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KREUZZUG GEGEN DAS "REICH DES BÖSEN"
Ronald Reagan hat sich bei seinem Amtsantritt 1980 einer Mission verschrieben. Mit dem ortsüblichen Getöse hat er beschlossen, Amerikas Verfall aufzuhalten. In seinen Augen hatte sein Vorgänger Carter dem nationalen Interesse der USA geschadet, ihre Macht und Herrlichkeit vergeigt. Das war die Diagnose.
Ob an der dramatischen Beschwörung eines nationalen Notstandes etwas dran war, hat niemand je nachprüfen wollen. Die Botschaft war nur allzu verständlich. Der neue Präsident war der Auffassung, daß sich die USA zuviel gefallen lassen haben. Damit sollte nun Schluß sein. Er hatte gar nicht behauptet, die Sowjetunion würde den Westen überrollen, die Bündnispartner stünden kurz vor dem NATO-Austritt und die Revolution stellte die freiheitlichen Kontinente auf den Kopf. Die Diagnose war nur eine Auskunft über die Ansprüche, die ab sofort der US-Politik als Leitfaden dienen sollten:
"Wir befinden uns jetzt in einer Lage, in der unser Hauptgegner, die SU uns in praktisch jeder Kategorie militärischer Stärke übertrifft. Ein sowjetischer Satellitenstaat operiert ungehindert 90 Meilen vor unserer Küste; unsere Botschaften sind Zielscheiben für terroristische Angriffe; unsere Diplomaten werden ermordet, und die Gefangenschaft der 50 Amerikaner in unserer Botschaft in Iran geht in den fünften Monat... Vor gar nicht langer Zeit war die Regierung (Carter) sehr stolz auf eine Resolution der Vereinten Nationen, die die Invasion Afghanistans verurteilte, und pries sie als einen Sieg, obwohl in dieser Resolution die SU nicht einmal namentlich genannt wurde.
Diese Demütigungen und Zeichen von Schwäche nehmen immer mehr zu... Wir entschuldigen uns, wir schließen Kompromisse, wir setzen uns ab und ziehen uns zurück; wir schweigen, wenn wir beleidigt werden, und wir kaufen uns los, wenn wir schikaniert werden." (Reagan 1980)
Materielle Positionen, die Amerika auf dem Globus verloren hatte, wußte der Freiheitskämpfer nicht anzuführen. Aber Verlustpunkte in Sachen nationaler Ehre waren ihm genug geläufig. Allen Ernstes definierte er jenseits jeglicher Sichtung der Mittel und Leistungen, mit denen die US-Außenpolitik aufwarten konnte, ein weltpolitisches Programm, in dem Rücksichten auf fremde Interessen keinen Platz haben. Einschränkungen amerikanischer Belange, sei es im theoretischen Vergleich des militärischen Potentials, sei es auf dem Feld diplomatischer Arrangements, werden da in den Rang des Verrats an der amerikanischen Sache insgesamt erhoben. Diese verträgt keine Kompromisse, weil wie auch immer berechnete Zugeständnisse an Gegner und Konkurrenten der USA deren Recht in Frage stellen. Für die Weltmacht Nr. 1 ist es ein Zeichen von Schwäche, wenn sie sich auf das "do ut des" im internationalen Machtkampf einläßt, statt sich durchzusetzen.
In diesem Sinne bilanzierte die Regierung Reagan die Leistungen von Carter und seiner Mannschaft. Das Ergebnis - ein Abgrund von Kleinmut und Ohnmacht, allerdings selbstverschuldet und durch die "Politik der Stärke" zu korrigieren!
- Nicht, daß die Rüstungsfortschritte der Sowjetunion die Wehrlosigkeit der USA herbeigeführt hätten, so daß die Russen den Amerikanern ihren Willen aufzwingen konnten; aber war es nicht eine Schande, einen Feind zu haben, ohne ihm entscheidend überlegen zu sein?
- Nicht, daß Cuba willens und fähig wäre, einen auch nur zehnminütigen Angriff auf die amerikanische Freiheit und ihre drei Waffengattungen zu starten; aber war es nicht ein Skandal, daß dieser SU-gesponsorte Inselstaat "90 Meilen vor unserer Küste" Bestand hatte und geduldet wurde?
- Nicht, daß sich durch die Geiselnahme in der US-Botschaft zu Teheran das Kräfteverhältnis zwischen den arabischen Staaten und den USA irgendwie verschoben hätte; doch mußte es nicht als ein Zeichen mangelhaften Sicherheitsdenkens gewertet werden, wenn die USA nichts Wirksames dagegen unternahmen? Mußte es nicht als Zeichen von Schwäche gelten, wenn die Geiseln gar losgekauft werden sollten?
- Nicht, daß die "namenlose" Verurteilung der Afghanistan-Invasion die USA gehindert hätte, die afghanische Szene tatkräftig aufzumischen; doch war es nicht ganz und gar nicht standesgemäße Unterwerfung unter die stimmberechtigten drittklassigen UNO-Staaten, wenn die USA eine solche Protestnote auch noch begrüßten?
Der Maßstab, vor dem die überhaupt nicht zurückhaltende Weltpolitik seines Vorgängers so blamabel aussieht, ist kein Geheimnis. Reagan bestand darauf, daß amerikanische Politik in all ihren Schritten und Methoden dem Ideal zu entsprechen hat: Es galt, als unbestrittene Führungsmacht der Welt aufzutreten. Solche "Besinnung auf Amerikas Größe und seine Aufgaben in der Welt" hat nicht nur manchen Weltbürger erschreckt, weil sie schlicht einen gar nicht gewaltfreien Kreuzzug auf die Tagesordnung setzte. Die braven Leute aus aller Herren Länder, die sich im Status quo der weltpolitischen Kräfteverhältnisse eingehaust hatten, womöglich glaubten, die Tendenz heiße "Frieden", durften sich ein bißchen umstellen. Nun hatten sie Sorgen um die Erhaltung des von ihnen geschätzten Zustands namens "Weltfrieden", weil sie dessen Konsequenzen erzählt bekamen. Gewisse Umstellungen kamen auch auf die politischen Mitgestalter des Weltfriedens zu. Reagan hatte schließlich auch seinen Kollegen Staatsmännern eine Botschaft zukommen lassen - auch auf den Umgang mit ihnen sollte die "Beseitigung der Führungsschwäche Amerikas" bezogen sein:
"Wir haben uns nicht danach gedrängt, die Führung der freien Welt zu übernehmen, doch ist sonst niemand da, der dazu in der Lage wäre. Und ohne unsere Führung wird es keinen Frieden in der Welt geben... Wenn wir erst wieder die Führung der freien Welt übernehmen, dann glaube ich, daß wir nicht länger allein bleiben; wir werden Unterstützung von einer großen Gemeinschaft anderer Länder und Völker erhalten, die mit uns zusammenarbeiten wollen, um ihre Freiheit zu bewahren." (Reagan 1980)
"Entspannungspolitik" ist kein amerikanisches Programm
Wenn die Weltmacht Nr. 1 Selbstkritik übt, dann ist Bescheidenheit auf keinen Fall angesagt. Daß Amerika seine Sache nicht gut gemacht hat, kann eben nur bedeuten, daß es sich energisch ans Durchgreifen macht. Dieser sich selbst erteilte Auftrag schließt auch eine kleine Wende im Verhältnis zu den befreundeten Nationen ein, die jahrelang ohne "Führung" eine ziemlich untaugliche Linie verfolgten. Dieser "Linie" gilt die Kritik einer US-Regierung, die sich wieder auf ihre Mission besinnt. Reagan gab bekannt, daß die guten Absichten eines zivilen Umgangs mit der Sowjetunion - Verträge, die die Rüstung und die Wirtschaft betrafen - gescheitert seien. "Entspannungspolitik" hielt er für eine "Illusion", weil er sie an der von ihm gewünschten Wirkung maß. Die Russen sollten doch wohl in die Schranken gewiesen werden, wurden es aber nicht - meinte der neue Präsident und schritt sogleich zur positiven Fassung der "Leistungen", die er der alten Linie zum Vorwurf machte. Die Nutznießer waren die Russen, die Dummen sind wir, und so geht es nicht weiter:
"Die Entspannungspolitik stellte selbstverständlich einen Versuch dar, die Sowjets zu mehr Zurückhaltung zu veranlassen. Obwohl sie in einigen ihrer Fassungen die Notwendigkeit anerkannte, den geopolitischen Übergriffen der Sowjets Widerstand entgegenzusetzen, so war in ihr doch auch die Hoffnung enthalten, daß die Aussicht auf die Vorteile der Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen und auf Rüstungsbeschränkungsabkommen das sowjetische Verhalten in Schranken halten würde. Unglücklicherweise hat die Erfahrung (!) etwas anderes bewiesen. Die wirtschaftlichen Beziehungen können sogar einige der heimischen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Sowjets erleichtert haben, die sonst möglicherweise das Verhalten der Sowjets mindestens in einem gewissen Umfang beschränkt hätte. Sie führten auch zum Gespenst einer möglichen künftigen Abhängigkeit des Westens vom Handel mit dem Sowjetblock (Erdgas), das die Handlungsfreiheit des Westens gegenüber dem Osten stärker einschränken könnte als es die Vorsicht im Umgang mit der UdSSR ratsam erscheinen läßt.... Angesichts dieser in der Vergangenheit aufgetretenen Schwierigkeiten (!) war es uns nicht möglich, frühere Vorgehensweisen nur geringfügig zu ändern." (1983)
Die schlechten "Erfahrungen", die da als Grund für eine gründliche Revision der Generallinie in der US-Weltpolitik aufgefahren werden, ergeben sich nur, wenn das Verfahren von Reagan zur Anwendung gelangt. Der Sinn der Veranstaltung wird in einer wuchtigen Schädigung der Sowjetunion gesehen, vergleichbar den Wirkungen, die ein Krieg auf die Mittel und Handlungsfähigkeit eines Feindes hat - und schon war das Unternehmen fehlgeschlagen. Es entspricht nicht der "Realität der Ost-West-Beziehungen", weil sich die Russen gesundstoßen und immer noch in der Lage sind, in Afghanistan Krieg zu führen gegen die Schützlinge des Westens. Genauso konstruiert ist die Mahnung zur Vorsicht, die da an die Adresse der osthandelnden Verbündeten abfällt. An ihnen nimmt Reagan erst einmal nicht wahr, daß das amerikanische Nachkriegsprojekt, ihre wirtschaftliche und militärische Befähigung zur Rolle von starken Bündnispartnern, gelungen ist. Er vermißt schlicht die Durchführung des damit verbundenen Kampfauftrags; und in dem, was diese Partner "statt dessen" treiben, entdeckt er einen Irrweg, dessen Korrektur ansteht.
