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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1989 erschienen.

Systematik

Korrespondenz
WAS DEM REALEN SOZIALISMUS ABGEHT: "SOLIDARISCHES GEFÜHL, ZUNEIGUNG, GEMEINSCHAFTSGEIST, LEIDENSCHAFT, LIEBE"...

(Früher) mißbilligtet Ihr noch die Verarmung der Arbeitenden in Ostblockländern zum Zwecke der leichteren Schuldentilgung. Neuerdings findet Ihr das im Falle Rumäniens ("Das rumänische Systematisierungsprogramm: Modernisierung - ein neuzeitliches Verbrechen", MSZ Nr. 1/89 und "Rumänien: Schuldenrückzahlung um jeden Preis", MSZ Nr. 1/88) eigentlich ganz vernünftig. Mir stößt auf: Die Hebelwirtschaft soll es also einfach immer nur sein, die den Leuten im Ostblock schadet. Die Partei führe begriffslose Moralkampagnen, die (jedoch) keinen Nutzen hätten. Als ob die Motivierung zur effektiven Arbeit fürs Gesamtwohl nicht immer eine Überwindung des krämerischen Eigennutzes voraussetze, d.h. solidarisches Gefühl, Zuneigung, Gemeinschaftsgeist, Leidenschaft und Liebe. Es genügt eben nicht zu wissen, daß es allen besser geht, wenn alle effektiv arbeiten, weil der materielle eigene Nutzen todsicher besser gewährleistet ist, wenn ich für mich da gewisse Ausnahmen zu meinem höchstpersönlichen Vorteil mache. Die argumentative Agitation, die Ihr die KPs dort lieber betreiben sehen würdet, würde das Plumpe der bekannten Parolenkampagnen dort nur etwas vernünftelnd auftoupieren und würde die Leute dort genauso kalt lassen wie alle bisher gewohnte Agitation.

Ich frage Euch, wie Ihr glaubt, daß der Privategoismus der Leute in sozialistischen Ländern wirksam beseitigt/überwunden werden kann; wie also aus einem dummen Materialismus ein gescheiter werden soll, wenn doch dem einzelnen bei seiner privaten Vorteilsberechnung immer vor Augen steht, daß sein dummer Materialismus für ihn selber gar nicht so verkehrt ist.

Die Gleichung

richtiger Materialismus = gescheit

falscher Materialismus = dumm

ist ja nur gesamtgesellschaftlich betrachtet richtig. "Aber da die Gesellschaft und ich zweierlei sind - was geht's mich also an", so wird gedacht.

Es ist ja auch gar nicht mal viel Moral, was die KPs den Leuten nahebringen: Moral wäre ein Aufruf, wenn seine Befolgung für die Leute Schaden bringen würde. Nun ist es ja gar nicht so, daß die KPs dort die Leute vernutzen wollen. Das ist nicht Zweck und Ziel ihrer Politik. Das Vernutzen fängt aber da an, wo ich über meine Arbeit nicht mehr bestimme, wo über sie und ihr Produkt von anderer Seite her verfügt wird. Und genau das ist der Fall in diesen Ländern, wo eine Minderheit von Kommunisten die Macht über die Mehrheit privatistisch Denkender ausübt - und zu aller Nutzen auszuüben versucht.

Es ist nicht möglich, das Geld abzuschaffen, wenn dabei nicht die meisten aus freien Stücken mitmachen. Und das Geld durch die Waffen ("Militarisierung der Arbeit" unter der Ägide bsp. weiland von Lenin Stalin Trotzki) zu ersetzen, bringt's ja auch nicht. Für Marx war's einfacher, denn da winkte das Glück als Springquellen allen Reichtums, die alsbald lustig sprudelnd fließen, und alle Kleinlichkeit fällt von den Leuten ab. Aber Marx, Mann Gottes, die menschlichen Bedürfnisse sind gebunden an die menschliche Produktion - sie lassen sich nicht auf natürliche Grundbedürfnisse reduzieren -, das weißt Du doch eigentlich selbst.

Es hilft also kein Weltgeist Superstar in Gestalt schnurrender materieller Produktion zu Bewußtseinsbeförderung der positivistisch eingestellten sozialistischen Massenmenschen, weil: Gründe für private Vorteilssuche bieten die Wünsche immer genug.

Wie will eine kommunistische Bewegung da überhaupt noch weitermachen, ohne über Leidenschaft, Liebe und die Psychologie des eigenen Engagements nachzudenken?! Das frage ich.

