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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1984 erschienen.


DER GANZ NORMALE WAHNSINN

23. September: Verdun-Tag

"Wir haben uns versöhnt, wir sind Freunde", erklärten sie feierlich, Deutschlands Kanzler und der Präsident von Frankreich. Beim Normandie-Tag hatte es noch nicht geklappt mit der symbolischen Zurschaustellung deutsch-französischer Waffenbrüderschaft auf den Leichen des vorletzten Kriegs. Verdun als Kulisse erspart dem Kanzler "die Erinnerung an eine militärische Operation, die den Vorhang zur deutschen Kapitulation hob". Damals ging's unentschieden aus. Über eine halbe Million Tote "sinnlos" gefallen - vom Standpunkt der Bündnispartner 1984. Jetzt "sind wir Freunde geworden", d.h. nie wieder Krieg gegeneinander, sondem nur noch zusammen: "Die Ehrenformation, abwechselnd ein deutscher und ein französischer Soldat Seite an Seite, nur an den Baretten zu unterscheiden, grün bei den Deutschen, schwarz bei den Franzosen und an den neuen Schnellfeuergewehren der französischen Armee. Die 34. Panzerbrigade in Koblenz hat in den letzten Tagen gemeinsame Übungen mit französischen Panzereinheiten in der Gegend von Verdun abgehalten.

An geschichtsträchtiger Stätte haben sie geübt, für was ihre Oberbefehlshaber sie panzerfahren lassen: "Die Einigung Europas ist unser gemeinsames Ziel - dafür arbeiten wir - im Geist der Brüderlichkeit." Und wenn die Brüder im Osten nicht wollen, sind wir gerüstet. Dafür sind die Stellungskrieger und Materialschlächter von Verdun Vorbild ("Wir sind Erben einer großen europäischen Tradition."). Die Überlebenden waren eingeladen: "Unter den deutschen Fahnen eine mit dem Reichsadler des alten Heeres, eine andere mit der Aufschrift 'Die Treue ist das Mark der Ehre'." Kohl hatte Ernst Jünger mitgebracht ("Das Caesarenhaupt unter dem Regenschirm schritt der Pour-le merite-Träger...").

So hat der Tag von Verdun gute Aussichten, den alten Sedan-Tag zu beerben, mit dem von 1871 bis 1945 des deutschen Siegs über den "Erbfeind" gedacht wurde.

Glaube

Weil der Freie Westen inzwischen auf etwas Distanz zur chilenischen Junta wert legt, hat die Kirche im Lande die Erschießung eines französischen Kirchenmanns zum Anlaß genommen, ihren Glauben an den obersten weltlichen Hirten leicht erschüttert zu sehen:

"Die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche Chiles und der Regierung General Pinochets haben sich angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen regimefeindliche Demonstranten verschlechtert. Diese Meinung vertraten am Wochenende Kirchenkreise in Santiago."

Jetzt war immer so ein prima Halleluja zwischen Pinochet und Pfaffen, immer haben sie sich bei ihren täglichen Begegnungen anläßlich der obligatorischen Messe so gefreut - dann das:

"Diese 'bedauernswerten Vorgänge' schafften nicht denr geeigneten Rahmen für einen 'Akt der Freude', bekräftigte der Bischof von Cooiapo, Ariztia."

Ein ganz mutiger Erzbischof hat sogar eine rebellische Messe gelesen:

"Der Erzbischof von Santiago, Fresno, kam am Wochenende einem Ersuchen der Regierung nicht nach und las die Totenmesse für Jarlan (der französische Pater) in der Kathedrale von Santiago."

Die letzte Schlagzeile vom Kirchenaufstand vermeldete noch größeren Mut:

"Chiles Kirche verweigert den Jubelchor." (Süddeutsche Zeitung)

Eigentum verpflichtet

Einen Skandal haben demokratische US-Parlamentarier in El Salvador aufgedeckt. Beim Vernichtungsfeldzug gegen die Guerilla können reiche Salvadorianer ihre Söhne von der Armee freikaufen:

"Der salvadorianische Verteidigungsminister Casanova verfolge Pläne, daß Reiche jemanden an Stelle ihres Sohnes anheuern können."