Für die USA bildete dies den Ausgangspunkt für ziemlich ungerechte Beschwerden: Die Europäer würden sich nicht hinreichend an den NATO-Kosten beteiligen, die USA die Hauptlasten tragen lassen und selbst an den von den Amerikanern weltweit garantierten "Sicherheiten" nur schmarotzen. Sogar mit dem Verdacht der Bündnisuntreue wurde und wird im Bündnis Politik gemacht, wenn regelmäßig der Abzug der US-Truppen aus Europa in Erwägung gezogen wird. Zumindest Lässigkeiten in der Beziehung zum Feind wurden konstatiert, wenn sich die Europäer nicht einfach auf Hinweis der Amerikaner ihre weltweiten Sonderrechnungen und -gesichtspunkte abschminkten. Ungerecht waren diese und weitere Beschwerden darin, als die Europäer im Prinzip nur das betrieben hatten, was ihnen die USA als politischen und ökonomischen Auftrag in die Nachkriegs-"Wiege" gelegt hatten. Sie sollten sich gerade unter dem weltweiten militärischen Schutz und der politischen Beaufsichtigung aller Abteilungen des Weltmarkts mit fremden Dollars und eigener Mannschaft zu einer ökonomisch stabilen Front mausern. Ungerecht waren sie des weiteren darin, als noch jeder Streit im Bündnis über Fragen der Verbesserung der Arbeitsteilung in eine objektive Stärkung der NATO mündete. Und schließlich waren sie auch noch darin ungerecht, als die USA jene Zuständigkeit für die militärische und politische Beaufsichtigung der Welt gar nicht teilen wollten. Denn die amerikanische Beschwerde lebte nicht von der Klage, daß die Europäer sich nicht an der "Verantwortung" für die Weltordnung beteiligen wollen - sie hatten sich vielmehr in Reagans Augen einer Art der Mitwirkung befleißigt, der allzuoft die Erfüllung einer Pflicht gegenüber der berufenen Führungsmacht nicht anzumerken war. Während es letztere an "Führung" fehlen ließ und die welthistorische Entscheidung zwischen Freiheit und Sozialismus vernachlässigte,haben sich die Bündnispartner eine eigenständige "Friedenspolitik" unterhalb der notwendigen Veränderung des Kräfteverhältnisses zugelegt! Auf diese Weise befaßte sich Reagan sehr kritisch mit dem Gebrauch der Souveränität, den sich die europäischen Entspannungspolitiker leisteten - eine Souveränität, deren Mittel aus dem Beschluß der USA rührten, sich "lebensfähige" und stabile Bündnispartner zu schaffen. Mit diesen Mitteln streiten bundesrepublikanische Politiker nicht nur um die Berücksichtigung ihrer speziellen "Sicherheitsinteressen" in Rüstungsdingen recht erfolgreich in der NATO herum, sie gewinnen auch "Partner" in aller Welt, rühmen sich als kaufkräftige Exportnation ihres "Einflusses", der allemal den anderer verringert - und sie sind darauf verfallen, das globale Patt zwischen NATO und Warschauer Pakt zur rentablen Anknüpfung von Beziehungen "friedlicher" Natur mit dem Hauptfeind zu nutzen.
Dergleichen ist einem Präsidenten, der sich wieder einmal auf "Führung" besinnt, nicht recht. Er möchte den Verbündeten wie nach dem II. Weltkrieg mit eindeutiger Richtlinienkompetenz ihre Rolle und Aufgabe zuweisen und damit jene Potenzen in eigener Regie nutzen die seine europäischen Freunde äußerst unamerikanisch verwenden. Wo aus dem Zuwachs von Kapital und weltweitem Einfluß nationale Rechte und Interessen geschmiedet worden waren, wollte Reagan Pflichten erfüllt sehen; und zwar gemäß den Konjunkturen, die die USA in Sachen Beaufsichtigung der Welt und Endlösung der Kommunismusfrage für nötig hielten.
Die Rettung Amerikas
Das Programm zur Rettung Amerikas vor dem "Niedergang" hieß: Wiederherstellung des uneingeschränkten Führungsanspruchs i m Westen trotz und gegen seine Relativierung durch die konkurrierenden NATO-Partner. Reagans Beschluß lautete, ab sofort wieder die prinzipielle Feindschaftserklärung gegenüber der SU zur Hauptfrage i m Bündnis zu machen, hinter der alle Sonderansprüche, Sonderwege und Streitereien darüber vollständig zurückzustehen hätten. Sein Einstieg war der Anspruch auf Unterordnung; der Einsatz von nationalem Kredit, von Produktivkräften und von politischen Positionen auswärts sollte bei den Freunden prinzipiell zum Beitrag geraten. Ganz als wären europäische Währungen und Waffenfabriken, Stahlhütten und Handelsabkommen nicht ihrer Natur nach Waffen der Konkurrenz!
Insofern enthielten die großen Aufbruchsphrasen das Eingeständnis, daß die diagnostizierte "Führungsschwäche" der USA nicht einfach bloß darin bestand, die Sache mit den Russen noch nicht erledigt zu haben. Der anvisierte Gebrauch, den die neue US-Regierung von den Bündnispartnern machen wollte, zeugte ja davon, daß sie deren Leistungen brauchte - und daß sich die neue Linie nicht mit den Freiheiten vertrug, die sich die imperialistischen Konkurrenten während des "Weltfriedens" herausgenommen hatten. Das Ärgernis, mit dem Hauptfeind ein paar Jahrzehnte koexistieren zu müssen, hatte den USA die Konkurrenz weltweiter "Friedens"-Aktivitäten eingetragen. Die Europäer profitierten von der gegen die UdSSR aufgestellten Atommacht der USA und zugleich davon, daß diese noch nicht zum Einsatz gelangt war. Die Kritik dieser Freiheiten, die durchaus auf Kosten der USA gingen, war ebenfalls Bestandteil des amerikanischen "Traums". Der "neue" Konfrontationskurs gegenüber den Russen, die Bereinigung der Weltlage schloß von Anfang an das Programm ein, die Wirtschaftsmächte und NATO-Partner der freien Welt auf Kurs zu bringen - samt ihrem drittweltlichen Hinterland. Da galt jetzt manche Errungenschaft auf dem Felde des Exports wie auf dem der "Friedensdiplomatie" als ungehöriger Verstoß gegen die heiligsten Prinzipien der Weltwirtschaft und als Schwächung der Wertegemeinschaft mit den vielen Waffen.
Unverkennbar war dieses Programm mit einem Idealismus behaftet, den sich überhaupt nur eine Großmacht von Schlage der USA leisten konnte: Mit dem Wahrmachen des ureigensten Rechts der USA auf uneingeschränkte Führung i m westlichen Lager sollte sich der Erfolg für das Bündnis gegenüber der Sowjetmacht quasi automatisch einstellen. Behauptet wurde damit nicht weniger, als daß es letztlich an fehlender Einigkeit im Westen, an mangelnder Bereitschaft der Partner zum Konfrontationskurs und damit folglich an der Duldsamkeit der letzten US-Regierung gegenüber den europäischen Verbündeten gelegen hätte, daß sich auch materiell jene Erfolge nicht eingestellt hätten, welche die USA für sich beanspruchten. Dem US-imperialistischen Selbstverständnis nach hatte es einfach nicht an ökonomischen und militärischen Mitteln zu liegen, daß es die SU noch gab. Dabei wurden von den USA natürlich sämtliche Atomraketen der UdSSR genau registriert, wurde das atomare Patt als Ärgernis politisch zur Kenntnis genommen und strategisch begutachtet. Doch wo das Recht auf Sieg gottgewollt i m Westen, genau genommen in den USA beheimatet, wo die Fragen der Überlegenheit des Systems von Freiheit und Demokratie für Reagan immer schon entschieden und nicht eine jeweils aktuell neu zu stellende Frage von materiellen Kräften hüben und drüben war, da war eben ein nicht entschiedenes Ost-West-Verhältnis ein Unrechtstatbestand, der natürlich durch entsprechende Mittel und Operationen und nicht durch die Anrufung des höchsten Weltgerichts korrigiert, d.h. in Recht verwandelt werden mußte. Die "Ehre" Amerikas, ihre "Glaubwürdigkeit" standen auf dem Spiel; "Demütigungen" galt es wiedergutzumachen und "befleckte Schilde" zu säubern - so die staatsmoralischen Titel, in welche die US-Macht ihren knallharten imperialistischen Rechtsanspruch kleidete.
Natürlich waren den USA - dies die innerimperialistische Abteilung ihres Idealismus - auch ihre Konkurrenten auf allen Weltmärkten ziemlich bekannt, wußten sie praktisch von dem harten innerimperialistischen Gegensatz, den sie in die Welt gesetzt und dessen Austragung sie politisch mittels des NATO-Vorbehalts und mit ihrem militärischen Gewicht in diesem verhindert hatten. Doch auch hier ging Reagan von einem amerikanischen Recht auf unbestrittene Führung aus, missionarisch formuliert als die Berufung der USA zum Friedensstifter in der Welt: "Und ohne unsere Führung wird es keinen Frieden in der Welt geben." Dies machte dann die moralische Wucht des Maßstabes aus, den ein Reagan an Bündnistreue antegt; ein Maßstab, der von dem objektiv begründeten Gegensatz zwischen imperialistischen Staaten, die sich wechselseitig die Welt als Mittel ihres Reichtums streitig machen, nichts wissen will.
Angesichts der Gewalt, die hinter jeder noch so idealistischen Phrase eines US-Präsidenten steht, ist die Frage müßig, ob Weltpolitik aus solch "unwissendem" Idealismus zu treiben gehe. Das Programm war kaum verkündet, schon ging es los:
Wenn die Russen in der für Freiheit und Demokratie vorgesehenen Welt nichts zu suchen hatten, mußte die Front gegen das "Reich des Bösen" erneut und gründlicher als je zuvor eröffnet werden. Ihre unzulässige Einmischung in die Weltpolitik war in jedem Punkt zurückzuweisen - und für die endgültige Erledigung dieses Antrags war jede Menge Waffen nötig. Aufrüstung nicht unter Berücksichtigung der ökonomischen Mittel, sondern durch ihren rücksichtslosen Einsatz.
