Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1981 erschienen.

Vorkriegswirtschaft
"STOCKUNGSPHASE"

nennt der Sachverständigenrat die gegenwärtige Wirtschaftslage, oder umgekehrt: Man könne nicht von einer "zyklischen Schwäche" reden. Und wenn man bedenkt, daß diese Phase schon vor über einem Jahr eingesetzt hat und "bis tief ins nächste Jahr hinein" oder bis 1983 dauern soll, dann "stockt" die deutsche Wirtschaft, ja die gesamte Weltwirtschaft also 2 Jahre lang oder gar mehr. Das ist schon merkwürdig. Da erzählt man uns seit seinen Anfängen, daß der Kapitalismus quasi automatisch Wachstum produziere(n müsse) - na ja, ein bißchen Auf und Ab aufgrund ungünstiger "außerökonomischer" Einflüsse, insbesondere ungeschickten Staatshandelns, eingerechnet -, und jetzt soll er sich festgefressen haben. Wo bleiben die noch bei der letzten Krise so beliebten Beschwörungen vom "Ende des Kapitalismus"?

Sie stellen sich deswegen nicht ein, weil die, bei denen angeblich alles stockt, sich entschieden weigern, in Jammern und Wehklagen auszubrechen - na ja, das übliche Kapitalistengezänk über "untragbare Lohnkosten" und "unverantwortliche Gewerkschaftspolitik" eingerechnet. Daneben und darüber hinaus versichern sie jedoch entschieden, die Zähne zusammenbeißen zu wollen, fordern den Staat gar auf, seine Subventionsprogramme zusammenzustreichen - sicher: erst einmal bei den anderen, natürlich; und ein paar neue Subventionen zentralen volkswirtschaftlichen Charakters sollten schon sein: Stahl, AEG, Werften, Mittelstand... - und lassen praktische Beweise folgen: "Die Investitionsneigung ist ungebrochen."

Wieder merkwürdig. Denkt man sich doch, daß bei "Stockung" erst einmal Investitionen zurückgenommen werden und die Kapitalisten vorsichtig sind, wenn sie ihr "Risikokapital" aufs Spiel setzen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie übertrumpfen sich gegenseitig im Anlegen von Milliarden und offensichtlich rechnet der am ersten mit profitlichem Rückfluß, der jetzt am meisten auszugeben imstande ist:

"Zum anderen sei es in den vergangenen Jahren zunehmend zu Umstellungen auf neue Produktionsprozesse und Produkte gekommen. Dies stelle ein kräftiges Investitionsmotiv dar. Nach einer Untersuchung des IFO-Instituts vom Frühjahr 1981 sei die Einführung neuer Produktions- und Verfahrenstechniken von fast der Hälfte der Unternehmen als vorrangiges Investitionsziel bezeichnet worden, während dieser Anteil Mitte der 70er Jahre bei 40% und Ende der 60er Jahre noch unter 30% gelegen habe. Derartige Investitionsprojekte... würden daher erfahrungsgemäß von einer 'Eintrübung des Konjunkturbildes' weniger betroffen als Kapazitätserweiterungen der traditionellen Art. Letztere hätten neuerdings an Gewicht verloren." (Süddeutsche Zeitung, 20.10.81)

Ein erster Grund für diese rege Investitionstätigkeit liegt in den staatlich gesetzten "Parametern": Hohe Zinsen und Inflationsraten, die, einmal als dauerhaft akzeptiert, die Kapitalisten nicht etwa dazu bewegen, den ganzen Krempel hinzuschmeißen und ihr Geld in hochverzinsliche Staatspapiere zu stecken (das machen sie selbstverständlich auch!), sondern ihnen schlichte betriebswirtschaftliche Überlegungen hinsichtlich der "Modernisierung" ihrer Produktion, Rationalisierung, aufdrängen (vgl. MSZ 2/81, Deutsche Wirtschaftspolitik in Vorkriegszeiten). Das hat freilich ein paar Konsequenzen:

- Aufgrund des Rückgangs der Investitionen "traditioneller Art" - "Kapazitätserweiterungen", denen zwar Beseitigung von Arbeitsplätzen vorausgeht, die dann aber im Zuge der gelingenden neuen Rentabilität neue Arbeitskraft attrahieren - und aufgrund der Zunahme der Investitionen "moderner Art" wächst das Arbeitslosenheer unablässig. Die Prognosen der Politiker, Wirtschaftsinstitute und Gewerkschaften treffen mit unschöner Regelmäßigkeit zu, was darum keine Kunst ist, da die Resultate staatlicher Eingriffe ja sehr genau abzusehen, weil geplant sind. - Die Pleiten häufen sich, und zwar mit Steigerungsraten, die der Nachkriegskapitalismus noch nicht kannte.

Den Kapitalismus kränkelt das allerdings nicht im geringsten an. Was kümmern die Opfer, seien es die unbeschäftigten Massen, seien es die eigenen Klassenbrüder? Erstere sind ja kein Indiz dafür, daß sich aus der Arbeiterklasse kein Mehrwert mehr auspressen ließe. Im Gegenteil: Sie sind ein Indiz dafür, daß die Beschäftigten sehr massiv ihren Tribut ans Kapital entrichten, nicht zuletzt aufgrund eines uralten Gesetzes, daß die Reservearmee sehr auf die Arbeiter in den beiden vom Kapital gewünschten Richtungen drückt - die Leistungswilligkeit und die Zumutbarkeitsschwelle rauf, die Lohnforderungsbereitschaft runter. Das heißt fur die hinausgesäuberten Ausbeuter nur, daß sie nicht genügend Kapital furs Hinaussäubern von Arbeitern und Verlängern der Auspreßzeit bei den Verbliebenen aufzubringen imstande waren. Na und? Dann werden sie eben aufgekauft, womit eine vierte Besonderheit der "Stockungsphase" auch schon geklärt wäre: Sie fusionieren vermehrt, wohl wissend, daß eben für die Durchsetzung ihrer massiven Investitionen die Kapitalgröße eine entscheidende Rolle spielt und zu Spottpreisen aufgekauftes - also entwertetes - Kapital sich hierfür sehr nützlich machen kann. Die Pleitenhäufung, sonst eine der Konjunkturphase Krise vorbehaltene Erscheinung, ist zur Dauererscheinung geworden - und stellt auch einen dauerhaften Nutzen für das Gesamtltapital dar. Genausowenig wie eine Krise jemals eine Krise des Kapital(ismus), vielmehr Bereinigung der Konkurrenz und Ausgangspunkt für Akkumulation auf höherer Stufenleiter ist, genausowenig zieht eine dauerhaft-raschere Entwertung des Kapitals dessen Akkumulation in Zweifel.

Was Wunder also, daß neben all den vielen Nachrichten über Pleiten und Arbeitslose sich mindestens ebenso viele finden, worin von fabelhaften Gewinnen die Rede ist!

Was Wunder, daß die Kapitalisten nicht jammern, wo doch die unvernichtbare Hefe der Akkumulation - Arbeitslose, beständige Fluktuation der Beschäftigten, Pleiten, Fusionen, Investitionen, Rationalisierungen - durch ihren mächtigen Zuwachs eine äußerst gelungene Akkumulation signalisiert. Wohin man auch schaut, da "stockt" nichts.

Es hat sich ja auch noch niemand gezwungen gefühlt, die betriebswirtschaftlichen Lehrbücher umzuschreiben. Der Kapitalist geht seinem Job nach: Wenn sich um ihn herum die Pleiten mehren - nun gut, dann stellt sich ihm die Frage, was er mit dem freiwerdenden Marktanteil anfängt und ob er die Konkursmasse aufkaufen soll; wenn es haufenweise Arbeitslose gibt und es ihm selbst sinnvoll erscheint, ständig welche zu produzieren - nun gut, dann stellt sich ihm die Frage, was er mit seinen Beschäftigten sinnvollerweise anstellt unter diesen Bedingungen.

Freilich steht fest, daß die Änderung der Bedingungen - wie unmittelbar an der Verfügung des Staates über den Kapitalmarkt sinn, fällig - nicht von ihm ausgegangen ist. Diese "Stockung", die nichts anderes ist als ein Dauerboom mit Produktion und unter Mithilfe aller Krisenmechanismen, wird vom Staat ins Werk gesetzt. Er pflegt mit seiner - immer noch und erst recht - kapitalistischen Wirtschaft einen anderen Umgang und setzt dabei - aus ziemlich unwirtschaftlichen Gründen - die "geänderten Bedingungen" in die Welt. Hierfür einige Belege.

