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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1987 erschienen.

Systematik

Ökologie
KOMPENSATORISCHE PFLEGE DER NATÜRLICHEN STAATSGRUNDLAGEN UND REAKTIONÄRE NATURPHILOSOPHIE

Die Ökologie gilt als jüngster, fortschrittlichster Zweig der Biologie, als neuartige Betrachtungsweise der Natur überhaupt oder als interdisziplinäre Integrationswissenschaft, die bis in die Kybernetik, Soziologie und Religion hineinreicht.

Einigkeit herrscht darüber, daß zu den wesentlichen Ergebnissen der Ökologie Auskünfte folgenden Kalibers zählen:

"Der Mensch kann daher mit all seinem Wirken nie außerhalb der Natur und ihrer Gesetzlichkeit stehen." (I,9)

"Eine wichtige Aufgabe des Ökologen liegt...auch in dem ständigen Hinweis, daß sich nichts bessern wird, wenn der Mensch glaubt, auch weiterhin außerhalb der Natur stehen zu dürfen." (II,6)

"Wir bringen eine sehr neue und dringend notwendige Haltung in diese Welt...Es ist die Haltung, in der der Mensch sich wieder versteht als einer, der eingesetzt ist nicht als Ausbeuter und Plünderer der Erde, sondern als ihr Pächter und Heger." (zitiert in III,177)

Solche besinnlichen Worte taugen eher für moderne Sonntagspredigten, als daß sie zur Kenntnis der Gesetze beitragen, die in den Naturgegebenheiten wirken und - einmal bekannt - für deren zweckmäßige Einrichtung angewendet werden können. Keine Naturwissenschaft sonst befindet es auch wie die Ökologie ernstahaft für nötig, das Publikum, die Fachkollegen eingeschlossen, laufend zu ermahnen, sich den Gesetzen, die sie ermittelt haben will, zu unterwerfen, statt sie sich zunutze zu machen.

Solche Quintessenzen aus dem Wissen, das Ökologen für sich in Anspruch nehmen, klären ja auch gar nicht über irgendeine bisher noch unbekannte Beschaffenheit der lebendigen oder toten Materie auf, sie bestreiten auch keine einzige Erklärung irgendeiner Naturwissenschaft, geben aber eine abweichende Auffassung über den rechten Umgang mit Naturgegebenheiten zum Besten. Ökologen ziehen, ohne ernsthaft einen wissenschaftlichen Fehler nachweisen zu wollen, die Leistung in Zweifel, die ihre Kollegen, seien es Biologen, Chemiker, Physiker, ganz automatisch für sich in Anspruch nehmen, wenn sie Naturzusammenhänge erklären: mit ihren theoretischen Ergebnissen über natürliche Wirkungsverhältnisse Anweisungen auf die praktische Beherrschung der Natur bereitzustellen, indem man ihre Gesetze zweckentsprechend kombiniert und kontrolliert wirken läßt.

Der Generalvorbehalt gilt dem technologischen Umgang mit der erkannten Natur, den erfolgreichen Anstrengungen, sie sich verfügbar zu machen. Und Ökologen machen auch gar kein Geheimnis daraus, daß dieser Vorbehalt einem praktischen Interesse entspringt, das sie gegen unliebsame Folgen der Naturbeherrschung zur Geltung bringen wollen:

"Erhaltung der Natur" - ein staatsdienliches Programm

Wenn Ökologen sich theoretisch und praktisch diesem Programm widmen, dann befassen sie sich - entgegen ihrer eigenen Behauptung, neue grundlegende Einsichten in die Gesetzmäßigkeit des Lebendigen und seiner Lebensumstände zu liefern - gar nicht damit, noch völlig unbekannte biologische Grundlagenb zu erforschen. Vielmehr verhalten sie sich zum umfangreichen Wissen über die Wechselverhältnisse der belebten und unbelebten Natur selber wie eine Anwendungswissenschaft, welche die jeweiligen naturwissenschaftlichen Kenntnisse neu reflektiert, sortiert und erweitert, um damit praktische Vorhaben realisierbar zu machen. Technologisches Wissen zielt ja darauf, durch die gelungene Kombination von Naturstoffen und -gesetzen erwünschte und berechnete Wirkungen zu erzielen. Auf diese Weise entwickelt technologischer Forscherdrang und Erfindergeist immer gezieltere, wirkungsvollere und umfassendere Möglichkeiten, sich die Natur für alle möglichen produktiven und konsumtiven Bedürfnisse dienstbar zu machen - Möglichkeiten, die dann nach ganz anderen Gesichtspunkten Wirklichkeit werden als denen einer eingebildeten technischen Vernunft oder naturwissenschaftlichen Verantwortung, egal, was darunter alles an Menschen freundlichem verstanden werden mag.

Die Ökologie, die sich um die Erhaltung natürlicher Bedingungen sorgt, durchdenkt ebenfalls alle möglichen technischen Vorgehensweisen, stattfindende wie geplante oder denkbare, aber genau umgekehrt auf ungewollte Wirkungen hin, deren Vermeidung sie sich zum Anliegen macht. Sie untersucht und prüft gesondert, was mit den diversen 'Eingriffen' in die Naturgegebenheiten alles an störenden Veränderungen in diesen Gegebenheiten, also an dem Material bewirkt wird, mit dem erfolgreiche Technologie hantiert. Und sie forscht weiterhin Verfahren und Möglichkeiten aus, wie solche Folgen zu vermeiden, Schäden zu begrenzen, stoffliche Quellen zu erhalten sind und welche technischen Verfahren besser unterbleiben sollten. Unter diesem Gesichtspunkt macht sie sich die verschiedensten Wirkungszusammenhänge zwischen Lebendigem und seinen natürlichen Bedingungen zum Gegenstand, untersucht Tierpopulationen, Landschaften, Klima, Nahrungsketten, Energieprozesse, Licht-, Luft, Wasser- und sonstige Verhältnisse, um unliebsame Rück- und Wechselwirkungen des produktiven Umgangs mit diesen Verhältnissen auszumachen. Sie kümmert sich um Anreicherungen von (Schad-)Stoffen in Boden, Wasser, Luft und Organismen, um Vor- und Nachteile chemischer und biologischer Schädlingsbekämpfung, die Umwandlung aller möglicher natürlicher Lebensräume, das Verschwinden von Arten und die Folgen, Klimaveränderungen und was das für Pflanzen und Viehzeug bedeutet, die Verwüstung der Sahelzone, das Ozonloch, Ursachen und Wirkungen der Veralgung von Flüssen und Meeren und vieles andere mehr. Dabei bedient sie sich ausgiebig biologischer, chemischer, physikalischer, geologischer, metereologischer Kenntnisse und plädiert aus diesem Wissen für diese oder jene Unterlassung, für Verfahren schonenden Umgangs mit Naturbedingungen, für weniger chemische Düngung, mehr Mischwaldaufforstungen, phosphatfreie Waschmittel, Stop der Urwaldrodung, mehr Naturschutzgebiete, "mosaikartige" Landschaftsnutzung, Walfangverbote und anderes mehr. Kurz: Ökologen sind Technologen eines pfleglichen Umgangs mit der Natur und kümmern sich exklusiv darum, daß die die natürlichen Voraussetzungen möglichst nicht durch ihre gesellschaftliche Nutzung ruiniert werden.

