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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1989 erschienen.

Systematik


AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT

1. Ein Staatsprogramm und kein Staatsauftrag

Wenigstens soweit man davon absieht, daß der moderne Staat manchen Nationen seine Feindschaft anträgt und über deren Bevölkerung ein Feindbild in Umlauf setzt. In diesen Fällen ist Ausländerfeindschaft Staatsauftrag, sonst nicht. Der moderne Staat ist nämlich ein praktizierender Kosmopolit, Ausländer gelten ihm als Manövriermasse der eigenen, sowie der in seiner Gesellschaft gültigen privaten Interessen. Er befindet darüber, in welcher Weise und in welchem Umfang Angehörige anderer Nationen im eigenen Herrschaftsbereich ihren Interessen nachgehen dürfen. Beschränkt ist diese Freiheit einmal durch die Herkunftsstaaten der Ausländer, die ihre Bürger als natürliche Staatsgrundlage betrachten, sie nicht, nicht gerne oder nicht ohne weiteres abziehen lassen und in Verträgen mit dem Gastland ihren Vorteil aus dem Menschenexport suchen. (Militärdienst, Devisenüberweisungen und Rentenzahlungen werden zwischen den beteiligten Staaten geregelt.) Zum anderen findet diese Freiheit ihre Grenzen an der Bedingung eines besonderen Interesses, das am Aufenthalt Fremder von seiten der Gastnation bestehen muß. Im Ausländerrecht unterscheidet der Staat zwischen Inländern und Ausländern: die ersteren sind per Geburt und staatlicher Eingemeindung unmittelbar seine Volkssubstanz; sie gehören unbedingt hierher und können jenseits aller Konjunkturen von Arbeitsmarkt und Bundeswehr gar nicht zahlreich genug sein An Ausländern, die wegen ihrer anderen nationalen (Zu-ge-)Hörigkeit nicht vollständig und bedingungslos zur Verfügung stehen, besteht, wenn überhaupt, ein bedingtes Interesse, welches dieselben dadurch zu spüren bekommen, daß für sie schlechterdings alles zur Frage einer Extra- Genehmigung wird, die sie erhalten oder auch vorenthalten bekommen können: Leben und Wohnen, Arbeiten, Verdienen, Studieren, Bewegungsfreiheit und politische Betätigung - alles genehmigt die Ausländerbehörde gemäß "den Belangen der Bundesrepublik Deutschland".

2. Ein nationales Volksbedürfnis

Wo sich ein Staat zu solchen Genehmigungen herbeiläßt, kommt der Inländer mit Ausländern in Berührung. Die unterscheidet sich in nichts von dem Hin und Her zwischen Konkurrenz und Mitmenschlichkeit, das Inländer untereinander pflegen, die Rechte und Pflichten schon mit Geburtsurkunde und Paß zugeteilt bekommen haben.

Wenn die Inländer jedoch aus der passiven Stellung - aus dem Stempel eben, der sie für die Nation ihrer Geburt mit Beschlag belegt eine aktive Einstellung zu verfertigen belieben, wird der Unterschied zum Ausländer enorm und zum Gegensatz. Diese Umdeutung kriegen moderne Staatsbürger schier ausnahmslos hin: Wer gewohnt ist, seinen Staat als die positive Bedingung seines Fortkommens zu nehmen, wer ausgerechnet bei der öffentlichen Gewalt das Negative und Beschränkende dieser "Chance " ignoriert, hat die Umkehrung schon geschafft. Sie ist die Elementarform des falschen Bewußtseins und die pure Idee der Freiheit der Regierten: Daß sie von der politischen Herrschaft als lebendiges Nationalinventar requiriert werden, deuten sie dahingehend, daß dies auf Gegenseitigkeit beruhe und der Staat deshalb der ihre sei. Daß sie der Nation unbedingt angehören, soll dasselbe sein wie, daß die Nation für sie eingerichtet ist. Wer so aus Diensten, die er leistet, Rechte ableiten möchte, die ihm zustehen, anstatt den Rechten zu entnehmen, daß sie die eigenen Dienste definieren, der hat sich ein eigentümliches "Do ut des" einleuchten lassen. So einer will nicht einfach dienen, sondern auch verdienen; aber er gibt jeweils, was verlangt ist und das Gemeinwesen, von dem er zu leben meint, braucht. Er verlangt, was "drin" ist - je nach den Zeitläufen und danach, was von oben als realistisch angesehen wird. Nur noch negativ kann so ein braver Nationalist die absurde Gleichung festhalten, derzufolge sich die Bereitschaft, den Gemeinnutz vor den Eigennutz zu setzen, schließlich doch auch vom Standpunkt des eigenen Nutzens aus lohnt: Wie immer die Inländer lebensstandardmäßig dastehen, wie immer sie gerade vom Staat behandelt werden - daß dies ein Dienst an ihnen und ein Vorrecht ist, erkennen sie daran, daß diese Vorzugsbehandlung Ausländern nicht zusteht.