Bilanz der laufenden Posten

"Die Konsolidierung der Handel-, Dienstleistungs- und Übertragungsbilanz ergibt die Bilanz der laufenden Posten, deren Saldo die Änderung der Nettoposition des Landes gegenüber dem Ausland angibt." (Stobbe, VGR, 222);

und da schaut es schlecht aus, meint der Staat:

"Seit Jahren muß die BRD mit ungewöhnlich hohen Defiziten in der Leistungsbilanz fertig werden. Schrumpfende Außenhandelüberschüsse, drastisch erhöhte Ölrechnungen und hohe Touristik-Defizite haben die Leistungsbilanz tief in die roten Zahlen hineinrutschen lassen. Die wachsenden Fehlbeträge der traditionell defizitären Übertragungsbilanz sind damit zu einer noch größeren Belastung geworden."

Da wird natürlich frech herumgelogen, denn grad die Leistungsbilanz (Handels- und Dienstleistungsbilanz) ist nun mal "traditionell" einer der Plusposten der deutschen Wirtschaftsaktivität und hat auch den nicht schrumpfenwollenden Schatz an Devisenreserven auf den Konten der Deutschen Bundesbank zustande gebracht (womit sie dann hübsche Zinsgewinne in Übersee erzielt vgl. "Loch saniert Haushalt" in dieser Ausgabe). Die Lüge ist jedoch menschlich nur zu verständlich - wenn man nämlich konzediert, daß man sich heutzutage fragen will, wofür diese Leistungsbilanz denn da sein soll. Mit "unseren Verhältnissen", über die wir bekanntlich zur Zeit leben - 30 Milliarden Defizit : 60 Millionen Bundesbürger = 500 Mark Schulden, um die jeder Bürger der Nation, ob groß oder klein, sein Konto bei einem Ausländer zu Zwecken der Verschwendung überzogen hat? -, hat diese Bilanz nur unter einem sehr aparten Blickwinkel zu tun. Zunächst einmal drückt sie nur den Willen der Kapitalisten aus, in Im- und Export ihr Geschäft zu machen, und da ist's der Staat zufrieden, wenn die Exporteure mehr hinausbringen als die Importeure herein, hat er doch darin einen handfesten Hinweis auf die internationale Konkurrenzfähigkeit seines Kapitals (aber Vorsicht: ein Exportüberschuß aufgrund rückläufiger Importe, die sich mangelnder interner Geschäftstätigkeit verdanken, ist wenig begeisternd). Daneben macht der Staat seine "Übertragungen", seien es Entwicklungshilfe, EG-Beiträge, Wiedergutmachung oder Militärunterstützungen.

Jetzt aber gilt eine Betrachtungsweise vorrangig: "Die wachsenden Fehlbeträge der traditionell defizitären Übertragungsbilanz sind damit zu einer noch größeren Belastung geworden."

Das Problem ist also nicht, ob der Leistungsbilanzsaldo groß oder klein, plus oder minus ist - das war in den vergangenen Jahren mal so, mal so, mit einer eindeutigen Plusrichtung, und zur Zeit feiern "wir" ja wieder wunderschöne Überschüsse -, sondern ob's dieser Saldo für die Übertragungsbilanz bringt.

Die Schärfe dieses Standpunkts: Der Staat befragt das Geschäft der Kapitalisten - die unproduktiven Urlauber selbstverständlich auch - unter dem Blickwinkel seines chronischen Defizits bei den Übertragungen. Die Aufstellung eines nationalen Kontenplans und der darin angestellte Vergleich der Teilbilanzen ist eine Idee des Staates, um sich eunen Überblick darüber zu verschaffen, wie und wo es das Kapital für das Reussieren der Nation auf dem Erdball bringt. Während der Staat früher daraus zwei Schlüsse zog, nämlich

welche Mittel beschaffen mir die internationalen Wirtschaftsaktivitäten,

welche finanziellen Eingriffe auswärts Übertragungen, die im Gewande des Geschenks daberkommen - kann und will ich mir für die Herrichtung gewisser Weltgegenden und damit für das Vorankommen meines international tätigen Kapitals leisten, werden nun die praktischen Erfolge dieser Betrachtungsweise aufgelistet und sich gefragt:

  • Was leistet die Leistungsbilanz für den vorgeordneten politischen Zweck (wie er sich in seiner internationalen Stoßrichtung in der Übertragungsbilanz widerspiegelt)?
  • Welche Aufschlüsse vermittelt sie über noch zu unternehmende Schritte, damit sie einen soliden Finanzierungsbeitrag für die Übertragungsbilanz abliefert, ja sie sogar überflügeln möge?

Auf der Positivseite bietet sich vermehrte Unterstützung des Exports z.B. durch neuartige Exportkreditierung an (oder auch durch politische Aktion gegen "überhöhte Exportkredite" anderer Staaten - Japan!), weist doch der Export vielversprechende Wachstumsimpulse auf, denen gebörig zur Durchsetzung zu verhelfen ist. Auf der Negativseite stebt eine Reduzierung des Energiedefizits an, was als unmittelbare Folgen erhöhte Subventionierung für Energieeinsparung bei energieverbrauchenden und energieproduzierenden Kapitalisten, damit auch staatlich verordnete Preistreiberei ("Preis regelt Nachfrage") und Beendigung der leidigen Rücksichtnahme auf demokratisch-ökologischen Bürgerprotest nach sich zieht - die AKWs müssen jetzt her.

Andererseits untersucht der Staat sehr wohl auch seine Übertragungen, klopft sie auf Notwendigkeit ab, "spart" wieder mal unbandig und kommt dem nationalen"Gürtel" und "Über-die-Verhältnisse"-Konsens (den er sich ausgedacht hat) entgegen. Freilich geschehen solche Überlegungen, wie vom "Sparprogramm" ja gewohnt, auf Basis eines laufend wachsenden Defizits, also auf Basis einer vorab gefällten Entscheidung, hier mehr ausgeben zu wollen.

("Wofür?" Ein kleiner Hinweis: Amerikanische Streitkräfte auf deutschem Boden zählen nicht als "Inländer", Leistungen an sie steigern die Übertragungsbilanz - entlasten allerdings den Militärhaushalt...)

Der Charakter der "Einsparungen" hat eine Portion Brutalität an sich, durchaus parallel zum inneren "Sparhaushalt", denn unter dem Diktat der Zeitläufte fallen die Überlegungen "Wo kann ich streichen, ohne Abstriche von meinem Zweck zu machen?" zwangsläufig auf die, die Streichungen nicht mit Drohungen eines Gegenschadens beantworten können, sondern die bittere Tatsache einsehen müssen, daß man sich "Übertragungen" an sie früher geleistet hat, um sich Geschäfte zu eröffnen, die jetzt alle laufen: Entwicklungshilfe, ausgewählte Bevölkerungsteile der EG (die grundsätzliche Zustimmung des jeweiligen Staates erreicht).

Autos, Bau, Maschinen, Rüstung

"Jetzt liegt die jüngste Gewinnschätzung für ausgewählte Aktiengesellschaften vor, wie sie die BHF-Bank in regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Die Ergebnisse je Akt¡e von 39 Unternehmen werden unter die Lupe genommen. Gegenüber der vorangegangenen Prognose vom 31. März 81 sind die Gewinne in nur 12 Fällen herunterrevidiert worden. 16 mal mußten die Prognosen sogar heraufgeschrieben werden, und das z.T. nicht unerheblich... Ansonsten ergibt sich aber ein überaus differenziertes Bild innerhalb der Wirtschaftszweige. Das ist in Zeiten schmälerer Konjunktur immer so: Schwache Strukturen werden schonungslos aufgedeckt, während ertragsstarke Unternehmen um so glänzender dastehen." (oh Tautos!) (Süddeutsche Zeitung, 28.8.)

Die "Diversifizierung" der Branchen, also eine vom "normalen" Konjunkturbild abweichende Gleichzeitigkeit von maroden uno prosperierenden Geschäftszweigen - und zwar dauerhaft: Ein weiteres Ergebnis staatlicher Prioritätensetzung. Auf jeden Fall erfreut sich die Rüstungsindustrie steigender Nachfrage, ein bombensicheres Geschäft also, das sich auch im Aufwärtstrend z.B. bei Mannesmann- und Rheinstahl-Aktien widerspiegelt - bei "allgemein flauem Aktienmarkt" -, und das des weiteren mächtige "Wachstumsimpulse an die Vorlieferanten ausstrahlt.

