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FREIHEIT STATT SANDINISMUS ODER DIE RÜCKKEHR DES HUNGERS NACH NICARAGUA
"Aber never mind. Nationalreichtum ist nun einmal von Natur identisch mit Volkselend." (K. Marx, Das Kapital, Bd. 1. MEW 23, p. 799)
Die neue Regierung in Managua, an die Macht gekommen durch Wahlen, deren Resultat die USA zufriedenstellte, kämpft nach übereinstimmender Ausage aller sachverständigen Begutachter gegen "ein schweres Erbe", das ihr die sandinistische Revolution hinterlassen hat.
"Eine durch zehn lahre Zwangswirtschaft ruinierte Volkswirtschaft" (FAZ, 3.9.)
In der Tat haben die Comandantes der FSLN nach allen gültigen Maßstäben der Nationalökonomie den Staat Nicaragua ziemlieh ruiniert. Die Zahlen sprechen für sich: 1978, am Ende der Somoza-Diktatur, erwirtschaftete das Land einen Außenhandelsüberschuß durch Export von Agrarprodukten von einer runden Milliarde Dollar. Nicaragua war damit nach Costa Riea der reichste Staat Mittelamerikas. Die 600 Mio. Dollar Auslandsschulden schmälerten die internationale Kreditwürdigkeit Nicaraguas damals nicht sonderlich: Ihnen stand ein Überschuß im Staatshaushalt gegenüber, der es dem Somoza-Clan ermöglichte, kurz vor dem Abflug nach Florida noch eine halbe Milliarde Dollar ins Ausland zu transferieren. Verschuldung, zweistellige Inflationsraten des Cordoba und eine Arbeitslosenquote von offiziell eingeräumten 51% änderten bis 1978 nichts am Status Nicaraguas als eines seriösen Geschäftspartners für Kaffee, Baumwolle und Kakao und einer lukrativen Anlagesphäre für seriöse Weltfirmen: 1978 unterhielten allein aus der BRD Bayer, Siemens, BASF und die AEG Niederlassungen im Lande. Daimler-Benz ließ seine Autos mit gutem Erfolg durch den Präsidenten Anastasio Somoza persönlich vertreiben. Es gab also in Managua tatsächlich reiche Leute, die sich einen Mercedes leisten konnten und immerhin soviel Reichtum, daß sich eine Präsenz aller wichtigen Multis der westlichen Welt vor Ort lohnte. Nach zehn Jahren Sandinismus hatte sich diese Lage grundlegend geändert: In der Staatskasse fand die Chamorro-Regierung ganze 3 Mio. Dollar vor. Die Auslandsverschuldung betrug 9,6 Milliarden Dollar, die Inflationsrate 1800% aufs Jahr 1989 berechnet, der Außenhandel erwirtschaftete kaum noch Einnahmen in Hartwährung, weil in Folge des US-Embargos gegen nicaraguanische Erzeugnisse, das von den meisten europäischen Staaten de facto übernommen worden ist, Kaffee, Zucker und Zigarren vor allem an Staaten des noch existierenden Ostblocks gegen Erdöl, Medikamente und Grundnahrungsmittel eingetauscht wurden. Und von den ausländischen Investoren war nichts mehr zu sehen: Selbst Coca - und Pepsi Cola hatten die Nicas wegen ihrer Sandinisten auf dem Trockenen sitzenlassen.
Wie konnte es dazu kommen?