Dem Rest der Staatenwelt war klarzumachen, daß er sich unter Führung der USA mit seinen Mitteln und jeder an seinem Platz diesem Programm zu verschreiben hatte. Ab sofort standen also reichlich Belehrungen praktischer Art an, das Recht auf Konkurrenz betreffend. Lauter Streitfälle unter den Verbündeten auf dem Gebiet des Handels und seiner Bilanzen, über die Rüstung und ihre Kosten. Der Untreueverdacht im Falle von minder gewichtigen Nationen, die sich in diesem Weltfrieden erlaubten, Lebensmittel oder Waffen von den Russen zu nehmen, die sich störend gegen das erwünschte Kräfteverhältnis bemerkbar machten, wurde durch Krieg bewiesen.
Es ging also, das "idealistische", "großsprecherische", "überzogene" Programm des "Cowboys" Ronald Reagan. Und die Betrachtung seines Verlaufs ist nicht geeignet, Freude über die "Widersprüche" des Imperialismus aufkommen zu lassen.
Die 1. Amtsperiode: "Kampf dem Reich des Bösen" ist ein Auftrag an die gesamte freie Welt
Aufrüstung für die totale Siegfähigkeit
Die generelle Marschlinie in Reagans Aufrüstungspolitik lautete: Die amerikanischen Streitkräfte müßten die
"Überlegenheit besitzen und in der Lage sein, die SU zu zwingen, die frühestmögliche Beendigung von Feindseligkeiten unter Bedingungen anzustreben, die für die Vereinigten Staaten günstig sind."
Dieses auf strategische Überlegenheit gegenüber dem Warschauer Pakt berechnete Aufrüstungsprogramm sollte sicherstellen, daß die USA dem sowjetischen Gegner auf jeder Ebene der Kriegsführung und auf jedem Kriegsschauplatz der Welt die Bedingungen der Kapitulation diktieren können. Der seinerzeit berüchtigte Militärexperte der USA Colin S. Gray führte diese Verteidigungslinie in schönster Deutlichkeit aus:
"Strategische Überlegenheit bedeutet...
- die Vereinigten Staaten dazu zu befähigen, aus einer lokalen, politischen oder militärischen Krisensituation auszubrechen...
- die Vereinigten Staaten dazu zu befähigen, jeden strategisch-nuklearen Eskalationsprozeß zu dominieren...
- die Vereinigten Staaten dazu zu befähigen, im Extremfall einen allgemeinen Krieg zu führen und zu gewinnen. Unter Gewinnen verstehe ich, daß die Vereinigten Staaten ihre politischen Ziele erreichen, während die SU ihre Ziele nicht erreicht."
Kein Wunder, daß sich Reagan der "gewaltigsten Sicherheitsanstrengungen" rühmen kann, die es in der Geschichte der Menschheit je gegeben habe. Es verstellt fast ein wenig den Blick auf die Gesamtheit dieses Aufrüstungsprogramms, wenn man Reagan nur mit dem - auch noch angeblich zum Scheitern verurteilten - SDI-Programm identifiziert. Seine Regierung hat die Sache mit der vertikalen Eskalation der Kriegsführung in jeder Hinsicht ernstgenommen. Sie hat an ihr Militär den Anspruch gestellt, dem Gegner eine Auseinandersetzung auf möglichst vielen verschiedenen "Ebenen" und mit Waffen aller Art antragen zu können und mit jeweils überlegenen Kräften den Kriegsverlauf voll unter Kontrolle zu halten. Allerhand neuartiges Zeug - von der chemischen und "konventionellen" Munition über die Trägerwaffen bis zur Überwachung - ist da stationiert oder überhaupt erst erfunden worden. Logischerweise hat die Reagan-Administration aber vor allem das "Problem" des strategischen Schlagabtausches mit Nuklearwaffen neu aufgeworfen. Gemäß der uramerikanischen Unterscheidung von "Erst-", "Zweit-" und sonstigen strategischen "Schlägen" erschien es ihr vordringlich, die Fähigkeit zu einem allerersten, den Feind lähmenden atomaren Angriff zu entwickeln. Das hieß eine Zeitlang ganz offiziell "Enthauptungsstrategie". Jedenfalls war damit die Frage nach der politischen Zweckmäßigkeit von Waffensystemen wie den MX-Interkontinentalraketen, den strategischen Trident-U-Booten, den Pershings und Cruise Missiles, aber auch den gar nicht aus der Mode gekommenen strategischen Bombern und den zielgenauen Midgetman-Raketen in vorwärtsweisendem Sinn beantwortet. Erst mit SDI jedoch sind die "Probleme" der militärischen Eskalation im Atomkrieg wirklich konsequent zu Ende gedacht und ihre Bewältigung auf die Tagesordung der Rüstungspolitik gesetzt worden. Die USA wollen in der Lage sein, einen strategischen Atomschlag des Feindes - ganz gleich ob "Erst-" oder "Gegenschlag" - bis zur strategischen Wirkungslosigkeit abzuschwächen; das und nur das gibt ihnen die Freiheit zum Einsatz ihres eigenen entsprechenden Geräts zurück. So wird radikal - über alle sonstigen Bemühungen um Überlegenheiten hinaus, die daneben weitergehen - ernst gemacht mit der Unzufriedenheit damit, daß der Sowjetunion in letzter Instanz eine den amerikanischen strategischen Fähigkeiten gleichgeartete Option auf Vernichtung ihres Gegners zur Verfügung steht. Daß es dabei um die Sicherheit der Bevölkerung ginge, ist die passende Ideologie zu der neu aufgefrischten Entschlossenheit, die "Risiken" des Atomkriegs in den Griff zu bekommen, um ihn bei Bedarf durchführen zu können, so daß "die Vereinigten Staaten ihre politischen Ziele erreichen, während die SU ihre Ziele nicht erreicht."
Daneben wurde nichts versäumt beim Ausbau der horizontalen Eskalationsfähigkeit, welche es erlauben soll, aus "lokalen Krisensituationen auszubrechen". Sie nahm Gestalt an in der Schaffung von maritimer Überlegenheit (nuklearstrategische Schiffseinheiten, Flugzeug-
träger und variabel einsetzbare Schiffstypen) und im Aufbau von mobilen Eingreifverbänden wie den RDF (Rapid Deployment Forces) und den SOF (Special Operations Forces). Aber auch das Drängen, daß jene verbündeten Staaten wie besonders Japan, die nicht im NATO-Kriegsbündnis zusammengeschlossen sind, ihre Aufrüstungsanstrengungen vervielfältigen sollten, gehört in diese Abteilung des strategischen Konzeptes. Insgesamt wurde die Anzahl und Qualität der Militärbasen ausgeweitet; inzwischen können die USA auf die stattliche Zahl von über 1500 Militärstützpunkten bzw. -objekten auf dem Territorium von 32 Staaten rund um die Sowjetunion blicken. Hinzu kommen noch Nutzungsabkommen über fremdstaatliche Militäreinrichtungen und Verträge über die Lagerung von Munition. Schließlich wurden unter Reagan mehrere Restriktionen hinsichtlich von Waffenlieferungen in Krisengebiete, an Militärdiktaturen und "Befreiungsbewegungen", wie sie Carter oder der Kongreß irgendwann verfügt hatten, wieder aufgehoben.
Für die europäischen NATO-Staaten ergab sich daraus ein dreifaches Programm, das nicht unwidersprochen blieb. Zum einen sollte die Arbeitsteilung zwischen der ersten Atommacht USA und den übrigen NATO-Staaten ausgebaut werden: Verstärkte Anstrengungen im sogenannten konventionelln Bereich wurden von den westeuropäischen Ländern verlangt. Zum anderen waren die europäischen Verbündeten als Stationierungsorte für Mittelstreckenraketen der USA und von mobilen Eingreifverbänden vorgesehen, für welche die infrastrukturellen Bedingungen geschaffen und kostenmäßig getragen werden sollten. Und schließlich wurde von den Europäern die Beteiligung an den Kosten des - vor allem durch die Amerikaner getragenen - Programms der horizontalen Eskalation verlangt.
Die Einwände der Europäer bezogen sich nicht auf die einzelnen Maßnahmen, sondern immer nur auf die Frage, inwieweit ihr Wille zur finanziellen, rüstungspolitischen und strategischen Dienstbarkeit für das Ami-NATO-Konzept durch Zugeständnisse bei der Verantwortungsaufteilung honoriert würde. Jede neue Waffe und jede strategische Maßnahme wird von ihnen doppelt beurteilt: Einmal als Mittel im militärischen Gesamtkonzept und dann immer noch als Anlaß, um der besonderen Souveränität und ihren nationalen Interessen Geltung zu verschaffen. Die hier einschlägigen widersprüchlichen Gesichtspunkte wurden ausgiebig breitgetreten im inner-bundesdeutschen Streit um die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen, der sich nur in der Perspektive eines friedensbewegt oder berechnend voreingenommenen Rückblicks in einem deutschnationalen Abwehrkampf gegen amerikanischen "Mißbrauch" des Vaterlandes als Atomkriegsschauplatz umdeuten läßt. In Wirklichkeit hatte, Ehre wem Ehre gebührt, SPD-Kanzler Schmidt aus lauter Patriotismus eine "Raketenlücke" entdeckt: Ihm ging eine "eurostrategische" Waffe ab - eine strategische Vernichtungskapazität gegen die Sowjetunion in westeuropäischen Landen. Dieses Gerät - neu zu entwickelnde Pershings und Cruise Missiles wurden als Trägerwaffen auserkoren - sollte dem Zustand entgegenwirken, daß es im Bündnis, NATO-mäßig ausgedrückt, "Zonen ungleicher Sicherheit" gibt: die USA, für die deren "nukleare Garantie" unbedingt gilt, und die verbündeten Staaten, die daran dauernd zweifeln. Jenseits dieser defensiven Sprachregelung ging es den Westdeutschen um die Aufwertung der Nation zur Bündnismacht von - beinahe - gleichem strategischen Rang wie die gegnerische Weltmacht im Osten. Daß der BRD dieser Rang militärisch gebührt, weil sie ihn ansonsten schon nach Kräften einnimmt, gehört zu den patriotischen Selbstverständlichkeiten, die die sozialliberale an die "Wende"-Regierung weitergereicht hat. Mit den USA gab es darüber auch keinen Streit, weil dieser Aspekt den "großen Bruder" erstens nicht weiter interessiert, solange er ihn nicht stört, und weil ihm zweitens die rüstungspolitische Initiative aus Europa für seine Kalkulationen recht war. Der antiamerikanische Vorwurf, Reagan wollte Europa nuklear "verheizen", konnte nur aufkommen, weil die strategische Aufwertung der BRD eben doch bloß eine geliehene, von den USA als Teil ihrer "Enthauptungsstrategie" kalkulierte Aktion war; und er kam im innenpolitischen Streit zu Ehren, weil die inzwischen oppositionelle SPD ihren Nationalstolz in den Schein legt, die BRD hätte als eine Art übergeordneter "Mittler zwischen Ost und West" zu fungieren und könnte ein rüstungsdiplomatisches Geschäft zur Aufweichung der sowjetischen Front einleiten. Als dieses dann tatsächlich zustandegebracht wurde, und zwar von den Weltmächten nach ihren Kalkulationen, widersprach das der regierenden Hauptlinie des westdeutschen Bündnisnationalismus; im Unterschied zum Geschrei um die Stationierung hat sich an der Herabstufung der bundesdeutschen "Eurostrategie"-Macht ein wirklicher Streit im Bündnis entzündet, der bis heute nicht gelöst, nur "durch neue Entwicklungen" modifiziert ist. - Auseinandersetzungen mit ähnlichen Fronten gab es beim Echo auf Reagans SDl-Projekt: Daß die USA hier den Atomkrieg ganz nach ihren strategischen Bedürfnissen zu Ende kalkulieren, verdeutlichte den Verbündeten ihre Vasallenrolle - und bestärkte bei den jeweils Regierenden den Wunsch, an dieser völlig neuen Qualität von Waffen in Entwicklung, Erprobung und Einsatzverantwortung mehr beteiligt zu werden.
