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VOM "VERFOLGUNGSWAHN" DER MG UND DER VERFOLGUNGSSTRATEGIE DER DEUTSCHEN STAATSSICHERHEIT
„Die bürgerliche Moral ist wie ein Schulmeister, der die bösen Buben nicht bloß mit Prügeln traktiert, wenn sie unartig sind, sondern der auch noch verlangt, dass sie sich melden, wenn ihnen der bloße Gedanke an eine Unart durch den Kopf schießt.“ (Max Horkheimer, Dämmerung, 1934)
Die MG macht kommunistische Politik; der Verfassungsschutz paßt darauf auf; die MG deckt nach Kräften ihre Leute; der Verfassungsschutz spioniert sie mit überlegenen Mitteln aus: So weit, so normal in unserer FDGO. Die Broschüre des Bundesinnenministeriums mit ihrem Anliegen, die Notwendigkeit einer MG-Verfolgung zu belegen, beläßt es nicht bei diesem geradlinigen Verhältnis. Ihre gelehrten Autoren geben sich Mühe, die MG an ihrem Verhältnis zum Verfassungsschutz noch extra zu blamieren, und erklären die ganze geheimdienstliche Überwachung, der die MG unterliegt - das Fazit füllt seit 1977 ein paar Seiten in den Verfassungsschutzberichten der Nation -, zu einem Spleen der MG. Nicht ohne daraus zu folgern, dass die MG genau deswegen Überwachung auch verdient. Weil diese Kommunisten sich nicht direkt bei den zuständigen Landesämtern für Verfassungsschutz mit Lichtbild und Lebenslauf melden, muß die Behörde sie mit allen „nachrichtendienstlichen Mitteln“ (so der offizielle Ausdruck fürs Schnüffel- und Spitzelwesen) verfolgen. Einfach genial, diese wasserdichte Ableitung der staatlichen Observation aus der Reaktion der Opfer!
„Einen besonders erlesenen Ruf als ‚Feind Nr. 1‘“ (die Anführungszeichen suggerieren ein Originalzitat) „genießen bei der Gruppe die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern - tatsächlich haben diese Behörden auch allen gesetzlichen Anlass, sich umfassend mit den Umtrieben der MG‘ zu befassen.“ (64)
Tatsächlich „befassen“ sich die demokratischen Stasi-Behörden schon ein paar entscheidende Jährchen länger mit uns, als wir ihrem Wirken und vor allem dessen Wirkungen Rechnung zu tragen versuchen.
Nach dem Radikalenerlass von Bund und Ländern 1972
wurden Studentenparlamentskandidaturen an den Münchener Hochschulen aus den Jahren 1969 ff. in den Anhörungen auf Verfassungstreue Bewerbern für den öffentlichen Dienst vorgehalten.
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1974 erhielt der im Schäuble-Report als „AStA-Vorsitzender 1971/72“ angeführte Theo Ebel im Freistaat Bayern ein Berufsverbot fürs Gymnasiallehramt, das der VS mit recht detaillierten Daten aus dem „Innenleben“ der „Roten Zellen“ an der Uni München belegte.
Und auch damals schon war der zynische Verfassungshüterspruch, man müsse ja nicht gleich Beamter werden wollen, wenn man keine staatstreue Gesinnung nachweisen kann, für die Praxis des Freistaats alles andere als ein Laisser-faire außerhalb des öffentlichen Dienstes:
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H. L. Fertl verlor 1976 seine Lehrerstelle an einer Münchener Privatschule, weil das Kultusministerium den Arbeitgeber über das Vorliegen „von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes“ informierte und eine Weiterbeschäftigung nicht genehmigte.
Wenn man aber den Radikalenerlass und seine Wirkungen einfach mal beiseite läßt, dann erscheint die seither gepflegte Zurückhaltung der MG beim Öffentlichmachen von Namen und Adressen der Mitglieder und Sympathisanten als eine Machenschaft, die die Organisationspsychologen des Innenministeriums sich und ihrem Auftraggeber nur organisationspsychologisch erklären können - seinen Handlungsbedarf wird sich der Innenminister daraus schon selbst bestätigen können:
„Deren Führung“ (die der MG) „kultiviert bei ihrer Gefolgschaft die Feindbilder ‚Staat‘ und ‚Verfassungsschutz‘ mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie will damit nicht zuletzt den inneren Zusammenhalt der Gruppe stärken. So wird unter den fest eingebundenen MG-Anhängern ein regelrechtes Verfolgungssyndrom erzeugt...“ (64)
In der (Verfassungs-)Wirklichkeit wäre es der „Führung“ sehr recht gewesen, wenn der staatliche Verfolgungsdrang noch einen Unterschied zwischen „Führern“ und „Anhängern“ gemacht hätte. Die zuständigen Behörden gaben sich aber mitnichten damit zufrieden, die Exponenten der Organisation dingfest zu machen. Gerade der „innere Zusammenhalt“ der MG, jener ziemlich simpel zu erklärende Sachverhalt, dass Leute gleicher oppositioneller Auffassung einander nicht hängen lassen, wenn der Staat sie außer Brot setzt, ließ in den Verfassungsschutzführungen schon früh den Beschluss reifen, möglichst vieler, wenn möglich aller „fest eingebundenen MG-Anhänger“ datenmäßig habhaft zu werden. Die Anhörungen bzw. Disziplinarverfahren bei Bewerbern oder Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes häuften sich und trafen die Mitglieder, Kandidaten, Sympathisanten und Leute im allerweitesten Dunstkreis der Organisation ebenso wahllos wie gleichmäßig. Anstrengungen unsererseits, die „nachrichtendienstliche Arbeit“ wenigstens zu erschweren, werten die Experten des Herrn Schäuble so:
„Entsprechend grotesk fallen die ‚Sicherheitsvorschriften‘ der MG aus. So sind ihre Mitglieder angewiesen, Fahrzeuge bei Zusammenkünften der Gruppe weitab vom Versammlungsort abzustellen oder sogleich mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Bei telefonischen Kontakten geht die MG davon aus, dass bestimmte Anschlüsse nach dem G-10-Gesetz durch die Sicherheitsbehörden überwacht werden. Generell sollen MG-Angehörige Gespräche nur von Telefonzellen ausführe. Werden bei Schulungen ‚heikle‘ Themen besprochen, lassen die Terminleiter Rollos oder Vorhänge zuziehen, um Ausspähen zu verhindern. Gegen vermutete Lauschangriffe setzen sie Radiogeräte in Gang. Teilnehmer von Sympathisanten- und Kandidatenschulungen sollen einander nur mit Vornamen kennen; das gilt auch für Terminleiter, denen die Teilnehmer - zur Verschleierung der Finanzwege der MG - ihre Beiträge in bar abliefern.“ (64 f.)
