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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1990 erschienen.

Systematik


I. "WÄHRUNGSUNION": ECHTES GELD STATT "SOZIALISTISCHEM PLAN"

"Die Deutsche Bundesbank wird alleinige Zentralbank im gemeinsamen Währungsgebiet. In der DDR werden zwei Landeszentralbanken eingerichtet... Ostberlin entsendet zwei Vertreter in das Direktorium der Bundesbank; die Präsidenten der neuen LZB bekommen Sitz und Stimme im Zentralbankrat... mitwirken darf die Regierung der DDR auch im Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das über das Geschäftsgebaren der privaten Banken im gemeinsamen Währungsgebiet wachen wird... Der erweiterten Frankfurter Geldzentrale wird es dann obliegen, die Bargeldbestände, Buchgeldbestände und Forderungen in Mark der DDR in DM umzutauschen." (Spiegel 10/1990, S.17)

So oder so ähnlich läuft sie also, die Übernahme der DDR, erster Teil, durch die BRD: die "Währungsunion", die gar keine ist. Denn hier wird nichts "uniert", es verhandeln nicht souveräne Staaten mit unveräußerlicher Geldhoheit über eine immer engere "währungspolitische Zusammenarbeit" mit Kursstützung, Bandbreiten, Währungskörbchen usw. Die Sache ist viel schlichter: Die andere Seite verschwindet; der DDR-Souverän kommt weg und als erstes sein Geld. Statt dessen gilt, direkt und ohne festen oder schwankenden Wechselkurs, die D-Mark.

Und so ist die Sache auch viel billiger - sie kostet rein gar nichts; eben weil es sich gar nicht um eine Währungsunion handelt, in deren Rahmen der eine Staat mit seiner Nationalbank und deren Banknoten für die Währung eines anderen einstehen müßte. Das alte schlechte, sozialistische - Geld wird gegen neues - gutes, hartes, deutsches - Geld ausgetauscht. Dafür braucht sich kein Bundesbanker die Spendierhosen anzuziehen und irgendetwas zu verschenken; und überwiesen wird auch nichts. Technisch gesehen läuft eine schlichte Umstellung: Alle Rechtstitel auf Zahlung, die in der DDR kursieren oder herumliegen - "Konto", "Buchgeld", "Forderung" oder wie immer sie heißen -, lauten auf D-Mark; ob auf genauso viele, wie bisher DDR-Mark verbucht waren, oder in welchem Verhältnis weniger, ist für den Akt der Umstellung gleichgültig. Und was die Bargeldbestände betrifft, so ist ihr Austausch wirklich einmal nur eine Druckereifrage - im Notfall täte es ein Stempel auf die alten DDR-Mark-Scheine auch, nur fälschungssicher müßte er sein.

Alles, was Geld kostet, geht dann erst los. Nämlich als erstes mal ein munteres Kaufen und Verkaufen, welches Geld bringt und die D-Mark auch "drüben" mehrt. Ein Geldverleihen und Schuldenmachen, das noch mehr Geld bringt und die D-Mark vermehrt. Das D-Mark- Verdienen eben. Und das kostet genau so viel, wie das Geldverdienen im Kapitalismus nun einmal kostet: die Kapitalisten einen Geldvorschuß für ihr Geschäft, die Lohnarbeiter einen Einsatz in den Firmen anderer Leute. Und den Staat - die Aufsicht über das Geschehen, einige Investitionen ins Verkehrswesen, eine "Anschubfinanzierung" für die gesetzlichen Zwangsversicherungen, die es dann braucht, und eine Umstellung des alten Wirtschaftslenkungswesens auf das ganz normale finanzamtliche Steuereinziehen; denn so ist es ja auch nicht, daß der Fiskus von ehemaligen DDRlern keine Lohn- und Mehrwertsteuer erheben würde.

Der Aufwand für diese "Währungsunion" ist also gering; um so größer ihr Ertrag. Der besteht nämlich nicht in einem Gewinn, sondern darin, daß es fortan auch in der DDR ums Gewinnemachen geht und alle wirtschaftlichen Aktivitäten D-Mark abwerfen. Der schlichte Akt der Umstellung auf die neue Währung eröffnet eine ganze neue Produktionsweise, mit einer neuen Form und Zweckbestimmung allen gesellschaftlichen Reichtums. So ist es gemeint, so wird es gemacht.

Und so werden, ganz nebenbei, alle Ideologien der Volkswirtschaftslehre blamiert, nach denen das Geld nichts als ein besonders bequemes Tauschmittel wäre und eine bloße Recheneinheit, die der Versorgung der Kundschaft arithmetische Dienste leistet. Mit ihrem praktischen Verstand setzen die Währungsmacher das "metaphysische Konstrukt" des alten Marx in die Tat um und bewerkstelligen die erstmalige korrekte Anwendung der Wertlehre auf dem Boden der DDR.

1. Die D-Mark als Maß der Werte - der Wert als Maß aller Dinge

DDR-Bürger wissen und stellen sich darauf ein, daß sie nach Einführung der D-Mark neue Preise zu zahlen haben; hauptsächlich höhere fürs alltäglich Notwendige. Sie begehren D-Mark, schätzen deren Großartigkeit am bisherigen offiziellen Wechselkurs von 1 DM zu 3 DDR-Mark und rechnen gleichzeitig damit, daß sie selbst nach einer 1:1 -Umstellung ihrer Löhne, Renten und Sparbücher - die sie von Bonn gewährt kriegen oder nicht - Schwierigkeiten bekommen, sich ihr bisheriges Leben weiter leisten zu können. Die D-Mark gibt ihnen einige Rätsel auf über den Wohlstand, den sie sich von ihr erhoffen. Und daran könnten sie wenigstens merken, in was für ein seltsames Abhängigkeitsverhältnis sie sich mit dem Gebrauch der neuen Währung begeben.

Statt dessen denken DDR-Bürger in dieser Frage, wie ihre westdeutschen Landsleute immer nur in Preisvergleichen, rechnen höhere Mieten gegen erstens vorhandene, zweitens billigere Videorecorder auf und können locker für den Rest ihres Lebens an der Frage herumproblematisieren, ob das neue "Preisniveau" besser als das alte ist oder ob es nicht auch seine zwei Seiten hat. Damit liegen sie schief. Denn um ein paar neue Preise geht es wirklich nicht, wenn die Güte des neuen Geldes sich nicht zuletzt daran beweist, daß man es nötiger als jede alte DDR-Mark braucht, weil "alles" - zumindest vieles Unentbehrliche - teurer wird. Zumindest wird schon daran klar, daß D-Mark-Preise einen anderen ökonomischen Zweck haben als die "sozialistischen" Preise, die zwischen dem planenden Staat und seinen VEBs, zwischen denen und den HOs und schließlich vom sozialistischen Endverbraucher gezahlt worden sind. Die D-Mark selbst ist offensichtlich für ökonomische Leistungen da, die der alten DDR-Mark ganz fremd waren. Echtes Geld und richtige Preise sind eben gar keine Frage der Preishöhe und der Geldsorte und -menge, sondern eine von Zweck und Mitteln der gesamten Produktionsweise, also wirklich mal eine Systemfrage.

Preise in der "Marktwirtschaft"

sind zuallererst eine Sache der professionellen Verkäufer. Deren Profession ist nämlich der Zugriff aufs Geld ihrer begehrlichen Kundschaft. Erst und nur damit sind die Kaufleute am Ziel ihrer ökonomischen Tätigkeit - haben ihr Geschäft gemacht, wie man so sagt. Die Preise, die sie verlangen, sind ihr Mittel, die Bedürfnisse ihres Publikums für ihr berufliches Bedürfnis auszunutzen und ihre Ware zu Geld zu machen. Das ist so sehr der ausschließliche Sinn und Zweck ihres Handels und Wandels, daß sie sich selbst ebenso wie die Versorgung der Leute abhängig machen von der Zahlungsfähigkeit der Kundschaft. Erst wenn die ihnen ihre nützlichen Güter abgekauft, also "versilbert" hat, ist die Sache gelaufen, das Wirtschaften am Ziel, und es kann Bilanz gezogen werden.