Die Weltordnung zurechtrücken
Außenpolitik war für Reagans Regierung zunächst einmal identisch mit dem Programm, den noch existierenden sowjetischen Einfluß außerhalb des Warschauer Paktes nicht mehr bloß in Grenzen zu halten, sondern zurückzudrängen. "Die Sicherheit unserer Länder ist unteilbar und muß global gesehen werden", bekannten Reagan und seine sechs Kollegen auf dem Weltwirtschaftsgipfel im Sommer '83; und das war eine Botschaft an den Globus, bei der die Worte den Taten folgten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der die USA auf der ganzen Welt, egal ob vor ihrer Küste, in Asien, Afrika oder im Nahen Osten", ihre Sicherheitsinteressen verteidigten", durfte da jedenfalls nicht verwundern. Wundern durfte man sich auch nicht über Aktionen wie die 1983 gegen Grenada, bei der sich der europäische Westen künstlich und auch nur vorübergehend über die "Unverhältnismäßigkeit" der amerikanischen Militäraktion aufgeregt hat: Wo eben kubanische Berater ausgemacht wurden, da war der Feind am Werk, und jedes Bauwerk, das im Feindesland hochgezogen wurde, war automatisch so etwas wie eine Startrampe für feindliches Militärgerät. Und sofern der durch die amerikanische Deutung seines Infrastrukturprogramms zur Anwerbung von Westtouristen doch hinlänglich gewarnte Souverän nicht sofort abtrat oder zumindest die Kubaner aus dem Lande jagte, wurde damit das amerikanische Urteil noch einmal zementiert: Hier macht sich der Kommunismus breit - vor "unserer Haustür"! "Unverhältnismäßig" konnte die militärische Operation der Amis auf Grenada nur demjenigen erscheinen, der diese Insel auf ihren materiellen Bedrohungsgehalt für die USA hin untersuchen wollte. Für die USA steht hingegen fest, daß überall dort, wo die Verletzung eines weltgeschichtlichen Auftrags festgestellt wird, die Gelegenheit geboten ist, ein "Exempel zu statuieren."
Die Welt hat sich an diesen neuen Maßstab schnell gewöhnt. Jedenfalls galt es schon bald als auffällige Zurückhaltung der Reagan-Regierung, daß sie den heftig gerügten "Fehler" des Präsidenten Carter, in Nicaragua die aufständischen Sandinisten an die Macht kommen zu lassen, nicht umstandslos durch eine Invasion des Landes ausbüügelte. Dabei war es Reagans Leistung, diesen "Fall" als Gefahr für die "nationale Sicherheit des ganzen amerikanischen Kontinents" zu definieren - ihm ging es stets um mehr als die Kaffeepreise; mindestens um die "Beförderung" Mittelamerikas, dessen "Stabilität" durch die Sandinisten ohnehin nicht gefährdet war; also um das Prinzip, daß jede Abweichung eines Kleinstaates von den US-Interessen eine Chance für die feindliche Weltmacht sei und deswegen als wirkliches Sicherheitsproblem verfolgt werden müsse. Gegen diese Gefahr hat die Reagan-Regierung eine Strategie ins Werk gesetzt, die für alle Staaten auf der Welt die Unkosten einer in Washington unbeliebten Politik deutlich macht. Per Handelsboykott, flankiert durch IWF-Maßnahmen, durch Inszenierung eines "Bürgerkrieges", ergänzt durch Sabotageaktionen der CIA, durch Bedrohung jener Staaten, die Nicaragua - überhaupt nicht uneigennützig - zu Hilfe kommen wollten, usw. hat sie die Nicaraguaner dafür zahlen lassen, daß sie sich von den Sandinisten immer noch mehr befreit als unterdrückt vorkamen. Mit einer "Menschenrechtskampagne" hat sie die revolutionäre Regierung veranlaßt, sich mitten im Kriegszustand mit den Insignien des demokratischen Friedens auszustaffieren (Wahlen, Pressefreiheit, Zulassung des Kriegsgegners als politische Opposition...), ohne ihr dafür ein Überlebensrecht zuzugestehen. Dagegen half es den Sandinisten auch nicht, daß sich die Sowjetunion und Kuba in ihren Hilfsaktionen zunehmend zurückhielten. Die Methode, für die "globalen Sicherheitsinteressen" der freien Welt Freiheitskämpfer gegen verkehrte Regierungen zu rekrutieren oder jedenfalls zu bewaffnen und zu besolden und "Bürgerkriege" zu inszenieren, hat die Reagan-Regierung außerdem auf Afghanistan, auf Angola, auf Kambodscha - die CIA weiß, wo sonst noch überall - angewendet. Geheimhaltung wurde bei dieser konterrevolutionären Kopie dessen, was sich ein guter Ami unter kommunistischer Subversion vorstellt, nur in Form unglaubwürdiger Dementis geübt. Denn es kam nicht zuletzt auf die vernehmliche Klarstellung an, was Feinde und was Freunde der USA in Sachen Gewalt zu erwarten haben und was sie sich folglich herausnehmen dürfen.
Dabei ist es während Reagans erster Amtszeit zu einer tragischen Verwechslung gekommen: Die argentinische Regierung, als Rückhalt für antisandinistische Contras in Mittelamerika engagiert und auch sonst ein bewährtes antikommunistisches Bollwerk, glaubte sich berechtigt, als Preis dafür eine alte Kolonialfrage mit Großbritannien einseitig für sich entscheiden zu dürfen. Die Besetzung der Falkland-Inseln ging allerdings gegen die Ehre der britischen Nation. Deren Chefin brauchte von Reagan nicht erst zu lernen, sah sich durch ihn aber in ihrer Erkenntnis bestätigt, daß es für eine Weltmacht beim Einsatz von Gewalt in weltpolitischen Streitfragen nur einen Maßstab gibt, nämlich so viel davon, daß die Sache den Charakter einer Strafaktion annimmt. Das Ergebnis gab ihr Recht: Die US-Regierung unterstützte bevorzugt ihren europäischen Vorzugs-Verbündeten.
Zwei andere Freunde der USA sind zu erwähnen, die die "Zeichen der Zeit" richtig verstanden haben: Israel und die Republik Südafrika.
Die Buren dehnten ihren antikommunistischen Ordnungsauftrag auf Mosambik und über Namibia hinaus auf Angola aus und damit zwar bis an die Grenze dessen, was den freiheitlichen Kontrollmächten noch funktional vorkam; allemal aber noch im Sinne der unzweideutigen "Lageanalyse" des US-Außenministers Shultz:
"Die Sowjetunion und Kuba beuten die instabile Lage Afrikas aus. Moskau und Havanna verzerren die Bündnisfreiheit Afrikas und übertragen das dort nicht hingehörige Ost-West-Problem."
Die zionistische Armee durfte im Sommer '82 die Sicherheitslage ihrer Nation vorübergehend bis nach Beirut vorwärtsverlegen und einen Feldzug gegen die politisch und militärisch organisierten Palästinenser führen, den die USA erst kurz vor der physischen Liquidierung dieses "Problems" auf bewährte Weise beendeten: Während die Israelis Westbeirut bombardierten, handelten die amerikanischen Freunde unter ebenso lauten wie folgenlosen Beschwerden über Israels Hartnäckigkeit die Kapitulationsbedingungen für die Palästinenser aus und profilierten sich so als die einzig wirksame Schutzmacht des arabischen Überlebensinteresses gegen ihren eigenen Verbündeten. Auf diese Weise wurden Moskau und - in dem Fall - Damaskus daran gehindert, ihre gar nicht hergehörigen Ost-West-Gesichtspunkte auf die von Israel erfolgreich destabilisierte Lage anzuwenden. Seinen weitergehenden Ehrgeiz, mit eigenen Kräften ausgerechnet über den Libanon eine "Pax americana" zu verhängen statt des israelisch kontrollierten, räumlich eingegrenzten "Chaos", mußte Reagan mit ein paar hundert toten "Friedenssoldaten" bezahlen; er gab ihn ohne politischen Positionsverlust auf - nicht ohne das Land noch ein wenig mit den dicken Granaten eines extra entsandten Schlachtschiffs zu "bestrafen".
Gleich nebenan, am Golf, übte Reagan schon wieder Verzicht - gemessen an der sympathischen Forderung "Nuke Iran", die er in der Agitation gegen Carter seinem Wählervolk nahegelegt hatte und die von seinen geradlinigen Amis dankbar aufgegriffen worden war. Hier brauchte der Präsident freilich nur zu bemerken, daß ihm das Frontmachen gegen das"revolutionär" bekehrte Persien bereits durch den "sozialistischen" Irak abgenommen worden war. Seine Geheimdienstler und Waffenschieber hielten den Krieg in Gang; die Waffenwünsche der arabischen Anrainer nutzten seine Experten, um auch diese Region aus dem "dort nicht hingehörigen Ost-West-Problem heraus"-zuhalten, nämlich zu einer Bastion und Waffenkammer der freien Welt auszubauen.