Die staatliche Nachfrage ist andererseits zurückgegangen in der Bauwirtschaft - zudem drücken die hohen Zinsen in dieser hauptsächlich mit langfristigem Fremdkapital arbeitenden Branche -, zumindest in den Teilen, die keine nationalen Verteidigungsinteressen repräsentieren, sondern in verdächtiger Nähe zu Zugeständnissen an ein verwöhntes Volk sich befinden. Nicht, daß darüber der Wohnungsbau zum Erliegen käme; es findet eine muntere Zentralisation statt, und gewisse Kapitale werden aus einer Marktschrumpfung sehr wohl wieder individuelle Umsatz- und Profiterweiterung zu machen verstehen. Ähnliches geschieht in der Konsumgüterindustrie, die "weltweit sich verengenden Märkten" ins Auge blickt. Freilich nicht deswegen, weil der Staat als Konsument ausfiele, sondern weil sowohl die unmittelbaren politischen Beschneidungen des Lohns, wie auch die Arbeitslosigkeit die "Massenkaufkraft" hinunterdrücken. Wie an der Auto-Industrie zu studieren, ziehen diese Industriellen daraus den Schluß, der Konkurrenz den drohenden Verlust als Marktanteil nicht nur abzujagen, sondern darüberhinausgehende Eroberungen zu machen, sei es auf fremden Märkten, sei es im Zurückdrängen auswärtiger Konkurrenz auf heimischen Märkten. ("Die Japaner" sind übrigens hierzulande wieder auf 10% herunter. Die will man ihnen - vorläufig - offiziell nicht bestreiten.) Die Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Märkten ist allerdings in Auflösung begriffen bzw. wird mit Vorliebe nur noch dann angewandt, wenn staatliche Unterstützung angefordert wird. Ansonsten gehört zum Erringen von Marktanteilen ja gerade eine bedingungslose Internationalität, sowohl im forciert vorangetriebenen Bau auswärtiger Filialien, als auch in der Kooperation mit soeben in Grund und Boden verdammten Konkurrenten, sobald daraus wechselseitiger Nutzen gegen Dritte entspringt (VW). Voraussetzung solcher Internationalität und internationaler Durchsetzung ist eine Aufrüstung der Produktion, die sich um den Widerspruch, daß immer schöneren Autos immer ärmere Käufer gegenüberstehen, absolut nicht schert: Die Dinger müssen eben möglichst gut und billig sein, dann werden sie auch gegen die Konkurrenz bestehen.

Es entsteht also auch von hier eine stärke Nachfrage bei den Garanten einer effektiven Produktionsweise - den Maschinen und Anlagebauern. Somit ist es kein Wunder, daß alle kapitalistischen Länder "bei stockender Inlandsnachfrage" steigenden Export auf diesem Gebiet zu vermelden haben, wobei die Resultate der Unterschiede im Moment noch nicht zu interessieren brauchen - im Moment interessiert zunächst die (erhoffte) Wirkung auf die inländische Akkumulation, und zwar den Staat. Fazit: Staatlich angeheizte Akkumulation in den Hauptabteilungen der kapitalistischen Produktion, Konsumgüter- und Produktionsgüterindustrie, jedoch aus sehr unterschiedlichen Gründen: Staatlich garantierte und wachsende Nachfrage versus schwindende Privatnachfrage.

Unterstützungsmaßnahmen

Die Vorgabe stammt aus den USA. Wer für die Entlastung des staatlichen Haushalts die Wirtschaft bemühen möchte, der kann zwar dem arbeitenden Volk Hungerkuren sozialster Art verordnen, die dabei anfallenden Steuer- und Beitragsausfälle auf es zurückverweisen, das Kapital hingegen ist mit den hohen Zinsen erst einmal ausreichend belastet; was es dann braucht, sind Hilfen für die Erfüllung des neuartigen sozialen Auftrags.

Diese Hilfen unterscheiden sich freilich von den direkten und indirekten Geldzuweisungen früherer Zeiten, ist das doch mit dem Geld erst mal so eine Sache: Im Prinzip ist nämlich keins da, was heißt, der Staat bean- fürs Kapital herbei, hat das gleich ungute Wirkungen:

  • Entweder macht er Abstriche von seinem politischen Zweck,
  • oder er beansprucht den Kapitalmarkt mit zusätzlicher Kreditaufnahme, die dem Kapital sozusagen hintenherum zumindest die Gefahr steigender Zinssätze und wackelnder Währung beschert.

Die Kunst muß also für die Staaten darin liegen, die aus der Unterstützung der Wirtschaft erwachsenden unguten Wirkungen niedriger als beim Konkurrenten zu halten, was sich falls gelungen - wiederum als Konkurrenzvorteil auswirkt. Nochmal die USA: Die sehr eindeutigen Entlastungsmaßnahmen des Präsident Reagan für sein Kapital - scharfe Senkung der Steuern auf Einkommen und Anhebung der Abschreibungssätze (= zumindest vorläufiger Ausfall von Gewinnsteuern) - geben Zeugnis davon, daß dieser Präsident erstens auf die Vorherrschaft seiner Währung setzt, ihm eventuell folgende Wechselkursbewegungen also ziemlich egal sein können; zweitens seine Wirtschaft als allen anderen überlegen einschätzt, ihr also zutraut, die Zinshöhe verkraften und umgekehrt aus den Erleichterungen eine wuchtige Akkumulation machen zu können - zu Recht.

Danach sortieren sich die imperialistischen Untermächte. Die Rede von der deutschen Wirtschaftskraft konkretisiert sich dahingehend, daß sich diesem Staat keine dringende Notwendigkeit auftut, seinem Kapital mit allerlei Finanzspritzen unter die Arme zu greifen, und sie werden von den Kapitalisten auch nicht verlangt. Das heißt nicht, mit dem Geld sei nun Sense, sondern der Staat nimmt sich die Freiheit, ausgewählte Branchen und Betriebe gemäß seiner Kalkulation, und nicht, weil sie "notleidend" geworden sind, zu unterstützen. Aufmerksamkeit und Fürsorge bemessen sich dabei

  • nach der grundsätzlichen Bedeutung gewisser Produktionszweige als Grundstofflieferanten für die gesamte nationale Industrie - wobei sowohl Billigkeit wie auch Versorgungssicherheit gewährleistet sein sollen (Stahl, Landwirtschaft);
  • nach dem Kriterium der internationalen Konkurrenzfähigkeit = wobei der Beschluß sowohl "Vermeidung weiterer 'unnötiger' Kosten" wie auch "Herstellung der Konkurrenzfähigkeit, dafür zusätzliche Mittel" lauten kann (Textil), und
  • nach der Einschätzung nationaler Besonderheiten, an denen jetzt ganz neue Vorteils-/Nachteilsrechnungen aufgemacht werden.

Welche Grundlagen "deutsche Wirtschaftskraft" dem BRD-Staat geschaffen hat, macht ein Vergleich deutlich: Während z.B. in Frankreich und Italien von "dramatischen Wenden" und "internationalen Wirtschaftsschlachten" die Rede ist und auch tatkräftig danach gehandelt wird, ist man hierzulande gelassen. Mit dem "Sparprogramm" ist die Wirtschaftspolitik schon fast am Ziel angelangt. Weder muß der internationalen Konkurrenzfähigkeit einzelner Branchen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, weil sie sich nämlich - wie z.B. in der Textilindustrie - unter Aufbringung der zugehörigen Opfer und unter kräftiger staatlicher Mitwirkung des Weltmarktes bemächtigt haben -, noch muß die bestimmte Zusammensetzung des nationalen Kapitals groß auf seine Vor- und Nachteile untersucht werden. Es ist eben etwas anderes, ob man, wie in Frankreich oder Großbritannien, Umschichtung, Neuansiedlung und Umstrukturierung der Infrastruktur vorantreibt und dabei buchstäblich verödete Landstriche produziert, oder ob man wie hier einem als funktionierend und wichtig erachteten Mittelstand, der sich insbesondere um den Export verdient macht, eine wohlfeile Anleihe bei den Saudis besorgt - das sogenannte "Mittelstandsprogramm", das natürlich auch sorgfältig auf die national wertvollen Mittelständler und nicht auf jeden hergelaufenen Kfz-Betrieb achtet (vgl. MSZ 3/81, Saudi-Anleihe). Auch die Erhöhung der degressiven Abschreibung (AfA), die Erweiterung des Verlustrücktrags, die massiven Zuschüsse im Energiebereich, die einen direkten Bezug zum Spruch von "Leistungsbilanz entlastet Übertragungsbilanz" haben -

aufschlußreich übrigens, daß vor über einem halben Jahr eine staatliche Kooperation mit Japan und den USA auf dem Gebiet der Kohleverflüssigung einvernehmlich aufgelöst wurde und der BRD-Staat diese "Zukunftstechniken" nun sein eigenes Kapital entwickeln läßt: Bei dieser Subvention besteht begründete Aussicht, daß sie sich mit Gewinn - erzielt im In- wie auch im Ausland - selbst abschaffen wird, während die in die internationale Kooperation einzubringende Milliarde nicht denselben, da geteilten Ertrag erbracht hätte -,

sind beschlossene Sache, wobei der Verdacht der Haushaltsbelastung gleich gar nicht aufkommen kann: 1. sind genügend Mittel "frei geworden " durch Streichungen beim Wohnungsbau und beim Nahverkehrswesen, 2. gibt es ja die berühmte Finanzierung "über den Preis", und wer den entrichten wird, ist bekannt. Am gelungensten ist aber, wenn der Staat jetzt seinen Kapitalisten in ihren jahre- und jahrzehntelang vorgetragenen Klagen über Einschränkungen, Auflagen und Benachteiligungen in der internationalen Konkurrenz recht gibt. Parallel zu der Lüge von den horrenden deutschen Lohnkosten, die eine Seite immer komplett durchstreicht, nämlich daß sich diese Kosten doch gelohnt haben müssen, wird nun so getan, als ob der Staat gewisse Gemeinheiten seinen wohlstandsschaffenden Bürgern gegenüber endlich - von den Umständen eines Besseren belehrt - müsse fallen lassen. Der Witz daran ist, daß diese staatlichen Regelungen, die doch funktional fürs Wirtschaftswachstum gewesen sein müssen, nun in Teilen für untragbar erklärt werden und in ihrer Abschaffung fürs Wirtschaftswachstum - das doch eben auf Basis dieser Verordnungen und Vorschriften so schön blühte - ganz unmittelbar einen Konkurrenzvorteil denen gegenüber darstellen, die diese Verordnungen und Vorschriften gar nicht hatten.