Eine schöne, weitgehend lückenlose Aufzählung der Mittel und Methoden, mit denen der Stasi-West uns zu Leibe rückt - geschildert als Belege für den Verfolgungswahn der MG!
Wenn die Optik stimmt, dann wird das Feindbild auch durch Details ausgeschmückt, denen das unbefangene Auge leicht entnehmen kann, dass sie fürs schiere Gegenteil der beabsichtigten Botschaft sprechen. Der wissenschaftliche Beirat des Innenministers hält es nämlich nicht einmal für notwendig zu dementieren, dass die „nachrichtendienstliche Tätigkeit“ in Sachen MG wirklich stattfindet, gegen die unsere „grotesken“ „Sicherheitsvorschriften“ gerichtet sind. Die angeführten Erkenntnisse können überhaupt nur durch eingeschleuste Spitzel bzw. zum Auspacken bei der Behörde gebrachte „V-Männer“ zustande gekommen sein. Zur Klarstellung über „Groteske“ oder Rationalität von MG-„Sicherheitsvorschriften“ ein paar Informationen, deren Quellenlage von der MSZ-Redaktion gesichert worden ist und die im Bedarfsfalle auch gerichtsverwertbar sind.
Stasi-West: Abteilung „Neue Linke“. Beobachtungsobjekt „Marxistische Gruppe (MG)“
1. Auf den meisten öffentlichen Veranstaltungen der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG) befinden sich Mitarbeiter des VS und notieren die Namen Anwesender, bzw. versuchen die Namen ihnen als MGler Verdächtiger herauszukriegen. Einem Bewerber für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien wurde vom zuständigen Ministerium eine Liste mit 8 öffentlichen Diskussionsveranstaltungen der MG in 2 Städten aus verschiedenen Bundesländern in 3 Jahren vorgehalten, bei denen er als Zuhörer anwesend war. Das Ministerium fügte der Liste hinzu:
„Zum Beweis der vorstehenden Erkenntnisse kann ein Angehöriger des... Landesamts für Verfassungsschutz als mittelbarer Zeuge benannt werden.“
Die Behörde geht also davon aus, dass sie im Falle eines Verwaltungsgerichtsprozesses ihren Spitzel nicht aufzudecken braucht und dem Gericht die Aussage seines Chefs („mittelbar“) reicht.
2. Bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen der MARXISTISCHEN GRUPPE (MG), im Umkreis von angemieteten Räumlichkeiten der Organisation, beim Verteilen von Flugblättern und Zeitungen - immer sind Mitarbeiter der Landesämter für VS auf der Matte und notieren sich die Autonummern in Frage kommender Fahrzeuge. Ganz offensichtlich steigen sie Veranstaltungsteilnehmern oder Flugschriftverteilern bis zu ihrem PKW nach, um über die Zulassungsnummer an die Personalien eines mutmaßlichen MGlers heranzukommen. Wie folgendes Beispiel zeigt, kann man allein durch den Besitz eines Kraftfahrzeugs seinen Beruf riskieren:
„Am... 1983 benutzten Flugblattverteiler, die vor dem ...-Werk in ... MG-Flugblätter mit dem Titel ‚Argumente zum 17. Juni‘ verteilten, Ihren PKW mit dem amtlichen Kennzeichen...“
Das hielt 1990, also 7 Jahre später, eine Bezirksregierung im Freistaat Bayern einem Bewerber für den Vorbereitungsdienst für das Lehramt unter dem „Betreff: Verfassungstreue“ vor.
Selbstverständlich gehört zu den „nachrichtendienstlichen“ Mittel der Behörden auch das heimliche Ablichten der zu beobachtenden Personen. Einem Beamten des öffentlichen Dienstes wurde vom Bayerischen VS eine Photoserie vorgelegt, die ihn beim Betreten und Wiederverlassen von Tagungsorten der MG zeigt. Gegenüber einem Gebäude in der Münchner Drachenseestraße, in dem Schulungen und Tagungen der MG abgehalten wurden, mietete der Verfassungsschutz eine Wohnung an, von der aus der Eingang und ein Stück der Drachenseestraße gefilmt werden konnten. Die Filmemacher im öffentlichen Schnüffeldienst wurden anläßlich eines Festes mit Tanz und Musik, zu dem alle Münchener Mitglieder und Freunde der MG eingeladen waren, bei der Arbeit entdeckt und unterbrochen. Seitdem wissen wir, dass demokratische Überwachungsorgane uns auch bei Spiel und Spaß nicht aus den Augen lassen - und sind entsprechend griesgrämig geworden.