Nach der anderen Seite hin sind die Preiszettelchen auf jeder Ware die einzige, aber eben die Schranke zwischen jedermann und den Gegenständen seiner aufgeweckten Bedürfnisse. Sie machen den Geschäftsabschluß der Kaufleute zur umfassenden Lebensbedingung und geben jeder Bedürfnisbefriedigung ihr Maß vor. Denn sie wollen erst einmal bezahlt sein. So wird jedes Stückchen Leben in der Marktwirtschaft zu einer Frage des Geldbeutels.

Beides haben die

Preise im "realen Sozialismus"

nicht geleistet. Sie waren Instrumente einer staatlichen Planung, die Preise als Mittel für die "Allokation von Ressourcen" und die Lenkung der Warenströme eingesetzt hat. Statt wie das Wort "Planung" nahelegt - den Bedarf zu ermitteln und den erforderlichen Aufwand zu organisieren, haben die staatlichen Wirtschaftsbehörden in der DDR vorgeschriebene Preise das Ziel bewirken lassen wollen, daß nützliche Güter mit schlafwandlerischer Sicherheit immer dorthin gelangten, wo sie gebraucht wurden. Diese schöne Absicht ist in eine Preisgestaltung und lauter komplexe Bilanzierungsvorschriften umgesetzt worden. Und damit war die marktwirtschaftliche Funktion der Preise, dem Geschäft zu dienen, Mittel einer befriedigenden Geldbilanz und sonst nichts zu sein, unwiderruflich zerstört.

Dasselbe gilt für die andere Seite des Preises: Mit ihren Preisfestsetzungen haben die Planungsbehörden auf die Erschwinglichkeit der nötigen Güter für die, die sie nötig haben, geachtet und damit die Schranke, die der Preis dem Bedürfnis setzt, in weiten Bereichen eingerissen. Pfennigabgaben für die Personenbeförderung, ein paar Märker für Kinderkleidung oder fürs Wohnen: Das waren symbolische Anerkennungsgebühren und keine Preise - genausowenig wie auf der anderen Seite eine Preisfestsetzung für viele Güter, die diese planmäßig so gut wie unerschwinglich machte. Da bewährte sich zwar der Preis als Mittel, einen Ausschluß des Publikums von knappen Gütern zu bewerkstelligen. Aber auch da war nicht der Preis und nur er die Schranke zwischen Bedürfnis und Gebrauchswert; die wirkliche Schranke war, daß es das begehrte Gut kaum gab; und auf diesen Gütermangel hat der Staat Preise draufgesetzt, die einer Einsammelaktion für sonst einfach nicht ausgebbares Geld gleichkamen.

Der "realsozialistische" Staat hat damit in gewisser Weise eine marktwirtschaftliche Ideologie in die Tat umgesetzt: die Deutung der Preise als Instrumente, den Mitgliedern der Nation ihren gerechten Anteil an der Warenwelt zuzuteilen. In der Marktwirtschaft ist das ein plump vertraulicher Schwindel, der vom Ergebnis her nicht zu widerlegen ist: Es wird die triviale Tatsache notiert, daß jeder soviel kriegt, wie er sich kaufen kann; das wird ein wenig anders betont, nämlich so, daß jeder sein Geld für das ausgegeben hat, was er gewollt hat, also jetzt hat, was er will; und das steht dann da als wahrer und eigentlicher Zweck des Handels, obwohl es irgendwie auch jeder besser weiß. Im "realen Sozialismus" hat der Staat die Preise tatsächlich zum Zuteilungsinstrument gemacht, zu seinem Instrument und zu bloß einem neben anderen wie bewiesener staatsdienlicher Tüchtigkeit. Den marktwirtschaftlichen Zweck und die Leistung des Preises hat er so bekämpft und Ergebnisse erzielt, die gegenüber marktwirtschaftlichen Verhältnissen vor allem einen Nachteil aufweisen: Sie lassen sih nicht so locker wie das Geldeinnehmen und das Ausgeschlossen-Sein im einzig wahren bürgerlichen Geschäftsleben unter den zynisch-schönfärberischen Gesichtspunkt stellen, daß am Ende doch ein jeder aus freiem Entschluß sich selber seinen Teil zugeteilt hätte vom käuflichen Warenberg.

Geld in der Markwirtschaft

ist das Zugriffsmittel schlechthin auf alles, was das Herz begehrt - vorausgesetzt, man hat genug davon. Von den Dingen, die das Herz begehrt, gibt es allemal genug - für diejenigen, die die verlangten Preise zahlen können. Zu kaufen sind sogar Errungenschaften, die es noch gar nicht gibt; z.B. kann der amerikanische Präsident - der da wie ein besonders großer Kunde am Rüstungsmarkt auftritt - seiner Nation ein Arsenal von Weltraumwaffen kaufen, und was sein Militär bekommt und wann, ist allein die Frage, wieviel Geld er es sich kosten läßt.

Diese Freiheit des Geldes liegt daran, daß es nicht das Zugriffsmittel auf einen Warenreichtum ist, der unabhängig vom Geld zustandegekommen und nun zu verteilen wäre. Geld ist Mittel der Aneignung von allem, was Arbeit überhaupt leisten und herbeischaffen kann. Es erlaubt den Zugriff auf Arbeit überhaupt, ist das Kommando darüber, wofür die Arbeitskraft der Gesellschaft eingesetzt wird und was demgemäß an Gütern zustandekommt. Das ist deswegen so, weil das Geld nach der anderen Seite hin der Zweck ist, für den überhaupt gearbeitet wird. Wer produziert, um seine Produkte auf den Markt zu werfen, der will damit ja kein von der Gesellschaft für nützlich erkanntes und beschlossenes Produktionsprogramm erfüllen; der rechnet auf ein Bedürfnis, dessen Zahlungsfähigkeit er ausnutzen kann. Das am Markt verdiente Geld entscheidet dann darüber, ob und in welchem Maß die geleistete Arbeit wirklich nützlich war, ganz gleich, wie nützlich sie für sich genommen gewesen sein mag und wie brauchbar ihre Produkte. Gelingt die lohnende Uerwandlung der geschaffenen Waren in Geld nicht, dann war die Arbeit selbst umsonst: kein Beitrag für die gesellschaftlichen Bedürfnisse - für die Bedürfnisse, versteht sich, wie sie marktwirtschaftlich einzig und allein seriös existieren, nämlich als zahlungsfähige Kundschaft - und ohne Ertrag für den Produzenten selbst.

Geld ist also die private Macht über die Arbeit anderer; diese Macht hat im Geld ihr Maß. Geld ist nämlich der Bescheid an den Produzenten, wieviel Nutzen ihm die geleistete Arbeit bringt, weil sie ein Beitrag zum Nutzen zahlungsfähiger anderer war. Geld ist also der Zweck aller marktwirtschaftlichen Produktion; es ist das eigentliche Produkt, auf das es den Produzenten ankommt. Im Geld sind somit lauter gegensätzliche Verhältnisse kombiniert: eine Art zu produzieren, bei der jeder Produzent nichts als seinen privaten Ertrag bezweckt, und die Abhängigkeit der Privatproduzenten voneinander; die Verfügungsgewalt über fremde Arbeit und die Notwendigkeit, mit der eigenen Arbeit fremde Interessen zu bedienen, um sie auszunutzen. Das Geld ist die Art und Weise, wie alle Produktionsstätten einer Nation "zusammenarbeiten", ohne wirklich zusammen zu arbeiten, nämlich indem alle, jeder für sich und gegen alle anderen, dahinterher sind und es durch Verkauf voneinander holen müssen. Das Geld ist gesellschaftliches Produkt und privater Ertrag der Produktion in einem - also die "gesellschaftliche Sache", die den ökonomischen Zusammenhang zwischen allen Firmen und Individuen stiftet, und zwar einen höchst widersprüchlichen. Mit dem Geld ist nämlich der Widerspruch gegeben zwischen dem pur privaten Zweck der Arbeit und dessen Abhängigkeit vom Nutzen anderer, zwischen dem Kommando über fremde Arbeit und der Notwendigkeit, selber die Zahlungsfähigkeit anderer auszunutzen. Daraus ergeben sich die gesellschaftlichen Gegensätze zwischen denen, auf die sich die verschiedenen Seiten dieses Widerspruchs verteilen: zwischen denen, die im Geld Zugriff auf und Kommando über fremde Arbeit haben, und denen, die im Geldmangel auf ihre Abhängigkeit von fremdem Geld festgelegt sind. Und entschieden ist mit dem Geld auch schon die borniert-begriffslose Vertaufsform dieses Gegensatzes: viel oder wenig - das ist die Frage aller Fragen beim Geld. Dieses seltsame gesellschaftliche Produkt war das