Ganz so, als ob die Burschen der jahrelangen Agitation dieser Zeitung zum "Sozialen Netz" recht geben wollten, verschaffen sie sich nun eine Freiheit der Arbeitskraft gegenüber, die darum so ungeheuer wirksam ist, weil sie sich der Resultate dieses Netzes, einer äußerst botmäßigen und leistungsbereiten Arbeiterklasse, bedienen können.

Ganz so, als ob sie schon immer gewußt hätten, daß die Kartellgesetzgebung, die sich den guten Argumenten des Profits natürlich nie verschlossen hat, als eine Aufforderung des Staates zu verstehen ist, das Heil in einer möglichst entfalteten Konkurrenz zu suchen und die Bildung eigener Kapitalgröße ohne vorschnellen Zugriff auf die bequeme Möglichkeit des Zusammenschlusses am erfolgversprechendsten ist, stehen nun die ganzen "Opfer" der Kartellgesetzgebung auf der Matte und kaufen sich ein, was das Zeug hält - wo haben sie bloß das Geld her?

Ganz so, als wollten sie alle Märchen über die "unerträglichen" Energiepreise Lügen strafen, nehmen sie das ganze viele Geld her, das ihnen die Überwälzung dieser Energiepreise auf den "Verbraucher" eingebracht hat (mit einem kleinen Aufschlag, versteht sich), und steigen in die nun neu erschlossenen Energiegeschäfte ein, die ihnen der Staat mit der "Milderung" der Umweltvorschriften und des Genehmigungsverfahrens bei den AKWs angetragen hat - von einer Rücknahme der erzwungenermaßen hohen und daher konkurrenzschädlichen Preise haben wir noch nichts gehört, im Gegenteil.

Auch was das Funktionalisieren politischer Mittel fürs ökonomische Voranschreiten angeht, ist der deutsche Staat nicht faul. Aber wieder nicht so, daß er nun in aller Welt für seine Wirtschaft die politischen Muskeln spielen läßt, sondern daß er - eben auf die Wirtschaft vertrauend - das internationale Wirtschaftsgeschäft vorbedachterweise vor zuviel Protektionismus bewahren möchte, mit der Konsequenz, daß er sich bei anderen gegen den "übermäßigen Gebrauch" politischer Mittel stark macht. Das Schöne an diesem Einsatz politischer Mittel ist, daß er so unverdächtig "wirtschaftsneutral" daherkommt. Protektionismus? Haben wir doch nicht nötig. Wir sind dem Freihandel verpflichtet und von ihm abhängig. Man darf zwar sehr skeptisch sein, was die "Liberalität deutscher Außenwirtschaftspolitik" angeht - es kommt ja auch sehr darauf an, wie man es macht -, aber richtig ist, daß der Staat einem Erfolgsrezept seiner Wirtschaft, nämlich der ungehinderten Bewegung auf dem ganzen Erdball, nur soviel nachzuhelfen gedenkt, wie unbedingt erforderlich bzw. zu erwartende gegen-protektionistische Maßnahmen rechtzeitig miteinrechnet und sich auf diesen Streit nicht einlassen möchte. Wenn das Kapital in aller Welt Handel treibt und Fabriken aufbaut, dann muß erstes Anliegen des Staates sein, demgegenüber aufgemachten Hemmnissen entgegenzutreten, Einrichtung eigener Hemmnisse sich als Antwort darauf im Ärmel zu halten.

Sicher: Über eine "europäische Dimension der Industrie" und über die Ausweitung des inneren Marktes - dessen Hauptnutznießer die BRD ist - mag man sich schon unterhalten, aber gleich die gesamte EG zu dem Zweck zusammenzuschweißen, sich handelsaggressiv gegen andere Wirtschaftsmächte aufzuführen? Der Affront der Franzosen, nun auf eine "Nationalisierung der Wirtschaft" zu setzen und dafür die EG einspannen zu wollen bzw. die alte Rollenverteilung nicht mehr gelten zu lassen, ist schon richtig verstanden worden. Nicht zuletzt deshalb endete die letzte Sitzung in Brüssel mit dem offiziellen Beschluß, daß Beschlußfassung zur Zeit nicht möglich ist - laufend werden neue (bilaterale) Koalitionen - aufgemacht und wieder relativiert, laufend setzt einer eine neue Initiative in die EG-Welt und möchte die anderen zugerne zum Mitmachen bei sich bewegen. Die BRD würde am liebsten so weitermachen wie bisher, nämlich sich den Wirtschaftsblock gerade so offen zu halten, daß sie den inneren Markt uneingeschränkt beharken kann und ihr bei der Benutzung äußerer Märkte keine "Gemeinschaftspräferenzen" aufgezwungen werden es sei denn solche, die sie sich selbst ausgedacht hat. Es ist aber nur gerecht, daß sie sich angesichts der nun herrschenden Priorität (wo steht sie denn, die force de frappe?) nicht mehr so unverschämt aufführen kann, wie sie früher meinte zu müssen.

Übrigens: Die Japaner, von der EG und den USA in die Zange genommen, haben sich mittlerweile selbst "Mäßigung" auferlegt und machen nun Angebote, wie Ausläader sich in ihrem Markt installieren können. Damit - meint Lambsdorff - hätten wir genug Muskeln gezeigt. Vorläufig müsse nun Ruhe sein, damit die angelaufenen Kooperationen auch unbehelligt über die Bühne gehen.

Stahl

Der deutsche Staat befördert politisch und mit viel Geld die Fusion der "angeschlagenen" deutschen Stahlfirmen zu einem Stahlgiganten "Ruhr AG", der "selbst dem Paradestahlpferd Thyssen überlegen sein könnte". Daß Krupp und Hoesch von dieser wohlgemeinten politischen Unterstützung ihrer Konkurrenzfähigkeit nur insofern etwas halten, als jeder der "Verhandlungspartner" für sich was raushauen kann, beweisen die Tricks, die sie benutzen, um hinter möglichst viele der Milliarden zu kommen, ohne ihre jeweils "gewinnträchtigen Betriebszweige" in die Fusion miteinbringen zu müssen.

Die Konkurrenz zwischen Krupp und Hoesch erweitert der Staat um ein Fusionsangebot, indem er ihre gemeinsame Stärke zum nationalen Anliegen erklärt. Das spricht zwar allen Ideologien über die freie Marktwirtschaft Hohn, bringt aber in Wirklichkeit eine altbekannte Verfahrensweise des Staates mit dieser unverzichtbaren Industrie nur um ein Stück schlagender zur Anschauung: Während Krupp und Hoesch ihr Interesse am lohnenden Geschäft mit dem Stahl bekunden, macht der Staat sein Interesse an der lohnenden Herstellung des Gebrauchswerts Stahl geltend. Schließlich handelt es sich für ihn um eine besondere Produktionssphäre; Stahl zählt zu den "Grundstoffen" der nationalen Produktion, und deshalb will der Staat seine lohnende Herstellung, die sich auf dem Markt entscheidet, nicht uneingeschränkt dem Resultat der Konkurrenz der Stahlkapitale überlassen. Wo den Unternehmern die stoffliche Seite ihres Produktionsprozesses dann einfällt, wenn die Geschäfte gerade mal nicht so lukrativ laufen, um ganz unabhängig von den ökonomischen und staatlichen Zwecken die Notwendigkeit ihrer Subventionierung als allgemeines nationales Interesse zu besprechen, betrachtet der Staat seine Stahlindustrie als Basis der nationalen Versorgung mit Stahl. Und weil dies für ihn Kosten nach sich zieht, ist diese "staatliche Hilfe" nicht bedingungslos. Die "Subvention" hat das Ziel der lohnenden Gestaltung der Produktion von Stahl für das Kapital, was dann "Sanierung" heißt.