J.B., Baden-Baden

...UND WIE MAN DARAUF KOMMT

Da hast Du schon ziemlich über die Rumänien-Artikel in der MSZ hinweggelesen, daß Du zu der Ansicht kommst, wir würden die "Verarmung der Arbeitenden im Ostblock im Falle Rumäniens eigentlich ganz vernünftig" finden. Schließlich erklärt besagter Artikel in aller gebotenen Ausführlichkeit, daß und warum die regierende Kommunistische Partei Rumäniens mit ihrer Industrialisierungspolitik und ihrer "Agrarrevolution" ihr Land in eine beschissene Situation hineinmanövriert hat, einschließlich der Lage der Arbeiter und Bauern. Weil es ihr auf eine Stärkung der Nation ankam, hat sie die Industrialisierung forciert gegenüber und zu Lasten der Landwirtschaft, die als "rückständiger" Bereich jahrzehntelang vor sich hinwerkeln durfte. Was die Partei inzwischen so sehr stört, daß sie sich ihr im Westen verpöntes dörfliches "Systematisierungsprogramm" hat einfallen lassen. Und daß es Rumänien mit seiner Schuldenbedienung (und dem komplementären, devisenträchtigen Entzug von Agrarprodukten für die eigene Bevölkerung) darauf abgesehen hat, sich einigermaßen schuldenfrei vom Imperialismus zu machen, ist auch nicht gerade als Kompliment hingeschrieben worden, sondern als Hinweis dafür, daß hier ein realsozialistischer Staat zumindest einmal einen Fehler revidiert hat. Man muß ja nicht die der westlichen Öffentlichkeit so geläufige Heuchelei mitmachen: Daß sich weltweit Staaten wegen dem Abstottern der fälligen Schuldzinsen interne Verarmungsprogramme einfallen lassen, regt einen demokratischen Journalisten nie sonderlich auf, solange sie irgendwie zur westlichen Wertegemeinschaft gehören; ganz eifernd wird er allerdings dann, wenn ein Staat aus dem Osten versucht, sich die einmal eingegangene Abhängigkeit von westlichen Gläubigerländern durch eine Schuldenrückzahlung vom Hals zu schaffen. Was im übrigen die Sache mit dem "dummen Materialismus" in den Ostblockländern angeht, haben wir schwer den Eindruck, daß es sich da vor allem um Dein Problem handelt. Mit der "einfachen" Erklärung der Hebelwirtschaft und der vom revisionistischen Staat ins Leben gerufenen Moralkampagnen zum besseren Mitmachen der Leute (er geht eben davon aus, daß es mit der proklamierten Einheit von Staat und Volk nicht so weit her ist) willst Du Dich nicht begnügen: Während uns beileibe nicht eingefallen ist, der KPdSU eine Perfektionierung der Aufmöbelungstouren und der materiellen und ideellen Anreize durch "argumentative Agitation" anzuempfehlen und den Arbeiter- und Bauernstaat ansonsten zu lassen, wie er ist, fällt Dir ausgerechnet ein Haupt- und Generalmangel am Realen Sozialismus ein - der "dumme Materialismus" der Bürger Abteilung Ost. Wir nehmen zur Kenntnis, daß Du im Unterschied zu uns drüben Materialismus entdeckt hast. Und zwar deswegen, weil du ihn für eine menschliche Natureigenschaft hältst. Mit dem erzbürgerlichen Gedanken, daß sich ein sozialistischer Plan mit dieser Natureigenschaft sowieso nie verträgt, erteilst Du dann einen Rat: Ausgerechnet durch psychologisches Eingehen auf den "Egoismus" sollen die guten Leute zufrieden gestellt werden. Das gibt es freilich längst schon bei uns. Und einen Sozialismus braucht es dafür tatsächlich nicht. Damit Du's verstehst: Ob man die Menschen verändern soll oder kann, ist zwar eine beliebte Frage; sie kommt aber im wissenschaftlichen Sozialismus nicht vor und hat mit der Veränderung einer Produktionsweise nichts zu tun.