Geld im "realen Sozialismus"

nicht. Vor allem andern hat nämlich der Staat in diesem System alle Produzenten auf Dienste für ihn festgelegt, und das Geld hat er zu seinem exklusiven Kommandomittel über die gesellschaftliche Arbeit gemacht. Er hat den Betrieben mit dem Geld, das er sie hat einnehmen lassen beim Verkauf ihrer Waren und das er ihnen zugewiesen hat, den nach seinem Ermessen zweckdienlichen Bescheid über den geseltschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit und das Ausmaß des gesellschaftlichen Interesses an Fortführung und Erweiterung ihrer Produktion erteilt. Über dem "Kriterium" des Geldes stand die staatliche Entscheidung, wohin es fließen sollte. Und damit ist schlechterdings weg, was das Geld in der Marktwirtschaft überhaupt ausmacht: das Geldverdienen als letzter zwingender Zweck jeder ökonomischen Tätigkeit.

Abgeschafft hat der "realsozialistische" Staat das Geld trotzdem nicht; aber was war es dann noch! Der Staat war bemüht, die Produktion seiner Betriebe dadurch zu lenken, daß er sie auf Geldbeziehungen untereinander festlegte: Sie sollten mit ihren Produkten voneinander Geld verdienen - daß verdient wurde, war staatlich garantiert; wieviel, das war von Staats wegen vorgegeben. Sie sollten "wirtschaftlich" Buch führen und sich beim Produzieren nach den Erlösen richten. Über das staatlich verordnete Geld-Streben der einzelnen Betriebe sollten sich automatisch die vom Staat gewünschten volkswirtschaftlich sinnvollen Proportionen zwischen den verschiedenen Branchen herstellen; freilich mußte der Staat mit Geldabschöpfungen und -zuweisungen dauernd für eine Korrektur der "automatischen" Ergebnisse im Sinne seiner volkswirtschaftlichen Ziele erst sorgen.

Dem gesamten Unternehmen ist der unkritische Glaube an die enormen Leistungen des Geldes anzumerken, das, wenn nur alle borniert dahinter her sind, von selbst - "hinter dem Rücken" der Beteiligten - einen sinnreichen Zusammenhang der gesellschaftlichen Produktion stiften würde. Wieder ist der "reale Sozialismus" bemüht, eine marktwirtschaftliche Ideologie in die Tat umzusetzen, nämlich die vom Geld als sinnreichem Mittel, eine gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung herzustellen. Diese Ideologie geht in der Marktwirtschaft trivialerweise auf, weil gar keine andere Arbeit geleistet wird als die, die sich am harten Kriterium des zu verdienenden Geldes bewährt. Genau diese Trivialität hebt der "realsozialistische" Staat mit seiner Herrschaft über das Geld auf. Er will immer schon vor der Geldzirkulation die Einteilung der gesellschaftlichen Arbeit kennen, die volkswirtschaftlich am vernünftigsten wäre; deswegen manipuliert er das Geld im Sinne seiner Vorstellungen. Daß er mit Geld zu Werke geht, ist die Verabschiedung jeder vernünftigen Planwirtschaft; daß er das Geld nur vom ihm manipulierte Werke verrichten läßt, ist sein "Verstoß" gegen das, was Geld in der Marktwirtschaft ist, und die Beseitigung aller Leistungen, die es dort erbringt, bis hin zu dem Schein eines sinnreich-selbsttätigen Zusammenwirkens aller Geldgeier. Seine Pseudo-Planung ist wie der Versuch, das lobende Geschwätz der volkswirtschaftlichen Theorie von der "Allokationsfunktion des Geldes" als tatsächlich regelnden Gesichtspunkt in die Marktwirtschaft einführen zu wollen. Daß sogar das geht, war an der DDR zu sehen. Aber vom Standpunkt der jetzt in Angriff genommenen "Währungsunion" steht auch fest: Geld in dem Sinn war das nicht, was die SED "Mark" genannt hat. Denn ihm fehlte immer das Entscheidende: die ausschließliche sachliche Zwangsgewalt des letzten Kriteriums für jede Arbeit.

Jetzt gibt es also auch für die DDR echtes Geld. Und das heißt: Es wird nicht etwa nur neu benannt oder ein bißchen umbewertet, sondern völlig neu bestimmt, was die DDR-Ökonomie fortan überhaupt produziert. Wenn ihre Produkte in D-Mark verkauft und dafür hergestellt werden, dann ist das auch der Zweck der Sache, also die - Mark das eigentliche Produkt dieser Ökonomie, so wie sie das der westdeutschen Marktwirtschaft schon von Anfang an war.

2. Die D-Mark als Geschäftsmittel - Armut und Reichtum als Produkte des freien Geschäftslebens

Das Einkaufen brauchen die DDR-Bürger nicht erst zu lernen, wenn sie in Zukunft D-Mark zum Kaufladen tragen müssen. Ganz sicher müssen sie aber ein wenig umlernen beim Sich-Einteilen. Und ob sie ihre alten HO-Leiter nach der Umstellung noch wiedererkennen, ist sehr die Frage. Die jedenfalls müssen gemeinsam mit vielen Kollegen auf den neuen Beruf umsatteln, beim Ein- und Verkaufen hinter der D-Mark und sonst nichts her zu sein.

Armut in der Marktwirtschaft

- das gilt vielen DDR-Bürgern als ein bloßes "sozialistisches" Gerücht und in der bundesdeutschen Öffentlichkeit als Thema für die Vorweihnachtszeit. Denn die Marktwirtschaft beeindruckt bekanntlich durch ihre enorme Warenvielfalt und ihren Überfluß. Und das rechnet die dazugehörige Ideologie dieser Wirtschaftsweise hoch an: Warenfülle als Reichtum, greifbar für jedermann; Warenvielfalt als Angebot an die vielfältige Bedürfnisstruktur der Menschen.

Die Wahrheit ist etwas banaler.

Daß Waren im Überfluß angeboten werden und die berühmten Schaufenster notorisch voll sind, ergibt sich ganz logisch aus dem feststehenden Zweck des Warenangebots. Es ist dazu da, dem Verkäufer Geld einzuspielen. Da wäre es schlicht geschäftsschädigend, wenn der Nachschub an lohnend absetzbarer Ware stocken würde. Güter, die nicht lohnend abzusetzen sind, gibt es immer wieder einmal zu reichlich; halbe Ernten werden weggekippt, wenn sie sich nicht zu einem gescheiten Preis verkaufen lassen. Umgekehrt beschränkt der lohnende Preis das Bedürfnis der Kundschaft, so daß Warenmangel wirklich niemanden in der Marktwirtschaft zu Entbehrungen zwingt. Die Warenhäuser stehen voller nützlicher Dinge, von denen viele, die sie gut gebrauchen könnten mangels Knete ausgeschlossen sind. So viel zum Thema "Schaufenster".

Für erfahrene Kaufleute ist dabei natürlich keine "Kaufkraft" so gering, daß sie nicht ihr Interesse wecken könnte. Auch das ist Geld, an das heranzukommen lohnt. Also wird die Geschäftswelt erfinderisch und läßt sich zum technisch bestmöglichen Bedarfsartikel beliebig viele Billigvarianten bis zum Ramsch einfallen. Die enorme Vielfalt der Warenangebote ist die marktwirtschaftliche Antwort auf die vielfältigen Ausmaße der verschiedenen ausnutzbaren Geldbeutel, die die Kundschaft per Scheckkarte oder Banknote bei sich trägt. Das ist das bunte Geheimnis der westlichen Warenwelt.