Erstens hatte die sandinistische Regierung sofort nach Übernahme der Staatsgewalt zwar jedem einzelnen ausländischen Gläubiger versprochen, alle Forderungen aus der Somoza-Zeit zu bedienen und verstaatlicht wurden nur die Besitzungen des Somoza-Clans, an denen keine ausländischen Kapitalunternehmen beteiligt waren, dennoch waren die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Revolutionsregierung eine einzige Sünde gegen volkswirtschaftliche Vernunft in einem Land der "Dritten Welt", mußten somit alle Geschäftsleute und potentiellen Geldgeber verunsichern. Die sandinistische Agrarreform zerstörte die traditionelle Reichtumsquelle Nicaraguas, eine industriell betriebene Monokultur auf Großgrundbesitz und führte statt dessen den Anbau von Mais Reis, Bohnen und Kochbananen ein. Mit den Einkünften aus den verstaatlichten Somoza-Ländereien, auf denen weiterhin Kaffee für den Export produziert wurde, kaufte die Revolutionsregierung Getreide, dessen Anbau im Lande aus klimatischen Gründen sehr schwierig ist, um es zu subventionierten Billigpreisen an die Bevölkerung abzugeben. Damit wurde zwar in wenigen Jahren eine Selbstversorgung des Landes mit den traditionellen Grundnahrungsmitteln erreicht und erstmalig die Versorgung aller Nicas mit erschwinglichem Botgetreide sichergestellt. Die Folgen für die nationale Wirtschaft und den Staatshaushalt waren jedoch katastrophal: Die Zinsen für die übernommenen Auslandsschulden konnten aus den drastisch reduzierten Exporteinnahmen nicht mehr bezahlt werden. Zur Deckung der Getreide- und Fleischimporte verschuldete der Staat sich weiter bei internationalen Kreditinstitionen, so der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) und der Zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftliche Integration (BCIE). Obwohl diese unter US-Vorherrschaft stehenden Institute seit 1984 alle Leistungen für Nicaragua eingestellt haben, belastet der Schuldendienst noch im laufenden Jahr 1990 die Staatskasse in Managua mit 300 Mio. Dollar jährlich. Für alle diese Kredite ist im Lande kein einziges rentables Geschäft begründet worden - sie wurden buchstäblich vom Volke verfressen, volkswirtschaftlich gesehen also zum Fenster hinausgeworfen, weil "unproduktiv" angelegt. Obwohl das Land in allen UNO-Statistiken als "überbevölkert" geführt wurde und für eine erkleckliche Zahl der Resultate des Geburtenüberschusses in Managua die einzige Überlebensmöglichkeit in den Berufssparten Blutspender und Versuchskaninchen für internationale Pharmakonzerne lag, leistete sich die sandinistische Regierung den Luxus eines flächendeckenden kostenlosen Gesundheitswesens, das die Säuglingssterblichkeit auf südeuropäische Werte abdrängte und die Staatskasse jährlich mit Millionen Devisen für Medikamente und medizinisches Gerät belastete. Ganz zu schweigen von der sandinistischen Alphabetisierungskampagne: IWF-Experten haben den Dilettanten aus der sandinistischen Führungsriege akribisch vorgerechnet, welche Einnahmeverluste durch die Vergeudung von exportfähigem Edelholz zur Papierproduktion entstanden sind. Alle diese volkswirtschaftlichen Torheiten steigerten sich aber zum endgültigen Fiasko, als die Sandinisten zweitens gegen jede wirtschaftliche Vernunft die Gründung der Contra durch den CIA nicht zum Anlaß nahmen, abzutreten und die Verwaltung von Land und Leuten marktwirtschaftlich orientierten Demokraten zu überlassen. So mußten sie sich von ihren innenpolitischen Gegnern, denen der Wähler bekanntlich mehrheitlich recht gab, vorhalten lassen, für einen Krieg gegen die USA, den Nicaragua nicht gewinnen konnte, zwischen 1982 und 1990 17 Milliarden Dollar verschleudert zu haben. Hinzukommen 70.000 Tote und 100.000 Verletzte, zerstörte Ländereien, auf denen keine Landwirtschaft mehr stattfindet. Resultat des Krieges volkswirtschaftlich gesehen:
"Ohne GeLd gab es keine Neuinvestitionen, also auch keine ArbeitspLätze. Das Land schlitterte immer mehr in eine gigantische Rezession. Am Jahresende lag das Bruttosozialprodukt auf dem Stand von 1945." (FAZ, ibid.)