Das geht nach Ansicht des Abgeordneten Bryan wirklich zu weit - sich mit Geld vom Kampf gegen den Kommunismus freikaufen zu wollen! Dem amerikanischen Kongreß, der nicht schlecht Militärhilfe in El Salvador hineinbuttert, damit die Eingeborenen mit Unterstützung der USA die kommunistische Gefahr ausrotten, wäre - so Bryan - kaum begreiflich zu machen, daß

"das Ergebnis eine Armee armer Leute sei, die für die Eigentumsrechte eines sehr geringen Anteils der Bevölkerung kämpfen müssen, der keine persönliche Verpflichtung im Krieg hat in dem Sinne, daß er einen Sohn an der Front hat." (Süddeutsche Zeitung)

Wenn es darum geht, daß ein ganzes Volk für die amerikanische Sicht der Welt anzutreten hat, dann fällt einem Kongreßabgeordneten die Heuchelei ein, daß "Eigentum" zum Kampf fürs Vaterland verpflichtet.

Liberalismus

Für die gesetzestreue Mehrheit der Bürger, die weiß, wann ein Schießeisen in Übereinstimmung mit staatlichen Zwecken angewendet werden kann, hat Staatssekretär Spranger (CDU) ein neues Menschenrecht gefordert: "Dem freien Bürger seine freie Kanone!" Anhand der Tatsache, daß "das Waffenrecht alter Fassung zur Reduzierung der Kriminalität nicht beigetragen habe, will Spranger eine unerträgliche "Gängelung des betroffenen Personenkreises gesetzestreuer Bürger" entdeckt haben. Es geht doch nicht an, daß - bloß weil mal ein paar Lumpen aus niederen Motiven herumballern - die tiefe Liebe des aufrechten Deutschen zur sauberen Waffe von Staats wegen niedergemacht wird. Was dem Staat mit seiner täglich neuen Begeisterung für immer perfektere Russentötungsmaschinen recht ist, muß doch für den mündigen Bürger nur billig sein: "Mehr Bürgerfreundlichkeit im Waffenrecht" (Spranger).

Systemvergleich

Hört man es nicht immer wieder, daß unsere schöne Bundesrepublik in Wahrheit das ist, was "die drüben" - immer für sich in Anspruch nehmen: ein Paradies für Arbeiter und Bauern? Und die DDR? Na klar, das glatte Gegenteil! Das neueste Beispiel gibt die BILD am- Sonntag zum besten: Besitzt doch die "DDR-Propaganda" die Dieistigkeit, einen Bauarbeiter als "Helden der Arbeit" zu feiern, der es geschafft hat,

"statt der bisher erreichten täglichen Leistung von 0,38 Kubikmeter Schornstein-Mauerwerk den Bestwert auf 0,46 Kubikmeter zu steigern und gleichzeitig zur neuen Norm zu machen". (BamS vom 26.8.84)

Ein Fall von "unmenschlicher Leistungshetze", den die bundesdeutsche Arbeiterzeitung entlarven und zur Abschreckung dem hiesigen Arbeiter-Publikum vor Augen führen will: Diesmal nicht. Der Bauarbeiter hierzulande - so erfährt man aus der BamS - ist "zu ganz anderen Leistungen fähig":

"Denn in unserem Bauhandwerk liegen die sogenannten Zeitrichtwerte (Akkordsätze) für einen Kubikmeter Schornstein-Mauerwerk bei sieben Stunden. Ein guter Maurer braucht nur fünf Stunden...

Das heißt: Honeckers neuer 'Held der Arbeit' schafft gerade die Hälfte..."