Die Kundschaft, die mit ihren Bedürfnissen unter das volkswirtschaftliche Stichwort "Massenkaufkraft" fällt, bildet wie von selbst die zu diesem Angebot passende Kunst aus, in sich selbst alle geweckten Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen. Da konkurriert dann schlechterdings alles mit allem; in der BRD z.B. sehr häufig Wohnung mit Kind - denn letzteres ist zwar auch in der entwickelten Marktwirtschaft keine Ware in dem Sinn, hat aber auch seinen Preis bzw. sehr verschiedene Preise, je nach dem, ein wie gut ausgestattetes Kind die glücklichen Eltern haben wollen. Nach und nach bilden sich über die Gewohnheit des Preisvergleichs tiefe Erkenntnisse von der Art heraus, daß einerseits nur das Teure wirklich preiswert ist, andererseits die Straße mit Sonderangeboten gepflastert ist, die freilich meistens schon weg sind. Nur die eine Erkenntnis unterbleibt in der Regel, obwohl sie auch nicht komplizierter ist, nämlich daß die ganze Gewitztheit des marktwirtschaftlich versierten Kunden und Endverbrauchers nichts ist als die Art und Weise, mit der Klemme zwischen verfügbarem Geld und verlangten Preisen klarzukommen und die Beschränktheit der eigene Mittel zu organisieren: Zu deutsch: So geht Armut in ihrer gewöhnlichen und gewohnten, als "Lebensstahdard" verbuchten Alltagsform.

Das ist der Überfluß, der mit der Einführung der D-Mark die

Armut im "realen Sozialismus"

ablöst. Dort hat nämlich der Staat auf der einen Seite dafür gesorgt, daß niemand mit seinen "Grundbedürfnissen" - d.h. mit dem, was die Preisfestsetzer der Nation dazu gezählt haben - an den Marktpreisen scheitern mußte. Vieles hat deswegen überhaupt keine "realsozialistische" Mark gekostet oder nur einen symbolischen Betrag, der nicht mehr sein sollte als eine erzieherische Erinnerung daran, wieviele Lasten der Staat seinen nach wie vor an die Preisform gewöhnten Bürgern abnahm. Kinder sollten kein Problem sein; das Wohnen auch nicht; und auf den Urlaub im FDGB-Heim mußte keiner wegen Geldmangel verzichten.

Die fühlbaren Schranken sind den Bedürfnissen der "realsozialistischen" Konsumenten auch nicht aus den um so höheren Geldbeträgen erwachsen, die für alle Güter erhoben wurden, die eben damit von Staats wegen zum Luxusartikel erklärt waren. Der Arbeiter- und Bauernstaat hat seinem Volk schlichten Warenmangel zugemutet, so daß viele durchschnittliche Bürger an ihren wachsenden Sparkonten nicht etwa erfreuliche Überschüsse ihrer privaten Haushaltsführung registrieren konnten, sondern das Fehlen von Gütern, die sie gebraucht und gerne gekauft hätten. Vieles war dann natürlich doch zu beschaffen, aber eben nicht im Kaufladen; eher schon über Beziehungen, deren Reichweite und Tragfähigkeit mit der Position in der "realsozialistischen" Hierarchie zunahmen, oder auf dem Wege offizieller staatlicher Zuwendungen an verdiente Mitkämpfer oder mit dazwischenliegenden Methoden. Die Kunst des Verbrauchers war es, sich vorsichtshalber in jeder Schlange anzustellen und jenseits aller aktuellen Bedürfnisse Waren und Bezugsrechte zu horten; nach dem Motto "Man weiß ja nie" - die Gelegenheit zu einem Tausch gegen etwas Benötigtes würde sich schon einstellen.

Diese Sorte Mängelverwaltung war zumindest in einer Hinsicht ehrlich: Die Betroffenen wußten, daß sie es mit Armut zu tun hatten. Sie waren ja dauernd konfrontiert mit dem Widerspruch, zwar Geld zu haben und nützliche Dinge zu kennen und zu verlangen, die sogar zu kriegen waren - allerdings gegen ein anderes als das "realsozialistische" Geld. Deswegen hat zum "realsozialistischen" Alltag immer die Beschwerde über die Mangelwirtschaft gehört sowie der Fehlschluß, Grund des Mangels wäre das "schlechte" Geld - in seinen Intershops hat der Staat ja selber die Leistungsfähigkeit der D-Mark sogar mitten im "realen Sozialismus" vorgeführt; so gesehen kein Wunder, daß seine Bürger jetzt zur D-Mark überlaufen.

Den Klagen seiner Bürger und ihrer Kritik an seinem Geld hat der alte SED-Staat sich nie verschlossen. Er hat allemal die passende Selbstkritik gewußt und den quasi freien Zugang der Leute zum Notwendigen als finanzielle Belastung seiner Kassen vorgerechnet, die ihn an anderen Notwendigkeiten und Wohltaten hindern würde. Er hat die entsprechenden Regelungen als "Subventionen" verbucht, die den "eigentlichen", ökonomisch rentablen auf den wirklichen, "sozialen" Preis herunterdrücken würden - eine reichlich absurde, aber ins Bild passende Rechnungsart für einen Staat, der seinen Stolz darein setzt, die soziale Natur der Warenproduktion herbeikommandiert zu haben. Marktwirtschaftlich war diese doppelte Buchführung nie. Innerhalb seines Abrechnungswesens hat sich der "realsozialistische" Staat aber bereits sehr entschieden auf die Seite seiner Gewinnrechnung gegen seine konsumentenfreundliche Sozialrechnung gestellt und das für eine Methode erklärt, "Verluste" zu vermeiden und dadurch die "Kaufkraft" seines staatseigenen Geldes zu verbessern. Die Manager der Planung und Leitung haben sich dem verkehrten Dogma der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre angeschlossen, nur knappes Geld wäre gutes Geld, und damit nichts anderes zu erkennen gegeben als ihr Gefallen am genuin marktwirtschaftlichen Mechanismus der Beschränkung der Leute über den Preis - den hatten die "Sozialisten" im Ostblock einmal verworfen...

Reichtum in der Marktwirtschaft

setzt voraus, daß einer gute Geschäfte macht; nicht mit "sozialen" oder "gerechten", sondern mit lohnenden Preisen; denn die sind sein Mittel, das Geld seiner Kundschaft auf sein Konto zu kriegen. Das ist sein Interesse; und daß es gelingt, ist ein Sachzwang. Wer Waren auf den Markt wirft, hat nämlich für Produktion oder Beschaffung des Warennachschubs schon bezahlt, also ein Geld vorgeschossen, das nun mit Gewinn - aus dem Verkauf wieder herausgeholt werden muß, damit das Geschäft nicht mit seinem Warenberg pleite geht. Vom Geschäftsstandpunkt aus sind Waren eben nicht mehr und nicht weniger als ein Durchgangsstadium der Geldvermehrung, und jede Stockung in ihrem Absatz ist ein Problem, weil es den Fortgang der Sache aufhält und am Ende unmöglich macht.

Deswegen tun Geschäftsleute allerhand, um die Kundschaft auf sich und ihr Produkt aufmerksam zu machen und einzuseifen - und um sich andererseits von deren Launen, soweit es geht, unabhängig zu machen. Ihr Geschäft darf nicht gleich stocken, bloß weil es mal an Käufern fehlt. Aufs Geldverdienen kommt es an, sie hängen davon ab; deswegen darf es durch momentanen Geldmangel auf gar keinen Fall unterbrochen werden, denn dann kommt es ja erst recht darauf an.

Unter praktizierenden Marktwirtschaftlern ist es deshalb zur normalen Geschäftsgepflogenheit geworden, einander mit dem Versprechen alsbaldiger Zahlung bezahlt zu machen und untereinander Zahlungsversprechen in vielerlei Form als Zahlungsmittel kursieren zu lassen. Daran wird einmal mehr sichtbar, wie sehr eine angebotene Ware für sie nichts als eine Zwischenform des Geldes ist: Um ihr Geschäft am Laufen zu halten, tun sie so, als wäre es schon gelaufen und die Ware in Geld (zurück-)verwandelt. Damit legen sie sich natürlich auch auf eine Zahlungspflicht fest; wird die nicht erfüllt, so erfolgt der Zwangsverkauf. So behält ganz praktisch das Geld Recht und die Oberhand gegen das Warenstadium des Geschäftsgangs und das bloße Zahlungsversprechen.