3. Domestizierung I: Vom Staat angeregt und bedient.

Zwar nicht das ausländerfeindliche Resultat, wohl aber das Verfahren, das dazu führt, sollizitiert und billigt die Politik. Und zwar mit jeder Verlautbarung zu jedem Thema. Daß die Renten im Interesse der Rentner und Beitragszahler gekürzt, befristete Arbeitsverträge im Interese der Arbeitslosen erlaubt werden usf., daß kurz alles, was gegen die Interessen der zahlreichen Nonmalbürger durchgesetzt wird, für deren Interessen geschieht, ist ebenfalls die Normalform der politischen Bildung, die von oben betrieben wird. In der Ausländerfrage verhält sich das nicht anders: Zwar haben die Bonner Entscheidungen über den Umgang mit Ausländern nichts mit den privaten Interessen der deutschen Untertanen zu tun, aber so dargestellt wollen sie schon sein. Seit den ersten Gastarbeitern 1955 tritt die Bundesregierung dem ihr vertrauten Mißtrauen gegenüber Ausländern mit einem Argument entgegen, das das Recht guter Deutscher auf einen Unterschied zum Ausländer schwer respektiert und ihn als den Herrn im Haus sowie den Profiteur der Arbeitsimmigration anspricht: Gastarbeiter nützen uns! Eine wachsende und vollbeschäftigte deutsche Wirtschaft braucht sie, sie mehren unsern Wohlstand und machen unsern Dreck weg, wozu sich der Deutsche längst u schade ist! Dafür dürfen sie hier leben, ihre Duldung ist der fällige Lohn für ihre Dienste. Auf diese Weise ist den lieben Bürgern Toleranz abgehandelt worden, als es um die Benützung internationaler Reservearmeen ging. Aber auch etwas anderes ist passiert: Ein Prüfverfahren ist zur geltenden Ideologie erhoben worden, die Deutschen wurden zu ideellen Warentester in Sachen Ausländer ernannt. So sehr demokratische Politiker das Selbstbewußtsein von Nationalisten schätzen, die Ausländer kritisch beäugen und damit ihre Zugehörigkeit zur Nation wie ein Lebensmittel akzeptieren, also auf die passivste aller sozialen Eigenschaften stolz sind, so sicher war die Retourkutsche dieses Volkserziehungswerks.

4. Mißtrauen - aus Glauben an Politikerlügen

Das kleine Zerwürfnis zwischen der rechten Regierung und ihren braven Nationalisten, das sich jetzt in den falschen Wahlstimmen niederschlägt, kam nicht dadurch zustande, daß man der Bonner Mannschaft ihre Lügen nicht abgenommen hätte, von wegen: Ausländer rein zwecks Wohlstandsmehrung der Einheimischen. Im Gegenteil, die Lügen wurden geglaubt und an ihnen wurde die Politik gemessen: Die herrschenden Inter-Nationalisten hatten Tauglichkeitskriterien für Ausländer vertreten, und sie selbst haben sie später als nicht mehr gültig ausgegeben: Bei hoher Arbeitslosigkeit verdienen die Gastarbeiter die Rechte nicht mehr, die sie in Anspruch nehmen. Jedenfalls nicht so viele von ihnen, und nicht alle Rechte, bei der Familienzusammenführung etc. So konnten sich die Herren Politiker immer mit einer Ausländerfeindlichkeit "konfrontiert" sehen, die sie ernstnehmen mußten, schon "m der Ausländerfeindlichkeit vorzubeugen". Auf Volkes Stimme konnten sie sich stets berufen, wenn sie ihre konjunkturgemäßen Änderungen am Ausländerrecht vornehmen wollten; aber doch ihre Änderungen! Das"Volk" meinte es aber ein wenig anders. Es wollte genau seinen, den ideologisch gelernten Maßstab angewandt sehen. Den aber hat die Regierung gründlich abgewiesen, was Enttäuschung stiftet unter braven Wählern.,