...und seine Fehler

So sehr die gravierenden Folgen moderner industrieller Naturbe- und -vernutzung, steigenden Energie- und Rohstoffverbrauchs, wachsender Bevölkerungszahlen usw. auch für solche Bemühungen zu sprechen scheinen und den Ökologen zum Beweis dafür dienen, daß an ihren Schlußfolgerungen kein Weg vorbei führt - das Programm dieser Wissenschaft ist keineswegs so folgerichtig und unzweifelhaft menschenfreundlich, wie ihr gern zugestanden wird und sie sich zugutehält. Erstens was den Grund betrifft. Schließlich beruhen alle ökologischen Anstrengungen darauf, daß die Zusammenhänge und Wirkungen, die diese Wissenschaftsabteilung zu ihrem Gegenstand macht, bei den sonstigen technologischen Überlegungen und Anstrengungen laufend nicht ernsthaft mitbedacht und -berücksichtigt, sondern beiseite gelassen werden, und das nicht, weil das alles prinzipiell noch unbekannt wäre. Sie verdanken sich einer unübersehbaren theoretischen und praktischen Gleichgültigkeit gegen bestimmte Folgen technischer Beherrschung und Nutzanwendung von Naturgesetzen und -mitteln. Vom Atom bis zur Großlandschaft, vom Gestein bis zum Viehzeug ist zwar alles von den Einwirkungen des industriellen Fortschritts betroffen, aber so, daß säuberlich geschieden wird, was davon noch in den Umkreis der normalen technologischen Planung fällt und was nicht mehr. Diese Planungen trennen laufend das, was als nützliche und wünschenswerte Möglichkeiten und Verfahren gilt, auf die es ankommt, von lästigen Folgen ab, die man zu 'Nebenwirkungen' erklärt, die uninteressant, vernachlässigbar oder naturnotwendig und deshalb hinzunehmen seien. So sortiert man die im Prinzip bekannten Wirkungszusammenhänge willkürlich auseinander und scheidet ausgerechnet die unliebsamen, ganz und gar nicht nebensächlichen von denen, um die es allein geht und um die man sich deshalb erst einmal allein kümmert.

Warum beim Produzieren ausgerechnet die ruinösen Rückwirkungen auf die Naturvoraussetzungen unberücksichtigt bleiben, ist jedermann bekannt und sicher keine Folge natürlicher Sachzwänge. Der Natur ist es schließlich gleichgültig, was mit ihr angestellt wird; sie hält sich an ihre Gesetze und erlaubt gerade dadurch, die verschiedensten Wirkungen in Kraft zu setzen oder auszuschalten. Die Kriterien für die Trennung entstammen vielmehr dem Interesse am profitablen Einsatz technischer Mittel für Unternehmer, die notwendige Kosten für ihre Produktionsanlagen und deren Funktionieren von lästigen Unkosten für die Berücksichtigung der Folgewirkungen auf die Umgebung und weitere Landschaft unterscheiden, die sie sich sparen. Es ist dann an den politischen Verwaltern des Wirtschaftswachstums, zu entscheiden, inwieweit sie sich für den Fortbestand der staatlichen Verhältnisse doch darum kümmern wollen, daß die Natur - wie ja auch die Arbeitskraft - durch die kapitalistische Nutzung in dem Maße angegriffen wird, wie sie als profitliches Produktionsmittel taugt.

Zweitens heben die ökologischen Bemühungen diese Trennung gar nicht auf, sondern gehen von ihr aus, indem die vernachlässigten Wirkungen als zusätzlich zu berücksichtigenden, konkurrierenden Gegenstand und Gesichtspunkt in die naturwissenschaftliche und technologische Forschung und Anwendung einbringen. Das Programm "Erhaltung der Natur" ist nämlich gar kein Plädoyer für einen planerischen Umgang mit der Natur, der sie als universelles Lebensmittel nutzt, umgestaltet und verbessert. Es repräsentiert vielmehr einen verselbstständigten Reparaturstandpunkt, der kritisch zum rücksichtslosen Umgang hinzutritt. Daß das kompensatorische Bemühen um die Pflege der beanspruchten Produktions- und Konsumtionsgrundlagen - früher als Neben- und Untergesichtspunkt in jeder Abteilung Technologie angesiedelt - den Charakter einer eigenen Wissenschaft mit dem Auftrag 'Erhaltung der Natur' angenommen hat, verdankt sich ja auch dem ungebrochenen fortdauerndem Erfolg unternehmerischer Naturbeherrschung und den immer universelleren Zerstörungen, die diese Erfolge mit sich bringen.

Diese Wissenschaft hinkt also logisch wie praktisch diesem Universalismus hinterher. Als Nachtrabwissenschaft bezieht sie sich auf die unliebsamen Ergebnisse angewandter Naturwissenschaft als ihren negativen Ausgangspunkt und macht sich dazu lauter Korrekturgedanken. Dabei kommt sie nicht nur praktisch immer zu spät, macht sich für die Vermeidung von Schäden stark, die längst eingetreten sind, fordert die Bewahrung von Verhältnissen, die immer schon umgekrempelt und zerstört sind - was der Wissenschaft eigentümlicherweise den Ruf eingebracht hat, besonders ehrenwert und gesellschaftsdienlich zu sein. Auch theoretisch hat ihr kompensatorischer Standpunkt seine Haken.