Es behält sogar Recht gegen den Geschäftsmann selbst. Wo Zahlung versprochen und fällig ist, müssen sich selbst die privaten Besitztümer des Schuldners eine Schätzung als Geld und einen Zwangsverkauf gefallen lassen. Und daraus hat die Geschäftswelt gleich schon wieder eine Geschäftsmethode gemacht: Wenn sie schon im Ernstfall gar nicht bloß für ihren materiellen Gebrauchswert, sondern für Geld stehen, dann sind die Wertsachen, die einem Marktteilnehmer gehören, auch dafür gut, einem Zahlungsversprechen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Es ist ein wichtiger Beitrag zum Geschäftsleben, wenn dessen Macher ihren Besitz so nachzählen, als wäre er in Wahrheit Geld; denn soviel Kredit haben sie. So läßt sich ihr eigentlicher Reichtum, der Geldwert ihres Vermögens, sogar geschäftsmäßig mobilisieren, während die Gegenstände, an denen er haftet, weiter ihre belanglosen materiellen Dienste verrichten - ein letzter Beleg aus der Welt der geschäftlichen Sitten dafür, daß Reichtum in der Marktwirtschaft tatsächlich nur und genau insoweit wirklicher Reichtum ist, wie er abstrakter Reichtum ist, nämlich die D-Mark-Summe, für die er gut ist.

An diesem Maßstab gemessen, war

Reichtum im "realen Sozialismus"

schlichtweg nicht vorhanden. Gewiß hat der Staat seine Aufträge an seine Betriebe in Geldgrößen formuliert und den Erfolg in Geldgrößen bilanziert. Er hat die geschaffenen Güter verdoppelt in sie selbst und in die als Geldsumme dargestellten Rechengrößen seiner Planung und damit sogar den praktischen Effekt erzielt, daß die Logik der vorgeschriebenen Abrechnung einer vernünftigen Verwendung der Gebrauchswerte dauernd in die Quere gekommen ist. Aber die geschäftliche Doppelexistenz des Warenreichtums, nämlich als potentielles, in Warenform gebundenes Geld und als wirklich erlöstes Geld, die hat das "realsozialistische" Bruttosozialprodukt nie geführt.

Deswegen haben auch nie Teile des gesellschaftlichen Produkts ein privates Vermögen gebildet, dessen materielles Gewicht in der Geldsumme bestanden hätte, die es repräsentierte. Sicher hat der Staat seinen verschiedenen Bürgern und Dienern in ganz unterschiedlichem Maß Zugang zu nützlichen Dingen eröffnet; auch, allerdings nie hauptsächlich über gezahltes Geld, mehr über das staatliche Zuteilungswesen. Nicht einmal den "Bonzen" läßt sich nachrechnen, wie reich sie waren; allenfalls eine Liste der Marmorfliesen vorhalten, auf denen sie lustwandelten, und der Wälder, in denen sie Jagdwild totschießen durften; und das beweist außer den recht dürftigen Genüssen dieser "besseren Gesellschaft" nur eins: Im marktwirtschaftlichen Sinn reich waren sie überhaupt nicht.

Irgendwie haben das die DDR-Kritiker gemerkt, die im Blick auf ihren untergehenden Laden die seltsame Auffassung vertreten, einen nennenswerten Reichtum hätte es in der DDR überhaupt nicht gegeben und noch nicht einmal eine Produktion in dem Sinn. Für die Bedürfnisse der Staatsgewalt, für die Weiterführung und Fortentwicklung der Produktion, für den Export in den RGW-Raum und in den Westen, für einen gewaltigen Haufen Kulturleben und dafür, daß am Ende auch das Volk recht und schlecht und auf alle Fälle ohne materielle Existenznot über die Runden gekommen ist, hat es ja durchaus gelangt. Richtig ist etwas ganz anderes: Das Geld, in dem Bilanz gezogen und mit dem staatlich kommandiert worden ist, und der materielle Reichtum, der zustandegekommen ist, waren nie in der Weise ein und dasselbe, daß genaugenommen Geld produziert worden ist. Auf diese Absurdität versteht sich nur die Marktwirtschaft.

Und die kriegt sie ja jetzt, die DDR.

3. Deutsch - das einzige Attribut, das eine echte Mark verträgt

Gegen D-Mark gibt es, demnächst also auch für DDR-Bürger, alles zu kaufen, was es auf der weiten Welt überhaupt zu kaufen gibt. Wenn man genug davon hat, ist dieses Geld universell anwendbar. Das ist die gute Nachricht, jedenfalls für die Liebhaber von Bananen, Auslandsreisen, Diamantarmbändem und dergleichen mehr.

Daß mit der D-Mark soviel geht, liegt freilich überhaupt nicht an denen, die so gerne Ausländisches verzehren. So weltbürgerliche Konsumgewohnheiten sind vielmehr umgekehrt das Werk von Kaufleuten aus aller Welt, die Waren herbeischaffen und dem Tourismus den Weg ebnen, weil sie auf die D-Mark scharf sind. Dieses Geld ist für sie ihr höchstes und letztes ökonomisches Ziel. In ihm besitzen sie ihren Reichtum in einer Form, die ihn zum universellen Inbegriff des Reichtums macht.

Und so gehört es sich auch für ein Geld in der Marktwirtschaft. Denn da geht es um Reichtum in einer Form, die keine nähere Bestimmung, kein einschränkendes Attribut verträgt. Geld, der zum Zweck erhobene abstrakte Reichtum, kann weder sozial noch gerecht, weder christlich-abendländisch noch sozialistisch, weder demokratisch noch patriotisch sein. Denn damit wäre ein noch übergeordnetes Ziel in Anschlag gebracht, für das es bloß Mittel zu sein hätte; es wäre nicht mehr der Zielpunkt aller ökonomischen Aktivitäten. Und daher ist es auch unverträglich mit räumlichen Schranken. Ein Reichtum, der nur an einem bestimmten Ort einer wäre, nur in einer Nation und in der nächsten schon nicht mehr, der ist kein Reichtum, wie er marktwirtschaftlich zu sein hat: abstrakt, d.h. losgelöst von jeder Beziehung auf bestimmte Bedürfnisse, bestimmte Umstände, bestimmte - und sei es auch nur räumlich eingegrenzte - Verwendungsmöglichkeiten.

Geld in der Markwirtschaft ist Weltgeld -

oder es ist letztlich nicht der Reichtum, um den es marktwirtschaftlich geht.

Nun heißt das Ding allerdings: "deutsch". Die D-Mark trägt ihre Beschränktheit schon im Namen. Und sie enthält sie in sich. Sie ist nämlich, ihrem ökonomischen Gehalt nach, ein Zahlungsversprechen; zwar ein höchst seriöses, gegeben von der Nationalbank in Frankfurt, der Bank aller Banken in der BRD, aber eben nur das. Sie ist zum Zahlungsmittel erhoben durch deutsches Gesetz; damit zwar sehr machtvoll, rechtlich zwingend aber bloß so weit, wie deutsches Gesetz gilt. Die unbedingt gültige Gleichung, daß Geld Reichtum schlechthin ist, gilt eben nur bedingt, wenn das Geld ein staatlich garantierter Kreditzettel, eine Währung ist.

Was den reiselustigen Endverbraucher mit seinen ersparten D-Märkern betrifft, so kommt er mit diesem Widerspruch klar, ohne ihn groß zu merken. Er tauscht die eine Währung gegen die andere; und wenn er bislang DDR-Bürger war, dann wundert er sich, wie einfach das geht. Daran könnte freilich auch ihm auffallen, daß beim Tauschen schon wieder er gar nichts entscheidet; weder ob sein Geld genommen wird, noch wieviel ausländisches er dafür kriegt. Damit er mit seiner D-Mark so nett bedient und ausgenommen wird, müssen schon wieder die Kaufleute mit ihrem Interesse am abstrakten Reichtum tätig gewesen sein. Und zwar mit dem Spezialinteresse, Gelder verschiedener Nationalität gegeneinander zu tauschen.