Über dieser vielseitigen, globalen militärischen "Frontbegradigung" gegen den " Hort des Bösen" und seinen weltpolitischen Einfluß sollte übrigens nicht vergessen werden, daß die Reagan-Regierung auch in der zivilen Nutzung von Staaten und Völkern durch die freiheitlichen Führungsmächte eine neue Eindeutigkeit durchgesetzt hat. Vor acht Jahren war es noch nicht eine so offen ausgesprochene Selbstverständlichkeit wie heute, daß nicht bloß "sozialistische" "Entwicklungs"-Ideologien, sondern deren Gegenstände selber, "Entwicklungspolitik" und "Entwicklungshilfe", nichts taugen. Als Grundlage aller "Entwicklung" wird die Zugehörigkeit zum richtigen Lager und damit die Militärhilfe angesehen. In wirtschaftlicher Hinsicht sollen die Staaten, die niemand mehr "Entwicklungsländer" nennen mag, zuallererst einmal "Selbsthilfe" praktizieren, und zwar in der Form, daß sie "private Investitionen aus den Industrieländern begünstigen " - so die Direktive des Londoner Weltwirtschaftgipfels von '84. Damit steht fest, daß gewisse Länder sowieso niemals wieder einen anderen Reichtum akkumulieren werden als einen solchen, der längst an die Gläubiger aus der "1. Welt" verpfändet ist. Die US-Administration hat hier die Perspektiven "marktwirtschaftlich" geklärt, indem sie - einvernehmlich mit ihren Partnern - die "Fakten": Kreditbedingungen, Zinsraten, Freihandel und Protektionismus, Kapitalverkehr usw., zurechtgerückt hat: Sie sind Mittel des kapitalistischen Erfolgs, sonst gar nichts, schon gar nicht Hilfsmittel gegen Mißerfolge.
Die verbündeten Imperialisten der "1. Welt" mochten die kompromißlosen Weltordnungsgrundsätze ihrer Führungsmacht nicht bedingungslos zu den ihren machen. So stiegen etwa die Bundesdeutschen bei der Bekämpfung der sandinistischen Revolution mit Bedacht publizitätswirksam vor allem auf die Menschenrechtskampagne ein, teilweise sogar mit der diplomatischen Geste einer Parteinahme für die Sandinisten (Wischnewski), mit der deutlich erkennbaren Absicht, einen europäischen Fuß auf Mittelamerika zu plazieren. So stützten die Europäer die Friedenspolitik der USA im Nahen Osten, indem sie ihre Beziehungen zu - und nicht zuletzt ihre einträglichen Geschäfte mit - den jeweils gerade schlecht behandelten arabischen Ländern betont weiterpflegten. Es kam und kommt den Europäern eben - genauso wie den Amerikanern - nicht allein darauf an daß der Nahe und der Fer-ne Osten, ebenso wie Afrika und die Mitte und der Süden Amerikas "Horte der Freiheit" bleiben bzw. werden, sondern auch darauf, wer in welche Weltgegend die Freiheit bringt, für ihre Erhaltung zuständig ist und sie zum Segen nationalen Reichtums und politischer Stärke bevorzugt benutzen darf. Wo Reagan ernst machte mit dem Standpunkt, daß Handel und Wandel, politischer Einfluß und diplomatische Beziehungen samt und sonders nur als Mittel des übergeordneten US-amerikanischen Ordnungsanspruchs zu betrachten und zu praktizieren seien, da wollten sich die übrigen imperialistischen Staaten als autonome Helfershelfer einschalten. Eben weil sie sich in der Hierarchie der westlichen Mächte klar hinter den USA eingeordnet hatten, leisteten sie es sich, ihre Partizipation am antikommunistischen Kreuzzug der USA zugleich als Gelegenheit zur Beförderung ihres imperialistischen Nationalismus zu betreiben. Von dieser Berechnung konnte dem amerikanischen Präsidenten immer nur die eine Hälfte gefallen; die andere mußte seinen Verdacht auf europäische Unzulänglichkeit schüren, der regelmäßig als 'Verstimmung' diplomatisch auf großen und kleinen Gipfeln zwischen Europa und den USA zum Ausdruck kam.
Antidiplomatie gegen die Sowjetunion
Die Lektion, welche Carter angeblich erst mit dem Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan am Ende seiner Amtsperiode gelernt hatte, nämlich, daß "man den Russen nicht trauen kann", setzte Reagan in eine Politik der strikten Feindschaftserklärungen um. Das 'Kunststück', das die Amis fertigbrachten und die Sowjets zunächst einmal 'erduldeten', bestand darin, alle noch existierenden diplomatischen Beziehungen und Kanäle zur Sowjetunion antidiplomatisch zu 'nutzen'. Den Ausgangspunkt jedes normalen diplomatischen Verkehrs - die Anerkennung fremder Souveränität auf Basis der Selbstverständlichkeit, also auch unter der Bedingung, daß sie sich als 'kooperationswillig", sprich beeinflußbar und erpreßbar erweist - hatten die USA ihrem sowjetischen Gegner gegenüber zwar noch nie gelten lassen. Immerhin hatten sie aber an der Bedrohlichkeit der feindlichen Atommacht auch für das eigene Land die Notwendigkeit entdeckt, sich mit dem Gegner über den Stand der Feindschaft zu verständigen; und das hatte über mehr als ein Jahrzehnt hinweg die Grundlage für eine Diplomatie eigener Art hergegeben. Amerikanische Unterhändler luden die Russen zu einer Besichtigung und Begutachtung der beiderseitigen Kriegsmittel, insbesondere der strategischen Atomwaffenbestände ein, bemühten sich um eine Kontrolle der militärischen Absichten, die ihr Feind mit seiner Rüstung verfolgte, - und nahmen dafür sehr ungern und nur notgedrungen in Kauf, daß die Sowjetunion diese "Rüstungsdiplomatie" als formelle Anerkennung ihres Rechts interpretierte, als Weltmacht zu agieren. Daß dieses Moment von Anerkennung den Charakter eines amerikanischen Zugeständnisses behielt, zeigt den ungebrochen weiterwirkenden Anspruch dieser Nation auf ein Monopol auf Weltkrieg und Weltherrschaft. Daß dem neuen Präsidenten Reagan dieses Zugeständnis als zu hoher Preis für die erlangte Aufsicht über die gegnerischen Kriegskalkulationen erschien, war die Demonstration des offensiven Willens, der Sowjetunion den Status einer Weltmacht und folglich jede formelle Gleichrangigkeit zu bestreiten. Diplomatie war ab sofort die Gelegenheit, die Feindschaft zu bekunden, die Absage an geregelte diplomatische Verkehrsformen mitzuteilen und die Drohung mit bzw. Verfügung von tatsächlichen Schädigungen sowjetischer Belange anzukündigen. Das Diplomatische am Verkehr mit den Russen wurde zum rein formellen Moment der Dauerverkündigung, daß die Sowjetunion selbst ein nicht zu akzeptierender Umstand der aktuellen Weltlage sei.
Das begann logischerweise mit lauter politischen Absagen an das ohnehin nicht ratifizierte SALT II-Abkommen aus Carters "Entspannungs"-Zeiten. Die gewünschte Verschärfung der Rüstungsdiplomatie wurde, propagandistisch berechnend, durch Verhandlungsangebote bewerkstelligt, die eine ganz neue Rechnungsart in diesen Geschäftszweig einführten: Unter dem Stichwort "Null-Lösung" - von der deutschen Sozialdemokratie aufgebracht, von Reagan angeeignet - wurde der Verzicht auf das "eurostrategische" Rüstungsvorhaben der NATO gegen den Abbau sowjetischer Mittelstreckenraketen angeboten - in der offen genug ausgesprochenen Erwartung, daß die sowjetische Seite sich darauf nicht einlassen könnte. Dem trotz allem geäußerten sowjetischen Verhandlungsinteresse wurde mit zusätzlichen Bedingungen beschieden, deren schönste ein Licht auf die Bequemlichkeit wirft, mit der das westliche Bündnis seine interne Rivalität in Feindschaft gegen den Osten umsetzt:
"Versuche, den Westen dadurch zu spalten, daß (für die Verhandlungen über Mittelstreckenraketen) die Einbeziehung von Abschreckungskräften dritter (!) Länder, wie beispielsweise (?) Frankreichs und des Vereinigten Königreichs, vorgeschlagen wird, werden fehlschlagen. Eine Berücksichtigung dieser Systeme hat in den Verhandlungen über Mittelstreckenraketen keinen Platz." (Die
"G 7" im Sommer '83 auf ihrem Weltwirtschaftsgipfel)
Die sowjetischen Versuche, durch die Drohung mit Verhandlungsabbruch und neuen Rüstungsschritten westliche Verhandlungsbereitschaft zu erreichen, bleiben völlig wirkungslos; mit ihrem zeitweiligen Fernbleiben vom Verhandlungstisch zogen die Russen sich bloß den schlechten Ruf der Verhandlungsunwilligkeit zu - und das nur, um bald nach Beginn der Pershing-Stationierung doch wieder zum Verhandeln anzutreten, also einzugestehen, daß ihnen an dieser Sorte Kontakt trotz allem weit mehr gelegen war als dem Westen; eine Offenbarung sowjetischer Erpreßbarkeit, die seither ausgiebig ausgenutzt worden ist.
Denn mit der "Null-Lösung" und erst recht mit dem Ruf nach "START" (Strategic Arms Reduction Talks") statt "SALT" (Strategic Arms Limitation Talks) hatte Reagan nicht bloß neue propagandistische Töne eingeführt: großkalibrige Vorschläge, vor denen die Russen sich als die verhandlungsunwillige Partei blamieren sollten. Solche vollmundigen Parolen formulierten quasi-diplomatisch die politische Absicht, mit der Reagan die gigantischen aktuellen Rüstungsprojekte der USA in Auftrag gab: den Willen, die "Sackgasse" zu öffnen, in die nach amerikanischer Auffassung die beiderseitige Atomrüstung geführt hatte; wegzukommen vom "atomaren Patt" mit seinem Verständigungszwang. Die "Perspektive" einer "atomwaffenfreien Welt", die Reagan aufbrachte, war darin "realistisch", daß sie das amerikanische Ziel durchblicken ließ, mit den sowjetischen Atomwaffen eines baldigen Tages fertig zu werden, den Feind im Idealfall atomar entwaffnen zu können. Dem diplomatischen Gegner machten solche Vorschläge deutlich, daß die neue US-Regierung mit weniger als einer substanziellen Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses bei der Atomrüstung nicht zufrieden war. Ein definitiver westlicher Abbruch aller Rüstungsdiplomatie wurde daraus nur deswegen nicht, weil sich die sowjetische Seite in ihrem unerschöpflichen Willen, durch Verhandlungen Anerkennung einzuheimsen, dazu bereit fand, selbst solche Zumutungen noch diskussionswürdig zu finden.