Daß hier das staatliche Interesse aufs vortrefflichste mit dem von Krupp und Co. zusammenfällt, heißt noch lange nicht, daß sie die Verbesserung des "Kosten-Ertrag-Verhältnisses" gleichermaßen verfolgen. Während für Krupp und Hoesch Subventionen die unmittelbare Senkung der Kosten sind, sind sie für den Staat zunächst "nur" Kosten, die sich zukünftig bewähren sollen; und zwar Kosten; denen alle früher zugesprochenen Attribute wie Arbeitsplatzerhaltung, "sozialer Friede" etc. radikal weggestrichen werden und nur noch einer Betrachtungsweise unterworfen sind: Wie läßt sich aus ihnen eine gewinnträchtige Offensive gegen konkurrierende Stahlkapitale anderer Nationen verfertigen!

Darum müssen sich Hoesch und Krupp gefallen lassen, daß ihre Subventionswürdigkeit von den Politikern nicht nur am Maßstab der Produktivität fremder Stahlindustrien gemessen wird, sondern daß ihr Zusammenschluß den erreichten Standard der anderen deutschen Stahlgiganten repräsentiert, ja vorwärtstreibt. Aus diesem Grund wird das Aufnahmegesuch der (staatlichen) Peine + Salzgitter AG abschlägig beschieden, müßte sie doch mehr oder minder von der neu zu gewinnenden Rentabilität der Fusionierenden mitgetragen werden. Die IG Metall täuscht sich da gründlich, wenn sie meint, die "Fusion zu dritt"

"würde die Standorte Peine und Salzgitter gefährden. Ein Herauslösen der Stahlwerke Peine und Salzgitter AG aus dem bundeseigenen Salzgitterkonzern wäre für P + S tödlich." (Süddeutsche Zeitung, 25.11.)

Dem Nicht-Herauslösen scheint doch eher eine, für die Beschäftigten von P + S peinliche, Entscheidung vorhergegangenen zu sein, nämlich daß ihre Arbeit in Zukunft von den geretteten Kollegen im Ruhrpott miterledigt werden kann. Wahrscheinlich weiß das aber die Gewerkschaft schon längst, und sie wollte nur noch mal auf eines ihrer Lieblingsgesetze hingewiesen haben: "Außerdem, so der erste Bevollmächtigte der IG Metall, würde dies das Ende der Montanmitbestimmung in Salzgitter beinhalten. (Für den Rubrkonzern ist sie nämlich schon beseitigt.)"

Der Staat, dem es auf eine billigere Versorgung des nationalen Kapitals und auf eine weltweite Bepflasterung mit deutschem Stahl ankommt, hat mitnichten ein Interesse daran, sämtliche Stahlbasen überall dort, wo bisher mit Stahl ein Geschaft gemacht wurde, zu erhalten. Die Versorgung, so sein Imperativ, muß als rentable Angelegenheit vor sich gehen. Und dafür nimmt er 1. seine Kapitalisten an die Kandare und will sich das 2. nach seinen Kriterien einiges kosten lassen.

Subventionierter Subventionsabbau

Bei den Verhandlungen in der EG über diese Sorte staatlicher Sparprogramme ist derjenige im Vorteil, der auf Grundlage der bereits gelaufenen Subventionen auf die Konkurreni setzen kann. Und weil die jeweils national getätigten Subventionen für die Rationalisierungsmaßnahmen der Betriebe recht unterschiedliche Erfolge zeitigten, sehen das deutsche Stahlkapital und sein Förderkreis auf Grundlage des Produktivitätsvergleichs innerhalb der EG, ausgedrückt im Vergleich des Verhältnisses von Kosten und Ertrag pro Tonne Rohstahl, in der praktizierten Stahlpolitik des Auslands das Hindernis für die Realisierung seines Vorsprungs. Umgekehrt ist die Überlegenheit für die anderen EG-Nationen noch allemal ein Grund, ihre Stahlindustrie vor dieser zu "schützen". Der deutsche Vorwurf: die ausländischen Stahlkapitale wären "schon längst vom Fenster weg, wenn die Gesetze des Marktes Gültigkeit hätten, aber..." bringt gern den hypothetischen Standpunkt ins Spiel, der Rationalisierungserfolg könne noch größer sein, als er ist, wenn die "Partner" ihn nur wirken lassen wollten; daß die "Krise" schon längst überwunden sein könnte, wenn die anderen nicht der "Subventionitis" verfallen wären. Der heuchlerische Vorwurf der "versäumten Rationalisierung", unisono von deutschen Stahlmanagern und Wirtschaftspolitikern gegen die ausländischen EG-Stahlkapitale vorgetragen - als ob man sich glühend einen Konkurrenten wünschte, der einem mit fabelhaft niedrigen Kostpreisen Feuer unterm Hintern macht; wahr ist, daß man ihm sich als verschwundenen Konkurrenten wünscht -, weil diese "versäumten Rationalisierungen" mit "Preissubventionen" kompensiert würden, welche die potentiell gewinnträchtigen Stahlkapitale in die Verlustzone treiben oder den deutschen Staat ebenfalls zum Protektionsismus zwingen würden, fand seinen Niederschlag in einem "Subventionskodex" der EG-Staaten und im "freiwilligen Preiskartell" der EG-Stahlkapitale, für deren Durchsetzung Lambsdorff seine Argumente mit der Potenz der deutschen Stahlindustrie gewichtete.

Der Subventionskodex: Daß hierzulande Subventionen anders zu beurteilen sind als in Italien oder Frankreich, ist ausgemachte Sache. Ausgehend vom Standpunkt der unterschiedlichen Resultate der staatlichen Förderung der Stahlindustrien auf dem gemeinsamen und außereuropäischen Markt, läßt sich das unterschiedliche Kosten-Ertrag-Verhältnis der jeweiligen nationalen Stahlindustrien als nationalistische Unterscheidung an den Subventionen vorbringen: Bei Subventionen, die die Auslastung "veralteter " - veraltet, weil sie mit kostengünstigeren verglichen werden - Betriebsanlagen "marktfähig" halten und rentierlich machen, handelt es sich um "Verlustsubventionen" = "unrentable Erhaltungssubventionen" = "Preissubventionen", die zu verbieten sind. Bei Subventionen, die mit der kalkulierten Gewißheit der Absatzmöglichkeiten für die Erweiterung des Geschäfts, für den Einsatz von Betriebsanlagen auf neuestem "technischen Stand" verwendet werden und damit für die größtmöglichste Produktivität sorgen, handelt es sich um "Subventionen für Neustrukturierungen" = dem EG-Markt adäquate und "nützliche Subventionen". Darauf antworten die Konkurrenten nur, daß ihre Subventionen auch sehr nützlich sind - nämlich für sie. Schließlich haben sie, wenngleich unter ungünstigeren Ausgangsbedingungen, dasselbe Programm wie der deutsche Staat.

Während der Subventionskodex in der Verhandlungsrunde umstritten war, weil er die Mobilmachung der jeweils nationalen Stahlindustrien zu einem bestimmten Zeitpunkt für den gemeinsamen Markt erfordert, war das "freiwillige Preiskartell" eine allseitig erstrebenswerte Sache. Grund dafür ist, daß das höhere Preisniveau angesichts der "Heranführung der europäischen Stahlpreise an das Weltmarktniveau" den Beteiligten zwar unterschiedliche, aber dennoch allseitige - Vorteile verspricht.

Für die Staaten deckt sich die allgemeine Preiserhöhung bestens mit dem Beschluß, sich die Stahlindustrie nicht mehr so viel kosten lassen zu wollen, wobei sich allerdings sehr unterschiedliche Wirkungen auftun:

Der EG-Stahl ist billiger als der der restlichen Weltstahlmannschaft, mit Ausnahme gewisser Einfachstsorten. Preisanhebung berührt - die EG als Ganzes betrachtet - die Weltmarktpreise zunächst nicht, was man z.B. daran studieren kann, daß die US-Stahlkonzerne ausgerechnet jetzt mal wieder "Anti-Dumping-Klagen" gegen die Europäer erheben und auch Ausgleichsabgaben auf gewisse Blechsorten durchgesetzt haben.

Die Erhöhung der Preise hat jedoch auf den inneren Märkten eine belastende Wirkung auf heimische Stahlverbraucher - die sollen ja den nationalen Stahl kaufen -, sie werden sozusagen für die Subventionierung der Stahlindustrie herangezogen.

Diese Belastung wieder rückgängig zu machen und der Stahlindustrie höhere Profite zu verschaffen - dies die staatlich angepeilte Kreisquadratur - muß auf Kosten anderer, soeben gemeinschaftlich geförderter EG-Staaten gehen. Der ganze Trick liegt dabei in der Spanne zwischen vorher erreichten Kosten und nun gültigen Preisen: Wer eine größere hat, hat auch größeren Spielraum. Der per Staatsbeschluß erreichte Überschuß erweist sich nur dann langfristig als segensreich, wenn von ihm ansgehend die Kosten gesenkt werden und/oder er nicht geltend gemacht werden muß. Also: Es stehen an weitere Rationalisierungen eben aufgrund der nun verschafften Gewinne, sowie Preisunterbietungen, die sowohl staatlich vorgetragen als auch in gewissen Grauzonen ausgemacht werden (das weite Feld der Konditionen bietet ideale Möglichkeiten). Ganz unmittelbar vorteilhaft ist, wenn man mit den in der EG neu entstehenden Gewinnen z.B. in den USA vorläufig auf Gewinne verzichten und sich als Haifisch im EG-Kontingent betätigen kann. Der eigene Staat sieht's mit Freude.