Einerseits sind ihre Untersuchungen nie so recht abzuschließen und ihre Ergebnisse nie vollständig - nicht deswegen, weil die Natur überhaupt unendlich, komplex und allzusammenhängend wäre, wie die ökologischen Systemtheoretiker behaupten. Vielmehr weil sie dem stattfindenden Umgang mit Feld, wald, Wiese, Boden, Luft und Wasser gerade das als Willkür vorwirft, was die Naturgegebenheiten erlauben und die herrschenden Produktionszwecke gebieten: die säuberliche Scheidung unmittelbar interessierender produktiver Wirkungen von weiteren für nebensächlich erklärten Umständen. So ist es an den ökologischen Forschern, alle vernachlässigten Wirkungszusammenhänge wieder und erstmalig einzubringen, nähere und fernere Wechselwirkungen geltend zu machen und die Berücksichtigung von allen zu fordern. Da ihre Untersuchungen, Entdeckungen und Vorschläge immer schon von den Verheerungen überholt werden, die der praktische Fortschritt der Zivilisation gerade wieder ins Werk setzt, bleibt für diesen Wissenschaftszweig immer mehr als genug zu untersuchen, entdecken und vorzuschlagen, was wieder nicht bedacht worden ist. Und so entschieden, wie sich einerseits darum nicht gekümmert wird, erklären sie es zum wesentlichen und eigentlich bestimmenden Gesichtspunkt. Sie haben deshalb das wissenschaftliche Anliegen, alle, aber auch wirklich alle Zusammenhänge zu bedenken, die eine Rolle spielen oder spielen könnten, so daß sie sich schließlich als Zusammenhangsfanatiker aufführen, denen jede festgestellte Beziehung nur als eine unter anderen gilt, die darüber nicht vergessen werden dürften.

Auf der anderen Seite zeichnet sich ihr Erhaltungsdenken durch eine ziemliche Willkür aus. Die Gesamtheitsfanatiker verstehen es lässig, bestimmte Zusammenhänge der angeblich unteilbaren Natur zu vernachlässigen und andere nicht. Auf welche Wirkungsgesetze sie sich jeweils kaprizieren, welchen Stücks der vielfältig beanspruchten Natur sie sich theoretisch und praktisch annehmen, wo sie etwas für unbedingt erhaltenswert ansehen und wo nicht, folgt ja aus den festgestellten Gesetzlichkeiten für sich ebensowenig wie aus dem abstrakten Standpunkt: 'Erhaltung tut not!', der nach dem 'Wofür eigentlich?' ebensowenig fragt wie nach den gesellschaftlichen Gründen. Angesichts der universellen Zerstörungenist jedes Trumm Natur von Haus aus ein Wert und eine zu bewahrende Sache. Deshalb kommt hier die Naturliebhaberei mit ihren zufälligen Launen ausgiebig zum Zuge; der eine nimmt sich eines Moores, der andere des Steinadlers, ein anderer des drohenden Klimaumschlags, wieder ein anderer der bröckelnden Alpenregion, noch einer des toten Rheins oder der Lebenszusammenhänge in der Tiefsee an.

Aber die Liste der Gegenstände ihrer Sorge zeigt auch schon, daß Ökologen noch in einem anderen Sinn willkürlich denken, in den Bahnen berufständischer Verantwortung nämlich. Je nachdem wie entschieden einer den Standpunkt der geschädigten Natur als gesellschaftliches Interesse festhält oder aber die wirtschaftlichen Ansprüche, die zu den beklagten Verhältnissen geführt haben, als auch berechtigte Anliegen einstuft, für die Natur erhalten und zur Verfügung gestellt werden soll, reicht das ökologische Streben vom Idealismus eines radikalen Naturfreundes bis zum Realismus eines kostenbewußten Umweltplanungsberaters, der die geltenden Maßstäbe für das Naturreparaturwesen selber mitreflektiert.

Die ökologische Verantwortung

Die wirklich geltenden Maßstäbe für die ökologischen Anstrengungen setzen - wie gesagt - erstens negativ die an Kapitalwachstum interessierten Unternehmer, indem sie alle für das unmittelbare Funktionieren der Produktion überflüssigen Kosten scheuen, also die Naturgegebenheiten als Reservoir ihrer profitlichen Unternehmungen betrachten, dessen Gebrauch sie für selbstverständlich halten und dessen zunehmende Unbrauchbarkeit als Lebensmittel sie nichts angeht. Zweitens der Staat, der ihnen dies erlaubt und sich anschließend der vernachässigten Konsequenzen für seine Naturgrundlage und ihre künftige Brauchbarkeit selber annimmt. Soweit und weil die 'Nebenwirkungen' längst Haupt- und Staatsaffären geworden sind, treibt er Umweltpolitik - mit Rücksicht auf die unternehmerische Freiheit und ihre Konkurrenzzwänge sowie auf seine eigene Kasse natürlich, so daß sich die Sorge um eine brauchbare Natur für das eigene und erst recht für andere Völker in entsprechenden Grenzen hält.

Wenn ihm die Ökologen als eigene naturwissenschaftliche Reparatur- und Pflegeabteilung zur Hand gehen, erleben sie das Schicksal aller dienstbaren Geister. Sie erforschen Möglichkeiten, liefern Modelle und machen lauter Vorschläge, wie man die Natur schonend behandeln oder auch gar nicht benutzen könnte, aus denen dann der staatliche Auftraggeber unter Abwägung aller entgegenstehenden Interessen die machbaren auswählt. So dienen Ökologen mit ihrem Wissen praktisch dazu, mit einiger staatlicher Vor-, Nach- und Entsorge den technischen Fortschritt am Laufen zu halten, der negativer Grund ihrer Anstrengungen ist. Dabei trifft sie das Pech, als nachgeordnete Unkostenwissenschaft lauter ungeliebte Notwendigkeiten anzumelden, also auch erst nach allen anderen Interessen an Wirtschaftsfortschritt, Reichtumsvermehrung und Staatsgewalt zu einem gewissen Recht zu kommen. Andererseits können sie auch wieder zufrieden sein über das zunehmende Gewicht, das der Fortschritt in der kapitalistischen Verwendung von Land und Leuten ihnen verleiht. So machen sie sich einerseits als Experten für die Festlegung tolerierbarer Schadensgrenzen und als Begutachter mehr oder weniger unbedenklicher Eingriffe nützlich; sie kontrollieren und kanalisieren Schadstoffemissionen; sie schlagen Alarnm oder entwarnen, beraten die Umweltgesetzgebung und lifern mit all dem einen Beweis nach dem anderen, daß der "Erhalt der Natur" ein kompensatorisches Staatsprogramm ist und zu allem anderen als zu brauchbaren Lebensgrundlagen für jedermann führt. Vom Zustand in der Fabrik, der Verfassung der Arbeitskräfte und ihrer Finanzen ganz abgesehen, die Ökologen ja nichts angehen.