3. Über die Möglichkeiten, die die Gesetzgebung einer wehrhaften Demokratie zum Anzapfen des Post- und Fernmeldegeheimnisses einräumt, steht, wie im Schäuble-Papier vermerkt, alles im G-1O-Gesetz: Sie sind gegen zu „Verfassungsfeinden“ Erklärte ziemlich unbegrenzt, und der Rechtsweg ist für die Betroffenen per Gesetz ausgeschlossen. Über die technischen Mittel, die dabei von den Diensten angewendet werden, wissen wir alles Notwendige aus Berichten in der Zeitschrift „Der Spiegel“. Beeindruckt hat uns vor allem die Methode, per computergesteuerter Fangschaltung alle Fernsprechteilnehmer, die eine bestimmte Nummer anwählen, festzuhalten. Deshalb haben die Amateur-„Sicherheitsexperten“ der MG an Leute, die mit uns zu tun haben, die Warnung ausgesprochen, Räumlichkeiten der Organisation und Privatanschlüsse von Genossen, die die Verfassungsschutzberichte als „MG-Führer“ einstufen, besser von der Telefonzelle aus anzurufen. Illusionen über die Wirksamkeit aller Bemühungen gegen einen hochtechnisierten Geheimdienst machen wir uns nicht. Neulich konnte man im „Spiegel“ nachlesen, dass die Computerfritzen vom rechtsstaatlichen Stasi begeistert sind über die neuen Telefonkarten, weil man über deren imprägnierte Codierung so wunderbare Personenraster zusammenstellen kann. Unseren Mitgliedern auch noch zu empfehlen nur Münztelefone zu benutzen, war uns dann doch zu blöd.
4. Zum Glück hat uns ein aus der Studentenbewegung überkommener Brauch frühzeitig davor bewahrt, die Nachnamen der Leute, die in der MG arbeiten, an die große Glocke zu hängen. Genützt hat es nichts. Es gibt dagegen einen eigenen Berufsstand. Das Berufsbild liest sich so:
„Der Einsatz von V-Leuten dient vor allem der Aufklärung des politischen Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland... Zu diesem Zweck versuchen die Verfassungsschutzbehörden, Mitglieder dieser Organisationen dafür zu gewinnen, die Verfassungsschutzbehörde bei der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags zu unterstützen und ihre Informationen über die Interna mitzuteilen.“ (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Abwehrbereit, München 1985, S. 102)
Lange Zeit war es üblich, auf neu eingerichteten Sympathisantenplena der MG, die öffentlich und für jedermann zugänglich sind, Listen herumgehen zu lassen, auf denen die Teilnehmer Vornamen und Telefonnummern eintrugen, um im Falle einer Terminverlegung benachrichtigt werden zu können. Ein ernster Fehler, der es zum Beispiel im Jahre 1990 dem VS gestattet, einem Bewerber um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt in Bayern vorhalten zu lassen:
„Sie sind seit Mitte 1979 im Zusammenhang mit der Marxistischen Gruppe (MG) bekannt.“
Bei einer Tagung des Bundesinnenministeriums im März dieses Jahres prunkte der Hamburger Geheimdienstchef Lochte (SPD) vor qualifizierten Teilnehmern aus den alten und den neuen Bundesländern mit den V-Männern seiner Behörde in der MG, die ein sehr hohes „geistiges Schmerzensgeld“ für ihre schnüfflerische Knochenarbeit bezögen. Einige dieser Figuren scheinen höchst erfolgreich den Personalstand der MG ausgeforscht zu haben. Da tauchen in Anhörungen Funktionen auf, die die Inkriminierten in der „MG-Hierarchie“ einnehmen würden, wie z.B. Einteilen von Plakatklebern, Aufstellen einer Lautsprecheranlage usw. Der Verfassungsschutz kennt in München Familiennamen und Anschrift von Leuten, die nachweislich nur 1 Mal ein Sympathisantenplenum der MG besucht haben, genauso wie die Adresse unserer Drucker, Setzer und Papierlieferanten. Wörtliche Zitate aus Terminen, Protokollen, Veranstaltungen verraten eine sehr akribische und auf umfassende Ausspähung gerichtete Aktivität, bei deren Resultaten wir die Frage für irrelevant erachten, ob die Observation durch Spitzel, Telefonüberwachung oder Lauschangriff mit Richtmikrophonen und „Wanzen“ erfolgt ist. Wenn man noch die dicken Fotoalben hinzunimmt, die ganz nebenher zustande gekommen sind, die Namens- und Adressendateien: Auf welcher Seite liegt da eigentlich Verfolgungswahn vor?
5. Die Sache mit dem „bar abgelieferten“ Geld: Erwarten die Herren MG-Experten des Bundesinnenministeriums, dass Mitglieder der MG ihre Beiträge per Einzugsberechtigung und Spendenquittung entrichten? Bei der MG handelt es sich doch weder um das Finanzministerium noch um die Katholische Kirche oder die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ einer demokratischen Volkspartei. Der Tirade der innenministeriellen Expertise ist sogar zu entnehmen, dass es mit der rigiden „Besteuerung“ des MGlers nicht so weit her sein kann, wenn die Zuwendungen ungezählt bar auf die Kralle daherkommen. Im Unterschied zu den Schröpfungsmethoden der öffentlichen Gewalt kann es bei einer Organisation mit freiwilliger Mitgliedschaft und jederzeitiger Ausstiegsmöglichkeit (das bestätigen selbst noch die Spitzel, wenn sie sich auf die Informationen „ausgestiegener“ MGler berufen, die sich ihnen „anvertraut“ hätten) so etwas wie eine Steuererklärung nebst Steuerfahndung, Steuereintreibung und auch noch Zwangsvollstreckung gar nicht geben.