5. Ausländerpolitik - für Nationalisten unbegreiflich

Erstens ist von einem Vorgehen gegen die Gastarbeiter hinten und vorn nichts zu sehen. Der schon ältere Anwerbestop, aber auch die kleinlichen Regelungen bei dem Familiennachzug und sogar die einige Jahre gewährten Rückzugsprämien haben gar nicht auf eine deutliche Absenkung der Zahlen der Gastarbeiter gezielt. Kleinere Nachteile hier, kleinste Vorteile bei der Rückkehr ins Heimatland waren mehr ein Signal an Einheimische und Fremde, wie die Nation den Bedarf jetzt abschätzt, als daß sie einen Zwang zum Rückwandern der Gastarbeiter hätten darstellen sollen. Für eine Weltwirtschaftsmacht ist eben eine gewisse überzählige und unbeschäftigte Arbeitsbevölkerung keineswegs ein Problem und Schaden, sondern eine Produktionsbedingung des Standorts BRD, dessen Arbeitsmarkt so für alle denkbaren konjunkturellen und Wachstumsbedürfnisse gerüstet ist. Diese Rechnungsart versteht ein treuer CDU-Wähler natürlich nie und nimmer: Aber das macht erst einmal nichts. Er hat gelernt, daß die Nation seine Lebensgrundlage ist, der er dient, damit sie ihm je nachdem, was die Zeiten zulassen, ein Leben ermöglicht. Wenn es dem demokratischen Staat, der jedem die Freiheit garantiert, sein Glück zu machen, praktisch nichts ausmacht, wenn Millionen Erwerbsloser das Resultat sind? Dann wird es wohl anders nicht gehen. Allerdings gibt es die anderen, gegen deren Anwesenheit die staatliche Gewalt doch durchaus einiges ausrichten könnte. Wie soll ein Patriot verstehen, daß die Rechtsordnung, die das kapitalistische Wirtschaftsleben behütet, stur und schematisch nach gesellschaftlichen Klassen unterscheidet und eben nicht - zumindest gar nicht automatisch nach der Nationalität? Daß nicht nur Unternehmer praktizierende Kosmopoliten sind, sondern auch die staatliche Arbeitsverwaltung ihn nichts von einer Vorzugsbehandlung spüren läßt? Da ist nun der völkische Untertan stolz auf die Einbildung, daß es um ihn geht - und plötzlich merkt er am Umgang mit den überflüssigen Ausländern, wie ihn sein Staat pflegt, daß da ganz andere Kalkulationen gelten, z.B. Rücksichten auf die Herkunftsländer, denen die BRD ja nicht gleich den Krieg erklären, sondern die sie weiterhin gedeihlich nutzen will.

Zweitens gibt es eine Abteilung Ausländer, wo alle Tests auf die Brauchbarkeit, die recht und schlecht akzeptiert wurden, gründlich gegen die Probanden ausschlagen. Die Asylanten sumpfen zwar nur in Lagern herum, kriegen nichts - aber sie sind a. Sie klauen keine Arbeitsplätze, des Deutschen höchstes Gut, denn sie haben Arbeitsverbot. Das entschuldigt sie freilich überhaupt nicht, sondern macht die Sache um so schlimmer, denn nun liegen sie unserm Staat auf der Tasche, was die Regierung ja selbst und höchstoffiziell für übertrieben hält. Schwer umständlich aber geraten die Maßnahmen, die verhindern, daß sie sich hier herumtreiben.