Mal abgesehen davon, daß das "Plumpe" der "bekannten Moralkampagnen" im Realen Sozialismus gerade darin besteht, daß sie beständig an so Sachen wie Solidarität, Kollektivgeist, Liebe zum Vaterland oder zur georgischen (ukrainischen usw.) Nation appellieren und darin den Sowjetmenschen so belassen, wie er nun mal ist und wie ihn sein Staat für die gemeinsamen Ziele, die seine Untertanen auch wollen sollen, einzuspannen gedenkt; abgesehen auch von der spiegelbildlichen Bereitschaft der Leute drüben, diese staatsbürgerliche Moral zu ihrer eigenen zu machen und laufend menschliche Versager, korrupte Betriebsführer usw. zu entdecken, die sich durch mangelnde Selbstlosigkeit am Ideal der einheitlichen Interessen versündigen; abgesehen davon fällt schon auf, daß Du hier tief in die Klamottenkiste bürgerlichen Gedankengutes gegriffen hast. Wo das anständige bürgerliche Menschenbild darin besteht, dem Kommunismus sein ewiges Scheitern zu attestieren, weil er sich an der Menschennatur mit ihrem berechtigten "Privategoismus" vergreift, drehst Du die Angelegenheit einfach um und wirfst den realsozialistischen Staaten ihre Kapitulation vor der "privaten Vorteilsrechnung" vor. Und Deine Alternative: Etwas mehr aus sich herausholen, "Kleinlichkeit" und "krämerischen Eigennutzen" hinter sich lassen, kurz: den wahren Menschen aus sich herauszaubern, und schon ist der echte Kommunismus da...

Daß Kommunismus mal etwas mit Abschaffung von Klassen, Kapital und bürgerlichem Staat zu tun hatte, ist bei diesem Menschheitsbeglückungsprogramm so ziemlich in den Hintergrund getreten. Aber nicht nur das: Mit Deinem idealen Maßstab von Selbstempfindung und -verwirklichung, an dem sich die realen Verhältnisse in Ost und West (zumindest in seligen Spontizeiten) blamieren sollen, reihst Du Dich in das allgemeine westliche Ratschlagswesen ein, wie sich die Sowjetunion endlich ganz aufgeben soll. Da die Russen zur Zeit jeglichen ideologischen Schmarrn aus dem Westen übernehmen, kannst Du Dir mit Deiner "Psychologie des eigenen Engagements" durchaus gewisse Chancen ausrechnen. Bloß: Mehr als daß man sich seine eigene schlechte Meinung über seelenlose Bürokraten und kalte Apparatschiks bestätigt, kommt beim Anlegen dieses Maßstabs nicht heraus. Daß eine "Minderheit von Kommunisten" die Mehrheit unterdrückt und sie so am Ausleben ihrer wirklichen Wünsche hindert, ist Dir ja eh schon geläufig. Die kleine Umständlichkeit in Deinem Gedanken - sie üben die Macht "zu aller Nutzen" aus - könnte Dich allerdings wieder daran erinnern, daß es sich im Realen Sozialismus doch anders verhält: Immerhin hat hier eine Partei das Sagen (und das hat sich auch unter Gorbatschow noch nicht geändert), die davon ausgeht, daß ihre Herrschaft zum Wohl aller sei. Dafür agitiert sie ihre Massen und inszeniert zwecks größerer Glaubwürdigkeit des Staates sogar jede Menge Glasnost und Perestroika.

Wer jedoch immer nur seine höchstpersönlichen Vergleichsmaßstäbe anlegt, der ist von einer Kritik und dem Willen, das Kritisierte aus der Welt zu schaffen, einige Lichtjahre entfernt. Deshalb zu guter Letzt ein Ratschlag: Nicht so tun, als seien da noch irgendwelche "Fragen" offen, wo du doch selber lauter Antworten und ein hübsches, hermetisches Welt- und Menschenbild parat hast. Wer sich mit dem Zusammenhang von "Leidenschaft, Liebe" und Kommunismus befassen will, der kann sich den Umweg über Rumänien gleich sparen.

MSZ-Redaktion

"DAS VERÄNDERTE KLIMA IN DIE ERKLÄRUNG

DER KATASTROPHEN MITEINBEZIEHEN"

An eurem Artikel "Ozonloch u.ä.: Fiction als Science" in MSZ Nr. 10/1988 habe ich einiges zu kritisieren.

Gleich zu Anfang finde ich es nicht richtig, daß ihr zwei Sachen gegeneinander ausspielt: Auch die Ökologen o.ä. reden von Dürre- und Überschwemmungskatastrophen, bei ihnen fängt die "Katastrophe" nicht erst an, wenn das Klima von Menschenhand beeinflußt wird. Sie geben zwar falsche Gründe an, wie es im Abschnitt "Wüsten" richtig steht (z.B. Überweidung, "der" Mensch, Überbevölkerung).

Diese falschen Argumente sollte man ihnen natürlich auch vorhalten, aber doch nicht, daß sie das veränderte Klima in die Erklärung der Katastrophen miteinbeziehen.