Aus dem sehr einfachen Sachverhalt, dass Leute, die dafür sind, dass die MG politisch was putzt, dafür auch ein Geld übrig haben, das aber nicht überweisen können, weil sie dann schon wieder registriert und einer „verfassungsfeindlichen Bestrebung“ überführbar sind, macht die Feindbildoptik eine „Verschleierung der Finanzwege der MG“. Jeder Terminleiter ein kommunistischer Leisler-Kiep, oder was?
Das Bayerische Fernsehen hat vor 2 Jahren in der Sendung „Zeitspiegel“ einen V-Mann auftreten lassen, der vermummt vom Leben in der MG erzählte. Auch hier kam die Denunziation über die bloße Bestätigung des Faktums, dass auch im Verein MARXISTISCHE GRUPPE Beitrag für die Finanzierung der Vereinszwecke entrichtet wird, nicht hinaus. Mit einem Unterschied zum richtigen Leben: Wenn einer nicht soviel zahlen will oder kann, wie die Beitragsformel empfiehlt, dann zahlt er halt weniger - meldete der V-Mann, über dessen Beiträge wahrscheinlich heute noch Staatsknete in die MG-Kasse fließt.
Little Brother watching
Der Bericht des Innenministers vollendet sein Sittenbild von der MG als psychoterroristischer Vereinigung mit einer Erfindung, für die wir auch nach gewissenhafter Selbstprüfung keinen tatsächlichen Anhaltspunkt in unserem Parteileben haben finden können.
„Die MG verfügt über einen gut geleiteten internen Sicherheitsapparat, dem die soziale Kontrolle des der Gruppe anheimgefallenen ‚Menschenmaterials‘“ (auch hier suggerieren die Gänsefüßchen einen Originalton MG. Gehässig sind sie schon, demokratische Intellektuelle, zumal, wenn sie für den Verfassungsschutz arbeiten!) „unterliegt... In unregelmäßigen Abständen wohnen diese, Sicherheitsmitarbeiter Schulungen bei: Sie kontrollieren den Grad ideologischer Anpassungsbereitschaft bei den Teilnehmern, fertigen Protokolle zu ‚abweichenden‘ Meinungen und erstellen Persönlichkeitsprofile.“ (65)
Wir können uns diese „Erkenntnis“ nur aus der Projektion des verfassungsschutzmäßig denkenden Gehirns erklären, das ziemlich exakt den Auftrag eines V-Manns mit der Zielgruppe MG beschreibt. Im folgenden nimmt sich der Schäuble-Report das Privatleben von Mitgliedern und Sympathisanten der MG vor. Daraus kann man vorab schon einmal lernen, dass „Verfassungsfeinde“ für den freiheitlichen Stasi keins haben: Offensichtlich steigen uns die Damen und Herren Demokratiebewahrer bis ins Schlafzimmer nach und wollen auch genauestens darüber Bescheid wissen, was an den Küchentischen von Altbauwohnungen verhandelt wird:
„Ein anderes Mittel der internen Kontrolle sind die Wohngemeinschaften der MG. In ihnen sind oft MG-Angehörige mit unterschiedlichem Schulungsstand zusammengefaßt. So werden sie auch außerhalb ihrer ‚politischen‘ Aktivitäten einer ständigen Beeinflussung durch die Gruppe unterworfen.“ (65)
Der durch die Gesetzmäßigkeiten des freien Wohnungsmarkts in deutschen Großstädten zustand gekommene Umstand, dass sich mehrere Leute eine Wohnung teilen, hat auch vor der MG nicht haltgemacht. Die Selbstverständlichkeit, dass man Bad, Küche und Wohnzimmer nur ungern mit Leuten teilt, mit denen man entweder dauernd streiten oder das Thema „Politik“ gänzlich vermeiden muß, gerät in der Feindbild-Optik des Anti-MG-Pamphlets zum Organisationszweck. Welche Wohnverhältnisse wären dem VS denn eigentlich recht gewesen: Eine müßige Frage: „Verfassungsfeinde“ sind böse Menschen, und das merkt man auch daran, dass sie wohnen.
Der kurze „Marsch durch die Institutionen“...
Mitglieder und Sympathisanten der MG haben ein Problem, das sie von den wenigsten Mitgliedern dieser Gesellschaft - mit Ausnahme der Politiker - unterscheidet: Sie müssen durch Arbeit ihr Geld verdienen. Wie der Verfassungsschutz bemerkt und das Heftchen des Innenministers vermerkt hat, weisen unsere „Anhänger einen formal hohen Bildungsstand“ auf; d.h. viele haben studiert und das eröffnet ihnen den Zugang zu „gehobenen“ Berufen vor allem des Ausbildungswesens in seinen öffentlichen und privaten Sparten. Nun haben Leute in und im Umkreis der MG nach Beendigung ihres Studiums tatsächlich die Laufbahnen eines Lehrers, eines Anwalts, eines Arztes oder eines EDV-Fachmanns eingeschlagen mit dem in dieser Gesellschaft eigentlich heiligen Zweck, durch Arbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine politische Absicht, gar ein Auftrag der MG ist damit nie und nirgends verbunden gewesen. In der bis zum Erbrechen zitierten „Programmatischen Erklärung“ unserer Organisation von 1974, die von den Autoren des Büchleins ansonsten als verläßliche Auskunftsquelle über Ziele, Mittel und Zwecke der MG angeführt wird, heißt es:
„Als Berufe sind sie“ (die Jobs der Kopfarbeiter) „das Mittel, mit dem sich Individuen reproduzieren: Dies gibt - noch ohne eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Berufe - einen Hinweis darauf, dass ein Freiraum zur beliebigen Umfunktionierung der betreffenden Tätigkeit in antikapitalistische Praxis nicht besteht. Weder läßt sich aus der Nähe zur unmittelbaren Produktion“ (gemeint ist die technische Intelligenz in der großen Industrie) „mit einem gedanklichen salto mortale ein Teil der Intelligenz zum revolutionären Subjekt qua Fähigkeit hochstilisieren, noch ist der Inhalt dieser Berufe, geistige Produktion, die Gewähr für revolutionäre Bewusstseinsbildung und optimale politische Möglichkeiten. Die spezifisch geistige Fähigkeit in dem jeweiligen Beruf stellt mit der Grundlage für die Reproduktion des Intellektuellen zugleich eine notwendige Funktion für die bestehende Gesellschaft dar. Versucht ein Individuum i n seinem Beruf dessen Funktion zu negieren, läuft es folgerichtig Gefahr, seine Reproduktionsbasis zu verlieren.“ (Resultate 1, S.23 ff.)
