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Korrespondenz
"WAS DENN DIE DDR VON DER BRD LERNEN KÖNNTE"
MSZ-Leser W.A. aus Bad Kreuznach schickte uns eine Kopie seines Schreibens an den Vorsitzenden der SED-PDS zur "Kenntnis und evtl. Verwendung", was wir hiermit gerne tun.
Sehr geehrter Herr Gysi!
Heute habe ich in den Nachrichten gehört, daß Sie zum ersten Vorsitzenden der SED gewählt wurden, meinen Glückwunsch.
Ferner habe ich heute auf der ersten Seite des Öffentliehen Anzeigers Bad Kreuznach Nr. 285 vom 9./10. Dez. 1989 gelesen, Sie hätten gesagt, die DDR könnte viel von der BRD lernen. Ob dies so stimmt weiß ich nicht, denn stand ja in einer BRD Zeitung. Sollten Sie dieser Ansicht sein, so frage ich: Was denn die DDR von der BRD lernen könnte.
Etwa wie man mit Hilfe von freien Wahlen und Parlament die Wähler entmündigt, sie jeder politischen Einflußnahme beraubt und das dann Demokratie nennt.
Oder wie man Verhältnisse schafft, die es einer kleinen Minderheit ermöglicht, sich an der Mehrheit, ganz legal maßlos zu bereichern. Gleichzeitig dieser Mehrheit jede Möglichkeit nimmt dagegen etwas zu unternehmen, ja es fertig bringt, daß diese Mehrheit das noch als die beste aller Möglichkeiten fast kritiklos hinnimmt.
Oder wie man den widerlichen Nationalismus über 40 Jahre am Leben hält, der noch heute die Grenzen von 1937 fordert, der die Kriegsschuld leugnet und den Krieg jetzt noch gewinnen will.
Oder wie über eine Konsumgesellschaft eine maßlose Verschwendung organisiert wird. Oder wie man Arbeitslose, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Bettler usw. schafft.
Oder wie man sich mit an erster Stelle an der Ausplünderung der sogenannten unterentwickelten Völker beteiligt und das Entwicklungshilfe nennt.
Oder wie man die militärische und wirtschaftliche Macht zur Erpressung schwächerer benutzt. Sollte die DDR dies lernen wollen von der BRD und noch viele solcher Dinge, so ist keine Lehre erforderlich, sondern es ist nur zu kopieren, soll es noch schneller gehen, so braucht sich die DDR nur bedingungslos der BRD auszuliefern und sich an dieser Gaunerei zu beteiligen, dann können sehr viele DDR Bürger die Segnungen der stinknormalen Marktwirtschaft (früher nannte man das Kapitalismus) erleben.
Viele Grüße, W. A.
PS.: Ich bin 70 Jahre alt, nie Mitglied einer Partei gewesen, seit 1967 jedes Jahr die DDR besucht, nie arbeitslos noch obdachlos, immer zu den Spitzenlöhnern gezählt, besitze ein Eigenheim mit Schwimmbad, Auto und viele andere, meist unnötige Dinge.