Ganz klar also, wo die eigentlichen "Helden der Arbeit" zu Hause sind. Darauf kann man stolz sein. Nicht einmal eine gescheite Ausbeutung kriegen die drüben zustande, während hierzulande auf diesem Gebiet Spitzenleistungen erreicht werden. Ein Glückwunsch "unseren freiheitlichen Akkordrichtsätzen"!

Warum war Wörner beim Afrika-Korps?

"Der ehemalige Generalfeldmarschall der Wehrmacht Erwin Rommel (1881 bis 1944) ist nach Ansicht von Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) ein 'Vorbild' und gehört zur 'Tradition der Bundeswehr'. Vor rund 2000 Veteranen auch aus den ehemals verfeindeten Nationen sagte Wörner auf dem 16. Bundestreffen des Verbandes Deutsches Afrika-Korps (VDAK) in Stuttgart: 'Seine Fairneß wurde zur Legende auch beim Gegner.' Der von Hitler in den Selbstmord getriebene Oberkommandierende des Afrika-Korps sei ein 'herausragender Truppenführer von ganz seltener Ausstrahlung' gewesen -, so, wie auch wir uns Vorgesetzte in der Bundeswehr wünschen'. Die Opferbereitschaft der ehemaligen Kriegsteilnehmer, die im guten Glauben gekämpft hätten, ihrem Vaterland zu dienen, sei durch ein verbrecherisches Regime schmählich getäuscht worden, sagte der Minister. Es gehöre jedoch zu den Paradoxien der modernen Geschichte, daß soldatische Leistungen und Pflichterfüllung der Wehrmacht vor allem bei den ehemaligen Gegnern im Westen anerkannt, im eigenen Vaterland dagegen 'pauschal verdammt' würden. Wörner verwahrte sich gegen Äußerungen, wie sie etwa am Samstag beim 'sogenannten Antikriegstag' gefallen seien. Wer den Krieg erlebt habe, so der Minister, sei 'ein für allemal vor der Verherrlichung des Krieges gefeit'."

Marktwirtschaft

"Aufruf gegen Kinderarbeit

Terre des Hommes: Sklaven in Steinbrüchen und Bordellen

BONN, 20. September (AP). Rund 150 Millionen Kinder in aller Welt sind nach Angaben des Kinderhilfswerks Terre des hommes gezwungen, als Beitrag zum Einkommen ihrer Familien täglich bis zu 15 Stunden in Fabriken, Handwerksbetrieben, Bordellen, Steinbrüchen, Bergwerken und auf Plantagen zu arbeiten.

Auf einer Pressekonferenz zum 30. Weltkindertag riefen Vertreter dieser Organisation daher am Donnerstag in Bonn erneut zum Kampf gegen Kinderarbeit auf. Bundesregierung und Handel wurden unter anderem aufgefordert, dafür zu sorgen, daß beispielsweise Teppiche aus Marokko und Indien, Edelsteine aus Thailand sowie Gold- und Silberschmiedearbeiten, Saritücher Brokatstoffe und Webtücher aus verschiedenen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern mit der Bezeichnung "hergestellt von Kindern" gekennzeichnet werden.

Als besonders drastisches Beispiel wurde auf der Pressekonferenz die trotz eines formalen Verbots in Indien praktizierte Schuldknechtschaft bezeichnet. Leibeigene, die die horrenden Zinsen kleinerer Kredite nicht bezahlen könnten, müßten oft lebenslang die Arbeitskraft ihrer Kinder an Geldverleiher und Großgrundbesitzer verpfänden. Offizielle Angaben in Indien sprächen von rund 2,6 Millionen solcher "Sklaven".

