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Dieser Artikel ist in der MSZ 5-1988 erschienen.

Systematik

Panama und sein Kanal
(DE-)STABILISIERUNG AUF US-AMERIKANISCH

"Unsere nationale Politik fordert die Kontrolle des Kanals."

(US-Präsident McKinley 1899)

"Es gibt absolut nichts zu verhandeln bezüglich des Kanals. Wir haben ihn gekauft, wir haben ihn bezahlt, wir haben ihn gebaut. Er gehört uns, und wir werden ihn behalten."

(Ronald Reagan 1976)

Seitdem die Regierung der USA beschlossen hat, den "starken Mann" Panamas zum gemeinen Verbrecher zu erklären und ihn wegen Rauschgiftschmuggels anzuklagen, wissen westliche Politiker und ihre Öffentlichkeit Bescheid. Aus einer Landgegend Mittelamerikas, die das Anhängsel eines von den Amerikanern verwalteten Kanals ist, und aus den Herrschaftsgewohnheiten der Politiker und Militärs in Panama, von denen bisher niemand ein Aufhebens gemacht hat, ist plötzlich ein unerträglicher Skandal für den freien Westen geworden.

Nur durch den Sturz Noriegas kann dort wieder Frieden einkehren, lautet die Kriegserklärung - seitdem der amerikanische Senat "Panama als ungewöhnliche und außergewöhnlihe Bedrohung der narionalen Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten" bezeichnet hat.

Seit mindestens einem Jahr haben sich die politischen und militärischen Führer der Kanalrepublik die Gunst ihrer Herren verscherzt. Seitdem läuft die amerikanische Eskalationsmaschinerie - immer schön "friedlich" und "nur" politischen und ökonomischen Druck gebrauchend. Wie um aller Welt zu beweisen, daß alle Destabilisierungsmaßnahmen unterhalb der militärischen Schwelle die Intervention nur dann ersetzen, wenn sie denselben Erfolg haben, haben die USA inzwischen darauf hingewiesen, daß sie ein militärisches Eingreifen nicht mehr ausschließen. Dabei trifft es sich gut, daß sie bereits mit über 10000 Soldaten in Panama präsent sind - ins Land geschickte Verstärkungen unterstreichen, daß diese Truppe längst Gewehr bei Fuß bzw. "unter erhöhter Alarmbereitschaft" steht.

Die "Verbrechen" einer Kreatur der USA und ihre Bestrafung

Bei der Verteufelung Noriegas stört es niemanden, daß nur die freie Völkergemeinschaft, für deren Verteidigung die USA eintreten, solche sympathischen Figuren hervorbringt. Die "Verbrechen", die die USA ihm vorwerfen, reihen sich doch würdig unter die anderer Freunde der Vereinigten Staaten ein wie die eines Pinochet in Chile und die der Politiker Kolumbiens, bei denen das Kokain hergestellt wird, an dessen Schmuggel sich Noriega bereichert haben soll und mit dem amerikanische Geschäftsleute ihre sauberen Gewinne machen. Man soll es der Regierung in Washington sogar hoch anrechnen, daß sie jetzt einen "alten Freund" fallen läßt, dessen "Verbrechen" Drogenhandel und undemokratisches Regieren - nur mit Duldung und tätiger Mithilfe der USA möglich geworden sind.

Die "gemäßigte" Einmischung der USA bestand darin, daß sie Panama die Wirtschafts- und Militärhilfe entzogen und darüber hinaus darauf vertrauten, daß die von der Cruzada Civilista (Bürgerkreuzzug) getragenen politischen Unruhen die Militärs unter Druck setzen und zur Installierung einer neuen Regierungsmannschaft führen würden. Als keine merklichen Fortschritte eintraten und auch der Bürgerkreuzzug in den Augen der USA suspekt blieb - weder schafften es die verschiedenen, in ihm zusammengefaßten politischen Parteien und Stände bzw. - Unternehmerorganisationen (angeführt von der panamesischen Industrie- und Handelskammer) die Masse der Panamesen hinter sich bzw. auf die Straße zu bringen, noch gelang es, eine respektable Führerpersönlichkeit der gesamten Opposition zu finden -, gaben die USA dem Drogenhändlervorwurf an Noriega eine neue Qualität: zwei amerikanische Gerichte erhoben Anklage gegen den General.