Das Rettungsprogramm der Demokratie
hat genau da angesetzt. Alles Geld in die Hand des Staates und von Leuten, die damit etwas unternehmen, also Unternehmer sind, damit die Produkte des Landes nicht mehr verfüttert, sondern vergoldet werden. Der vom Staat festgesetzte Mindestlohn von 35 Mio. Cordobas deckt exakt 20% des ebenfalls vom Staat als Existenzminimum festgelegten "Warenkorbs". Weil die Subventionierung von Getreide ersatzlos gestrichen worden ist, alle Lebensmittelpreise freigegeben wurden, die staatlichen "Volksapotheken" jetzt in "rentable Betriebe" umgewandelt werden, hat das Programm der Regierung zur "Wiederbelebung der Volkswirtschaft" erste Erfolge zu verzeichnen: Die Inflationsrate ist auf 60% gesunken. Die landwirtschaftliche Produktion ist erstmals mit der Ernte 1990 "wieder an die Produzenten zurückgegeben" worden, d.h. es muß nicht mehr an den Staat zu festgesetzen Preisen verkauft werden. Seitdem gibt es für Geld alles zu kaufen. Die Regale in den Geschäften haben sich gefüllt. Und sie bleiben voll, weil die wenigsten das Geld haben, sich auch nur das Notwendigste zu kaufen.
"Erstmals in der neueren Geschichte Nicaraguas spricht man im Land vom Hunger. In den vergangenen Wochen ist aus abgelegenen Regionen im Norden der Hungertod von mehreren Campesinos gemeldet worden. Selbst in Managua sterben heute Kinder an Unterernährung und immer mehr Menschen ernähren sich aus Abfallhalden am Rande der Märkte." (TAZ, 13.9.)
Ähnliches berichtet der Tübinger Theologieprofessor Norbert Greinacher von einer Reise nach Nicaragua und meint, als westdeutscher Sandinistenfürsprecher die Chamorro-Regierung an den von ihr geweckten Hoffnungen blamieren zu können:
"Im Wahlkampf hatte die Regierung eine ökonomische Wende nach hundert Tagen versprochen; das Gegenteil ist eingetreten: die Not war seit 1979 noch nie so groß." (FR, 6.9.)
Für die große Masse der Nicas zweifellos, aber für ihre Wohlfahrt war die "ökonomische Wende" der neuen demokratischen Herrscher nicht gedacht. Deren Wirtschaftspolitik galt erklärtermaßen dem Kampf gegen ganz andere "Defizite" als im "Budget" nicaraguanischer Familien.
"Zentralbankpräsident Francisco Mayorga teilte das Defizit der nicaraguanischen Volkswirtschaft ein in vier Posten: den nationalen Staatshaushalt, die öffentlichen Dienste (wie Wasser, Elektrizität und Telefon), das Zentalbankdefizit und das Defizit der Staatsbetriebe." (FAZ, ibid.)
Dagegen hat sich die Regierung einiges einfallen lassen. Alle von Mayorga angeführten Defizite rührten aus politischen Beschlüssen der Sandinisten, mit denen der Staat über seine von den USA und vom Weltmarkt definierten Verhälntisse lebte, um sein Volk zu ernähren und zu erziehen. Der Staatshaushalt ließ sich sofort von "unproduktiven Kosten" säubern: vom täglichen Glas Trinkmilch für Schulkinder, Volksküchen für Erwerbslose bis zu den ambulanten Sanitärstationen für die medizinische Versorgung der Land- und Slumbewohner, verschwanden nach dem 25. Februar 1990 alle Zuwendungen der Sandinisten an die Bevölkerung aus dem Alltagsleben. Den großen Schnitt nahm die demokratische Regierung jedoch über die "Sanierung" der Währung und der öffentlichen Dienste vor. Deren Tarife waren von den Sandinisten "künstlich" niedrig gehalten worden. Das heißt: der Staat unterwarf die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Strom nicht dem kapitalistischen Geschäftskriterium, sondern finanzierte Wasser- und Elektrizitätswerke aus seinem Haushalt. Die neue Regierung hat seit Amtsantritt die Tarife stufenweise um 4000 Prozent erhöht. Jede Erhöhung fiel um ein paar Prozent hiöher aus als die zum Zeitpunkt der Tarifsteigerung errechnete Inflationsrate des Cordoba. Innerhalb von 3 Monaten wurde so das Defizit der öffentlichen Dienste nicht nur ausgeglichen, sondern ein Überschuß erwirtschaftet, mit dem auch das Haushaltsdefizit verringert werden konnte. Daß seitdem in Managua für viele Trinkwasser aus der Leitung zum kostbaren Gut geworden und Petroleumfunzeln nicht mehr zu kriegen sind, spricht nicht gegen den wirtschatspolitischen Erfolg der Regierung, sondern verweist darauf, wie er zustandekommt.