Zwei Jahrzehnte haben wir uns mit anderen linken Organisationen, namentlich der DKP und dem MSB Spartakus gestritten über die Unmöglichkeit, im Beruf als Kommunist tätig zu werden. 1987 erschien die MG-Broschüre „Die Jobs der Elite“ mit einer Analyse der Funktion dieser Berufe und einer daraus folgenden Polemik gegen die sie mit Herz und Verstand ausübenden Charaktere - da müssen wir im neuesten Heft der Reihe „Innere Sicherheit“ nachlesen, dass
„die Besetzung gesellschaftlich bedeutender Posten nach den Vorstellungen der MG Schlüsselpositionen eröffnen (soll), aus denen im Revolutionsfall die Zersetzung des ‚bürgerlichen Staates‘ betrieben werden soll.“ (65)
Bezeichnenderweise folgt für diese Behauptung als Beleg eine Interpretation von „Die Jobs der Elite“, die sich nur durch semantisches Analphabetentum erklären läßt oder als flagrante Verletzung der von Engels entwickelten Grundregel für „Lügner von Profession“, dass die Lüge, „um überhaupt flügge zu werden, eine Spur von Wahrheit enthalten muß“.
„In einer gleichnamigen Broschüre mit dem Untertitel ‚Eine marxistische Berufsberatung‘ hat sie“ (die MG) „1987 ihren Anhängern Tips zur ‚bürgerlichen‘ Funktion so ansprechender Berufsfelder wie Arzt... vermittelt.“ (67)
Folgt eine frei erfundene und deshalb wohl auch nur indirekte Zitierung der „Programmatischen Erklärung“, dass MGler im Beruf „die Leistungen, die man darin zugunsten des ‚Klassenfeindes‘ erbringe, so gering wie möglich halten“ (ebd.) sollen. Und dann kommen sich die gelehrten Autoren der Sicherheitsbroschüre noch einmal besonders schlau vor. Sie „entlarven“ unsere Charakterisierung der besseren bürgerlichen Berufe -
„,dass das Volk arbeitet, gehorcht und den Glauben teilt, seine Herren seien zum Führen irgendwie berufen - das, sonst nichts sichert der Elite ihren Erfolg.‘“ (67)
als Programm für unsere „kommunistische Zukunftsgesellschaft“, die fünfzehn Seiten vorher noch mehr nach Steinzeit aussehen sollte... Aber der theoretische Überbau des Anti-MG-Feldzugs der Staatsschutzbehörden braucht ja wirklich nicht stimmig zu sein, damit die Praktiker der Staatssicherheit wissen, wo es lang geht. Deren Stichwort heißt „Einflussnetze“; und damit wissen sie, wo und wie sie ein- und anzugreifen haben. Sie führen schon längst ihren Schlag gegen die bürgerliche Existenz aller mutmaßlichen MG-Anhänger und überlassen es ihrem Professorenstab, das als Präventivschlag des Rechtsstaats gegen seine Zersetzung von oben „abzuleiten“.
Wie heißt es so schön weiter vorn in der Schäuble-Broschüre: „Nicht das Faktum als solches“, dass bislang noch kein einziger MGler in seiner Berufsausübung disziplinar- oder arbeitsrechtlich auffällig geworden ist, „gilt als entscheidend, sondern seine richtige Bewertung nach ideologischen Axiomen“, denen zufolge die politischen Auftraggeber des VS beschlossen haben, in der MG eine „marxistische Loge auf dem Marsch durch die Institutionen“ zu sehen. Und uns entsprechend zu behandeln.
...zum totalen Berufsverbot im öffentlichen Dienst...
MGler im öffentlichen Dienst sind also für den VS Langzeitagenten eines inneren Feindes, an denen gerade ihre eingeräumte Unauffälligkeit das Gefährliche ist (so der Hamburger Ober-MG-Verfolger Lochte bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit). Daraus folgt für die Behörden eine Definition des Begriffs „Verfassungsfeindlichkeit“, die den harten Kern bestimmter Grundrechte, wie z.B. die der Meinungs-, Versammlungs- und Informationsfreiheit, klarstellt. Ihr Gebrauch durch Beamte und solche, die es werden wollen, ist ein Missbrauch und begründet Zweifel an der Verfassungstreue:
„Eine Förderung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen... liegt bereits in der Teilnahme an einer Veranstaltung einer solchen Gruppierung, die verfassungsfeindliche Züge trägt oder annimmt und an denen der Beamte trotz Kenntnis oder Kennenmüssens der verfassungsfeindlichen Tendenzen teilnimmt. Die... Teilnahme an Veranstaltungen der ‚Marxistischen Gruppe‘ stellt also bereits allein einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht im Sinne des Art. 62 Abs. 2 BayBG dar.“
So verfügt ein Disziplinarbescheid, beruft sich bei seiner Feststellung auf den „Verfassungsschutzbericht“, der in den Rang einer unanfechtbaren Beweiskraft in Sachen „Verfassungsfeindlichkeit“ gehoben wird, fordert implizit von jedem Beamten die Lektüre dieses jährlich erscheinenden Opus, damit man/frau weiß, wo Zuhören verboten ist.