Auf der anderen Seite machen sie sich für mehr staatliche Berücksichtigung stark. Sie erfinden ein "ökologisches Rechnungswesen", um ihr Anliegen in ein staatsgünstiges Licht zu setzen, entwerfen Modelle einer "mosaikartigen Landschaftsnutzung", die alle entgegenstehenden Interessen umweltverträglich zu befriedigen verspricht, und ersinnen wohl auch Vorschläge für alternative Techniken, von denen dann wieder das, was sich lohnt, in unternehmerische Hand genommen wird. Am Ende sind auch kritische Umweltapostel glücklich und halten das Umweltbewußtsein für ziemlich in Ordnung, wenn wieder eine Wiese unter Naturschutz gestellt, in einer Neubausiedlung routinemäßig ein Teich gebuddelt und Feuchtbiotop genannt wird und in manchen Vorgärten Nachahmung findet. Überhaupt liegt ihr bedeutendster praktischer Erfolg in ihren Beiträgen zur Umgangssprache. Ab sofort gilt eine feuchte Liegewiese als Mückenschutzgebiet, Eisenbahnböschungen sind Reservate seltener Unkräuter, und auch die Bundeswehr weist die Panzerfahrer an, beim Scharfschießen Vogelnistplätze zu meiden. Damit ist freilich das Feld technologischer Hilfestellung und wissenschaftlicher Beratung der Politik bei ihrer Umweltpolitik verlassen und der Übergang in die zweite hochgeschätzet Abteilung der Ökologie gemacht: Die Konstruktion einer neuen "Naturwissenschaft" aus dem Geiste des ökologischen Staatsinteresses und die ideologische Betreuung der Menschheit mit ihren Ergebnissen und Folgerungen.

Die ökologische Wissenschaft - systematische Naturverherrlichung

In dem Kreis anerkannter Weltanschauungen reiht sich die Ökolo-

gie dadurch ein, daß sie aus ihrem Berufsstandpunkt ein Erklärungsmuster für die Probleme, mit denen sie betraut ist, und für die Gesellschaft überhaupt macht. Sie verbucht die kapitalistische Benutzung der Natur als Rücksichtslosigkeit und die Natur als Opfer. Die Kritik lautet von da an. Unterlassung hinsichtlich der Natur der Natur. Vergessen sind ökonomische Berechnungen und Gründe, beklagt wird die Mißachtung ökologischer Gedankengänge und Einstellungen. Ihren Auftrag verabsolutieren Ökologen damit zu einer theoretischen Leitlinie, an der sich die herkömmliche "instrumentelle" Wissenschaft blamiert; diese hat das Eigentliche ("Qualität") in Abstraktionen, denen der ökologische Sinn fehlt, verschwinden lassen - und so den Ruin der Natur herbeigeführt:

"Der Anspruch, es ließen sich auch bei ihr (der Biologie) alle Qualitäten auflösen, zeugt von Unverständnis biologischen Denkens. Gerade diese falsche Einstellung führt zur Ausbeutung und Zerstörung der Natur." (II,5)

Umgekehrt machen sie aus dem von ihnen repräsentierten gesellschaftlichen Interesse eine Naturgesetzlichkeit, interpretieren alle naturwissenschaftlichen Kenntnisse entsprechend um und konstruieren auf diese Weise einen neuen "Begriff" der Natur; lauter Gesetzmäßigkeiten, in denen die Natur als Subjekt der in ihr herrschenden Wirkungsverhältnisse auftritt und mit jeder dieser Gesetzmäßigkeiten zur Vorsicht im Umgang mit ihr verpflichtet. Durch die Ausgestaltung dieses positiven Gegenbilds tritt die Ökologie als eine neue und umfassende Grundlagenwissenschaft auf, die einerseits überall dieselben einfachen Grundsätze der Natur am Wirken sieht, in deren Umkreis andererseits die disparatesten Untersuchungsgegenstände aus allen Bereichen der Naturwissenschaften fallen. Das ökologische System leidet freilich an dem Mangel jeder Naturphilosophie, die sich auf naturwissenschaftliche Ergebnisse beruft: Es widerspricht der eigenen Berufungsinstanz.

Die Natur - ein durch und durch zweckmäßiges System

Für Ökologen ist es mit der Notwendigkeit, welche in den Naturgesetzen herrscht, nicht getan. Sie postulieren eine Notwendigkeit auch für das Material, das die Natur bereithält und leugnen damit die Zufälligkeit der naturgesetzlich zustandegekommenen Ergebnisse. Die Wirkungen von Ursachen gelten ihnen als Resultate einer wohldefinierten Zweckmäßigkeit. Sie vertreten die teleologische Auffassung, Natur sie ein einziger großer Zusammenhang, und machen damit ihre Willkür bei der Sammlung von Einflüssen und Abhängigkeiten zur methodischen Vorschrift, nichts Bestimmtes mehr auseinanderzuhalten:

"Es wird eine der wichtigsten Aufgaben für die Ökologen der Zukunft sein, der Gesamtschau, dem holistischen Ansatz, zu gleicher Bedeutung zu verhelfen wie dem Reduktionismus, der sich wohl bewährt hat, aber keineswegs alle Probleme löst." (I,15)

So lässig kann man sich als Abteilung der Biologie etablieren und ihre Ergebnisse für zumindest beschränkt erklären. Dabei haben Biologen über ihren Gegenstand, die verschiedenen Formen des organischen Lebens und die vielfältigen Verhältnisse, in denen sie die Funktionen ihres jeweiligen Lebensprozesses ausüben, so ziemlich alles Wesentliche ausgekundschaftet - und keineswegs unter Absehung vom "Ganzen". Zum Beispiel, daß für diese Prozesse anorganische Gegebenheiten wie etwa das Klima, aber auch die Lebewesen selbst als äußere Bedingung ihrer Existenz wirken und fördernden, hemmenden oder auch gar keinen Einfluß nehmen, so daß sich das Gesamtbild der gerade betrachteten Landschaft als das Zusammenwirken der vielen äußeren Notwendigkeiten ergibt. Inzwischen weiß man auch längst, daß die jeweiligen Konstellationen des Lebendigen und seiner Bedingungen äußeren Einflüssen und katastrophenähnlichen oder allmählichen Veränderungen nach den Gesetzen von Wirkung und Wechselwirkung zu verdanken sind. Und es ist gerade die Qualität des Zufälligen an diesem Resultat, das die gesonderte Betrachtung von Wald, Wiese, Tümpel usw. erforderlich macht.

Diesen Charakter bestreiten Ökologen aber, wenn sie ihre Wissenschaft als "Lehre vom Haushalt der Natur, die alle gegenseitigen Beziehungen der Organismen und zu ihrer Umwelt einschließt", einführen und ihre Gegenstände als "Ökosysteme" bestimmen wollen:

"Diese stellen in ihren größten Einheiten eigentlich nichts anderes dar als Landschaftstypen; nur hatte man früher etwas Wesentliches, deren Systemcharakter, nicht erkannt." (II,3)

Wenn das "Wesentliche" einer Landschaft darin bestehen soll, daß sie ein "Komplex von Komponenten ist, die in gesetzmäßigen Beziehungen zueinander stehen", dann abstrahiert man bei der Erklärung gerade von den bestimmten Lebensfunktionen, den geographischen und klimatischen Gegebenheiten etc., und postuliert statt dessen ein Prinzip: Nicht, wie die verschiedenen Seiten wirken, sondern daß sich der Naturzusammenhang durch Funktionalität auszeichnet, ist die Auskunft; und daß jedes Tier und sonstige Naturinventar seine höhere Bestimmung darin hat, zu einem Gesamtzusammenhang beizutragen.