Des weiteren suchten sich die USA innerhalb des panamesischen Machtapparats eine Figur, die bereit war, offen gegen Noriega und für die USA Position zu beziehen. In dem bisherigen Staatspräsidenten Delvalle, den bisher alle Welt - einschließlich der USA und der Opposition in Panama (die dann für ihre Umstellungsschwierigkeiten einige Zeit brauchte) - für eine "Kreatur" Noriegas gehalten hatte, fanden sie ihren Mann. Der (plötzlich) "verfassungsmäßige Präsident" - die "Marionette" von gestern - zog sich in ein von den USA vorbereitetes Versteck zurück und entließ per Dekret den "starken Mann", der sich natürlich nicht entlassen ließ und auch weiterhin den Großteil der Armee hinter sich hat. Die Spekulation auf einen Putsch ist bislang nicht aufgegangen, und auch alle Versuche, Noriega einen "Abgang in Würde", "Straffreiheit" im Exil und ein von materiellen Sorgen freies Leben anzubieten, aben nichts gebracht. Angesichts dessen hat sich die amerikanische Schutzmacht entschlossen, Panama verstärkt ökonomisch in die Zange zu nehmen. Was beispielsweise für Chile oder Südafrika oder Südkorea als Verstoß gegen die "gebotene Zurückhaltung in außenpolitisch brisanten Themen" (CSU-Sprecher zu Südafrika) gilt, weil es "bloß die Falschen treffen würde", ist bei Panama genau das richtige: ein Wirtschafts- und Zahlungsboykott. Wenn man, wie in Panama, ein fremdes Volk gegen seine Regierung aufbringen will, ist die durch einen Wirtschaftsboykott organisierte Schädigung der Bevölkerung genau das passende. Die US-Regierung macht sich die Tatsache zunutze, daß sie nach wie vor die Kanalverwaltung kontrolliert, und überweist fällige Gebühren an Panama (mit dem dieser Staat ca. 15% seines Haushalts bestreitet) auf ein Sperrkonto; der "verfassungsmäßige" Präsident Delvalle läßt in amerikanischem Auftrag panamesische Konten in den USA einfrieren und gibt die Order aus, daß alle unter panamaischer Flagge fahrenden Schiffe ihre Frachtgebühren nicht zahlen sollen (immerhin der zweite Posten im Staatshaushalt); die großenteils ausländisch kontrollierten Banken (mit der wichtigste Wirtschaftszweig in Panama) stellen den Zahlungsverkehr ein; schließlich blockieren die USA sämtliche Geldüberweisungen, die von amerikanischen Banken und Firmen nach Panama gehen. Panama, d.h. in erster Linie der panamesische Staat (geschätzte Rücklagen in Panama Mitte März: 6 Mio. Dollar) und die Mehrheit seiner Bevölkerung, die von der Hand in den Mund lebt, also immer ein paar Dollar zum Überleben braucht, bekommt mit allen diesen Maßnahmen sehr drastisch zu spüren, was es heißt, "Dollarzone" zu sein - zwar heißt der Dollar in Panama Balbao, das ändert aber nichts daran, daß er alleiniges Zahlungsmittel ist und der Gang zur Notenpresse (die in diesem Fall in Washington steht) verwehrt ist.

Von den USA selbst erzwungene Gegenmaßnahmen Panamas passen voll in die amerikanische Propaganda: Wenn die Regierung Lebensmittelpakete an die Bevölkerung ausgibt, sog. "Tüten der Würde", dann riecht das eindeutig nach "Kommunismus"; und wenn sie sich nach internationaler Unterstützung umsieht (und angeblich von Libyen Hilfsgelder bezieht), beweist das nur aufs neue die "finsteren Machenschaften" Noriegas. Daß ein Staat, der sich nicht so einfach amerikanischem Druck beugen will, heutzutage - so wie die Welt unter dem Einfluß des amerikanischen Imperialismus geordnet ist - keine große Auswahl bei der Suche nach Freunden hat, beweist den USA und deren politischen Freunden nur eins: Dieser Staat bzw. seine widerspenstige Führung steht zu Recht auf der Abschußliste.

Ein General fällt in Ungnade

"Er ist ein Hurensohn, aber es ist unser Hurensohn." (Franklin D. Roosevelt über Anastasio Somoza)

Einen unverzeihlichen Fehler hat Noriega begangen: Statt sich mit der ihm zustehenden Verwaltung im Lande zu begnügen (wegen seiner Zusammenarbeit mit der US-Antidrogenbehörde DEA (Drug Enforcement Agency) war er bis 1985 äußerst gelitten), hat er sich in Anknüpfung an den panamesischen Nationalismus unter Torrijos als souveräner Staatsmann eines unabhängigen mittelamerikanischen Staates betätigt. Er hat Waffen- und sonstige Geschäfte mit Cuba und Nicaragua gemacht, die Guerilla in El Salvador mit militärischen Gütern versorgt und die Notlage der Sandinisten und die allgemeine, von den USA tatkräftig am Leben erhaltene "Krise" Mittelamerikas nicht bloß geschäftlich, sondern vor allem politisch ausgenutzt. Seine internationale Rolle wollte er als Contadora-Vermittler zwischen Nicaragua und den USA aufwerten. Für die USA erfüllten solche Aktivitäten den Tatbestand der unzulässigen Einmischung in ihre Angelegenheiten, und Noriega hatte den Ruf eines "verkappten Kommunisten" weg. Den kann er jetzt nur noch bestätigen, wenn er sich bei Cuba oder Libyen um Geld oder Waffen umsieht, die er sonst nirgendwo bekommt, und wenn er die vorhandene antiamerikanische Stimmung seiner Bevölkerung aufheizt, um an der Macht zu bleiben.