Nach dieser Logik ist niemand davor sicher, dass auch schon der bloße Erwerb von Schrifttum einer als „verfassungsfeindlich“ eingestuften Gruppierung mit der Rechtslage für Beamte unvereinbar ist.
Rechtswirklichkeit, zumindest im Freistaat Bayern, ist jetzt schon, dass kein Bewerber, dem der VS auch nur MG-Kontakte vorhalten kann, eine Chance hat, im öffentlichen Dienst seine Brötchen zu verdienen. Dazu kommt eine weitreichende Chancenlosigkeit, mit rechtlichen Mitteln sich dagegen zu wehren. Einem Bewerber zum Lehrervorbereitungsdienst wird z.B. 1990 vorgehalten:
„Am 7.5.1983 nahmen Sie an der Demonstration der MG zum Abschluss der ‚Nicaragua-Kampagne‘ in Nürnberg teil.“
Der Betroffene kann zufällig rekonstruieren, dass er damals gar nicht in Nürnberg war. Der VS bleibt bei seinem „Erkenntnisstand“. Das Ministerium muß per Gesetz das Material des VS erst einmal als „begründeten Zweifel“ an der Verfassungstreue werten. Der Betroffene kann seine „Unschuld“ nicht beweisen, auch wenn er seine Absenz im konkreten Fall nachweisen könnte. In Sachen „Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst“ erlaubt das Bundesverfassungsgericht seit seinem Grundsatzurteil von 1975 die Maxime: In dubio contra reum!
„Die Einstellungsbehörde entscheidet über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis, ohne verpflichtet zu sein, vorher den Bewerber zu ihren Zweifeln anzuhören. Bei dieser Entscheidung gibt es keine ‚Beweislast‘... ‚Zweifel an der Verfassungstreue‘ hat hier nur den Sinn, dass der für die Einstellung Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nicht überzeugt ist, dass der Bewerber die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.“ (BVerG, Beschluss v. 22.5.1975)
...und auch anderswo!
Für die Belange der Staatssicherheit ist die Handhabe, die das öffentliche Dienstrecht bietet, sehr praktisch aber nicht im entferntesten zureichend. Das öffentlich-rechtliche Berufsverbot gewährleistet nämlich bloß die Säuberung und Sauberhaltung des Staatsdienstes. Für den Zweck, die MG aus der Welt zu schaffen, reicht das nicht hin. Denn tückischerweise ernähren sich MGler durchaus auch von Jobs, die außerhalb dieses staatlichen Zugriffs liegen. Das läßt die Staatssicherheit nicht ruhen. Sie ist vom Informationssammeln fürs Innenministerium zur Jagd auf MG-Anhänger bei privaten Arbeitgebern übergegangen. Das Heft zur „Inneren Sicherheit“ liefert als staatsschützende Ideologie dazu ein Zerrbild, das stinknormale Arbeitsplatzsuche zum „konspirativen Netz“ ausmalt:
„Die Gruppe verfügt dazu über ein gutfunktionierendes internes Stellenvermittlungssystem. Erfahren bereits in einer Dienststelle tätige MG-Anhänger von Ausschreibungen, kann aus dem Bestand der Gruppe innerhalb kürzester Zeit ein Bewerber mobilisiert werden, der den Einstellungsanforderungen entspricht.“
Hier muß schon ein eiserner Wille zur Denunziation in die Lektüre eingebracht werden, um aus dem so alltäglichen Spruch unter Bekannten „Du, bei uns wird eine Stelle frei, das wär‘ doch was für dich!“ ein „MG-‚Netz‘“ zu konstruieren. Zumal die Schäuble-Schreibtischtäter selbst hinschreiben, dass die dann „mobilisierten“ Bewerber völlig rechtens den Job kriegen - wenn sie ihn kriegen -, weil sie die Einstellungsvoraussetzungen bringen. Nicht einmal das im Beziehungsnetzwerk bürgerlicher Parteien gang und gäbe Verfahren, dass ein Parteifreund den anderen bevorzugt und einstellt, will das Gutachten des Innenministeriums behauptet haben. Der bloße Umstand, dass in einem Betrieb nicht nur 1, sondern 2 und mehr MG-Freunde arbeiten, soll als rechtsstaatlich untragbar gewertet werden. Und das geschieht auch schon längst.
Am 13. Dezember 1989 brachte der „Zeitspiegel“ des Bayerischen Fernsehens, in dessen Redaktion ganz offensichtlich ein Mensch wirkt, der eine ähnliche Aufgabe hat, wie die Stasi-Verbindungsoffiziere in den Institutionen der Ex-DDR, einen Bericht über eine private Bildungseinrichtung in Bayern. Dazu der Schäuble-Report:
„In Bayern flog Ende 1989 ein MG-Netz auf, das sich ausgerechnet in den ‚Beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Arbeitgeberverbände‘ (bfz) eingenistet hatte. Zunächst unbemerkt hatte die Gruppe einzelne Mitarbeiter in die bfz einschleusen können. Diese hatten nach und nach immer mehr Genossen nachgezogen. In einzelnen bfz-Niederlassungen war das, normale Personal bereits in die Minderheit geraten...“ (68)
Sinnigerweise hätten weder das bfz oder die Öffentlichkeit, geschweige denn die Arbeitslosen, denen zur Berufsqualifikation als Facharbeiter verholfen werden soll, je etwas davon gemerkt, dass da unnormale Personen gemäß ihrer Berufsqualifikation ihren Lebensunterhalt verdienen. Un-Personen werden MGler nämlich ausschließlich durch ihre verfassungsschutzmäßige Einordnung, und ihr Verbrechen besteht darin, dass sie sich nicht gleich beim Einstellungsgespräch mit einem Roten Stern am Jackett und dem Personalausweisvermerk „Kommunist“ zu erkennen geben. Aber das ist fast schon die humanitäre Seite der Affäre, auf der wir nicht weiter herumreite-n wollen, weil wir wissen, dass die demokratische Öffentlichkeit im Urteil über die Existenzberechtigung von Kommunisten in der Demokratie mit ihrem Verfassungsschutz völlig einig ist.