Terre des hommes unterstützt eigenen Angaben zufolge zahlreiche Projekte gegen die Ausbeutung von Kindern in aller Welt. Für den Aufbau von Kinderschutzzentren rief die Organisation zu Spenden auf (Konto 700 bei allen Banken und Sparkassen). ("Frankfurter Rundschau")

Man kann sich ja über bestimmte Verhältnisse auf der Welt aufregen. Nur wenn man dies im Namen eines moralischen Titels tut - "unschuldige Kinder" -, muß man sich schon ein paar Sachen fragen lassen. Sollte etwas gegen Schuldknechtschaft, Geldverleiher und Großgrundbesitzer gesagt oder lediglich das Bedenken angemeldet werden, daß doch nicht schon Kinder im zarten Alter von 8 Jahren der rauhen Welt des Erwerbslebens ausgesetzt werden dürfen. Für den zweiten Fall heilt im Grunde die Zeit die Wunden: Irgendwann werden die Kleinen auch mal 14 Jahre, wenn sie's werden, und sind dann ganz normale Jugendliche, die ab vier Uhr morgens am Arbeitsleben teilnehmen. Dann kann man sich höchstens noch über Frauenarbeit in Ländern der "Dritten Welt" beschweren, aber dafür ist ja eine andere Organisation zuständig. Dreist ist der Vorschlag, man solle die mit Kinderarbeit produzierten Waren als solche kennzeichnen. Was nun? Soll man sie noch kaufen? - Dann unterstützt man Kinderarbeit. Soll man sie nicht kaufen? - Dann beraubt man die armen Kindlein ihres Einkommens. Oder soll man sich nur täglich zwei Minuten ein schlechtes Gewissen machen und vor allem keinen Gedanken darauf verschwenden, wie "Bundesregierung und Handel" an den inkriminierten Zuständen beteiligt sind? Jedenfalls soll man DM 5.- für einen Kinder-Zoo in Indien spenden, wenn wir das richtig verstanden haben.

Wer soll das bezahlen...

"Bei Unfällen in Kemkraftwerken in der Bundesrepublik sollen die Betreiber künftig in unbegrenzter Höhe haften... Joseph Pfaffenhuber vom Bundesinnenministerium führte am Rande des Symposiums aus, daß Betreiber einer Kernkraftanlage allein für die Schäden hafteten. Im Ernstfall würde aber die Bundesregierung einspringen, wenn die Betreiber in Zahlungsschwierigkeiten kämen."

Nachdem uns die Bundesregierung jahrelang die "nach menschlichem Ermessen" absolute Unwahrscheinlichkeit von AKW-Katastrophen versichert hat, wendet sie sich nun den versicherungstechnischen Fragen des ersten GAU zu und erklärt sich prophylaktisch für genauso unzuständig wie bisher. Da sich nämlich die kühl rechnenden Versicherungskapitalisten beim Geschäft nicht auf den Kernkraftoptimismus aus Bonn verlassen, sondern Prämien verlangen, die bei unbegrenzter Haftung ins Astronomische gehen, setzt der Staat 1 Milliarde DM als Höchsthaftung fest und stellt sein Eingreifen im "Ernstfall" in Aussicht. Für die potentiell Betroffenen, und zwar für alle, hat das zunächst nur eine Auswirkung:

"Eine unbegrenzte Haftung würde zwar über den Strompreis finanziert werden müssen, doch glaubt Pfaffenhuber nicht an eine Preiserhöhung aus diesem Grund."

Sehr beruhigend. Wegen des GAU's wahrscheinlich nicht einmal eine Preiserhöhung.

Humanismus

Der hessische Justizminister Günther (SPD) hat nun einen neuen Umgang mit dem "Problem" des Strafvollzugs angekündigt:

Die "Verbüßung der Freiheitsstrafen" soll "auf den erforderlichen Umfang zurückgedrängt werden". Gegen eine "Utopie" wollte er sich jedoch zugleich ausgesprochen haben, daß nämlich auf die "Vollziehung von Freiheitsstrafen gänzlich verzichtet werden könnte."