Es ist doch wohl ein Fakt, daß der kapitalistische Raubbau an den Böden Afrikas diese verwüstet, und o auch das Klima beeinflußt wird (kein Regen bzw. Erosion durch zuviel Regen), worunter die Afrikaner dann noch zusätzlich leiden, (also unter kapitalistisch produzierter Dürre bzw. Überschwemmung).

Frage: Findet ihr es "nur" kritikabel, daß die Klimaveränderungen von den Herrschenden der sog. Drittweltstaaten ignoriert werden und es ihnen egal ist, daß Hunderttausende verhungern oder ersaufen, daß also die Konsequenz staatsmännisch-brutal ist, oder meint ihr, daß diese Katastrophen n sich schon kapitalistisch produziert sind?

Außerdem solltet ihr euch auch noch bei zwei anderen Sachen entscheiden: Entweder das Problem "Ozonloch" und Klimaverschiebung ist lächerlich und unwichtig, so habe ich es jedenfalls verstanden, es gäbe Wichtigeres, oder ihr haltet daran fest, daß die Ruinierung unserer Lebensbedingungen (z.B. Lösungsmittel mit halogenierten Kohlenstoffen, Flugverkehr, Art und Weise der McDonaldschen "Lebensmittelversorgung") dadurch beendet wird, daß man den Kapitalismus abschafft.

Ihr sagt zwar auch, daß die ökonomischen Gründe keinen interessieren, aber dann ist doch das das Argument. Nämlich, daß die Wissenschaftler bei der Besprechung der Sachlage falsch und interessiert argumentieren, (z.B. "überflüssige" Methanproduzierung könnte weg im Gegensatz zur "notwendigen", oder "der" Mensch sei schuld, wie ihr es in Punkt "Gegenmaßnahmen" erklärt), und nicht, daß alles - überspitzt gesagt - halb so schlimm sei.

Ich würde jedenfalls immer noch einen Ökofreak zum Thema Ozonloch und andere Naturkatastrophen damit zu agitieren versuchen, daß ich ihm sage:

a) nicht "menschliche" Dummheit, sondern kapitalistische Geschäftspraxis, die rücksichtslos gegen ihr Menschenmaterial handelt, ist der Grund für sowas, weswegen auch

b) die politischen Reaktionen auf solche kapitalistisch produzierten Ereignisse nicht der Unfähigkeit der Politiker geschuldet sind, sondern einer selbstverständlichen und gewollten Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Tod der jeweiligen Untertanen entspringen.

Blöd finde ich es, das Thema 'abzuwiegeln' mit dem Argument: Wo ist hier überhaupt das Problem, es gibt Wichtigeres, das Wetter ist doch bloß eine Laune der Natur.

S., Marburg

ALLE REDEN VOM WETTER, WIR NICHT

Ausgerechnet einem "Ökofreak" möchtest Du damit kommen, daß Du seinen Sorgen recht gibst und ihm eine andere Interpretation anbietest. Bloß hat der gar keinen Befund vorgetragen, der noch offen wäre für eine richtige Erklärung. Er hat ein Sittenbild über die Zukunft des Planeten vorgelegt - wenn sich die Welt nicht ändert. Das hält er zwar für einen sachlichen Befund; was einen Ökofreak aber wirklich umtreibt, ist seine Deutung der Weltlage, die auf einen moralischen Schuldspruch über die Schlechtigkeit der Welt hinaus will. Damit ist ihm schon alles klar; und deswegen gefällt ihm auch der Totalhammer so sehr, der Mensch greife störend in den Globalhaushalt unseres Raumschiffs ein... Mit Deinem Urteil über den Kapitalismus triffst Du bei solchen Freunden des weltweiten Gleichgewichts einerseits sogar auf offene Ohren: Daß der Profit den Menschen dazu verführt, sich gegen den Naturhaushalt zu vergehen, ist bei ihnen ein beliebter Gedanke. Aber da steht Profit eben bloß für eine verwerfliche menschliche Schwäche. Deswegen kennen solche Kritiker auch mindestens siebzehn weitere "Bestimmungsgründe menschlichen Handelns", die von Egoismus über Gewohnheit bis Unvernunft reichen. Irgendwo dazwischen kommt auch das übermäßige Gewinnstreben vor. Insofern wollen diese Leute die Sache mit der kapitalistischen Kostenrechnung immer schon kennen und längst abgehakt haben.