Diese Profis des internationalen Geldgeschäfts kaufen und verkaufen Währungen; nicht, weil sie sich Güter aus dem einen oder anderen Land besorgen oder dorthin wollen und dafür dessen Geld brauchen, sondern umgekehrt: Sie leiern Tauschgeschäfte an, weil sie die getauschten Währungen verglichen haben. Ihre Kunst, Währungen gegeneinander zu gewichten, sie anzubieten, nachzufragen und ein Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen, die Menschheit mit Wechselkursen zu beglücken und diese andauernd zu ändern usw., hat in der Ökonömie der jeweiligen Länder - und in der Psychologie der Händler selbst - ihre Kriterien und Anhaltspunkte. Um die geschäftsmäßig anzuwenden, braucht kein Geldhändler zu wissen, wofür das eigentlich die Kriterien sind. Sie wissen die Gelder verschiedener Nationen zu unterscheiden, nach "hart" und "weich, "über-" und "unterbewertet", und beurteilen damit auf ihre Weise letztlich nichts als den Widerspruch, den ein bloß nationales Geld allemal darstellt. Sie stellen über jede Währung per Vergleich ein Urteil auf, dessen ökonomischer Inhalt die Einschätzung ist, wie weit dieses Geld davon entfernt ist, Reichtum schlechthin zu sein.

Dabei würdigt die Branche - nicht in einem theoretischen Ermittlungsverfahren, sondern in ihren begriffslos-berechnenden Tauschgeschäften - erstens die Masse des Reichtums, der in einer Währung seine maßgebliche, nämlich Geldform angenommen hat und annimmt, sich umtreibt und erfolgreich vermehrt; sie "prüft" insofern die erreichte und absehbare Annäherung an das Ideal jeder nationalen Währung, nicht bloß national zu sein, sondern den Weltreichtum schlechthin zu repräsentieren und damit für jeden Marktwirtschaftler unwiderstehlich attraktiv zu sein. Sie würdigt zweitens die Macht des nationalen Gesetzgebers, der die Kreditzettel seiner Notenbank zum gesetzlichen Zahlungsmittel erhebt; denn die entscheidet über die Sicherheit, mit der die Gleichung von Währung und Reichtum innerhalb einer Nation und außerdem über deren Grenzen hinaus unwidersprechlich gilt. Insoweit "überprüft" sie die Annäherung an das Ideal jeder Staatsgewalt, ihre Entscheidungen für die gesamte Staatenwelt mitsamt deren geschäftstüchtigen Weltbürgern verbindlich zu machen. Das Weltgeld gibt es also; nicht bloß in der rohen, aber unverwüstlichen Form der Geldware, des Goldes, auf das die Geldhändler und Währungshüter nirgends und um so weniger verzichten mögen, je unsicherer ihnen die Aussichten für Geschäft und Gewalt der marktwirtschaftlichen Nationen erscheinen. Das Weltgeld, so wie die Geschäftswelt es will und braucht, existiert als die Konkurrenz einiger weniger - handgezählt: dreier - nationaler Währungen ums Monopol auf universelle Anerkennung. Eine davon ist die D-Mark; und das ist der Grund, weshalb die Deutsch-Mark sich mit ihrer nationalen Beschränktheit so gut verträgt. Ihre weltweite "Attraktivität" ist das Ergebnis eines nationalen Erfolgs in Sachen Welt-Reichtum und Welt-Macht - den zwei Sachen, die zusammen den modernen Imperialismus ausmachen, den man nach der Selbstauflösung des "realen Sozialismus" auch drüben nicht mehr so nennen darf. Von den imperialistischen Errungenschaften des NATO-Mitglieds und Export-"Weltmeisters" BRD geht die Währungsvergleicherei der Welt-Geldhandelsbranche los und dann hinunter bis zur Wechselstube, wo sie dem gern gesehenen D-Mark-Urlauber als Wechselkurs begegnet - welcher deutsche Weltbürger, egal ob aus Dresden oder Düsseldorf, hätte sich das träumen lassen bei Banane und Chianti-Wein! Keine Frage: Eine Währung von der Art war die

DDR-Mark nie

Nicht nur, daß der DDR imperialistische Erfolge mit ihren segensreichen Auswirkungen auf die intemationale "Kaufkraft" der Landeswährung versagt geblieben sind: ihre Mark war noch nicht einmal der Absicht nach ein geschäftlich interessantes Zahlungsversprechen und -mittel. In die Konkurrenz um Würdigung als immerhin bedingt brauchbare Erscheinungsform von Welt-Reichtum ist sie weder eingestiegen noch vom internationalen Geldhandel einbezogen worden. Die DDR-Mark war nicht "konvertibel" - also ein von aller Welt gesuchtes Geld -, weil sie noch nicht einmal eine "Binnenwährung" im marktwirtschaftlichen Sinne war: der Form nach zwar ein Kreditzettel der DDR-Staatsbank und gesetzlich zum Zahlungsmittel gemacht, aber ohne der wirkliche Inbegriff von national produziertem Reichtum, also Wert zu sein. Deswegen gab es auch die für eine Marktwirtschaft selbstverständliche "Integration in den Weltmarkt" nicht: jene Ausrichtung aller Produktion am Zweck abstrakten, also auch universellen Reichtums, als dessen Nebenprodukt allemal ein Wechselkurs für Touristen und Kaffee-Importeure abfällt. Stattdessen wurde eine eigene nationale Produktions- und Handelsabteilung mit dem Sonderauftrag der Devisenbeschaffung gebraucht und eingerichtet, um den Staat - und von dessen Gnaden die Bürger - überhaupt mit Kaufmitteln für Waren in und aus kapitalistischen Ländern zu versorgen. Wenn DDR-Bürger mit Westgeld verreisen oder Westliches verzehren durften, dann hatte sich das ihre Obrigkeit tatsächlich eigens zum Zweck gemacht und dafür ein bißchen von dem realsozialistisch produzierten Reichtum abgezweigt, mit dem westliche Geschäftsleute bedient und im Gegenzug Devisen beschafft worden waren.

Mit seinen grenzüberschreitenden West-"Geschäften" hat sich der alte SED-Staat außer echtem Geld allerdings auch einige Notwendigkeiten der marktwirtschaftlichen Produktionsweise eingehandelt; nämlich vor allem die, auf westlichen Märkten zu den dort gültigen Preisen Ware zu Geld zu machen. Dafür hatte er seinen "realen Sozialismus" aber wirklich nicht eingerichtet, und dem ist diese neue Notwendigkeit auch nicht gut bekommen.

Umgekehrt haben die Hüter der bundesdeutschen Marktwirtschaft die DDR - und den "Ostblock" überhaupt - immer als unerträgliche Behinderung empfunden; in vielerlei Hinsicht, aber nicht zuletzt auch in dem Bemühen, das sie ihrer D-Mark ganz einfach schuldig sind: mehr Welt-Reichtum in dieser Währung zu akkumulieren und der Macht des nationalen Rechts mehr internationale Durchschlagskraft zu verschaffen. Mit ihrem marktwirtschaftlich-imperialistischen Grundsatz, daß ein Geld entweder überall gültiger Reichtum oder keiner ist, sind sie am "Eisernen Vorhang" nicht gescheitert; sie haben daraus einen vernichtenden Urteilsspruch über die "realsozialistischen" Staaten gemacht, die in ihrer Wirtschaft die Herrschaft des Geldes abgeschafft und sie der Herrschaft des Weltgeldes entzogen hatten. Jetzt endlich haben sie es geschafft, schreiten zur Vollstreckung ihres Spruchs, reden dabei ganz locker von "Währungsunion", so als würden sie sich mit Gleichgesinnten zusammentun - aber sogar das haben sie ja nun hingekriegt; denn in Wirklichkeit passiert etwas ganz anderes: Sie bringen einen erstklassigen imperialistischen Sieg heim und tun ihr Bestes, damit er der Wucht ihres nationalen Weltgeldes zugute kommt.