Die Sache hat aber noch eine rechtliche Seite, die wenigstens einem MdL der GRÜNEN in Bayern so unangenehm aufstieß, dass er sie beinahe im Bayerischen Landtag anläßlich der Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes zur Sprache gebracht hätte. Wie nämlich kamen (1.) der Bayerische Rundfunk und (2.) das bfz, dessen Geschäftsleitung jetzt alle ihr bekannten mutmaßlichen MGler entlassen will, zu ihren „nachrichtendienstlich ermittelten“ Erkenntnissen? Was die Fernsehfritzen betrifft, so hegen wir unsere oben erwähnte Vermutung eines Mitarbeiters im doppelten Dienstverhältnis schon seit der ersten Sendung des „Zeitspiegel“, die nicht zufällig ungefähr unter dem gleichen Titel lief, wie die Enzyklika „MG esse delendam“ des Bundesministeriums. Bezüglich des bfz beziehen wir uns auf eine Zeugenaussage des damals zuständigen bfz-Geschäftsführers vor der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München. Daraus geht hervor, dass der Herr Präsident des Bayerischen Landesamtes fü Verfassungsschutz (LfV) höchstpersönlich dem Vorstandsvorsitzenden des bfz eröffnet hat, dass seine Firma vom VS überprüft worden und der Befund positiv ausgefallen sei: 9 Mitarbeiter gehörten irgendwie der MARXISTISCHEN GRUPPE an. Der LfV-Chef überreichte dem Vorstandsvorsitzenden eine Liste mit den Namen der Ausgespähten.
Nach dem damals gültigen Wortlaut des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes war die Herausgabe von beim VS gesammelten Daten an private Arbeitgeber nicht gesetzlich abgedeckt, in seinem Art. 4 eher implizit ausgeschlossen. Zudem ist nach allgemein gültiger und angewandter Rechtslage die Weitergabe von Informationen über die politische Einstellung laut Paragr. 203 II StGB strafbar als unbefugte Weitergabe eines privaten Geheimnisses. Sowohl das damals geltende Verfassungsschutzgesetz als auch das Strafgesetzbuch hätten einem „normalen“ Arbeitnehmer (z.B. einem SPD-Mitglied gegenüber seinem Arbeitgeber, der in einer C-Gruppe organisiert ist) gute Aussichten auf Rechtsschutz gewährt. Nicht so einem Betroffenen, den der MG-Verdacht getroffen hat. Eine behelligte Mitarbeiterin des bfz erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Ergebnis: oben angeführte Zeugenaussage. Daraufhin stellte sie das Ermittlungsverfahren ein. Begründung: Die Einlassung der Anzeigeerstatterin ginge an sich völlig in Ordnung, nicht aber im besonderen Fall der MG, weil dann eine andere Rechtslage anzusetzen ist, die besagt, dass ein MG-Verdächtiger ein paar für diesen Fall entscheidende Rechte verwirkt hat.
Die Staatsanwaltschaft räumte locker ein, dass an sich die Denunziation mutmaßlicher MGler durch das LfV bei einem privaten Arbeitgeber unter den Schutz persönlicher Geheimnisse durch den Paragr. 203 StGB falle. Nicht aber im Falle der MG. Da ginge die Information in Ordnung, weil sie im Interesse der Staatssicherheit angebracht sei. Beweis wieder einmal der mit rechtlichen Mitteln unschlagbare „Verfassungsschutzbericht Bayern 1989“, den die Staatsanwaltschaft zitiert. In dem ist damals nämlich die vom „Zeitspiegel“ des Bayerischen Fernsehens erstmals aufgebrachte und jetzt im Büchlein des Bundesinnenministers elaborierte Lüge quasi Rechtsgrundlage für die Behandlung der MG geworden:
„Um die Revolution in ihrem Sinne lenken zu können, strebt die MG an, die Schaltstellen des Staates und des Kapitals (Industrie) mit ‚eigenen Leuten‘ zu besetzen. Erklärtes Ziel der MG ist der ‚Marsch durch die Institutionen‘.“
Auch hier suggerieren die Gänsefüßchen und die Vokabel „erklärtes“ Authentizität, und einen Scheiß nützt uns der tausendfach in unseren Publikationen hingeschriebene Beweis, dass die Kritik und Ablehnung des unsterblichen Schwachsinns von Rudi Dutschke letztendlich der Grund für unsere Entscheidung gewesen ist, die kommunistische Organisation zu gründen und den „Marsch durch die Institutionen“ Leuten zu überlassen, die wir von früher gut kennen (Peter Gauweiler, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Jo Müller etc.). Ferner hat sich die Staatsanwaltschaft extra die Sendung des Bayerischen Fernsehens angesehen und demonstriert in ihrem Bescheid, dass auch beim Hören und Sehen Legasthenie vorkommen kann. Aus einem kurzen Redeausschnitt vom Teach-in der MG an der Universität München zur Analyse der öffentlich-rechtlichen Hetze im Fernsehen folgern die Fernsehteilnehmer von der Münchener Staatsanwaltschaft, die MG bekenne sich zur Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele und lasse bloß noch den genauen Zeitpunkt des Zuschlagens offen.