Da die Gefängnisse mittlerweile aber überquellen, denkt der Justizminister über eine Sortierung bei den Freiheitsstrafen nach: Vielleicht sollte das vorsorglich eingerichtete Instrument der vorzeitigen Entlassung umfangreicher auf die harmloseren Fälle des Rechtsbruchs angewendet werden? Freilich handelt es sich dabei nur um einen Notbehelf: Mit der knallharten Logik des Rechts - jeder Verstoß gegen staatliche Vorschriften wird nach einem festgelegten und nur durch den Gesetzgeber selbst zu ändernden Regelwerk bestraft - will sich diese Überlegung entlang baulicher Einschränkungen nicht so recht vertragen. Darum hat der sozialdemokratische Menschenfreund auch gleich noch das Menschenrecht auf einen vorschriftsmäßigen Gefängnisaufenthalt betont:

"Auf Grund der gegenwärtigen Überbelegung der Strafanstalten halte er den Neubau von Gefängnissen für eine Grundvoraussetzung für einen humanen Strafvollzug."

Mit derselben Logik könnte Chiles Pinochet den Neubau von Fußball-Stadien mit der Begründung ankündigen, daß die zunehmende Masse arrestierter Demonstranten in den bisherigen Stadien nicht mehr menschenwürdig untergebracht werden könne.

Bleibt der Kanzler für immer am Wolfgangsee?

"Hamburg (dpa) Die Arbeitsabläufe in Regierung und Koalition müssen nach Ansicht von Bundeskanzler Kohl verbessert werden. Er sagte zur Diskussion über Fehler und Pannen in der Regierungsarbeit in einem Interview mit der Bild-Zeitung, es sei keine gute Politik, 'wenn die Verantwortlichen 18 Stunden lang täglich gehetzt werden. Gute Entscheidungen müssen auch reifen'. Kohl äußerte sich auch zu Kritik an den Entscheidungsabläufen beim Thema Buschhaus. 'Wie diese unselige Buschhaus-Geschichte passieren konnte, will ich einmal ganz konkret schildern: Ich bin nachts um 22.30 Uhr vom EG-Gipfel in Fontainebleau zurückgekommen - nach zweitägigen Tag- und Nachtsitzungen. Bis 23.45 Uhr haben wir im Koalitionsgespräch das hochkomplizierte Buschhaus-Thema behandelt. Das ist zu viel, zu schnell.'"

Stimmt! Ein Kanzler hat viel zu tun: - Sich mit seinen Kollegen treffen und klarstellen, daß deutsche Interessen überall auf der Welt Geltung haben.

- Immer mehr Pershings, Leos anschaffen und sich die entsprechenden diplomatischen Frechheiten einfallen lassen.

- Die Ansprüche von Arbeitslosen und Rentnern kürzen.

- Subventionen verteilen. Die Unterstützung für "unsere" Wirtschaft kann nie groß genug sein. Auf daß die Herren Unternehmer noch mehr rationalisieren, die Arbeitsplätze immer anspruchsvoller machen, ihre Profite erhöhen und so den Reichtum der Nation mehren.

- "Aktive Umweltschutzpolitik betreiben"

- d.h. "Dreckschleudern" wie Buschhaus in Betrieb gehen lassen. Schließlich soll auch das Energiegeschäft profitabel sein.

- Die Konkurrenz um die "Verantwortung", sprich Macht austragen. Das fordert den ganzen Mann. Schließlich muß man sich gegenüber dem Regierungspartner FDP und der Ersatzmannschaft aus den Oppositionsreihen stets als der beste Mann zur Leitung der Geschicke der Nation profilieren.

- Im Urlaub am Wolfgangsee verständnistriefenden Hofberichterstattern vorjammern, wie bedauernswert schwer das Geschäft eines Bundeskanzlers ist.

Hauptsache, man denkt nie daran, was da immer "politisch entschieden" wird.

Man könnte natürlich auch von seinem Kanzler lernen: sich an seinem Arbeitsplatz nicht hetzen lassen; alles in Ruhe reifen lassen; sich öfters mal in Fontainebleau mit seinen Kollegen zum Arbeitsessen treffen. Damit wäre auch dem Kanzler gedient. Wenn sich keiner mehr regieren läßt, fällt auch der Regierungsstreß weg.