Am Thema Asyl und Asylanten kann niemand einen eigenen, nationalen oder sonst einen Nutzen entdecken. Auch von oben gab's dazu nur die Stichworte "Humanismus" und "Lehre aus der leidvollen Erfahrung deutscher Emigranten" zu lernen. Brave Nationalisten haben einfach keine Ahnung davon, daß das Asylrecht mit seinem Lagerleben keine Gnade gegenüber Gefolterten und Vefolgten ist, sondern den Standpunkt des freien souveränen Urteils über Rechtssystem und Rechtspraxis anderer Staaten ausdrückt. Als aufrechte Antikommunisten mögen sie bestenfalls noch Verständnis für die imperialistische Technik aufbringen, ab und an mal ein paar Dissidenten aus dem "Ostblock" aufzunehmen. Das steht der BRD gut an, sich als Schutzmacht der inneren Opposition unbeliebter Staaten aufzuspielen. Wenn allerdings über diese Technik ganze Kolonnen von Polen rüberkommen und jede Menge Opfer des Imperialismus hier ihre Überlebenschancen suchen, dann ärgert das einfache deutsche Volksgenosssen noch mehr als den Friedrich Zimmermann. Der Mißbrauch des Asylrechts liegt auf der Hand, der Innenminister selbst befindet es für reformbedürftig, zumal der im Zuge der "Vergangenheitsbewältigung" ins Grundgesetz geratene Asyl-Artikel jedem Bewerber die Prüfung seines Antrags garantiert, der es überhaupt schafft, ihn deutschen Dienststellen vorzutragen. Die Reformen richten sich also einerseits darauf, es für Unerwünschte schwerer zu machen, an deutsche Dienststellen heranzukommen: Immer weiter ausgedehnte Visumspflicht für einreisende Ausländer und Strafen für Fluglinien, die Passagiere ohne Einreiseerlaubnis auf deutsche Flughäfen befördern, tun eine gewisse Wirkung. Andererseits wird das Wirtschaftsasylantentum dadurch bekämpft, daß der Staat den Asylanten erfahrbar macht, daß sie wirklich nur dem Tod entronnen sind: Lagerleben, schlechtes und fremdartiges Essen, absolute Mittellosigkeit wirken der Propaganda vom Wohlstandsparadies entgegen, das so viele Hungerleider anlockt. So dämmt Bonn "die Flut" etwas ein, ohne das Asylrecht endlich ganz abzuschaffen; wegen fortschreitend schlimmerer Zustände im imperialistischen Hinterland - Krieg und Hungerkatastrophen hören nicht auf - wächst die Zahl der Flüchtlinge im nächsten Jahr dann wieder; Zimmermanns Experten basteln an neuen Unterscheidungstechniken zwischen den Gewollten und - immer wieder neudefinierten - Scheinasylanten, und deutsche Menschen verstehen je länger desto weniger, warum "der Staat nichts unternimmt".

Drittens sind die Aussiedler weder mit den vorgetäuschten noch mit den wirklich angewandten Tests vereinbar, wie sie die beiden ersten Abteilungen Ausländer zu spüren kriegen. Was an denen besser als an den regierungsamtlich so definierten Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlingen sein soll, ist gänzlich unersichtlich. Hier fällt die Brauchbarkeitsabwägung endgültig außerhalb des gesunden nationalen Verstandes: Da gibt es, der Staat sagt es selbst, ohnehin schon bedenklich viele Ausländer hier, und dann werden die noch mutwillig und aktiv hereingeholt; gebraucht werden die nicht, ein ökonomischer Nutzen ist nicht abzusehen, dafür sind aber die Kosten, manche werden ja sogar freigekauft, erheblich. Noch nicht einmal das Humanitäre spricht für sie, Lebensbedrohung können sie nicht vorweisen - dafür Bedrohung eines deutschen Volkstums, das an diesen Leuten unkenntlich ist; als erstes müssen die neuen Volksgenossen in Deutschkurse gesteckt werden. Das Mutwillige dieser Volkstums-Definition wird vom Bürger bemerkt, aber nicht, um auf das ostpolitische Kalkül zu schließen, das die Regierung zu dieser kleinen Völkerwanderung beflügelt hat, sondern um endgültig nicht mehr zu verstehen, wozu "wir" die herholen und ihnen auch noch Renten zahlen. "Die" haben doch im ganzen Leben keine Sozialleistung verdient.

Insgesamt hat das staatliche Bedürfnis, deutschen Interessen entsprechend einerseits wirkliche Unterschiede zwischen Ausländern zu machen und andererseits vorgeschobene, populäre dazu, erheblichen Zweifel daran geweckt, ob die Regierung überhaupt noch genügend Wert auf den Unterschied In-/Ausländer legt.