Eine solche Betrachtungsweise tilgt auf der einen Seite jede vernünftige Unterscheidung - "Die Welt ist aus Systemen aufgebaut" -, um sie dann auf vollkommen begriffslose Weise wieder einzuführen:

"Als ökologische Systeme bezeichnet man alle jene, die über das Niveau eines einzelnen Organismus hinausgehen." (II)

Die Ökologen wollen also im Prinzip das Neben- und Miteinander organischer und anorganischer Natur, das Ensemble von Wasser und Stein, Baum und Strauch, Fisch und Vogel als einen Organismus denken, bloß eben noch viel komplizierter, umfassender als das Tier. So sollen sich z.B. Tier und Landschaft - als "biologische Systeme" gleichgesetzt - folgendermaßen unterscheiden:

"Organismische Ordnung... Die Funktion des Ganzen entsteht durch Koordination der Teile. Alle Vorgänge dienen der Erhaltung des Gesamtsystems... Ökologische Ordnung... Die Funktion des Ganzen ist durch Kompensierung der Kräfte möglich..." (II,3f)

Dem blinden Neben- und Durcheinander von Notwendigkeit und Zufall bescheinigt hier die Ökologie, irgendwie dem abstrakten Begriff des Organismus zu entsprechen, der sich unwillkürlich als ein lebendiges Ganzes aufführt und erhält.

Energiefluß und Stoffkreislauf - Gleichgewicht dank sparsamer Haushaltsführung bei knappen Mitteln

Um der Vorstellung einer zweckmäßigen Ordnung, in der alle Teile aufgehen, den entsprechenden Inhalt zu geben - die Bestimmung nämlich, getrennt von den verschiedenen Formen und Beziehungen seinen Bestand zu sichern -, haben sich die Ökologen physikalische und chemische Vorgänge zwischen belebter und unbelebter Natur entsprechend zurechtgelegt. "Energiefluß" und "Stoffkreislauf" heißen dafür die "beiden großen Prinzipien in der allgemeinen Ökologie".

"Lebewesen sind komplex aufgebaut, hochgradig 'geordnete' Systeme, in denen Energie gespeichert ist." (IV,133)

Ökologen beherrschen es, von den Eigentümlichkeiten des Aufbaus organischer und anorganischer Substanzen mit Hilfe von Sonnenstrahlungsenergie sowie von den Besonderheiten des Stoffwechsels höherer Lebewesen gerade abzusehen, also auch den funktionellen Zusammenhang, der zwischen beidem wirklich besteht, zu vernachlässigen. Man wäre geneigt, am Ende jedes Lebewesen mit einer Autobatterie zu verwechseln, würden die ökologischen Systemtheoretiker nicht laufend klarstellen, daß sie ihre Ordnungsvorstellungen noch eine Spur abstrakter meinen. Der eine setzt - die Veranschaulichung thermodynamischer Gesetze mit Systemvorstellung en hat da einige Vorarbeit geleistet - die Energieumwandlung mit 'Informationen' und 'Ordnungszuständen' gleich und bietet allen Ernstes mathematische Umrechnungsverfahren an. Der andere sieht in Energie "letztlich die 'Grundwährung' der Ökosysteme" und bemüht betriebswirtschaftliche Rechnungsweisen, um die Ordnungsweise im Natursystem vorstellig zu machen:

"Alle Vorgänge lassen sich in Energiekosten oder 'Energieeinheiten' ausdrücken." (I,64)

Daß man das lieber auch lassen könnte, kommt Ökologen nicht in den Sinn.

Statt dessen komplettieren sie die natürliche Buchführung durch einen weiteren Posten, den Stoffkreislauf. In den Besonderheiten von Fauna und Flora erblickt das Auge des Ökologen eine Welt von Stoffen, deren hauptsächliche Bestimmung es sein soll, vorhanden zu sein und zu bleiben und damit ein existenzielles Problem zu lösen:

"Da alle diese Elemente (und viele andere lebensnotwendige) nur in endlichen Mengen zur Verfügung stehen, müssen sie in einem Stoffkreislauf immer wieder umgesetzt werden." (VI,83)

"Kreisläufe - die ewigen Erneuerer." (IV,85)

Jeden Stoffwechsel im Organismus und Stoffaustausch mit der Umwelt überhöht der ökologische Kreislaufgedanke durch ein falsches "damit", das aus dem Vorhandensein der Naturstoffe folgen soll. Das muß man nur als Mangel deuten - nach dem Muster: Weil Stoffe in bestimmter Menge vorhanden sind, sind nicht mehr da, also herrscht Knappheit -, und schon eröffnet sich ein weiterer teleologischer Gedankengang: Würden die Naturstoffe nicht erhalten, sondern aufgezehrt, hörte die Natur früher oder später auf zu existieren. Da es sie aber gibt, muß Existenzerhaltung ihr Zweck sein, was man auch daraus ersehen kann, daß kein lebewesen seiner Existenzbedingungen entbehrt; es labt ja nur, was leben kann. Nach der Logik der Knappheit zeichnet sich daher Natur durch die Vorzüge aus, die angeblich einem guten Betrieb zukommen:

"Die Natur arbeitet mit dem Leben nach dem Sparsamkeitsprinzip, wonach dasselbe Material mehrmals zum Aufbau von Lebewesen gebraucht wird." (V,21)

"Es wird also 'restlos' alles wiederverwendet, findet ein Wiedereingehen in den Zyklus (ein recycling) statt." (VI,84)

Nicht nur, daß alles Vorhandene für seine Erhaltung stets nötig ist, sondern auch, daß alles Nötige stets vorhanden ist, soll man tautologisch als weise Einrichtung der Natur festhalten. Das passende Gedankenbild dieses wohlgeordneten Naturhaushalts ist die ökologische Theorie vom "Gleichgewicht":

"Der natürliche Stoffkreislauf in einem Ökosystem ist ausgeglichen, so daß es zur Ausbildung eines sogenannten dynamischen Gleichgewichts oder Fließgleichgewichts kommt." (VI,84)

Genauso gerne verlegen sich Ökologen aber auch auf das ökonomische Bild einer Bilanz, bei der sich Einnahmen und Ausgaben decken müssen, so daß Ökologie auch umstandslos in Vulgärökonomie umschlagen kann:

