziehen ihre Kritik tags darauf wieder ein. Schily arbeitet den patriotischen Kern der Kritik heraus. Energisch weist er "Pan-Germanismus" und "Revanchismus" zurück. Solche Vorwürfe will er nicht auf der Bundesregierung sitzen lassen. Vom Wiedervereinigungsgedanken nimmt er Abschied, um ihn als grenzüberschreitendes Ideal wiedererstehen zu lassen:

"Es wäre mir herzlich gleichgültig, ob as zwei deutsche Staaten gibt oder nur einen, wenn mit dem Abschied vom Wiedervereinigungsgedanken die DDR bestehen bliebe, die Mauer verschwände, und wenn bei einer stärkeren Demokratisierung der DDR ein freierer Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten möglich wäre."

Wozu dann eigentlich die Präambel des Grundgesetzes ändern? Mehr würde die auch nicht verlangen, und die CDU kommt mit ihr zum selben Ergebnis: Weg mit der Mauer: Demokratie und Freizügigkeit Für die DDR! Ein weiterer Freistaat in der BRD! Im Namen der Menschen in ganz Deutschland! Für diese Illusion einer freiwilligen Selbstauflösung der DDR wollen sie sie jetzt schon völkerrechtlich anerkennen. Antje Vollmer hat die "deutschlandpolitische Position" - sowas muß man schon haben, wenn man auf sich als Deutsche(r) was hält - grundsätzlich geklärt. In Opposition gegen die Wiedervereinigung von oben propagiert sie "sozusagen eine Vernetzung von unten" (= gut, weil Basis!) und kaut unverbrämt die Formeln des innerdeutschen Ministeriums wieder: "Auf der Basis der Anerkennung der politischen Realitäten... wachsende Annäherung der Menschen in beiden Gesellschaftssystemen... Kontakte auf allen gesellschaftlichen Ebenen." Jammemd erhebt sie gegen die Wiedervereinigungspolitiker den Vorwurf der Spaltung Deutschlands, unter der sie ganz persönlich leidet:

"...so ist die Existenz zweier deutscher Staaten und zweier Gesellschaftssysteme auf deutschem Boden das Ergebnis der 40 Jahre währenden Deutschlandpolitik unter Ihrer Verantwortung. Wir tragen diese Konsequenzen und wir tragen sie durchaus mit Wut und auch mit Trauer."

Aber was soll einem schon anderes einfallen als Gesamtdeutschland, das einige Volk und seine leidvolle Spaltung, wenn man die "deutsche Frage" nicht kritisieren, sondem beantworten will! Was soll einem da schon anderes aufstoßen als die mangelhafte Souveränität der BRD: "... von der US-Regierung abhängig... kulturell völlig dem 'American way of life' ausgeliefert..." Ein Vorwurf an die Regierung, der sich der schönen Vorstellung einer anderen Rolle der Republik in der Welt verdankt. Programmatisch und im Gestus einer besseren Planerin der Weltgeschichte stellt die grüne Fraktionssprecherin die Frage:

"Welche Rolle soll eigentlich eine deutsche Republik in der Mitte Europas spielen?"

Wer solch eine Frage stellt, weiß natürlich auch eine passende Antwort:

"Wir fühlen uns der Tradition eines anderen Deutschland verpflichtet, eines Deutschlands - in der Mitte Europas gelegen - mit einer durchaus bescheidenen Bedeutung im Rahmen der Weltpolitik und mit wichtigen kulturellen Traditionen."

Eine gesamtdeutsche Friedensmacht ohne Großmachtambitionen, Weltpolitik gewaltfrei, globaler Einfluß, an dem sich niemand stört mit Goethe, Schiller und Beuys - ein sauberes Ideal.