Landwirtschaft

Die "Agrarfrage" taucht neuerdings immer im Zusammenhang mit der "Nettozahler-Position der BRD" auf. Daran merkt man, daß die Bauern selbst das Problem nicht sind; vielmehr wird die Tatsache, daß man mit diesem Problem fertiggeworden ist bzw. mit einem gewissen Restbestand an "Dysfunktionalität" des bäuerlichen Eigentums in einer vom Eigentum an Kapital regierten Wirtschaft für die Erhaltung einer nationalen Agrar-Basis recht bequem fertig wird, als Druckmittel in den EG-Verhandlungen eingesetzt, was darum funktioniert, weil für den Verein als ganzes - nicht zuletzt aufgrund 20jähriger gemeinsamer Agrarpolitik - das Problem sehr wohl noch existiert.

Die lauthals behauptete Unzufriedenheit mit der "Nettozahlerposition" bei gleichzeitigem Verweis darauf, daß der Agraranteil am EG-Haushalt von 80 auf 50% zu drücken sei, will nicht heißen, daß die BRD nun weniger Geld einzuzahlen oder gar frühere Zahlungen zurückzufordern gedenkt. Diese Kosten sollen anders verwendet werden, lassen sich doch für den EG-Haushalt reichlich nützliche Verwendungsmöglichkeiten, die rein zufällig mit eigenen Interessen sich decken, vorstellen. Mit lauter "guten Gründen" natürlich und keineswegs egoistisch - liegen nicht die Rationalisierungen der Stahlindustrie und die dafür auszuschüttenden Sozialprogramme im gesamteuropäischen Interesse? Wenn ihr es nicht schafft, so viele zu entlassen, dann ist das doch euer Fehler!

Die darin enthaltene Weigerung, sich im Namen der EG-Solidarität für das Herrichten mancher "rückständiger", politisch bedeutsamer Produktionsweisen in anderen Ländern "mißbrauchen" zu lassen.

"Die Bundesrepublik und in ihrem Schlepptau auch Großbritannien wollen vor allem den Agrarsektor in den Griff bekommen. Ihre Vorschläge laufen - zu Ende gedacht - auf ein Auseinanderbrechen der gemeinsamen Agrarpolitik hinaus." (Neue Zürcher Zeitung, 21.10.) -,

soll jedoch nicht als Sprengung der EG-Solidarität, deren grundsätzlicher Nutzen, auch wenn er jetzt einer Revision unterzogen wird, (noch) von niemandem angezweifelt wird, verstanden werden: Die BRD werde sich dafür einsetzen, daß die agrarisch bedürftigen Nationen die ausfallenden Agrarsubventionen als Kredit beim IWF einholen dürfen.

Eine samtpfötig daherkommende diplomatische Härte, die um eine weitere ergänzt wird: Falls nötig, wird man sich den (angedrohten) Verzicht auf eine gemeinsame Agrarpolitik durchaus - nur scheinbar dem Einspar- bzw. Haushaltsumverteilungsgedanken widersprechende - eigene, zusätzliche Subventionen kosten lassen. Die berechnende Wucht liegt darin, daß der eigene Bauernstand leichter zu entsubventionieren sein wird und die dabei zwangsläufig anfallenden Preissteigerungen über die Nahrungsmittelpreise ziemlich reibungslos den gewöhnlichen Massen aufgebürdet werden können, daß also den Vergleichsländern die Kosten-Rückführung zu denken geben wird.

Auch will man erreichte Vorteile einer weitgehend industrialisierten Landwirtschaft - von "Agrarfabriken" ist neuerdings bewundernd die Rede - sich nicht mehr auf die altgewohnte Art durch Rücksichtnahmen auf das Vorankommen der EG insgesamt relativieren lassen; wird doch das Vorankommen der EG heutzutage direkter und diplomatisch offenherziger mit den für einen selbst erreichten Fortschritten verknüpft. Wenn die Franzosen auf dem Verkauf von Getreide angewiesen sind, so wird man sich deswegen künftig den billigeren Einkauf von Getreidesubstituten - die von einer ganz anderen Landwirtschaft verlangt werden, nämlich einer solchen, die sich der bodenmäßigen Bindung weitgebend entledigt bzw. den Boden der Klein- und Mittelbauern zum größten Teil in die fabrikmäßige Verwaltung der Nahrungsmittelkapitalisten überführt hat nicht länger so ohne weiteres beeinträchtigen lassen:

"Besonderen Konfliktstoff dürften die Vorstellungen der französischen Landwirtschaftsministerin Cresson liefern, nach denen die Einfuhr von Getreidesubstituten zu bremsen oder zu stoppen wäre... Gegen einen derartigen Ausbau der Gemeinschaftspräferenz wenden sich Staaten, welche die Landwirtschaft teilweise und überwiegend im industriellen Maßstab betreiben und auf die Futtermittelimporte angewiesen sind." (Neue Zürcher Zeitung, 21.10.)

Eine politisch-wohlfeile Begründung ist schnell zur Hand:

"Gar nicht zu sprechen von den möglichen politischen Konsequenzen eines solchen Versuchs für die EG gegenüber den USA, dem wichtigsten Exporteur von Kraftfutter."

Politischer Lohn

I.

"Vom Konsum werden auch in Zukunft keine Wachstumimpulse ausgehen." (Lambsdorff) "1982 werden wir einen 1978 vergleichbaren Lebensstandard haben... der härteste Winter seit dem Krieg." (Schmidt )

Infolge der Ausdehnung der Überstunden und der Samstagsarbeit ist der 10-Stunden-Tag mittlerweile tendenziell der Normalarbeitstag. Die Proleten beugen sich den Erpressungen: Steigende Inflationsrate, teurer werdende Schulden, Entzug von Leistungen des von ihnen bezahlten "Sozialen Netzes", bzw. vermehrte Beitragszablung bewegen sie dazu, in den vom Kapitalisten angebotenen Tauschhandel ihre Knochen einzubringen sichere Grundlage für den Anbieter von Arbeitsplätzen, das Angebot zusammenzustreichen und den Umgang mit den Verbliebenen mit einer neuen Freiheit zu gestalten. Was Marx das "bistorische und moralische Element der Ware Arbeitskraft" nannte, erweist sich in Zeiten welthistorischer Entscheidungen und staatlich organisierter moralischer Aufrüstung dafür als wichtiges Moment der Lohndrückerei: Gerade so, als ob sie dieses "historisch-moralische Moment" als eigentlich ungerechtfertigte Über-Zahlung des Kapitalisten aufzufassen hätten, bringen die Proleten die Wahrheit ihrer Klasse zur Anschauung. Sie erklären sich selbst zu welchen, für die das absolut Lebensnotwendige auszureichen hat, für die auch noch die bescheidensten Genüsse des Lebens sich an der unerbittlichen Frage zu messen haben "Braucht's das wirklich, um in die Arbeit gehen zu können?", wobei allein schon der "Besitz" eines Arbeitsplatzes - egal welches - die Frage fast abschließend dahingehend beantwortet, daß man mehr zum Leben nicht braucht. Bei der praktischen Einrichtung in dieser Tautologie, die den letzten Schein des "Arbeiten, um..." beseitigt, treten dem Proletariat die zwei Garanten seiner Existenz (nicht seines Wohls!) - Staat und Gewerkschaft - kräftig in die Seite. (Zur Gewerkschaft: vgl. "Tarifrunde 82" in dieser Ausgabe)

II. Rentenversicherung

Die "Finanzierungsengpässe" der Rentenversicherung werden vom Staat auf der "Einnahmenseite" mit ebensolcher Selbstverständlichkeit produziert, wie ihnen auf der "Anspruchsseite" Abhilfe verschafft wird. Da werden Maßnahmen der "Rehabilitation" gestrichen (reiner Luxus, weil wozu soll denn ein besserer Frührentner noch brauchbar gemacht werden, wenn es genügend arbeitsfähige Arbeitslose gibt?), Ausbildungszeiten in Übereinstimmung mit dem "aus dem Grundgesetz herleitbaren Vertrauensschutz" nachträglich in anspruchsmindernder Weise anders bewertet - oder die Rentner auch bei noch so geringfügiger Beschäftigung zur Mitfinanzierung ihres Gnadenbrotes herangezogen ("Wegfall der Versicherungsfreigrenze") - von der außerordentlichen "Dynamik" der in den Anpassungsgesetzen bestimmten Erhöhungen des allgemeinen Rentenniveaus einmal ganz abgesehen. Nun scheint der Staat einen unbedachten Moment lang seinen Sparbeschluß vergessen zu haben: "Mindereinnahmen in Millardenhöhe durch Etatbeschluß" (Schlagzeile in der "Süddeutschen Zeitung").