Das Kernstück der Sanierung der Volkswirtschaft ist vom Standpunkt des Staates aus freilich die Sanierung seines Geldes. Und auch da hat sich das Chamorro-Regime etwas einfallen lassen: Seit Ende Juli hat Nicaragua eine neue Währung, den Gold-Cordoba. Dieser hat eine garantierte Parität zum US-Dollar von 1:1 und kann jederzeit ohne Einschränkung in Nicaragua in Dollars eingewechselt werden. Die finanziellen Möglichkeiten dieser Garantie schafft und erhält sich der Staat durch den Trick, nur begrenzt und gezielt Cordoba Oro in Umlauf zu bringen und daneben den alten Cordoba mit seinen wöchentlichen Abwertungen weiter zirkulieren zu lassen. Das geht so: Alle Staatsbediensteten, darunter fallen auch die Arbeiter auf den verstaatlichten Agrarbetrieben (den ehemaligen Besitzungen des Somoza-Clans), also die Mehrheit der in Nicaragua abhängig Beschäftigten, erhalten 40% ihres Gehalts bzw. Lohns in der neuen Währung, den Rest in alten Cordobas, deren Wert sich laufend im Verhältnis zum Gold-Cordoba verschlechtert. Alle Vorschüsse, die die Regierung an die Agrarkooperativen bzw. an private Landwirte in Form von Krediten auf die Ernte 1990/91 bezahlt, erfolgen ebenfalls in Gold-Cordoba und müssen in dieser Denomination zurückgezahlt werden. Die Regierung schafft sich so zweierlei Klassen von Bürgern: Wer durch seine Arbeit oder seinen Landbesitz für die Staatsgewalt unentbehrlich ist, bzw. deren Reichtum befördert, kriegt echtes Geld. Alle anderen können zusehen, wie sie mit einem Cordoba auskommen, der zunehmend zum Spielgeld verfällt. (Anfang August mußten 810.000 Cordoba für einen Cordoba Oro hingelegt werden!) Alle Sozialleistungen des Staates und der Dienst an Inlandsschulden, die vom Sandinismus übernommen worden sind, erfolgen selbstverständlich in Alt-Cordoba und immer erkleckliche Prozente unterhalb der wöchentlich festgesetzten Abwertungsrate. So entschuldet sich der Staat durchs Weiterzirkulieren und durch den Verfall seiner alten Währung und bedient gleichzeitig durch die Ausgabe seiner neuen, an den Dollar fixierten Kreditzettel die Minderheit, auf die es ihm ankommt.
Die Regierung geht bei der "Sanierung der Volkswirtschaft" undogmatisch vor und verprellt so auch eigene Anhänger, vor allem diejenigen, denen sie eigentlich ihre Macht verdankt: Ihr Versprechen, den rückkehrenden und demobilisierten Contra-Söldnern Land zu schenken, interpretiert sie als Angebot, auf bislang ungenutztem oder vom Krieg verwüsteten Boden Aufbauarbeit zu leisten mit sehr unsicherer Aussicht auf einen Erfolg, der wenigstens die Subsistenz garantiert. Kein Wunder, daß zahlreiche Ex-"Freiheitskämpfer" von solchen Angeboten nichts halten, ihrem alten Dasein mit "gesichertem Einkomnen" nachtrauern und sogar auf sandinistischen Protestkundgebungen gegen die Regierungspolitik auftreten, wo sie freudig als Kronzeugen gegen die "Wahlbetrüger" des UNO-Bündnisses begrüßt werden.