4. Die D-Ma-k und ihr Recht: Das Privateigentum

An eins brauchen sich die DDR-Bürger sicher nicht neu zu gewöhnen, wenn sie demnächst die D-Mark kriegen. Nämlich daran, daß ihnen nicht viel und vieles, was sie gut brauchen könnten, nicht gehört. Sie werden allerdings Bekanntschaft damit schließen, was es heißt, daß in Zukunft alles und jedes als in D-Mark beziffertes Eigentum jemandem gehört - irgendwie sogar ihre eigene Arbeitskraft ihnen selbst als verkäufliches "Humankapital".

Eigentum in der Marktwirtschaft

heißt nämlich, daß die Staatsgewalt keinen Gegenstand herrenlos läßt, sondern alles, worüber sich überhaupt unter Ausschluß anderer verfügen läßt, einem Eigentümer als Objekt seiner alleinigen Willensentscheidung zurechnet. Dieses ausschließliche Verfügungsrecht ist eine sehr raffinierte Kategorie: Es unterscheidet gründlich zwischen dem praktischen Verfügen über irgendwelche nützlichen Gegenstände, ihrem Gebrauch, der seiner Natur nach oft ausschließend sein mag und oft auch nicht, und auf der anderen Seite einem davon völlig unberührten ideellen Verfügen; das beruht eben darauf, daß die staatliche Gewalt dem Willen dessen, den sie dazu berechtigt, in Bezug auf "seine" Gegenstände Entscheidungsfreiheit sichert und alle anderen davon ausschließt.

Dieses dreieckige Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer, Staat und dem ganzen Rest hat einen guten Ruf. Allerdings ausgerechnet deswegen, weil jeder normale Bürger geneigt ist, die beiden Seiten des praktischen Habens und des ideellen Verfügens zusammenzuwerfen, die da gerade unterschieden werden, und den Staat als Nothelfer zu betrachten, der eingreift, wenn unschuldigen Zeitgenossen die liebgewordenen Objekte ihrer Begierden entrissen werden. Daß die Sache anders gemeint ist und anders ist, merkt dann mancher, wenn ihm gewohnte Bedarfsgegenstände - von der gemieteten Wohnung bis hin zum Spazierweg am Seeufer - unzugänglich werden, weil ihn das Eigentum eines andem davon trennt.

Es wäre ja in der Tat auch langweilig, wenn die Staatsgewalt zwischen faktischem Besitz und Eigentum gründlich und scharfsinnig und mit aller Gewalt unterscheiden würde, nur um beides dann wieder zusammenfallen zu lassen. Das Recht jedenfalls wendet sich liebevoll ganze Gesetzbücher lang den hochkomplizierten Interessenskonflikten zu, die sich aus der Scheidung zwischen Gebrauchen und eigentümlichem Verfügen ergeben; diese Scheidung ist also wohl das mit der juristischen Unterscheidung Gemeinte. Mit ihr verdoppelt die Staatsgewalt jeden Gegenstand eines auch nur potentiellen Interesses in das materielle Ding mit seinen eventuell nützlichen Eigenschaften einerseits, in das Objekt eines ideellen Verfügens, dem sie mit Ge- und Verboten an den Rest der Bürgerschaft Respekt und Geltung verschafft, andererseits. Und genau das hat in der Marktwirtschaft einen tieferen, praktischen, nämlich ökonomischen Sinn.

Denn marktwirtschaftlich gesehen existiert jedes nützliche oder nutzbar zu machende Ding sowieso von Anfang an doppelt: einerseits als Gebrauchswert, andererseits als Reichtum, abstrakt und gezählt,- als Anspruch auf eine Summe Geld. Als Gebrauchsgegenstände sind sie gerade nicht das, was ihren Produzenten und Verkäufer an ihnen interessiert; deren ökonomisches Interesse geht darauf, den wirklichen Gegenstand loszuwerden, um den darin steckenden Anspruch auf Geld einzulösen. Da steht also das Interesse an der Verfügung über den abstrakten Reichtum, an einem Stück Verfügungsrecht über die gesellschaftliche Produktion schlechthin, gegen das Hockenbleiben auf dem wirklichen Gut. Der Reichtum ist marktwirtschaftlich erst fertig, wenn er sich von seiner stofflichen Warenform gelöst hat. Und darin fallen die ökonomische Kategorie des Werts und die juristische Kategorie des Eigentums zusammen. Geld ist Eigentum in derjenigen abstrakten Form, in der es an gar keinem materiellen Gebrauchsgegenstand haftet, sondern als pure private Macht existiert, die jederzeit im Kauf zuschlagen kann. Oder umgekehrt: Das Eigentum, diese spitzfindige Rechtskategorie, führt ihr wirkliches, materielles ökonomisches Eigenleben im Geld.

War das zu "philosophisch"? Ja, so ist das nun einmal: Ohne Hegel und Marx begriffen zu haben, halten sich die Hersteller der deutschen "Währungsunion" an deren Begriff des Geldes und des Privateigentums wie an ein Drehbuch. Sie gehen ganz einfach davon aus, daß die D-Mark ohne gesetzliche Einrichtung und Betreuung des Privateigentums nicht funktioniert, so wie das ganze schöne Eigentumsrecht schlicht gegenstandslos ist, wenn es in einer nationalen Ökonomie nicht ums Geld geht. Das ist ja gerade die "philosophische" Klarstellung am Rande im Zuge der DDR-Annexion: Funktioniert hat da der gesellschaftliche Laden auf seine Weise ja auch, ohne all die Schutzzäune ums Eigentum, die vom Westen her nun eingeklagt und eingerichtet werden, weil es mit einer anderen, der marktwirtschaftlichen Ökonomie neu losgehen soll. So blamieren leibhaftige bürgerliche Politiker, ohne es zu merken, alle bürgerlichen Rechtsillusionen des "kleinen Mannes", der den Schutz des Privateigentums für eine große Wach- und Schließgesellschaft zugunsten seiner privaten Zahnbürste hält, ohne weiteren ökonomischen Inhalt und Auftrag als den, daß andere Zeitgenossen eben etwas größere Zahnbürsten haben, eventuell sogar mal eine Fabrik. Ideologisch rechtgegeben wird den Marxisten, die schon immer gesagt haben, daß das bürgerliche Recht keine Dienstleistung für sorgenbeladene Bürger ist, sondern das Vorgehen der staatlichen Gewalt bei der Einrichtung einer Nationalökonomie, in der das Wachstum des Privateigentums das oberste Sachgesetz ist. Und das durch Politiker und Banker, die sich einfach an ihre unbegriffene, aber durchaus allgemeine bürgerliche Lebenserfahrung halten, daß die rechtsstaatliche Gewalt mit ihrer abstrakten Zuordnungskategorie "Eigentum" überall dort gefragt ist und Konflikte regeln muß, wo Geld verdient wird.

Schon der marktwirtschaftliche Sachzwang, Geld zu verdienen, ist bloß deshalb zwingend, weil alle Bedarfsartikel kraft Staatsgewalt als Eigentum derer zur Welt kommen, die sie nur zum Verkaufen brauchen wollen und können, und nur hergegeben werden, wenn damit das Eigentum des Verkäufers in die Geldform übergeht. Beim Kaufen und Verkaufen sind demgemäß, rechtlich angesehen, Eigentumstitel das eigentliche Handelsobjekt. Beim Mieten und Vermieten, diesem guten marktwirtschaftlichen Brauchtum, wird überhaupt die Trennung zwischen Benutzen und gesetzlich geschütztem ideellem Verfügen selber zur Geldquelle.