Noriega nützt es jetzt sehr wenig, auf seine Waffenbrüderschaft mit dem Oberst North hinzuweisen, mit dem er bei dessen Waffengeschäften zusammenarbeitete, dem er "Beweise" lieferte für angebliche Waffenlieferungen der Sowjetunion an die salvadorianische Guerilla und mit dem er Übungsplätze für die Contras in Panama einrichtete, als dies 1985 auf US-amerikanischem Boden verboten wurde.

"Der instinktsichere Überlebenskünstler verstand es, sich fast bis zum heutigen Tag mit den Amerikanern gutzustellen, besonders mit der CIA. Die Verbindungen mit den amerikanischen Geheimdiensten gehen wohl bereits auf Noriegas Zeit als G-2-Chef (Geheimdienst-Chef) zurück. Laut anonymen Washingtoner Regierungsstellen stand er jahrelang auf der Besoldungsliste der CIA, die er mit Informationen über Cuba und panamaische Interna versorgte, und der er auf den amerikanischen Militärstützpunkten in der ehemaligen Kanalzone die Installierung elektronischer Anlagen zur Überwachung des Nachrichtenverkehrs zwischen Süd- und Zentralamerika und dem karibischen Raum gestattete." (Neue Zürcher Zeitung, 2.3.)

Daß der ehemalige ClA-Direktor Casey Noriega "schätzte", nützt diesem nichts mehr, seit er sich zu seiner "Schaukelpolitik" entschloß und bei der amtierenden US-Administration in Ungnade fiel. Seine Klassifizierung als Oberschurke steht seitdem fest und hat ihre Belege:

"Anfang Juni meldete sich Generalstabichef Roberto Diaz, vom mißtrauischen Noriega gerade zwangspensioniert, zu Wort. Der als "loco" (Narr) bekannte religiöse Mystiker Diaz denunzierte General Noriega als Verschleuderer des nationalistischen Erbes und warf ihm Mord an Spadafora und Torrijos, Wahlbetrug, Verwicklung in den Rauschgifthandel und Korruption vor. Eigentlich fehlte nur noch eine Anklage wegen Kindesschändung. "Technologieschmuggel für Fidel Castro" steuerte- wenig später der cubanische Geheimdienstmajor Florentino Aspillaga bei, der von Prag über Wien zu den Amerikanern überlief." (Die Zeit, 18.9.87)

Die ganz entgegengesetzte Stilisierung Noriegas zu einem "unbestreitbaren Führer aller Panamesen, die für die Unabhängigkeit ihres Landes kämpfen" (so der 1963 von den USA gestürzte Ex-Präsident der Dominikanischen Republik Juan Bosch in El Pais, 11.4.88) und der Vorwurf an die USA, einen "moralischen Mord" an Noriega zu inszenieren, "um mit dem Führer der Unabhängigkeitsbewegung Schluß zu machen" (Bosch), sind ebenso weit hergeholt. Von deutscher Seite kann man da wieder einmal nur vermitteln: "Mittelamerika-Experte" H. J. Wischnewski empfiehlt Noriega als Ausweg aus der Krise, möglichst schnell freiwillig zurückzutreten..

"Nationale Würde" und Imperialismus

"Wir behalten die totale Kontrolle über den Betrieb des Panama-Kanals bis zum Ende dieses Jahrhunderts und außerdem das Recht, ihn zu verteidigen ... Nach dem Jahre 2000 übernehmen die Panamesen diese Aufgabe. Wir werden das Recht behalten, einseitig darüber zu entscheiden, was von unserer Seite notwendig ist, um die Neutralität des Kanals zu garantieren, damit er dem internationalen Schiffsverkehr geöffnet bleibt." (Jimmy Carter 1977)