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Daß alle Welt so aufgeregt die Klimafrage ventiliert, ist uns verdächtig. Darum haben wir Wert auf die Feststellung gelegt, was sie denn eigentlich genau sagen: die Wissenschaftler, die die Politiker warnen wollen; die Ökologen, die Entwicklungsmodelle für die "Dritte Welt" vorlegen; und die Politiker, die sich der Sprühdosen annehmen. Angesichts der Katastrophenprophezeiung sieht natürlich schon die bloße Überprüfung der wirklichen Befunde, und die Frage nach dem Interesse an solcher Aufwiegelei wie "Abwiegelei" aus. Aber Aufregung ist nun einmal keine Kritik. Und den Katastrophengedanken, der sich da naturwissenschaftlicher Argumente bedient, halten wir für rundherum falsch und antikritisch.

Daß die Schäden immer größer sein müssen, als sie tatsächlich sind, damit man etwas dagegen haben kann, ist kein Ausweis für bessere Einsicht, eher für eine ziemlich konservative Einstellung, die am liebsten alles so erhalten möchte, wie es ist. Die Logik des Weltuntergangsgedankens geht nämlich so: Wer seine Unzufriedenheit nicht auf die "drohende Katastrophe" richtet, die angeblich unterschiedslos "uns allen" droht und von uns allen "gemeinsam" verhindert werden muß, hat nicht den rechten Gemeinschaftsgeist. Wer das gegenwärtige Elend für schlimm genug hält, um die Betroffenen gegen das herrschende Gemeinwohl aufzuwiegeln, der streitet ab, daß es erst in Zukunft wirklich ganz schlimm kommt, und sägt mit an dem Ast, auf dem 'wir' alle sitzen. Und wenn beim Ozonloch die Menschheit auf dem Spiel steht, darf man sich erst gar nicht danach erkundigen, was die Wissenschaft vom Wetter mitteilt.

In den Argumenten, die wir zum Thema so vorgefunden haben, sind wenig Beiträge zu der Frage zu entdecken, was auf einem kapitalistisch zugerichteten Globus den Leuten das Leben schwer macht. Statt dessen geht es immerzu um eine Fragestellung eigener Art, die schon alle Antworten enthält: Wie können "wir" dem Raubbau an "unserem" Planeten Einhalt gebieten: Über die ordinären Wahrheiten der Politökonomie sind ökologische Entwicklungsspezialisten erhaben.

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Der Handlungsbedarf, der in Sachen Treibhauseffekt angemahnt wird, ist so "unalternativ" und linientreu wie nur irgendetwas. Die Mahnung richtet sich von Haus aus an die politische Gewalt des Staates, und ist bei der sicher aufgehoben. Neulich war eine Ozonkonferenz in London. Die gesamte Öffentlichkeit war überrascht, wie entschieden Frau Thatcher für den Schutz unserer Ozonschicht eingetreten ist. Auch gegen den bundesdeutschen Umweltminister will so recht niemand etwas einwenden, wenn er sich gleich um den ganzen Globus kümmert. Liebend gern hat sich hier die Politik der Forderung nach weltweiter Verantwortung angenommen - weil es nämlich ihre ureigenste Forderung ist.

Wer, wenn nicht imperialistische Staaten, ist dazu berufen, "globale Verantwortung" durchzusetzen: In Brasilien steht "unser" Regenwald, der als grüne Lunge der Welt naturschutzbedürftig ist; denn erstens wird er gerade nach den Geschäftsprinzipien des Westens abgeholzt, und zweitens brauchen wir unsere Taxöldener Forste als Industriestandorte. Bei der Frage nach Möglichkeiten zum Schutz der Atmosphäre ist man zu weiteren konkreten Lösungen gekommen: Es ist untragbar, daß China demnächst Kühlschränke für alle Chinesen baut, und in diese Geräte das Kühlmittel füllt, das hierzulande seit jeher benutzt wird und bei unsachgemäßer Entsorgung als FCKWs die Stratosphäre bevölkert. Nun wollen die Chinesen es zwar gerade in ihre Kühlschränke einfüllen, aber für den Antrag langt es immerhin, sie sollten sich der "fortgeschrittenen Technologie" der nächsten Generation bedienen, über die zufälligerweise die Kapitalnationen verfügen, auch wenn man nicht weiß, inwiefern sich die Chlor- und Bromatome aus diesen "nicht vollhalogenierten" Verbindungen in der Atmosphäre anders verhalten sollten als die gleichen Atome aus den "vollhalogenierten". Schutz der Ozonschicht ist hier ein Titel für die imperialistische Beuormundung anderer Staaten geworden.

Daß inzwischen alles, was auf der Welt angestellt wird, nun auch noch im Namen des Klimas geschieht, halten wir für keinen Fortschritt des Bewußtseins.

MSZ-Redaktion