"Haushalt ist zu verstehen im Sinne von 'haushaltten', d.h. Einnahme-Ausgabe-Vergleichen. Eine Bilanz, wie wir uns leicht am Beispiel von Geldbewegungen auf dem Bankkonto klar machen können, für einen bestimmten, mehr oder weniger langen Zeitraum ausgeglichen, positiv (Haben) oder negativ (Soll). Die Umsatzraten sind insgesamt weniger entscheidend als eben die sich aus ihnen ergebenden Bilanzen... geringe Ausgaben unter Umständen tödlich, wenn ihnen keine Einnahmen gegenüberstehen." (III,71)

Man begreift, welches Kunststück die Natur vollbringt, wenn sie ihre Bilanz naturnotwendig im Prinzip immer ausgeglichen hält, nur die Energie umwandelt, die sie sich zuführt, und die Stoffe umsetzt, die in ihr vorhanden sind! Was früher einmal "Schöpfungsplan" hieß - im ökologischen Bild vom Haushalt der Natur hat es seine säkularisierte Neufassung. Heute heißt es nicht mehr: "Und der Herr sprach, es ist gut", sondern streng funktionalistisch: systematische Selbsterhaltung der Natur mit knapp bemessenen Mitteln.

Fressen & Gefressenwerden - systemgerechte Verhaltensharmonie

Von einer kreislaufgerechten Deutung bleiben auch die Erkenntnisse der Biologie über die Besonderheiten innerhalb der Tierwelt nicht verschont. Vor allem Darwins Entdeckung über die Entstehung der Arten stellt eine doppelte Herausforderung an das ökologische Modell einer harmonisch in sich ruhenden Natur dar. Erstens wegen ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse, die so gar nicht zur Vorstellung von den Lebens- und Überlebensstrategien der Natur passen. Die "Konkurrenz", in der sich Lebewesen bezogen auf die jeweiligen Nahrungsquellen und andere Naturbedingungen befinden, charakterisiert ja die gleichgültige Stellung, die Organismen zueinander einnehmen und durch die sie sich wechselseitig zum Mittel, aber auch zur Schranke ihrer Lebensfunktionen, z.B. ihrer Vermehrung werden.

Die ökologische Kritik bezieht sich deshalb auch gleich auf die verkehrte Übersetzung, die Darwins Theorie gefunden hat: Die Übersetzung in einen "Kampf ums Dasein", in dem "das Recht des Stärkeren" triumphiert. Daran stört einen Naturhaushaltsexperten freilich nicht die teleologische Umdeutung der Verhältnisse im Tierreich oder die propagandistische Übertragung auf politische Konkurrenzverhältnisse an sich, sondern allein die Richtung der moralischen Botschaft:

"Dieses Prinzip darf jedoch nicht so verstanden werden, daß in der Natur ein Kampf aller gegen alle herrscht. Vielmehr begünstigt die Selektion ein sich möglichst weitgehendes 'Aus dem Wege gehen' der verschiedenen Organismen. Dadurch findet jede Art ihr besonderes Wirkungsfeld in einem bestimmten Ordnungssystem." (II,3)

Ökologen stehen radikal auf dem Standpunkt eines sinnvoll organisierten Ganzen und stellen daher dem Bild vom Kampf der Lebewesen das Bild ihres gelungenen Zusammenlebens zur Seite. Dabei soll der positive Inhalt der geglückten Naturstrategie, die in der Theorie von den "ökologischen Nischen" vorstellig gemacht wird, ausgerechnet in der gelungenen Vermeidung von "Disharmonie" liegen. So wird aus der Tatsache, daß drei verschiedene Vogelarten, womöglich gemeinsamen Ursprungs, auf einem Baum sitzen, ein "geglücktes ökologisches Experiment":

"Ein ökologischer Sonderweg und damit Konkurrenzvermeidung ist demnach dadurch möglich, daß verschiedene Arten unterschiedliche Elemente eines Lebensraumes nutzen." (VI,36)

"Die Bildung unterschiedlicher ökologischer Nischen...ermöglicht die Koexistenz vieler Arten im gleichen Biotop." (VI,39)

- und das soll wieder äußerst zweckmäßig für das System als Ganzes sein, weil es sich so als Ganzes erhält...

Der blinde Mechanismus der Artenentwicklung und -verteilung erscheint in ökologischer Sicht als ein Konkurrenzmechanismus, der auf seine eigene Vermeidung hinwirkt. Als "ökologische Sonderung" bekommt so auch noch der Evolutionsmechanismus die "Leistung" zugesprochen, allem Vorhandenen unter den Knappheitsbedingungen seinen Platz zu sichern. Das Gehacke der Arten auf- und gegeneinander hat sich damit ebenfalls aufgelöst in einen nützlichen Beitrag zur friedlichen Koexistenz im Biotop, in dem alles zueinanderpaßt und ineinandergreift - und deswegen auch unverzichtbar ist. Kein Wunder, daß die Mentalität des Tierfilms, der liebevoll die bunte Vielfalt der Natur dem staunenden Betrachter vorführt, im Reich der Ökologie fröhliche Urständ feiert; daß Wissenschaftler allen Ernstes die Symbiose zum Urbild "ökologischer Moral" machen und als Vorbild von Hilfsbereitschaft empfehlen (III,174) und andererseits Tiere zu wahren Lebenskünstlern erklären:

"Wieso kümnmern sich diese Egoisten" (die Rede ist von der Symbiose zwischen Ameise und Blattlaus) "um fremde Interessen, ohne daß man ihnen Edelmut oder Angst vor Strafe unterstellen kann? ... Kooperation, das zeigen die Computer-Simulationen wie auch die Beobachtungen der NAtur, ist Teil einer erfolgreichen Überlebensstrategie, die auch egosistische Geschöpfe übernehmen müssen. Ameisen und Blattläuse jedenfalls haben ihre Lektion perfekt gelernt... Großen Nutzen aus der Überlegenheit anderer zu ziehen, ist also eine selbstzerstörerische Tat." (VII,12ff.)

Die allwaltende Vernunft der Überlebensstrategien, derer sich die natur und ihr Inventar bedienen sollen, hat den Schöpfer in den Hintergrund gerückt, dem Gedanken vom Kosmos, in dem jedes Teilchen im Ganzen aufgeht und ein Abbild des ganzen ist, aber um so mehr wissenschaftliche Reputation verliehen.