6. Fremdenhaß - Ersatz für alle sozialen Fragen

Grund des nun eingerissenen Zerwürfnisses von Regierung und Volk ist die Radikalität der ideologischen Einheit beider. Es sind die Leute, die an den Fehler von Nation fest glauben und sich nie über die fälligen Opfer beklagt haben, die jetzt auf einmal "extrem" wählen. Wegen ihres Glaubens an die Nation verstehen sie die Ausländerpolitik nicht mehr. Die Mischung von Reinholen, Reinlassen, Fernhalten und Abschieben, das Nebeneinander von staatlichem Mißtrauen gegen Ausländer, von Sonderaufsicht und Gewährenlassen ist weder faschistisch noch liberal, sondern absolut normal für einen imperialistischen und so erfolgreichen Staat, der sogar schon in Sri Lanka für seinen Reichtum bekannt ist und dort als Nische gehandelt wird. Das Blöde ist, diese Benutzung von Ausländern, ökonomisch und politisch kreuzweise, kann keinem Menschen plausibel bleiben, der die Sonderbehandlung für das einzig Senkrechte hält.

Ausgerechnet darüber werden aufrechte Deutsche jetzt an der Nation irre, d.h. an der nationalen Verantwortung der Chefs; anläßlich der vermeintlichen, höchst ungerechten Gleichbehandlung der Ausländer mit "uns" kommen ihnen Zweifel an der Vernunft der Opfer, über die man ja nie geklagt hatte. Allerdings auch nur aus diesem Anlaß: 90000 Arbeitslose stellte Schönhuber im Berliner Wahlkampf 90000 Ausländern in der Stadt gegenüber. Eine Behauptung über die Ursache der Arbeitslosigkeit hat das gar nicht sein sollen. Wenn Entlassungen sein müssen, für die Wettbewerbsfähigkeit "unserer" Wirtschaft etwa, dann müssen sie eben sein. Nur diese 90000 deutschen Arbeitslosen müßten nicht sein! Daß am Sozialen gespart werden muß, und "wir" uns eh' schon wundern, wie "wir" "uns" den Luxus mit den höchsten Löhnen noch leisten können, ist dem BILD-Leser klar, wenn seine Zeitung ihm zur Gesundheitsreform die Kosten der Asylantenverwahrung auflistet und anläßlich von verteuerten Brillengestellen die Frage aufwirft, "b a nicht n den Falschen gespart wird". Die Prüfung, ob es denn die Asylanten sind, die jetzt die Brillen teuer machen, stellt sich gar nicht, solange welche, die einfach so hierher kommen und zu gar nichts berechtigt sind, überhaupt etwas kriegen, wo "es" doch schon für die Deutschen nicht reicht, die immer ihre Pflicht getan haben. Auch die Frage, ob die lächerlichen Pfennige, mit denen Asylanten durchgefïttert werden, ihre Brillen echt billiger machen würden, bewegt Leute nicht, die ihrem sozialen Neid einen viel prinzipielleren Ausdruck verschaffen: Jedenfalls stünde das Geld für deutsche Aufgaben zur Verfügung - und wenn man auch selbst nichts davon sähe, verarschen lassen brauchen sich brave Steuerzahler von Bonn nicht: Am Sozialen sparen und trotzdem Ausländer durchfüttern, das geht nicht! So ersetzt der Ausländerhaß alle sozialen Fragen, und mit jeder Verschlechterung, mit der sich die Nation weniger als Lebensgrundlage ihrer Kinder bewährt, wird der Glaube an diese Lebensgrundlage giftiger und eifriger bei der Suche nach unberechtigten Nutznießern.

7. Domestizierung II: Nationaler Idealismus als Waffe gegen nationalen Materialismus

Das ist in Bonn einerseits nicht ungern gesehen. Der kleine Mann, der die systembedingten Härten seiner Lage bereitwillig auf die Ausländer schiebt, kommt der Regierung gerade recht. Solches Denken sichert ihre Freiheit und die Gefolgschaft der Basis, gleichgültig was ihr verordnet wird. Unrecht ist der Regierung dieses Gedankengut erst dann, wenn "Volkes Stimme" sich als Konkurrenz n der Politik geltend macht, ein Wahrmachen der ausländerfeindlichen Anschauungen einklagt und die geschlossene Stimmabgabe für die erfolgsgewohnten Parteien der Mitte zu zersplittern droht. Bis Schönhuber hatte sich - außer den historisch diskreditierten Nazis niemand dafür hergegeben, deshalb gab es das Problem für die Bonner Parteien nicht; die Bürger denken längst so.