  • Aus der Absenkung des Beitragssatzes von 18,5 auf 18% des Bruttoeinkommens errechnen die Rentenexperten Mindereinnahmen von 3,1 Mrd. DM. Die Rechnung ist lustig. Man tut einfach so, als ob die Anhebung der Beiträge nicht befristet gewesen sei und erschließt aus den fiktiven Mehreinnahmen die entsprechenden Mindereinnahmen. Dieser umständliche Hinweis an den Staat ist allerdings völlig überflüssig, denn erstens denkt sich Ehrenberg das auch schon, und zweitens werden sich schon 'Rentenlöcher' ergeben, die eine Wiederanhebung des Beitragssatzes aus Gründen der Solidarität der Rentenfinanzierung geboten erscheinen lassen.
  • Bemerkenswert ist auch die nächste Quelle von Mindereinnahmen, die Kürzung der Beiträge des Staates zur Rentenversicherung für Wehr- und Zivildienstleistende. Weil der Staat sich hier was schenkt, hat er sich um einen Haufen Geld gebracht - so die Logik. Für Vorkriegszeiten scheint uns diese Maßnahme durchaus angemessen zu sein: es wäre ja auch geradezu wehrkraftzersetzend, für jemandes Altersversorgung zu sorgen, dessen Heldentod man vorgesehen hat.
  • Daß sich die gesetzlichen Verschlechterungen für die Arbeitslosen als Mindereinnahmen für die Rentenkasse geltend machen, dürfen die Rentner den Arbeitslosen zum Vorwurf machen. Denn daß die Rentner dafür büßen müssen, daß der Staat die Arbeitslosen mit Verlängerung der Sperrzeiten u.ä. deckelt, ist ihm zwingend vom "Generationenvertrag" vorgeschrieben, und den haben ihm ja wiederum die Rentner und Arbeiter (Arbeitslose ) zur Auflage gemacht.
  • Selbiges Prinzip liegt auch folgendem Sachverhalt zugrunde: Mindereinnahmen der Rentenkasse durch Zunahme von Arbeitslosigkeit und "unerwartet niedrige Entgeltentwicklung" kann zur Notwendigkeit entlastender Maßnahmen auf der Anspruchsseite führen - womit schließlich die ganze Schönheit des dem "Generationenvertrag" zugehörigen Umlageprinzips als einer dem Kapital- und Ausheutungsverhältnis zugehörigen Institution zur Anschauung gebracht wird: lebenslange Arbeit im Dienste des Kapitals und pflichtgemälße Beitragszahlung berechtigt zu gar nichts, weil das Geld weg ist; was man kriegt, hängt ganz vom Umgang des Kapitals mit dem "aktiven" Ausbeutungsmaterial und dem Kalkül des Staates ab, wie er an diesen dasselbe praktiziert wie mit den ehemals "Aktiven".
  • Die von den Rentenexperten aufgemachte Möglichkeit einer Auflösung der (beachtlichen) Vermögenswerte der Rentenversicherung wollen wir erst gar nicht ernstnehmen. Gelogen ist allerdings, daß diese Vermögen "kurzfristig nicht beanspruchbar" seien. Sie sind es nämlich auch langfristig nicht, weil diese aus den Beiträgen der Arbeiter gebildeten Vermögen für bessere Zwecke als für die Alimentierung der Alten vorgesehen sind.

III. Betriebsrenten

Die "steuerrechtliche Behandlung dieser Aufwendungen" hat sich geändert. Eine solche Betriebsrente hat ja für einen Unternehmer noch ganz andere Vorteile, auf die ein gewöhnlicher Mensch im Traum nicht kommt. Die "Aufwendungen" für die Betriebsrente durfte und darf so ein Unternehmer nämlich mit staatlicher Erlaubnis in eine "Rückstellung" verwandeln und damit zwei Fliegen auf einmal erledigen:

  • Einerseits sind solche "Rückstellungen" vom Gewinn abziehbar, sie wirken sich also als Steuerersparnis aus;
  • andererseits läßt sich dieses Geld, das ja eben wegen der Steuerersparnis billiger ist als jeder Kredit von der Bank, für Investitionen verwenden.

Jetzt hat aber der Staat den Unternehmern eine böse Mitteilung gemacht: Sie dürfen ihre "Rückstellungen" nicht mehr so hoch ansetzen wie bisher. Der Grund ist mal wieder sehr einfach. Bekanntlich spart der Staat wie blöd, und darum will er mehr Steuern einnehmen bzw. nicht mehr soviel Steuerersparnis erlauben. Die Unternehmer ihrerseits sparen auch und streichen ihre Betriebsrenten. Was im Falle der AEG-Sanierung noch als "Umzweckung" des Betriebsrentenfonds mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgte, ist jetzt für alle Unternehmen ein vom Staat kommender Sachzwang, den sie an ihre Lohnempfänger weiterreichen.

Ein paar aufklärerische Fragen

1. Warum sind eigentlich die früher so selbstverständlichen "Instrumente der antizyklischen Konjunkturpolitik" plötzlich so hoffnungslos "veraltet"?

Warum legt Lambsdorff ununterbrochen "Bekenntnisse zur freien Marktwirtschaft" ab? Hat ihn jemand als östlichen Planungskommissar verdächtigt? Hat jemand für die BRD die Abschaffung des Kapitalismus gefordert?

"Es muß Konsumverzicht geleistet und dann bei den Investitionen geklotzt werden" Farthmann, in: Wirtschaftswoche

2. Warum fällt denen nie was Neues beim Verbraten ihrer Ideologien ein? Immer dieses Gewäsch, von wegen Investitionen würden neue Arbeitsplätze schaffen:

"In seinem Vortrag hat Matthöfer deutlich gemacht, daß sinkende Unternehmergewinne eine verminderte Investitionstätigkeit und damit weiter steigende Arbeitslosigkeit mit sich bringen." (Süddeutsche Zeitung, 21.11.)

Warum steckt denn dem niemand mal seine vielen neu geschaffenen Arbeitsplätze an den Hut? Warum kommt niemand auf den logischen Schluß, daß die Beseitigung des Profits die sichersten Arbeitsplätze "schaffen" würde?

"Die Bewältigung der Arbeitslosigkeit wird zur Nagelprobe für unsere Gesellschaftsordnung" Farthmann, in: Wirtschaftswoche

Warum lacht niemand, wenn der Präsident des BDI, Prof. Rodenstock, öffentlich behaupten darf, "man hinke derzeit weit hinter den vier magischen Zielen der Wirtschaftspolitik her"? Soll er sich doch in sein magisches Quadrat begeben und verschwinden.

Bundesbank-Vizepräsident Schlesinger hat eine "Asymmetrie" entdeckt:

"Man müsse anerkennen, daß die Wirtschaft asymmetrisch reagiere. Anstöße von außen zur Preissteigerung wirkten sofort, Anstöße zu Preissenkungen aber nur langsam oder gar nicht. Trotz dieser ernüchternden Erfahrung..." (Süddeutsche Zeitung, 21.11.)

Die Bundesbank jahrelang im Rausch?

Die Lüge des Jahres: "Kassenebbe trifft Rüstungsindustrie"

Unter dieser Überschrift erzählt uns ein Volker Wöhrl in der "Süddeutschen" ein modernes volkswirtschaftliches Märchen von den hungertuchnagenden Rüstungsindustriellen. Freilich rückt er die Dinge auf einem eleganten Umweg wieder ins rechte Lot: Unter der Zwischenüberschrift "Primat der Politik" gibt er der klassischen revisionistischen Theorie vom gesponsorten Faschismus - "die chauvinistischen Teile der Finanz- und Rüstungsaristokratie", man weiß schon - recht, setzt sich dann von dieser dunklen Ecke deutscher Geschichte ab, behauptet von der demokratischen Rüstungspolitik das Gegenteil und hat damit zugleich dem Faschismus eins reingewürgt wie auch sichergestellt, daß die Waffen bei uns wirklich nur aus politischen Gründen gekauft werden:

"Die Manager der Rüstungsfirmen haben ihre Zukunftssorgen angemeldet, ihre Interessen angemahnt, aber der Primat der Politik - zumindest gegenüber der Öffentlichkeit -" (aufgemerkt: heimtückische Naturen?) "akzeptiert. Unvergleichlich anders als im Dritten Reich, nicht zu vergleichen auch mit den Ostblockländern... hat die Rüstung in der Bundesrepublik eine untergeordnete, dienende Funktion. Sie ist keine der großen konjunkturellen Schlüsselbranchen... Es wäre aber nicht gut, für die Menschen, die von dieser Industrie leben, und für unseren Staat, wenn dieser Teil unserer Wirtschaft eines Tages ins Abseits geriete... Die Beschäftigten dieser Branche und ihr Sachverstand soll den Frieden sicherer machen. Das ist ihre Hauptaufgabe." (28.7.)