Ökosystem Mensch - eine einzige Störung des Naturhaushalts

Zu guter Letzt ordnen die modernen Naturökonomen auch noch den Umgang der kapitalistischen Gesellschaft mit ihren Produktionsbedingungen in das Modell eines in sich ruhenden Naturzusammenhangs ein, als eine besondere Sorte Naturverhältnis und Teil des funktionierenden Naturautomatismus:

"So ist den meisten von uns kaum bewußt, wie sehr wir immer noch ein Teil der natürlichen Umwelt sind - ein Teil, der sich zwar von seinem ursprünglichen Platz entfernt hat, aber dennoch nur innerhalb ihres Gefüges leben kann." (IV,14)

Damit ist die (gar nicht so) neuartige Auskunft der Ökologie über die Krone der Schöpfung im Grunde auch schon erschöpft. Die kapitalistische Produktion mit ihrer technologischen Beherrschung der Natur, Armut und Reichtum, die politischen Machtverhältnisse und ihr Wirken - alles löst sich auf in ein natürliches Haushaltssystem. Darin wirkt "der Mensch" - wie die Abstraktion von allen, den Menschen gerade auszeichnenden, Bestimmungen heißt - mit "seiner Umwelt" - so heißen die Lebensumstände in natürliche Zwangsverhältnisse verwandelt - im Prinzip genauso zusammen wie andere Ökosysteme der Natur, eigentlich jedenfalls. Eine Besonderheit stellt sich nämlich automatisch ein, wenn man alles gesellschaftliche Treiben nur von seiner Naturseite her und als ein von ihr definiertes eigenes Ökosystem, die "Noosphäre", auffaßt und an den systembiologischen Erfindungen über deren Selbsterhaltungsmechanismen mißt: Die Menschen halten sich nicht an sie, obwohl sie müßten. Der Mensch gehört als Teil der Natur zu ihr, paßt aber nie, weil er sich über sie erhebt.

Erstens hält sich kein Mensch an die "ökologische Nische des Menschen", in der er sich neben den vielen anderen Arten und Ökosystemen eingenistet haben soll. Das spricht natürlich nicht für die W e l t f r e m d h e i t der Vorstellung, die Welt bestünde eigentlich aus lauter unberührter organischer Natur, sondern gibt den ökologischen Maßstab ab, der allen Ernstes an die umfassend vergesellschaftete Natur angelegt wird und dafür spricht, daß der Mensch sich gefälligst als das Element im Naturganzen auffassen soll, das er eigentlich ist.

Zweitens hat das "Übergipfelraubtier ohne natürliche Feinde" ziemlich eigentümliche Arterhaltungsgesetze, die schon wieder nicht so recht zu den sinnreichen natürlichen Regelkreislaufautomatismen passen, obwohl Ökologen steif und fest versichern, daß "der Mensch gerade in seiner Populationsdynamik keineswegs unter anderen Naturgesetzen" (II,124) stehe. Einerseits hat er zwar zur Populationsbegrenzung - alles ist bekanntlich knapp! - eine originelle Variante des "Kampfs ums Dasein" erfunden, den Krieg:

"Bei den Tieren hatten wir als ein zuweilen wirksames begrenzungsprinzip den Kannibalismus kennengelernt. Kriege sind biologisch gesehen nichts anderes." (II,125)

Andererseits stimmt das auch wieder nachdenklich:

"Auf der anderen Seite hat der Mensch in seiner ganzen Kulturgeschichte seinesgleichen umgebracht, ja sogar massenhaft vernichtet - ein Verhalten, das bei höheren Tieren auch im stärksten Konkurrenzkampf nicht zu beobachten ist." (II,236)

Am Ende klagen Ökologen dann darüber bzw. die Menschheit an, daß bei ihr der Automatismus der Populationsgesetze gerade nicht vorhanden ist, weshalb sie sich unbedingt so verhalten soll, als gäbe es ihn, damit das wider-natürliche Bevölkerungswachstum aufhört.

Drittens bringt der Mensch Unordnung in die naturnotwendig ausgeglichenen Kreisläufe. Daß die Energiequellen nach Kostengesichtspunkten der Geschäftswelt und nationalen Berechnungen erschlossen und verbraucht werden, stellt sich als un-natürlicher, problematischer Energiefluß heraus:

"In natürlichen Ökosystemen ist die Energiebilanz ausgeglichen oder sogar positiv. Die 'künstlichen Ökosysteme' der Industriegesellschaft dagegen haben eine negative Energiebilanz... Diese Energiequellen werden dabei verbraucht." (VI,94)

Und daß die kapitalistische Gewinn- und Verlustrechnung dank staatlicher Unterstützung allerlei Schädliches (mit)produziert und sich billig davon entsorgt, ist recht besehen ein negativer Sonderfall des ewigen Energie-Stoffkreislaufs:

"... betrachten die Umweltverschmutzung in allgemeiner Form als thermodynamischen Prozeß, der als Nebenprodukt der Energieumsetzungen und der Nutzung der Stoffe als 'Unordnung' schaffender Vorgang aufzufassen ist. So gesehen vermindert die beim Produktionsprozeß auftretende Verschmutzung die Positivbilanz." (I,93)

So kann man den Ruin von tauglichen Lebensumständen und Gesundheit auch auffassen: Eine unnötige Beeinträchtigung der Leistungsbilanz der Natur. Dann erschließen sich auch ganz zwanglos Imperialismus, Ost-West-Gegensatz, Waffen und manches andere als Verbrechen an der Natur, wenn man nämlich z.B. "bedenkt, welchen Energieverschleiß die ideologischen Zwiste der Weltmächte untereinander und zur Dritten Welt bedeuten". (III,143) Genauso wie ein zur Arbeit fahrender Prolet natürlich!

Viertens stellt alles Produzieren und Konsumieren, verglichen mit dem selbstgenügsamen Haushalten von Mutter Natur, ein generelles ökologisches Dilemma dar, nämlich eine Abkehr von dem, was Natur von alleine hergibt. Der Mensch ist

"notwendig auf unreife Ökosysteme angewiesen, die eine hohe Produktion aufweisen und somit hohe Erträge abwerfen. Sich selbst überlassen müßten solche Sukzessionsvorgänge bald wieder in die Klimax übergehen. Natürliche Ökosysteme werden so in lebensdienliche, künstliche umgewandelt, die oft schlechter an ihre Umwelt angepaßt sind." (IV,65f.)

Jede landwirtschaftliche Nutzung der Natur - von der industriellen ganz zu schweigen - produziert also systemnotwendige Probleme; deswegen kleidet der Ökologe seine Warnung in die Frage, ob es

"überhaupt ein bewirtschaftetes Ökosystem (gibt), das seine Umwelt nicht belastet?" (IV,72)

Die Tendenz heißt natürlich Nein. Ökologen entdecken schon in den finstersten Zeiten naturverhafteten Jäger- und Sammlerdaseins den Keim des ökologischen Frevels. Wieviel mehr heutzutage, wo wirklich alle naturreserven erschlossen werden, kein Stück Natur unberührt bleibt, noch das hinterletzte Urwaldreservat und erst recht die Wälder, Felder und Städte zivilisierter Breiten ihre Existenz und ihr Aussehen allein den Gesetzen des Kapitalkreislaufs, des Weltmarkts, der gewaltsamen Staatenkonkurrenz verdanken.