Klar, dass ein Vertreter der öffentlichen Gewalt immer nur Gewalt hört, wenn sich ein Redner über die Auswirkungen der Produktion des relativen Mehrwerts ausläßt, die Rolle des Staates dabei untersucht und schlussfolgert, dass eine proletarische Revolution wohl nicht auf den freiwilligen Austrag der Kapitalistenklasse hoffen kann, sondern eher mit der Bundeswehr konfrontiert wird. Diese theoretische Überlegung über das Kräfteverhältnis zwischen Staat und Arbeiterklasse hat nichts zu tun mit dem Standpunkt der MG, dass Gewaltanwendung das Mittel der Staatsgewalt ist, was wir an ihr kritisieren, und dass Gewalt für die Politik der M G als Mittel nichts taugt, was wir nicht einmal bedauern.
Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Denunziation des LfV beim bfz bezüglich des Verfassungsschutzgesetzes und des Datenschutzes äußerte sich die Staatsanwaltschaft analog zur strafrechtlichen Würdigung. Wiederum räumt sie ein, dass die Informantentätigkeit des LfV weder mit dem BayDSG noch mit dem Verfassungsschutzgesetz in den damals gültigen Fassungen im Prinzip vereinbar gewesen ist. Dennoch habe aber das öffentliche Interesse den VS geradezu verpflichtet, gegen die MG seine Schnüffeldaten dem bfz frei Haus zu liefern. Dann setzt die Staatsanwaltschaft noch einen drauf und rügt eine verkürzte Auffassung von Aufgabe und Funktion des Geheimdienstes in der Demokratie: Der dürfe nicht bloß Nachrichten sammeln und für sich seine Schlüsse daraus ziehen. In einer wehrhaften Demokratie seien vom Geheimdienst auch die nötigen Konsequenzen zur Abwehr des inneren Feindes zu erwarten.
Seine Überzeugungskraft gewinnt die staatsanwaltschaftliche Interpretation aus der inzwischen erfolgten Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, mit der die Geheimdienstbehörde die gesetzliche Absicherung ihres Übergangs vom Sammeln zum Jagen erhielt: Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf die seit November 1990 geltende Neufassung des BayVSG, vor allem den Art. 14 Abs. 4, und wertet dies als Bestätigung ihrer Auffassung, dass demokratischer Staatsschutz nicht bloß ein Archivieren „verfassungsfeindlicher“ Bestrebungen sein kann, sondern eine von sich aus aktive Behörde, die im Rahmen ihrer Aufgaben auch mal in die Offensive gehen müsse. Besagter Abs. 4 im Art. 14 erteilt dem Verfassungsschutz den Auftrag zur Verfolgung von „Verfassungsfeinden“ in prinzipiell allen Berufen:
„Personenbezogene Daten dürfen an andere Empfänger als öffentliche Stellen nicht übermittelt werden, es sei denn, dass dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist...“
Der Stasi-Übergang des demokratischen Verfassungsschutzes: Vom Sammeln zum Jagen
Im Fall des bfz hat die demokratische Staatssicherheit schon gar nicht mehr bloß auf den zum Berufsbild gehörigen Antikommunismus von Arbeitgebern vertraut. Sie hat Druck auf das Unternehmen gemacht und macht Druck, um die nur allzu verständliche Berechnung des Arbeitgebers, der gute Leute nicht verlieren und eine Störung des Betriebsfriedens schon aus Erwerbsgründen vermeiden will, zu durchkreuzen. Sie droht mit dem Entzug von Aufträgen durchs Arbeitsamt, dessen Loyalität sich der Verfassungsschutz offenbar sehr sicher ist, sofern den Vorstellungen der Behörden von einer 100-prozentigen Anti-MG-Personalpolitik nicht entsprochen wird. Was dort geschieht, erhebt das Bundesinnenministerium zur Strategie:
„Die Etablierung eines MG-Netzes kann die Personalpolitik einer Firma beeinträchtigen und die Wahrung von Betriebsgeheimnissen gefährden. Auch kann sie rufschädigend wirken. Die Beschäftigung extremistischer Sektierer ist für keine Institution eine Empfehlung.“ (68)
Den Wink mit den Betriebsgeheimnissen und der Rufschädigung braucht das Ministerium keinem Arbeitgeber mehr in seinen Klartext zu übersetzen. Der Staat verspricht, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigung von MGlern zur Geschäftsschädigung wird - und liefert damit den jedem Arbeitsgericht einsichtigen Entlassungsgrund frei Haus gleich mit.
Dabei ist die Staatssicherheit sich sicher, dass sie für diese Vernichtungsstrategie gegen MGtum in der freiheitlichen Öffentlichkeit erfolgreich Schützenhilfe einfordern kann. Das tut sie jedenfalls im letzten Abschnitt der Broschüre:
„Nicht nur die ‚Opfer‘ der MG“ (gemeint sind Unternehmer die der Staat wegen falscher Personalpolitik schädigt) „haben indessen Anlass, sich mit den destruktiven Praktiken dieses kommunistischen Geheimbundes zu befassen. Die offensive Auseinandersetzung mit ihm bleibt Aufgabe einer demokratischen Öffentlichkeit.“ (68)
Wir haben es begriffen, was die angesprochenen Instanzen da verstehen sollen. Ein liberaler Umgang mit solchen wie uns kommt in einer Demokratie wie der unseren überhaupt nicht in Betracht. Und alle die Instanzen, die auf Grund sorgfältiger Informationen ad personam mit uns zu tun haben, sind verpflichtet, ihren Beitrag zur Abwicklung der MG zu leisten.
40 Jahre Stasi machen Schule.