Richtig interessant wird es freilich erst beim Eigentum an Produktionsmitteln. An ihnen zu arbeiten, sie für die Herstellung von Gebrauchsgütern zu benutzen, ist eine Sache; den Nutzen davon zu haben, eine andere. Das mag zusammenfallen, sogar gelegentlich in der modernen Marktwirtschaft. Das Eigentum vermag aber auch diese beiden Seiten praktisch zu scheiden. Und dann zeigt sich erst so richtig, was in dieser Rechtskategorie steckt. Getrennt ist dann nämlich zwischen dem materiellen Gebrauch der Produktionsmittel, der Arbeit, und einem Verfügungsrecht über die Produktionsmittel, das ein ausschließliches Verfügungsrecht über die damit hergestellten Produkte einschließt, also dem Arbeitsertrag. Die Staatsgewalt mit ihrer Eigentumsgarantie dient damit dem materiellen Gegensatz zwischen der Arbeit, die dadurch zum Dienst an fremdem Eigentum wird, und ihrem Nutzen, der als Reichtum ohne Arbeit, rein aus dem Eigentum des Eigentümers, zustandekommt. Die Staatsgewalt mit ihrem Eigentumsrecht steht dafür ein, daß es in der modernen Marktwirtschaft eine enorme Mehrheit ohne produktives Eigentum gibt, die ihre Arbeit für den eigenen Lebensunterhalt als bezahlten Dienst am Eigentum und zum Nutzen anderer verrichtet, und eine Elite von Eigentümem, die die gesellschaftlichen Produktionsmittel als ihr jeweiliges Privateigentum monopolisiert haben und so dieses Eigentum produktiv werden lassen können. Das Eigentumsrecht scheidet eine solche Mehrheit und eine solche Minderheit in der Gesellschaft und setzt beide in das gedeihliche Verhältnis zueinander, das bei den einen die Eigentumslosigkeit reproduziert und den andern ihr Eigentum mehrt. o darf der bürgerliche Staat durchaus die kapitalistische Wirtschaftsweise letztendlich seiner Einrichtung des Eigentums als Verdienst anrechnen.

Und kaum zu glauben, aber wahr: Genau das tun die Bonner Machthaber, wenn sie sich mit den nötigen Gesetzen ihren neuen östlichen Staatsteil zum erweiterten D-Mark-Paradies zurechtreformieren und nicht umhin können, sich für ihr umsichtiges, kluges Vorgehen selbst über den grünen Klee zu loben! Die Arbeiter von den Erträgen ihrer Arbeit erst einmal grundsätzlich zu trennen, dafür war im "realen Sozialismus" die Kategorie

"Volkseigentum"

auch allemal gut. Damit hat der Staat nämlich seinen Planungsbehörden das alleinige Verfügungsrecht über Produktionsmittel und Produkte zugesprochen. "Eigentum" hat da aber immer bloß eben dies bedeutet: daß die Staatsgewalt alle Güter der Nation unter ihre Verwaltung gestellt hat. In verrückter Weise "verdoppelt" haben sich Arbeitsprodukte und Gebrauchsgüter der Gesellschaft damit auch, nur ganz anders: Als Volkseigentum standen sie den Bedürfnissen der Gesellschaft nur gegen DDR-Mark zur Verfügung, also gewissermaßen als Verkörperungen der "wirtschaftlichen Rechnungsführung", die der Staat seinen Betrieben vorgeschrieben hatte; und dieses administrative Dasein als Ware mit einem "sozialistischen" Preis hat für eine gar nicht planmäßige, recht armselige Bedienung der Bedürfnisse der Leute gesorgt. Als Begünstigter stand auf der anderen Seite nur der "realsozialistische" Staat, der die Gleichung von Geld und Eigentum aufgehoben hatte und die Privateigentümer beerben wollte; dies jedoch ohne den Gegensatz gelten lassen zu wollen zwischen dem Eigentum und denen, die es bedienen und seiner Vermehrung nützen müssen. Produktiv aufgegangen ist dieser volksfreundlich gemeinte Widerspruch nicht; und die Arbeiter sind seiner erst recht nicht froh geworden.

Doch damit ist es ja nun sowieso vorbei. Die Nachfolger und Erben der alten SED-Herrschaft stellen mit neuen Gesetzen und Rechtsformen das "realsozialistische" Volkseigentum, diese widersprüchlich verschleierte Form staatlichen Kommandierens, auf marktwirtschaftlich brauchbare und passende Formen wirklichen Eigentums um, in denen sogar die Staatsgewalt, sofern noch Eigentümer, den Charakter eines Privatsubjekts mit gesetzlich garantierten Verfügungsrechten annimmt. Damit wird die Macht beseitigt, die der "realsozialistische" Staat über die gesellschaftliche Produktion ausgeübt hatte. An dieses Abbruchwerk hat sich schon die zur PDS demokratisierte SED gemacht und das kleine Paradox nicht gescheut, die eigene Gewalt einzusetzen, um sich als Herrn der Produktion abzuschaffen. Die Übernahmeagenturen in der BRD wachten dabei sorgsam darüber, daß kein Gesetz zustandekam, das dem Einmarsch des Eigentums Hindernisse in den Weg legen könnte. Lautstark beschwerte man sich über freiheitswidrige Formulierungen wie "soweit es im volkswirtschaftlichen Interesse liegt" im Joint-venture-Gesetz, die sich in ähnlichen Gesetzen der BRD haufenweise finden; sie galten als Beweis, daß unverbesserliche Planwirtschaftler sich noch immer anmaßen wollten, eigene Maßstäbe ans gesellschaftliche Produzieren anzulegen. Im Gegenzug wird das neue Recht gern so erläutert, daß der Staat sich fortan "aus der Wirtschaft heraushalten" würde - kein besonders richtiger Gedanke. Denn erstens kann beim alten System von "Einmischung" des Staats in "die Wirtschaft" nicht die Rede sein, weil die Staatsgewalt die gesamte Einrichtung von Produktion und Versorgung als ihre Aufgabe in die Hand genommen hatte; so kann nur von dem begriffslos-parteiischen Standpunkt der Marktwirtschaft aus geredet werden, der die "realsozialistische" Staats- und Wirtschaftsform gar nicht begreifen, sondern als verfehlte Variante des bürgerlichen Staats mit seinem andersgearteten Verhältnis zur Ökonomie geißeln will. Was zweitens dieses alleinseligmachende Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik betrifft, so gilt da das "Heraushalten" allein für die kaufmännischen Aktivitäten als solche; die überläßt die bürgerliche Staatsgewalt wirklich denen, die Geld haben. Daß es aber überhaupt solche Figuren gibt, daß Eigentum Früchte abwerfen kann, daß die Widersprüche dieser Einrichtung nicht das Verhältnis zerreißen, daß gegensätzliche Interessen sich sozialfriedlich voneinander abhängig machen: Das alles ist durchaus das Werk staatlicher Gewalt, und zwar einer immer und überall gegenwärtigen. Eben deswegen ist dieser Staat ja genauso eifersüchtig auf sein Gewaltmonopol bedacht wie der "realsozialistische" auf seine "Kommandohöhen der Volkswirtschaft". Denn dieses, Monopol ist sein unentbehrlicher Dienst an der nationalen Ökonomie: Es beseitigt ja nicht etwa die Gewalt aus der Gesellschaft, sondern unterwirft mit ihrer Allgegenwart alle ökonomischen Aktivitäten der so spitzfindigen und so lohnenden Rechtsfigur des Eigentums, also dem Kommando des Geldes.

Dieser Übergang des ökonomischen Kommandos von den Planungsbehörden der SED auf die D-Mark und ihre Eigentümer wird also in der unscheinbaren Form der Rechtsreform durchgezogen. Die neue Rechtslage ist im Prinzip schon die durchgreifende Revolutionierung der DDR-Gesellschaft. Diese Revolution enteignet niemanden, weil es Eigentum im neuen Sinn ja gar nicht gab; sie schafft im Gegenteil lauter Eigentümer, die jetzt ökonomisch das Sagen haben, und eine große Mehrheit, die ungefähr genauso eigentumslos ist wie bisher, nur auf völlig neue Weise. Denn sogar die normalen Bürger werden mit einem Eigentum beschenkt: Das neue Recht macht den eigentumslosen Lohnarbeiter zum Privateigentümer seiner eigenen Arbeitskraft, deren Gebrauch in fremden Diensten ihm bezahlt werden muß wie eine Ware. Eine bürgerliche Staatsgewalt schafft es eben sogar, ihre Scheidung zwischen Sache und Eigentum auch noch ins bürgerliche Individuum hineinzutragen, das so unteilbar eben doch nicht ist. Ausgerechnet das findet das "revolutionäre" Volk der DDR am allerwenigsten revolutionär. Dieses Volk läßt eben die wirkliche Revolution all seiner Lebensverhältnisse schlicht und ergreifend mit sich machen.

Aber dann über gestiegene Preise jammern...