Er kann's nicht lassen: Die Rüstung-zwingt-Staat-Theorie ist natürlich doch wieder brauchbar, wenn's um "die Beschäftigten" und ihre Sorge für den Frieden geht. Wenn der Staat dem "eines Tages" nachgibt, hat er es zwar nicht gewollt, andererseits aber nur Gutes getan für die Beschäftigung in Freiheit und Frieden.

Eine gewerkschaftsoppositionelle Forderung: Die Erhöhung der Massenkaufkraft

Eine alte gewerkschaftliche Forderung, die sich heute jedoch "kritisch" gegen Vetter, Loderer und Co. vorträgt, nämlich als Kontrastprogramm zur offiziellen Gewerkschaftslinie. Der Fehler dieser Forderung: Den Kapitalisten bessere Realisierungsmöglichkeiten verschaffen zu wollen und dadurch mehr Produktion, mehr Arbeitsplätze, Wachstum anzustacheln - harmonisch vereinbart mit höherem Lebensstandard der Arbeiterklasse. Antwort der Kapitalisten: Schönste Harmonie herrscht dann, wenn wir Kosten sparen, dann haben wir Gewinne, dann investieren wir, dann kommen Arbeitsplätze usw. usw. - bekanntlich zählt diese Antwort.

Angesichts der gewerkschaftlich mitgetragenen Verarmungspolitik des BRD-Staates, angesichts der ins Faschistische hineingehenden Gewerkschaftsforderung, überhaupt Leute zu beschäftigen, "wofür die Gewerkschaft Dinge zu tun bereit wäre, die ihr weh tun" (Vetter), angesichts also des offenen Unmuts der Staatsgewerkschaft über anti-nationale Verschleuderung der Arbeitskraft (so geht kritischer Gewerkschaftsnationalismus!) - eine Ideologie zwar, aber sehr direkt bei der künftigen, ersten offiziellen Minus-Lohnrunde wirksam -, angesichts dessen mag einem die Steinkühler-Forderung sogar sympathisch vorkommen. Ist sie aber nicht, da sie so absichtsvoll an den Realitäten vorbeigeht, da sie den Staat so absichtsvoll mit einem wirtschaftspolitisch falsch gewählten Konzept entschuldigt, da sie so pflaumenweich von vornherein auf jede Durchsetzung verzichtet - ein möglicher Streik des DGB für sein "Beschäftigungsprogramm" geht garantiert nicht um die "Massenkaufkraft" - und pur als Appell an die Herrschenden daherkommt, daß nur ein Schluß möglich ist: Steinkühler ist ein Opportunist, der sich an der Armut profiliert und im innergewerkschaftlichen demokratischen Ringen mit dafür sorgt, daß der Wert der Ware Arbeit hinuntergedrückt wird.

Tanz auf dem Vulkan

stellt der Kommentator der "Süddeutschen Zeitung" fest. Warum? Die Leute kaufen immer noch Dinge, die sich sich eigentlich nicht mehr kaufen können. Sachlich-neutral wird festgestellt, daß es mit dem Massenkonsum, so wie man ihn sich früher als eigentlich zur Wohlstandsgesellschaft zugehörig vorgestellt hat, vorbei ist und daran die kleine Lüge geknüpft, daß die Leute also - vulkantanzenderweise - Geld ausgeben, das sie gar nicht haben. Indiz dafür ist insbesondere die Lage in der Automobilindustrie, die - von düsterem Gemurmel über die Zukunftsaussichten begleitet - von schönen Gewinnen im letzten Jahr berichtet und sich auf ihren Bilanzkonferenzen auch durchaus optimistisch gibt.

Des Rätsels Lösung ist nicht schwer. Pochend auf ihre Unersetzlichkeit, sprich: gewiß, daß ein Mensch heutzutage schwerlich ohne ein Auto seinem Erwerb nachgehen kann, sicher, daß staatliche Konkurrenz in der Beförderungsfrage nicht auszumachen ist, machen sich die Automobilkonzerne daran - hierin dem Staat ein Vorbild gebend -, ihre Kosten zu senken und die Preise zu erhöhen. Daß die Absatzzahlen zurückgehen, ist ja so lange kein ernsthaftes Problem, wie die Summe aus Menge x Preis ansteigt.

Dennoch hat der Kommentator in einem recht: Überall kann das ja nicht so zugehen, nicht alle Bereiche der Konsumgüterindustrie können florieren bei rückläufiger Kaufkraft. Eine Zeitlang geht es noch, solange sich die Leute nicht an den Verlust gewisser für reproduktionsnotwenig gehaltener Waren gewöhnen wollen und sich in das Abenteuer des Ratenkredits einlassen - nicht umsonst blüht ja diese, und nicht nur diese, spezielle Branche des Bankgewerbes, und gegen absehbare Forderungsausfälle hat sie sich längst mit "marktgerechten Wagniszuschlägen" so abgesichert, daß die Zinssätze auf stolze 18% hochgeklettert sind. Ein Zinssatz, bei dem sich ein Kapitalist an die Stirn tippen würde - aber der muß ja auch nur seine Investitionen finanzieren.

So konkurrieren die Kapitalisten in ihrer Gesamtheit um das sich verengende zahlungskräftige Bedürfnis, und wenn die Burschen von der Video-Branche jetzt so flotte Zuwächse verzeichnen, dann gibt das sicherlich an anderer Stelle so manchem Kapitalisten zu denken. Während aber der Video-Käufer feststellt, daß sich die Ausgabe für das neue Gerät noch mehr als früher als Verzicht bei anderen Wünschen bemerkbar macht, so wirft der videogeschädigte Kapitalist sein Kapital eben in eine andere Branche. Damit ist für ihn wieder alles in Butter, und seine Arbeiter sitzen auf der Straße.

Die Anleihen der Europäischen Investitionsbank

werden vermehrt aufgelegt. Sie markieren den Übergang vom politisch ausgehandelten Zuschußwesen zum europäischen Kredit, den die Politik zwar einrichtet, den sie aber dann ganz den ökonomischen Kalkulationen überlassen möchte. Wer also in Zukunft bei der Neuaufteilung des Haushalts auf gewisse Zuschüsse z.B. aus den Regionalfonds verzichten muß, kann sich dieses Geld natürlich trotzdem beschaffen - er muß nur den marktmäßigen Zins bezahlen. Die EG-Mitgliedschaft kommt ihm insofern zugute, als solche Anleihen zu günstigen Konditionen zu plazieren sind - ein Block steht ja dafür gerade - und somit auch günstigeren Kredit erlauben. Andererseits ist vom Kreditnehmer eine unmittelbare Beteiligung an der Schuldentilgung nach Maßgabe seiner aufgenommenen Kredite verlangt. Und diese hat er ja aufgenommen. weil er dieses Geld brauchte und über die EG im alten Stil nicht mehr bekam.

Merke: Die EG läßt niemanden im Stich - sie schenkt aber auch so schnell nichts her. Das war zwar noch nie so, aber daß die früheren Zuwendungen immerhin noch Zuwendungen waren, die sich einer leistete. um sich einen Partner als für sich günstig zu halten, ist eine geradezu harmonische Angelegenheit demgegenüber, wie nun auf den Resultaten dieser Hilfsbereitschaft beharrt wird. Jedoch, keine falsche Panik: Zum Entwicklungsland werden die Italiener darüber nicht, schließlich entstammt ihre Nützlichkeit immer noch einer im eigenen Land zuschlagenden - freien Marktwirtschaft.

EG-Agrarpreise

Gespart nach alter Bauernart

"Die Mehrbelastungen aus den Brüsseler Agrarpreisbeschlüssen drohen den EG-Haushalt zu sprengen. Bonn will die Kommission künftig zu einem strikten Sparkurs zwingen" aus: Wirtschaftswoche

"Wer die Verteidigungsausgaben erhöhen will, muß dem deutschen Volke sagen, wo etwas anderes gestrichen werden soll." Matthöfer, in: Wirtschaftswoche

Betriebsrenten im Gespräch

"Das Bonner Sparprogramm hat dem Thema "betriebliche Altersversorgung" erneut Aktualität verliehen. Nach der extensiven Auslegung des Paragraphen 16 des Betriebsrentengesetzes durch das Bundesarbeitsgericht, der die Unternehmen alle drei Jahre zur Anpassung der Betriebsrenten an die Geldentwertung verpflichtet, will der Fiskus jetzt in die Pensionskassen der Firmen greifen. Die Bildung steuerfreier Pensionsrückstellungen soll eingeschränkt und alte Polster in den Reserven für Betriebsrenten aufgelöst werden." (aus: Wirtschaftswoche)