Liebesheirat und Scheinehe

Für Recht befunden hat das Bundesverwaltungsgericht, daß einem, der eine ausländische Person heiratet, vom Staat Mißtrauen entgegengebracht werden muß. Vielleicht will er auf diese Art und Weise nur dem Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft verschaffen, was ein ganz niederes Motiv ist und unter "Scheinehe" firmiert. In schöpferischer Anwendung des "Drum prüfe, wer sich ewig bindet" hat besagtes Bundesverwaltungsgericht jetzt eine dreijährige Wartezeit für den ausländischen Ehegatten als sinnvoll anerkannt - wenn er dann immer noch herziehen will, war's vielleicht wirkliche Liebe. Und auf die legen wir hierzulande bekanntlich größten Wert.

Wenn ein DDR-Sportler rübermacht, weil er seine zwei Geschicklichkeiten hier besser vermarkten kann, dann stellt er sich natürlich sofort hin und jammert, daß er Frau und Kinder zurückgelassen hat; man soll sie rüberlassen. Daraufhin entdeckt die hiesige Öffentlichkeit - nein, nicht, daß da ein offensichtlicher Fall von "Scheinehe" vorliegt, sondern -, daß dieser Ehegattenzuzug ein dringendes Gebot der Menschlichkeit wäre. Da den geflohenen Sportlern nicht zuzumuten ist, zu ihren Familien zurückzukehren, müssen diese auf jeden F all hierherkommen dürfen:

"Als massive Abschreckung für Sportflüchtlinge praktiziert die DDR-Führung eine Haltung, die es beispielsweise bei Künstlern nicht gibt: das Thema Familienzusammenführung steht nicht zur Diskussion... Das ist schon ein fast unmenschliches Kapitel... In einem Stil, der an Sippenhaft erinnert, erfahren die noch in der DDR lebenden Angehörigen schwere Benachteiligungen: alle Ausreiseanträge in die Bundesrepublik wurden bisher abgelehnt." (Süddeutsche Zeitung, 22.09.)

Gewalt

wendet an, wer die Staatsgewalt am reibungslosen Funktionieren hindern will, und sei es nur symbolisch. Wer hingegen feste Brücken baut, damit die Panzer gen Osten rollen können, der verzichtet auf Gewalt und schont Menschenleben:

"'Wer Tragfähigkeitsschilder an Brücken beseitigt, nimmt bewußt in Kauf, daß Menschen zu Schaden kommen', sagte Wittmann (CSU) in Bonn. Wei Verkehrszeichen beschädige und Straßen blockiere, begehe Nötigung und wer Einrichtungen der Bundeswehr vorübergehend 'unbenutzbar' mache, könne wegen Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln bestraft werden."

Den Friedensbewegten ist auf diesen Angriff natürlich mal wieder nur eingefallen, ihre absolute "Gewaltfreiheit" zu beteuern. Dabei hätte ihnen auffallen können, daß man ausgerechnet mit einem Staatsagenten zuallerletzt über Gewalt diskutiert. Diesem Menschen ist anscheinend der Gedanke unerträglich, daß eine Panzerbesatzung einfach so in einen Bach fällt, ohne vorher einen Schwung Russen umgebracht zu haben. Sowas nennt er dann "bewußt in Kauf nehmen, daß Menschen zu Schaden kommen".

Kleiner Grenzverkehr

"Flucht gestoppt

Hitzacker - Mit einem Motorboot wollte ein Betrunkener in die "DDR" flüchten, blieb aber am Ostufer der Elbe in einem Blumenfeld stecken. Die Polizei fahndete nach ihm."

Großer Grenzverkehr

"Drüben wandern!

Coburg - "Wir wollen die Grenzen zu Fuß überschreiten und frei in der DDR wandern", forderte der Verband Deutscher Wandervereine (600000 Mitglieder).