Einen anderen Einstieg in die Diplomatie der puren Feindschaftsbekundungen fand Reagans Außenpolitik im Madrider KSZE-Folgetreffen von '81: Ganz umstandslos machte sie die Versammlung zum Gerichtshof über sowjetische "Menschenrechtsverletzungen". Die Kündigung bisheriger "Entspannungspolitik" wurde Ende '81 fortgesetzt mit den Drohungen an die Adresse der Sowjetunion, sich nicht in Polen einzumischen; eine Drohung, die mit politischen und Handelssanktionen begleitet wurde und bis zur unverhüllten Kriegsdrohung ging. Im Bereich des Osthandels wurde die Embargo- und Boykott-Politik, die Reagan gegenüber der Sowjetunion nach der Verhängung des Ausnahmezustandes in Polen verfügt hatte, im Laufe der nächsten Jahre noch komplettiert. Vor allem die Exportkontrollen für technologische Güter wurden mehrmals verschärft und sollten in die sog. COCOM-Liste Eingang finden. Der Außenhandelsumsatz der USA mit der UdSSR fiel so von 3,6 Mrd. Dollar im Jahre 1979 auf 2,0 Mrd. im Jahre 1983.
(Paradoxerweise bestand eine der ersten handelspolitischen Maßnahmen Reagans darin, den von Carter nach der Afghanistan-Invasion verfügten Getreideboykott wieder aufzuheben; eine Maßnahme, die Reagan aus innenpolitischen Rücksichten auf die ökonomische Lage der Landwirtschaft verfügte und der zu entnehmen ist,daß ein "ideeller Gesamtkapitalist" gerade dann, wenn er sich in seinem imperialistischen Ehrgeiz von Profit und Wirtschaftswachstum unabhängig macht, um so mehr für seine Geschäftsgrundlage, das Geschäft, sorgt. Im übrigen tröstete sich die Kreuzzugsmannschaft mit dem "Argument", daß Ausgaben für Lebensmittel für eine Staatsmacht allemal unproduktive Kosten sind, das an amerikanische Getreidehändler weggezahlte Geld also im kommunistischen Budget fehlen würde.)
Gerade im Bereich des Osthandels mußte Reagan erleben, daß der Druck auf die europäischen NATO-Partner und Japan, alle Embargo- und Boykott-Maßnahmen mitzutragen, auf Widerstand stieß. Im "Koordinationsausschuß für den Ost-West-Handel" (COCOM), dem alle NATO-Staaten und Japan angehören, fand dieser Streit sein Dauerforum. Er setzte sich in amerikanischen Strategien, die europäische Ostgeschäfte direkt unterlaufen sollten, fort, als etwa die USA ihr Technologieembargo explizit auf den Export von Erdöl- und Erdgasausrüstungen in die Sowjetunion, aber auch nach Westeuropa ausdehnten. Die restriktive Linie der USA im Kreditgeschäft mit dem Osten teilten die europäischen Partner nur halb: Sie übernahmen die hohen Zinssätze, waren aber bei der Vergabe von Krediten - mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne während des Polenkonflikts - ziemlich "behilflich"; was sich kreditpolitisch durchaus zusammenreimt. Auch im Bereich der supranationalen Diplomatie, der KSZE-Treffen etc. gab es Differenzen zwischen den USA und den NATO-Verbündeten: Während die USA nichts gegen ein Scheitern der 2. KSZE-Konferenz einzuwenden gehabt hätten, waren einige Westeuropäer sehr bemüht, dieses Forum für Gipfeldiplomatie zwischen Ost und West, auf dem nicht nur die Sowjetunion und die USA, sondern die Europäer gleichberechtigt dabeisaßen, aufrechtzuerhalten. Die sich dabei einstellenden Allianzen zwischen der Sowjetführung und einigen westeuropäischen Staatsoberhäuptern waren deswegen so kurios, weil sie über den Zweck der in dieser Allianz 'vereinigten' Forumsmitglieder gerade nichts sagten. Wo nämlich die Sowjetunion Mittel und Wege für ihre Koexistenz-Politik zu entdecken glaubte, sahen die Westeuropäer eine Gelegenheit, das Anliegen der Antidiplomatie der Reagan-Regierung durch die klassische diplomatische Tour der Herstellung von eigenen Beziehungen eigenständig z u ergänzen.
Zwischenspiel: Ein Wahlkampf mit eindeutigen Maßstäben
Im Wah1kampf '84 gegen Walter Mondale hat Ronald Reagan nicht bloß bei der Endabstimmung nach Wahlmännern haushoch gewonnen. Der Sieg seiner Maßstäbe für erfolgreiche US-Politik stand längst vorher fest: Mit denen wollte sein Gegner von der Demokratischen Partei ihn übertrumpfen. Was die Wahlkämpfer sich seinerzeit, in einem auch diesseits des Atlantik vielgenossenen Streitgespräch, um die Ohren gehauen haben, ist eine Erinnerung wert.
Mondale:
"Der Präsident schwächt die Nation, weil er ihre Stärke nicht erfolgreich genug einsetzt... Ich werde ein starker Präsident sein... Natürlich werde ich in Mittelamerika auch mit Machtmitteln unseren Verbündeten helfen... In Libanon hat der Präsident eine Niederlage erlitten: Die Terroristen sind noch immer nicht bestraft und weggeputzt..." (Reagan dagegen: "Man kann doch nicht wahllos alles zusammenschießen, nur um Stärke zu zeigen!") "Ich
werde als Präsident so zwischen verschiedenen Aufrüstungsmaßnahmen wählen, daß wir wirklich stärker werden... Ich werde für ein Verteidigungsbudget sorgen, das real doppelt so hoch ist wie das der Sowjetunion... Ich mißtraue den Russen ebenso sehr wie Sie, Herr Präsident... Wir brauchen mehr konventionelle militärische Stärke... Ich würde die Sowjetunion nie über die geheime Entwicklung unserer modernsten Waffentechnik informieren... Wenn einmal die allerschwerste Entscheidung über den Atomschlag zu treffen ist, dann muß ein Präsident sie treffen, der weiß, daß die losgeschickten Raketen nicht mehr zurückzuholen sind... Wer ein wirklich starkes Amerika will, der wählt Walter Mondale."
Reagan:
"Sie wollen immerzu verzichten: auf MX-RRketen, auf den neuen B1-Bomber... Sie haben immer behauptet, die Russen wären Menschen wie Du und Ich, mit denen man über alles verhandeln kann... Wir haben die Pershing-Raketen stationiert, aber wir sind doch nicht vom Verhandlungstisch weggeblieben, sondern die Russen... Wir tun gemeinsam mit unseren Freunden alles, um die Zentren des Terrorismus aufzuspüren und auszuräumen... Das CIA-Handbuch über Terroraktionen gegen die Sandinisten-Regierung in Nicaragua wurde nicht vom CIA verfaßt, sondern von einem freien Mitarbeiter... Wir wollen nicht zurück zur Zeit der Schwäche unter Ihrer Regierung... Sie haben damals unseren Verbündeten, den Schah, aufgegeben, als der gerade dabei war, Sozialwohnungen für die Armen in Persien zu bauen... Wir wollen dieses wunderbare Land noch stärker machen."
Reagans 2. Amtsperiode: Vom "Entspannungskritiker" zum "Entspannungsfanatiker"?
"Wie ich selbst so würden unter Ihnen die meisten vor Jahren bei dem damaligen Stand der Beziehungen sicherlich Schwierigkeiten gehabt haben, sich vorzustellen wie ein amerikanischer Präsident mit seinem sowjetischen Gegenüber auf dem Roten Platz spazierengeht..." (1988)
In einer Bilanz seiner zwei Amtsperioden nahm Reagan selbst auf, was die Falken in Amerika ihm zornig und die Vertreter eines nationalbewußten Antiamerikanismus in Europa ihm mit Häme vorhielten. Dabei war für jemanden, der sich an Reagans Versprechen erinnerte, mit dem "Hort des Bösen" aufzuräumen, natürlich nicht der Aufenthalt Reagans auf dem Roten Platz der außenpolitische Skandal, sondern daß der Präsident auf einem noch unbefreiten Platz gemeinsam mit dem Häuptling des Erzfeindes, dem "sowjetischen Gegenüber", und nicht mit einem frei gewählten neuen Präsidenten der Vereinigten demokratischen Staaten eines postkommunistischen Rußland spazierenging.
In der Tat haben sich in der zweiten Amtsperiode Reagans zwischen den beiden Atommächten Dinge abgespielt, die mit Reagans Vorhaben nicht so ohne weiteres in Übereinstimmung gebracht werden können. Die Sowjetunion war keineswegs aus der Weltgeschichte verschwunden, wie es Reagan in seinen Antrittsreden 1981 versprochen hatte - sie hatte im Bereich der Rüstungsdiplomatie den USA, die ein geradzu monströses Aufrüstungsprogramm beschlossen und zu realisieren begonnen hatten, die Verschrottung von einigen Mittelstreckenraketen im INF-Vertrag abgerungen. Auch der in Genf gegen Ende der zweiten Amtsperiode unterzeichnete Afghanistan-Vetrag paßte mit einer zwischen der Sowjetunion und den USA vereinbarten geteilten Verantwortlichkeit für dieses regionale Krisengebiet nicht so ganz zu den Ankündigungen Reagans, nach welchen jeder Anspruch eines anderen Staates, das Weltordnungsmonopol der USA zu bestreiten, als gleichbedeutend mit dem "Niedergang Amerikas" gewertet wurde.
Die zentralen Anliegen der Reagan-Regierung sind noch längst nicht verwirklicht. Ein Abrücken von diesem Programm kommt aber deswegen nicht in Frage. Beides hat der abtretende Präsident in seinen stolzgeschwellten Rückblicken auf die Errungenschaften seiner zwei Amtszeiten zum Ausdrück gebracht:
"Wir müssen die großen Probleme angehen, die nach wie vor bestehen, die noch unerledigte Tagesordnung der Außenpolitik unserer Nachkriegszeit." Denn "über den wahren Charakter des sowjetischen Regimes, den fundamentalen Unterschied zwischen Totalitarismus und Demokratie" könne ebensowenig ein Zweifel bestehen wie über "die moralische Pflicht, der durch den sowjetischen Expansionismus hervorgerufenen internationalen Bedrohung der Menschenrechte entgegenzutreten". (1988)
Der unerfüllte Wille zur Wunderwaffe wird zum Alltag der "Ost-West-Politik"
Von seinem Standpunkt, der Weltfrieden sei erst dann und nur insoweit sicher, wie die USA und sobald sie aus eigener Kraft dem sowjetischen Feind weltpolitisches "Wohlverhalten" aufzwingen können, ist Präsident Reagan nicht im geringsten abgerückt. Diesen Willen zu einer Überlegenheit, die seiner Nation das Monopol auf tragfähige Kalkulationen mit dem atomaren Weltkrieg "zurück"-gibt, bekundet er noch in seiner rückblickenden Deutung der neuen Rüstungsdiplomatie seiner 2. Amtszeit als Ergebnis amerikanischer Stärke und Verhandlungshärte und gesamtwestlicher Ge- und Entschlossenheit.
