Der Regierungswechsel war noch nicht vollständig abgewickelt, da schwärmte das Feuilleton der "Zeit" schon aus, um den Künstlern, die "1969 die leidenschaftlichen Sympathisanten es politischen Neubeginns" waren, am Ende der "sozialliberalen Ära" folgende aufschlußreiche Fragen vorzulegen:
"Welches Gefühl bewegt Sie in diesem Augenblick?
Mit unfehlbarer Sicherheit in der Wahl seiner Gäste hat der Minister für Kultur in Nicaragua - selbst Poet und katholischer Priester ausgerechnet einen kritischen Katholiken, einen SPD-Dichter und einen Alt-Juso aus Deutschland-West zur Besichtigung der Fortschritte der sändinistischen Revolution eingeladen. Und einhellig haben die drei selbsternannten ideellen IWF-Prüfer die Feinfühligkeit seiner Wahl durch ihre Reiseberichte bestätigt: Die sandinistische Revolution - endlich einmal so gesehen, wie sie jeder bessere Deutsche sehen sollte, nämlich als eine Hoffnung nicht nur für die "dritte", sondern zugleich für die gesamte freie Welt.
Demokratische - wie alle - Herrscher haben es von jeher gern gesehen, sich mit den Produkten oder gar der persönlichen Bekanntschaft irgendwelcher Kunst- und Geistesgrößen zu schmücken. Nicht, daß ihnen persönlich deren opera besonders zugesagt hätten.
Gründe, sich Sorgen zu machen über das, was Politiker zur Zeit ins Werk setzen, gibt es zuhauf. Kein Wunder, daß sich unter denjenigen, die Literatur zu ihrem Lebenszweck ernannt haben, viele mit Rang und Namen finden, die meinen, sie müßten warnen.
Der Nahe Osten - eine islamische Revolution, ein Gaddafi, der sich in französische Einflußsphären in Afrika einmischt, ein Kartell von Ölscheichs, das europäische Zahlungsbilanzen ruiniert - eine solche Region ist für den zuständigen Auslandskorrespondenten eine einzige Herausforderung zu zeigen, daß mehr in ihm steckt, als die Statements, die er normalerweise vor Ort von sich gibt.
Gerhard Konzelmann, Die islamische Herausforderung
Daß Schriftsteller, Künstler und sonstige üblicherweise mit Höheren ringende Existenzen, die 1972 für den SPD-Kanzler Willy B. an allen Ecken Sympathie-Werbung betrieben, weil dieser Mann mit den Frieden- und Freiheitsgeläut in den Köpfen deutscher Bürger so gekonnt Politik zu machen verstand, im Wahljahr 1980 keine "Wählt-Helmut"-Knöpfe tragen (Grass ausgenommen), ist nicht etwa ein Zeichen politischen Desinteresses nach über 10 Jahren SPD-Herrschaft, sondern Ausdruck eines gehobenen Bewußtseins der Intelligenzler, die sich - ein Erfolg jener Politik - im heutigen Deutschland anerkannt fühlen.
Beunruhigung oder gar Entrüstung über die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen im westlichen Bündnis sind in der disziplinierten bundesrepublikanischen Öffentlichkeit nicht üblich. Kriegshysterie und Panik werden von oben beschworen und souverän zur Kennzeichnung der deutschen Position in der internationalen Diplomatie gehandhabt.
Der Beschluß der Hamburger Universität, Vermächtnis und Renommee einer "Bürger-Uni" durch eine neu einzurichtende "G.E. Lessing-Professur für öffentliche Wissenschaft" zu pflegen, geriet unversehens zum öffentlichen Spektakel. Anlaß dazu war weniger die Absicht von politischem Senat und Universität, mit der "Widmungsprofessur" die "Kluft zwischen akademischen" und den vom lukrativen Geschäft mit dem höheren Blödsinn ausgeschlossenen Bürgern "verkleinern" zu wollen, als vielmehr die "leidenschaftliche Persönlichkeit" W.
Wenn der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz seinen Austritt aus der DKP der Öffentlichkeit mit einer "Sensibilisierung im Verhältnis Mensch-Umwelt" erklärt, so heißt dies nicht, daß sich hier ein von tiefem feeling überwältigter Intellekt in ein allumfassendes Verhältnis aufzulösen droht.
Geschärfter Geist meldet sich vielmehr in Kroetzens Entscheidung für den rechten ‚Zeitmarsch‘ an: Es ist nicht mehr ‚in‘ für Westdeutschlands Intellektuelle, den "Sang der Gesänge (für) den Marsch der roten Kolonne" erschallen zu lassen.
Obwohl Lachen ein Ausdruck freien Geistes ist, findet dieser bekanntlich nichts lustiger als die Dummheit anderer - was tief blicken läßt in die Beschaffenheit solch überlegenen Verstands: Er bewundert sich als Macht über die Unvernunft, die zur Demonstration solcher Souveränität nie blöd genug sein kann. In seinen freiesten Stunden delektiert sich der bürgerliche Geist an sich selbst als der Fähigkeit, jedweden Schwachsinn auszubrüten.