Die Volksbildungsbemühungen, die jetzt anstehen, konzentrieren sich auf die Domestizierung des Ausländerhasses im brutalsten Sinn: Die Bürger sollen ihn ruhig bei sich zu Hause pflegen, aber nicht meinen, sie könnten sich damit in die Politik einmischen. Der Anwurf, Ausländer würden uns Arbeitsplätze, Wohnungen und Kindergeld wegnehmen wird nicht widerlegt - ein wenig müßte man da nämlich auf die Gründe der Knappheit jener beliebten Güter zu sprechen kommen - sondern argumentfrei der Inkompetenz bezichtigt: "Dumpfe Gefühle" sollen sich da aussprechen und allzu "einfache Lösungen" propagiert werden. Verstehen können die Volkserzieher solche elementaren Regungen schon, aber sie müssen sie aus der Politik heraushalten. Den Gegenangriff führen sie dann mit dem Schlagwort vom Sozialneid. Unter diesem Stichwort legen sie den braven Mitläufern sogar noch deren radikale Form von Ergebenheit an die Anliegen der Nation - eben die Sehnsucht nach national gerechter Verteilung der Opfer - als Materialismus aus und zur Last. So geben sie der ausländerfeindlichen Diagnose in der Sache sogar recht, wenn sie der Brutalität eines nationalen Materialismus mit de Aufruf zu nationalem Idealismus entgegentreten: "Wir Deutschen sind Mitglieder einer zivilisierten Nation!" Alle Werte des Humanismus werden dem Ausländerfeind als seine deutschen Natureigenschaften präsentiert, damit er zugibt, daß Türken auch Menschen sind, gegen sie der kategorische Imperativ in Anschlag zu bringen sei. Der bekommt auch prompt ein schlechtes nationales Gewissen, hat "eigentlich auch nichts gegen Ausländer", und fragt nur bescheiden oder frech an, ob und wie lange "wir" uns die, von allen so gesehene, Großzügigkeit gegen Fremde noch leisten sollen, wenn es doch schon für die Deutschen nicht reicht.

Ihre absolute Unfähigkeit und Unwilligkeit, ausländerfeindliche Standpunkte zu kritisieren, wenden die berufsmäßigen Demokraten offensiv: Sie machen ei ne nationalistische Stilfrage auf, um noch einmal den Deutschen und Verantwortungsdeppen im Ausländerfeind gegen den nationalen Materialisten zu mobilisieren: "Welche Behandlung dieser Fremden steht uns am besten zu Gesicht?"

8. Domestizierung III: Wahlkampf um die rechte Einstellung zu Ausländern

So bringt keine Partei oder Richtung etwas gegen Schönhuber zusammen außer dem Vorwurf, daß er Faschist sei, also nicht reinpaßt. Alle stellen sich dem "Ausländerproblem" und wälzen die Frage, wie "wir" mit "denen" umgehen sollen: Differenzen stellen sich ei n über Optionen bezüglich dessen, wie wir uns Deutschland am würdigsten vorstellen. Wenn dann ein munterer Parteienstreit über die Frage anhebt, durch welche symbolischen Akte und Erkennungsmarken sich das deutsche Volk am besten repräsentiert sieht, dann interessiert sich längst kein Mensch mehr für die Ausländerpolitik und ihre Varianten. Dann hat die Politik ihre Freiheit wiedergewonnen - und zwar dadurch, daß sie Wahlkampf mit dem Ausländerthema macht: Ausländerwahlrecht, in den Kommunen, wo es garantiert nichts ausmacht? Oder "Politik in erster Linie für die Deutschen"? Wer blamiert sich an dem Thema, wer lehnt sich zu weit aus dem Fenster? Wer kocht sein Süppchen darauf? Wie deckt man ab, versteht ohne zu billigen? Kurz: Wer findet die Formel, die Stimmen bringt?

"Man kann wieder wählen!" heißt ein Spruch von rechts - und von links findet er volle Zustimmung: Die Deutschen haben eine nationale Werte- und Stilfrage entdeckt, über die sie wieder Differenzen zwischen den Parteien entdecken und die Politik interessant finden können. Fast alle politischen Instanzen freuen sich über die neue "Sachfrage". Ein Erziehungsprogramm zu noch verantwortlicheren Nationalisten als politische Konkurrenz um Stimmen - das ist das letzte Ende der Ausländerfeindlichkeit. Nebenher verbrennen ein paar von den Fremden in angezündeten Wohnungen. Nicht alle Bürger verstehen eben die Demokratie.