Der Haken ist freilich, daß diese Deutung nicht so ganz stimmt. Sie läßt nämlich den Ausgangspunkt und die wirkliche Erfolgsbedingung dieses Verhandlungswesens beiseite: Anders als drei Jahre zuvor hat die Sowjetregierung im Herbst '86 beim Gipfeltreffen in Reykjavik mit der Drohung, die Vorkriegsdiplomatie mit dem Westen vollends abzubrechen, Eindruck gemacht. In der verlogenen "Sprache" der totalen Abrüstungsvorschläge hat der sowjetische Generalsekretär unmißverständlich genug klargemacht, daß die östliche "Supermacht" sich das amerikanische Bemühen, ihre "atomare Abschreckung" wirkungslos zu machen und ihre weltpolitische Position ohne jedes Verständigungsangebot zu bekämpfen, so nicht mehr gefallen lassen würde. Der "Vision" Reagans von einer "Welt ohne Atomwaffen", statt dessen unter einem amerikanischen SDI-"Schirm", setzte Gorbatschow das Projekt einer Welt ohne atomare Supermächte entgegen, dem der Wille, eine Überlegenheit des Westens nicht zu dulden, als realistischer Kern leicht zu entnehmen war. Dem US-Präsidenten hat die damit verbundene Drohung eingeleuchtet, weil von einer absehbaren entscheidenden Verschiebung des atomwaffenmäßigen Kräfteverhältnisses durch SDI und die parallel laufenden Rüstungsprogramme eben doch nicht die Rede sein konnte - erst im Frühjahr '86 hatte eine "major malfunction" das wichtigste Transportsystem der neuen Weltraumwaffen, das "Space Shuttle" mit dem programmatischen Namen "Challenger", samt 7 tapferen Amis in seine Bestandteile zerlegt und so ein wenig zum Realismus bezüglich der projektierten Wunderwaffe beigetragen. Das "Totrüsten" jedenfalls hatte erst einmal nicht geklappt.
Eben deswegen hat sich auch die Geschlossenheit des Bündnisses etwas anders entwickelt, als Reagan es ihr nachrühmt. Die europäischen Partner haben ihre Führungsmacht unterstützt, gewiß; auch in ihrem Bemühen um eine Überlegenheit, die die Weltlage entscheiden würde. Eine doppelte Berechnung war indessen immer dabei: die Spekulation auf besondere nationale Einbrüche in die antiimperialistische Abwehrfront des Ostblocks, gerade auf Basis der gemeinsam eröffneten härteren Bedrohung - tatsächlich hat da z.B. die bundesdeutsche "Deutschlandpolitik" einem Honecker etliche deutschnationale Töne beigebracht! -; außerdem haben alle Beteiligten in Europa auf ein neues Kräfteverhältnis innerhalb der NATO hingearbeitet, das es erlauben soll, demnächst an der einseitigen Machthierarchie im Bündnis zu rütteln - so wie es unter denselben Verbündeten in ihrer Eigenschaft als Weltwirtschaftsmächten schon längst geschehen ist! -. Da mußten sich die US-Führer mal über einen "Genscherismus" ärgern, der ihnen als Nachgiebigkeit gegenüber dem Feind vorkam, obwohl er von dem edlen Bestreben beseelt ist, gerade aus der unversöhnlichen Bedrohung des Ostens das im Frieden Mögliche herauszuholen - für Deutschland, versteht sich; dann waren sie wieder mit einem zähen Beharren ihrer Verbündeten auf genau den Atomwaffen konfrontiert, die ihnen als Material für rüstungsdiplomatische Geschäfte mit dem Feind besonders gut geeignet erschienen; wenn sie dann mit "Kurzstreckenraketen" von ganz neuer Reichweite Ausgleich schaffen wollten, sind die Chefs der westeuropäischen Stationierungsländer schon wieder unentschieden, weil sie beides wollen: die Atomwaffen und den für ihre Ostpolitik unentbehrlichen Schein des rüstungspolitischen Entgegenkommens.
So hat Reagan sich mit den Jahren darauf einstellen müssen, daß die angestrebte eindeutige Rüstungsüberlegenheit über die Sowjetunion nicht herzukriegen war, also auch keine wunschgemäße Gleichschaltung des Bündnisses unter diesem Ziel. Mit diesem Mißerfolg ist er immerhin bemerkenswert offensiv umgegangen. Zwar ist er von der strikten Antidiplomatie gegen die Russen abgerückt, also von einer Politik der garantiert unannehmbaren Verhandlungsangebote, die bloß dauernd die Verhandlungsunwürdigkeit der sowjetischen Seite bloßstellen wollte; dafür hat er sie aber auch zahlen lassen. In der Sicherheit, daß die Weltkriegsrüstungs-Initiative auf seiner Seite lag und deswegen auf der anderen Seite das größere Bedürfnis nach diplomatischer Verständigung, buchstäblich nach "Verhandeln statt Schießen", hat der US-Präsident seinem Feind die Hinnahme sämtlicher auf Überlegenheit zielenden westlichen Rüstungsvorhaben zugemutet, gegen die Gorbatschow in Reykjavik aufbegehrt hatte; einschließlich ausdrücklicher Verstöße gegen die SALT-II-Vereinbarungen sowie vor allem der defacto-Kündigung des ABM-Vertrages, der ein SDI-Programm eigentlich verbietet; mit Ausnahme lediglich der neuen "eurostrategischen" Raketenwaffe. Und in dieser Frage hat die zweite Reagan-Regierung alle Bedingungen durchgesetzt, die die erste ursprünglich zwecks Abwehr sowjetischer Verhandlungs- und Abrüstungswünsche aufgestellt hatte und die allesamt auf eine sowjetische Bereitschaft abzielten, für einen diplomatischen Positionsgewinn materielle Positionsverschlechterungen in Kauf zu nehmen. Der amerikanische Ehrgeiz geht hier dahin, die letzteren unumkehrbar zu machen, während der erstere ein jederzeit widerrufliches Zugeständnis bleibt. In diesem Sinne haben die amerikanischen Verfassungsinstanzen den INF-Vertrag überprüft und unter Bedenken gebilligt; in diesem Geiste überprüft die NATO alle weiteren Abrüstungsvorschläge der sowjetischen Seite und befindet sie nur insoweit für brauchbar, wie sie einseitige Schritte des Feindes enthalten oder sich als Eingeständnis seiner untragbaren "Überlegenheit" interpretieren lassen. Das ist die "Dynamik", die Reagan - nicht zuletzt durch seine theatralischen Gipfeltreffen mit Gorbatschow - dem "Verhandlungsprozeß" zwischen Ost und West verliehen hat.
Insofern ist die amtliche Deutung dieser Diplomatie als Errungenschaft westlicher Stärke und Härte mehr als eine Lüge. Sie gibt an und legt fest, wie die neue amerikanische Verhandlungsbereitschaft allein verstanden und praktiziert werden darf: als funktionales Element und berechnendes Zugeständnis innerhalb einer Politik, die - längerfristig als ursprünglich geplant und erhofft, aber in der Sache kompromißlos - auf eine weltpolitisch ausnutzbare strategische Überlegenheit der USA hinarbeitet. Ihren Schein von Friedfertigkeit bezieht diese Politik bloß aus der Einseitigkeit, mit der die Sowjetführung sich auf das darin enthaltene Moment von formeller diplomatischer Anerkennung kapriziert und die wirkliche Kalkulation des Westens mit dem Weltkrieg wie ein zu überwindendes Hindernis auf der Bahn einer fortschreitenden Verfriedlichung der internationalen Beziehungen behandelt. Was die USA zu diesem Schein beitragen, sind Warnungen, es damit nicht zu übertreiben, sowie der praktische Beweis, daß das größte Rüstungsunternehmen der Weltgeschichte sich duchaus auch ohne Kreuzzugsgetöse durchziehen läßt, wenn seine Abwicklung erst einmal zum unspektakulären Alltag von Rüstungsindustrie und Haushaltspolitik sowie zur allseits akzeptierten Prämisse der Außenpolitik geworden ist.
Der "Krieg gegen den Terrorismus", die Politik der "regionalen Konfliktlösung" und die Eskalation des Bündnis-Ärgers
Reagans Politik der "Frontbegradigung" gegen sowjetisches Mitmischen in der Staatenwelt zwischen "Ost" und "West" brauchte sich in der 2. Amtszeit auch erst einmal gar nicht zu ändern. Mit dem Einsatz terroristischer Gewalt gegen Volk und Regierung in Ländern wie Nicaragua, Angola, Afghanistan, Kambodscha usw. wurde weiterhin diesen Nationen ihre Abhängigkeit von sowjetischer Hilfe und der Sowjetunion ihre Hilfe für solche Nationen in jeder Hinsicht teuer gemacht. Daneben wurde eine Kriegserklärung gegen "den Terrorismus" in die Welt gesetzt, die den totalitären Weltordnungs- und -kontrollstandpunkt der USA als ehrenwerte Polizeiaufgabe definierte und in Libyens Gadafi ihren Hauptverbrecher identifizierte; die Israelis waren mit ihrer eigenen "Strafverfolgung" gegen palästinensische Terroristen mit dabei. Schließlich mußte im Persischen Golf das Prinzip der freien Schiffahrt gesichert werden, seit nicht bloß der Irak, sondern auch der Iran dazu übergegangen war, das Gemetzel an der Landfront um Schläge gegen Tanker und Nachschubschiffe des Gegners zu ergänzen; dorthin nahm die US-Navy ihre seetüchtigen NATO-Verbündeten mit.