Der "Umwelt"-Gedanke - ein politisches Bescheidenheitsprogramm

Das ökologische Gedankengebäude endet also bei dem Dogma, "der Mensch" sei "als destruktiver ökologischer Faktor" (III,186) aufzufassen. Damit folgt aus der Naturphilosophie ganz zwanglos die Zivilisationskritik, die ökologisches Gedankengut so beliebt gemacht hat: Daß "die Menschheit" an "die Grenzen des Wachstums" gestoßen sei und in die "Ökokatastrophe" zu schliddern drohe - wenn sie sich nicht darauf besinne, daß auch sie den Gesetzen der Natur unterworfen sei. Es macht den Witz dieser Pseudowissenschaft aus, daß sie die ökonomischen Knappheits- und Haushaltsvorstellungen, die sie erst der Natur angedichtet hat, am Ende wieder auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zurücküberträgt und mit dem ganzen wissenschaftlichen Material über den unerfreulichen Zustand der natürlichen Grundlagen allen Handels und Wandels bebildert.

Die angeblichen Gesetze der Selbsterhaltung der Natur bewähren sich in dieser immer weiter ausufernden und viel Umweltpapier verschlingenden weltanschaulichen Modeabteilung der Ökologie als eherne Notwendigkeiten einer 'natürlichen' Lebensgestaltung unter allumfassenden Knappheitsbedingungen. Ausgerechnet an eingebildeten Bestimmungen über die Natur, mit der die Menschheit längst instrumentell verfährt - umfassend ruinieren kann man schließlich nur, was man umfassend beherrscht -, soll sie sich ein Maß nehmen, sich also von den Mitteln bestimmen lassen, derer sie sich gemäß den herrschenden gesellschaftlichen Interessen bedient. Die Konstruktionen über die Natur verwandeln sich in lauter Postulate, moralische Gebote, an denen sich jeder gesellschaftliche Umgang blamiert.

Der "Umwelt"-Gedanke, der das Gerede vom technischen Fortschritt, der 'uns allen' zugute kommt, abgelöst hat, macht mitten im florierenden Kapitalismus, der alle Naturgegebenheiten für das Kapitalwachstum einspannt, Arbeitskräfte dafür vernutzt und die Mehrheit vom reichtum ausschließt, eine Theorie naturgegebener Armut auf, die eine gesellschaftliche Handlungsmaxime darstellen soll: Auf Wachstum verzichten und das Überleben sichern! So sprechen moderne Staatsagitatoren dem Individuum ein Recht auf seine Bedürfnisse zu und fordern mit dem Hinweis auf die begrenzten Mittel von ihm zugleich, zu seinem eigenen Besten Zurückhaltung und Bescheidenheit zu üben. In den behaupteten Naturprinzipien Sparsamkeit, Ausgleich, Haushalten formulieren sie nur die Umkehrung der altbekannten Vorwürfe an den modernen Bürger, die sie zu guter Letzt auch wieder explizit anführen - als Gründe für die beklagten Sünden an natürlichen Harmonieverhältnissen: Verschwendungssucht, Anspruchsdenken, Verantwortungslosigkeit gegenüber dem großen Ganzen. Wie immer, wenn für eine 'natürliche' Lebens- und Denkweise gepredigt wird, ist mit der Menschheitsumkehr auch diesmal das Allernatürlichste gefordert - freiwilliger Verzicht, Unterordnung unter gültige Beschränkungen und aktive Sorge für den Staats-Fortbestand. Die gekonnte Verwechslung der Gattung Mensch mit der politischen Abstraktion 'wir alle', der Staatsverhältnisse mit Naturgegebenheiten, des ökonomischen Zwangs mit einer falschen Einstellung zu objektiven Gegebenheiten verleiht der staatsbürgerlichen Verantwortungspropaganda den Charakter eines jenseits aller wirtschaftlichen und staatlichen Interessen liegenden, vorgesellschaftlichen Notwendigkeit.

Genau in dieser Abstraktheit taugt das ökologische Gedankengut als Begleitideologie der staatlichen Aufsicht über sämtliche Lebensverhältnisse, deren Anwälte Ökologen sein wollen; übersetzt diese Ökologie doch nur den staatlichen Anspruch in eine Forderung des verantwortlichen Bürgers an sich selbst. Die angesprochene Menschheit braucht dabei gar nichts von den biologischen Gesetzmäßigkeiten zu wissen, mit denen Ökologen ihr erzieherisches Wirken anreichern und beglaubigen. Was wieder mal gerade in irgendeinem Stoffkreislauf angereichert wird, erfährt jeder aus den aktuellen Schadensmeldungen; den Energiefluß aus der Steckdose bezahlt er; und für die verantwortliche Einstellung reicht der Grundgedanke vom ökologischen Sündenfall aus: daß alles knapp und der Mensch ein Verschwender ist, der sich selbst beschränken muß.

Während Ökologen ihre düsteren Zukunftsvisionen ausmalen und alle Gegebenheiten bis zur Weltkatastrophe im 21. Jahrhundert hochrechnen und ein generelles Umdenken predigen, machen die laufenden 'Umweltskandale' die Bevölkerung nicht unduldsamer, sondern abgebrühter; der Umweltgedanke ist politisches Programmgut für jedermann und damit offiziell wählbar geworden; unter der Aufsicht der so gewählten Politiker geht das Kapitalwachstum seinen Gang; und das Recht auf eine lebenswerte Umwelt sowie das ökologisch gebildete Umweltbewußtsein toben sich derweil in Gesundheits- und Antiraucherkampagnen aus. So ist der Fanatismus einer "ökologischen Moral", den diese Ersatzreligion schürt, durch und durch funktional.

Literatur:

I Odum/Reichholf: Ökologie, München 1980

II W. Tischler: Einführung in die Ökologie, Stuttgart 1984

III K. H. Kreeb: Ökologie und menschliche Umwelt, Stuttgart 1979

IV F. Klötzli: Einführung in die Ökologie, Stuttgart 1976

V B. Stugren: Grundlagen der allgemeinen Ökologie, Stuttgart 1986

VI G. Osche: Ökologie, Freiburg 1981

VII F. Kurt: Das Management von Mutter Natur. Eine Einführung in die Ökologie, München 1985