Jetzt haben organisierte Ex-Contras ihre offensichtlich nie abgegebenen Waffen wieder ausgegraben und im ganzen Lande Straßensperren errichtet, um die Regierung Chamorro zur Einhaltung von im Friedensvertrag mit den Sandinisten angeblich enthaltenen Zusicherungen zu zwingen. Die Regierungsmehrheit denkt nämlich nicht daran, funktionierenden Agrarkooperativen das Land wegzunehmen und es den ehemaligen Großgrundbesitzern zurückzugeben. Diese erhalten als Entschädigung "Werttitel", mit denen sie an anderer Stelle ungenutzten Staatsboden kaufen können. Die sandinistische Agrarreform wird keineswegs einfach rückgängig gemacht. Die Regierung akzeptiert die entstandenen Eigentumsverhältnisse, wenn die Kooperativen bereit sind, die Auflagen und Forderungen der neuen Landwirtschaftspolitik zu befolgen: Rückkehr zum Anbau von exportfähigen Produkten, Reorganisation nach Rentabilitätskriterien, d.h. Abbau überzähliger zum Betrieb nicht erforderlicher Leute, die von den Kooperativen "durchgefüttert" worden sind. Im Abbau von jeder Menge "versteckter Arbeitslosigkeit" ist man allenthalben im Lande so erfolgreich gewesen, daß die Arbeitslosigkeit im Herbst offiziell zugegebene 40% erreicht hat.
Die Rückkehr zur Normalität
eines Landes der "Dritten Welt" macht so in Nicaragua rasante Fortschritte und erfreut sich bislang einer prinzipiellen Kooperationsbereitschaft durch die "vernünftig" gewordenen führenden Sandinisten, die dafür jüngst sogar vom Vizepräsidenten der USA gelobt worden sind. Edmundo Jarquin, wirtschaftspolitischer Sprecher der FSNL im Parlament, spricht von einem "Basiskonsens" mit der Regierung, der so aussieht:
"Der Konsum muß weniger ansteigen als die Produktion, die Löhne weniger als die Produktivität. Die Unternehmer müßten sich verpflichten, ihre Gewinne im Inland zu investieren. Dafür sollten die Arbeiter sich bei der Wahl zwischen Vollbeschäftigung und Lohnerhöhung für die Vollbeschäftigung entscheiden und für sechs Monate auf Reallohnerhöhungen und Streiks verzichten." (TAZ, 11.9.)
Sprüche dieser Art, die man ansonsten aus dem volkswirtschaftlichen Brevier von Wirtschaftsjournalisten, Politikern und deutschen Gewerkschaftern kennt, haben eine besondere Härte, wenn sie dem Volk eines Drittweltlandes anempfohlen werden: Zwar gibt es auch in einem florierenden kapitalistischen Staat wie der BRD die "Wahl zwischen Vollbeschäftigung und Lohnerhöhung" nich t und für Arbeiter schon gleich gar nicht. In Nicaragua, wo man vom Lohn nicht einmal satt werden kann, und wo Arbeitslosigkeit sofort die Überlebensfrage aufwirft, kann man diesem "Revolutionär" nur zu dem "Realismus" gratulieren, mit dem er Hunger und Not als selbstverständliche Produktivkraft für die Gesundung der Wirtschaft einzusetzen bereit ist.
Was die demokratischen Beobachter der "Entwicklung in Nicaragua" angeht, so sehen sie sich in ihrer hartgesottenen Betrachtungsweise der "Dritten Welt" voll bestätigt: Daß die Sandinistische Revolution für die große Mehrheit der Nicas eine Verbesserung der (Über-)Lebensbedingungen herbeigeführt hat, hat sie nie zu Fans dieses "Experiments" werden lassen. Ihre Parteilichkeit für die Unantastbarkeit von Verhältnissen, die der demokratische Imperialismus auf der Welt eingerichtet hat, haben sie als Kritik am wirtschaftlichen "Dilettantismus" der Comandantes vorgetragen und mit dem statistischen Material des IWF, der Weltbank und der Hanns-Seidel-Stiftung belegt. Daß jetzt die Befreiung vom "sandinistischen Joch" für die meisten Nicaraguaner nicht bloß eine Verschlechterung ihrer Verhältnisse mit sich bringt, sondern den Hunger wieder zur Normalität des täglichen Lebens macht, bestärkt die Fans von Demokratie und Marktwirtschaft in ihrer tiefen Überzeugung, daß die Regierung Chamorro auf dem "richtigen Weg" ist. Die dabei "unvermeidlichen Härten" werden entweder der "sandinistischen Erblast" zugeschrieben oder als Indizien dafür begrüßt, daß die Sanierungsmaßnahmen "greifen".