Eine objektive Erfolgsbilanz könnte verzeichnen, daß die USA den Golf zum "Mare nostrum" ihrer Kriegsflotte gemacht haben; daß Libyen seine Stellungen im Tschad verloren hat und unter den arabischen Nachbarn politisch keine Rolle spielt; daß die staatswilligen Palästinenser auf nichts anderes mehr setzen als auf amerikanisches Wohlgefallen; daß die Sowjetunion in Südafrika und Südasien lauter Rückzüge einleitet und darüber ein vertragliches Einvernehmen mit den USA anstrebt. So einfach sah die Reagan-Regierung die Lage allerdings nie.
- Am "Prüfstein" der "Terrorismusbekämpfung" decken die USA regelmäßig das Ärgernis auf, daß ihre Verbündeten das imperialistische Anliegen einer ordentlichen Weltkontrolle immer ein wenig anders auffassen, als es sich gehört. Sogar in Libyen, neben dem Kommunismus Inbegriff der Widersetzlichkeit gegen den amerikanischen Weltfrieden, sehen die Westeuropäer einen guten Geschäftspartner, der sich um so leichter benutzen läßt, wenn die US-Flotte ihn immer mal wieder mit Flugzeugabschüssen und Bombardierungen - von denen man sich dann distanzieren kann - in die Schranken verweist. Diese "Arbeitsteilung" zwischen gewaltsamer Aufsicht, die die USA sich natürlich von niemandem aus der Hand nehmen oder "erleichtern" lassen, und geschäftlicher Ausnutzung der Staatenwelt ist aus amerikanischer Sicht schon unerträglich genug. Noch schlimmer, wenn die Westeuropäer als gelehrige Schüler der amerikanischen Weltherrschaft aus dem geschäftlichen Vorteil, den ihre Unternehmer aus fremden Ländern ziehen, sowohl die Mittel entnehmen als auch Recht und Auftrag ableiten, nach eigenem Ermessen an der Weltordnung herumzuzerren, auswärtige Regierungen mit Gewaltmitteln auszustatten usw., so daß sie am Ende alle ordentlichen Gewaltverhältnisse nach den Regeln der imperialistischen Konkurrenz durcheinanderbringen. Die Aufgabe, die damit auf die amerikanische Weltmacht zukommt, hat die Reagan-Regierung noch in ihren letzten Amtstagen exemplarisch am Kriminalfall ihres Bonner Verbündeten durchexerziert. Anhand einer libyschen Chemiefabrik wurde den Westdeutschen ein sträflich pflichtvergessener Umgang mit dem US-amtlichen Staatsterroristen nachgewiesen, der in der Wüste Giftgas braut. Symbolwert und politische Wucht des Vorwurfs leiden nicht im geringsten unter der Qualität der Beweise und schon gar nicht darunter, daß dasselbe gegen jede beliebige "Exportnation" der freien Welt geltend gemacht werden könnte, die USA selbst mit ihren erfahrenen Waffenschiebern nicht ausgenommen. Ebensowenig kann sich die Bundesregierung dadurch rehabilitieren, daß sie in die Hetze gegen den Libyer voll einstimmt, das imperialistische Aufsichtsrecht, ja eine Aufsichtspflicht über fremde Souveräne und deren Waffenbedürfnisse uneingeschränkt bejaht und den amerikanischen Anklagen - nach eigenen, völlig souveränen Recherchen - recht gibt. Den USA geht es um den politischen Angriff, der den gewichtigsten europäischen Konkurrenten an seinem empfindlichsten Punkt treffen und schädigen soll, nämlich in seiner Technik, aus Exporterfolgen, vor allem auch auf dem Weltmarkt für Waffen, imperialistischen Einfluß zu machen. Die Deutschen sind beleidigt, zeigen Wirkung - und bereinigt ist damit gar nichts an dieser inner-imperialistischen Front.
- Was den Umgang mit dem "sowjetischen Expansionismus" betrifft, so ist es etwas anderes, Freiheitskämpfer in den Bürgerkrieg zu schicken oder über die Beilegung von "regionalen Konflikten" zu verhandeln. Das erste ist eine Politik, die überall den Hauptfeind sucht, den sie treffen will, und gegen ihn nur auf die Mittel der eigenen Gewalt baut. Das letztere ist die Respektierung einer sowjetischen Sichtweise, die dem Interesse entstammt, die Auseinandersetzung zwischen Sowjetmacht und Imperialismus aus allen Schauplätzen, an denen sie stattfindet, herauszudefinieren und einen Regelungsbedarf zu konstruieren, dessen sich die beiden Weltmächte einvernehmlich annehmen müßten. Insofern ist es schon wieder eine eigentlich unzulässige Zurücknahme des amerikanischen Monopolanspruchs auf Weltordnungspolitik und des Willens, den Feind zu treffen, wo er sich rührt, wenn die Sowjetunion - durch Rückzugsangebote! - den Boykott ihrer Verhandlungswünsche durchbricht und von den USA vertraglich als Garantiemacht für gemeinsam hergestellte politische Verhältnisse irgendwo auf dem Globus akzeptiert wird. Da müssen die Amerikaner den neuen "Realismus" ihrer Außenpolitik selbst erst einmal begreifen, d.h. sie müssen lernen, die faktischen Resultate ihrer imperialistischen Politik für sich zu würdigen und sie nicht immer nur am imperialistischen Ideal ihrer Politik zu messen und für zu bescheiden zu befinden.
Dafür steht im übrigen die neue Regierung Bush.
Wie die Welt nach 8 Jahren "gescheiterter" US-Außenpolitik aussieht
Reagan ist angetreten mit der Einbildung und Forderung, mit dem Insistieren auf Amerikas globalen Rechtsansprüchen und Sicherheitsinteressen wäre der Erfolg im antikommunistischen Kreuzzug schon so gut wie errungen und müßte noch dazu jedermann als gerechtes Ergebnis der Weltgeschichte einleuchten. Er tritt ab mit dem Standpunkt, daß der Kräftevergleich zwar noch nicht wunschgemäß aus eigener amerikanischer Kraft entschieden ist, so daß Kompromisse nötig sind; auch und gerade die wären aber nur richtig verstanden, wenn man sie als vorweggenommene Triumphe des totalitären amerikanischen Weltordnungsanspruchs begrüßt.
Es gehört also schon ein stockblindes Vertrauen in die letztlich guten Absichten demokratischer Politik dazu, um diesen "Wandel" Ronald Reagans vom unversöhnlichen Anti-Diplomaten zum maßgeblichen Weltfriedensstifter für eine Abkehr der USA von ihrem imperialistischen Programm zu halten. Richtig es verzögert sich, enthält Umwege und Zugeständnisse verschmerzbarer Art, nimmt sich aber in seiner Härte um keinen Punkt zurück. Daß die Aufrüstung weitergeht, ist beschlossene Sache. Daß die Frontbegradigungen in Zukunft mit sowjetischer Beteiligung verlaufen, und daß sich selbst die forcierte politische und ökonomische Aufmischung der Verhältnisse im Innern der Ostblockstaaten auf sowjetische Reformtitel wie Glasnost und Perestrojka berufen kann, ist eine Art Glücksfall für den Westen, der dem Konfrontationskurs gegenüber der "Welt des Bösen" natürlich keine andere Richtung gewiesen, sondern nur neue zusätzliche Methoden verschafft hat.
Im übrigen muß man festhalten, daß selbst dieser antikommunistische Glücksfall eines Gorbatschow an der Spitze des kommunistischen Lagers nicht einfach vom Himmel gefallen ist:
Immerhin gaben die Russen auf ihre verrückte Weise zu verstehen, daß sie die Beteiligung am Wettrüsten, welches nun einmal ihre einzige Existenzgarantie ist, lieber heute als morgen aufgeben würden; und daß ihnen der Preis für die Versuche, ihre letzten Einflußgebiete außerhalb des Warschauer-Pakt-Bereichs zu halten, inzwischen schon fast zu hoch ist, wenn sie ihn ständig mit Verwicklungen in Kriege der "lower intensity" auf den regionalen "Konflikt"-Feldern bezahlen müssen. S o gesehen sind die außen- und innenpolitischen Revisionen, welche Gorbatschow derzeit am Revisionismus vollzieht, auch das Produkt von 8 Jahren Reaganscher Außenpolitik.
Daß gerade die neue sowjetische Innen- und Außenpolitik von den europäischen NATO-Staaten als Bestätigung ihrer "Entspannungspolitik" und als Chance gewertet wird, sie auf neuer Eskalationsstufe fortzusetzen - bis hin zur Betreuung von Volksdeutschen ins tiefste Rußland hinein; bis zur Einrichtung von kapitalistischen Produktionsverhältnissen in Polen und Ungarn, bis hin zur Besiegelung von Separateinmischungsverträgen in Fragen der Umwelt, der Kirche und der Zulassung von weiterer antikommunistischer Opposition -: Das ist das gar nicht friedliche Paradoxon dieser zweiten Hälfte der Amtszeit Reagans. Objektiv macht der arbeitsteilig organisierte Angriff auf den Sowjetkommunismus an wahrlich allen bedrohlichen Fronten Fortschritte. Es sind dies Fortschritte, an denen die Bündnispartner auf ihre Tour mehr und mehr beteiligt sind und die ihnen signalisieren, daß das Programm der Beseitigung des Kommunismus vielleicht auch ohne die unbedingte Führung durch die USA klappen könnte. Vorerst sind das jedoch noch Wunschträume der westeuropäischen Antiatlantiker, die jedoch eines verdeutlichen: Die ganze Weltordnung, in der es den USA nur um die Korrektur des Resultats des II. Weltkriegs, also um die Beseitigung des kommunistischen Blocks geht, gibt es als unbestrittene Ami- Weltordnung offenbar nur so lange, wie der kommunistische Kreuzzug unerledigt bleibt. Gemütlicher wird die Weltlage dadurch wahrlich nicht. Denn so präsentiert sich die Welt eben mit zwei veritablen Frontlinien: einer, die immer noch Hauptfrontlinie ist, zwischen Ost und West verläuft und als Weltkriegsfrontlinie längst eröffnet worden ist; und einer zweiten Frontlinie, die innerhalb des imperialistischen Lagers verläuft und bereits an ihren Auftaktscharmützeln zu einem Handelskrieg oder um die Freiheiten staatlich geschützter Waffenschiebereien zu erkennen ist. Doch auch hier verheißt das hüben und drüben ausgesprochene Anliegen, den Handelskrieg vor seinem endgültigen Ausbruch in den Griff zu bekommen, nur die Unversöhnlichkeit der ökonomischen Interessen im westlichen Bündnis und das wechselseitige Bewußtsein davon, daß deren aktuelle politische Domestizierung keinem Naturgesetz gehorcht.