Als sich die USA unter Carter nach jahrelangen Verhandlungen 1977 auf den Kanalvertrag einließen, gaben sie einem Drängen Panamas nach, das sich praktisch seit der Gründung des Staates im Jahre 1903 (= eine von den USA in Szene gesetzte Abspaltung Kolumbiens) geäußert hatte. Noch so gut wie jeder panamaische Präsident fand es mitunter angezeigt, eine Übergabe der Kanalzone, die ein Drittel des Landes umfaßte und in der ausschließlich amerikanische Gesetzgebung galt, zu fordern; danach widmete er sich wieder seinem Alltagsgeschäft, den Rest des Landes so zu verwalten, daß das Geschäft mit dem Kanal - zu 100% in amerikanischen Händen - funktionierte. Für manchen Panamesen waren solche Verhältnisse ein nicht hinnehmbarer Verstoß gegen die "nationale Würde" (dignidad nacional), und Proteste gegen die Präsenz der USA flammten immer wieder auf. 1964 kam es beispielsweise zu dem berüchtigten "Flaggenstreit": Nach einer Vereinbarung zwischen den USA und Panama sollten vor allen öffentlichen Gebäuden in der Kanalzone, also auch vor Schulen, die Flaggen beider Länder aufgezogen werden. Als sich die USA nicht daran hielten, beschlossen panamesische Schüler, mit der Losung "patria o muerte" ernstzumachen, und versuchten, "ihre" Fahne in der Kanalzone zu hissen. Das Ergebnis: 21 Tote, über 400 Verletzte. Panama brach vorübergehend die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab.

Ein Teil des Militärs erklärte die "Wiederherstellung der nationalen Souveränität" zu seinem Hauptziel und putschte 1968 den gerade wiedergewählten Präsidenten Arias weg. Einer der Lieblingssätze des Junta-Chefs, General Omar Torrijos, lautete: "Ich möchte nicht in die Geschichtsbücher kommen, sondern in die Kanalzone."

Für Panama stand die Revision der "demütigenden alten Kanalverträge" nun endgültig als wichtigstes politisches Thema auf der Tagesordnung. Nach endlosen Verhandlungen, "schleppender Verhandlungsführung" der USA, neuen Toten an dem Maschenzaun, den die amerikanischen Truppen inzwischen links und rechts der Kanalzone hochgezogen hatten, und immer neuen Ultimaten von Torrijos gaben die USA schließlich nach und unterzeichneten 1977. einen neuen Kanalvertrag. Die Carter-Administration war offenbar zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Oberhoheit über den Kanal auch unter der Mitbeteiligung der souveränen Macht Panamas beibehalten ließe. Strategisch und ökonomisch - so die Einschätzung der damaligen US-Regierung - hatte die Bedeutung des Kanals ohnehin nachgelassen. Für die großen Öltanker war der Kanal zu schmal geworden und z.T. schon durch eine parallel verlaufende Pipeline ersetzt worden. Pläne für eine Vergrößerung des Kanals bzw. einen Neubau waren schon seit Jahren in Umlauf jund werden heute von der sog. DreierKommission, bestehend aus Panama, den USA und Japan weiterverfolgt).

"Omar Torrijos, in kluger Einschätzung des müßiggängerischen Charakters seiner Landsleute, wußte genau, daß er nicht wortwörtliche Übernahme und Betrieb des Kanals, sondern symbolische Akte aushandeln mußte: zum Beispiel eine panamesische Flagge auf dem Ancon-Hügel; auf der politischen Karte ein Panama ohne Zweiteilung durch die US-Hoheitszone; der Form nach Mitbestimmung beim Kanalbetrieb. ...

Die Carter-Regierung wiederum, von den gescheiten Analysen des Trilateralismus beeinflußt, konnte auf symbolischer Ebene Konzessionen machen, weil der Kanal als drittrangig erkannt und eingestuft wurde. Seine strategische Bedeutung für die US-Marine, die inzwischen autonome Flotten auf allen Meeren unterhielt, war seit den sechziger Jahren vergangen. Im Fall einer globalen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion würde eine Atomrakete genügen, um den Kanal in einen strahlenden Sumpf zu verwandeln; unter Umständen reichte eine Kamikazesprengung der Schleusen; der Kanal wäre also nicht zu verteidigen. Übrig blieb im Kalkül ein Kanal als verkürzter - aber keineswegs unentbehrlicher - Transportweg für Erdöl, Kohle, Erze und Getreide entlang der Handelsrouten westliches Südamerika - östliches Nordamerika - westliches Europa. Ließe sich, so die Argumentation in Washington, der Betrieb des Kanals sicherstellen, könnte man Symbole ohne Wimpernzucken opfern!

Vielleicht war es auf Dauer nicht einmal ein Opfer, wenn es gelang, mehr daraus zu machen, nämlich einen demonstrativen Schritt vom (Yankee-)Imperialismus zur Kooperation, vom big stick zur helping hand." (Die Zeit, 18.9.87)

Die Sache mit der Kooperation wurde bei der Vertragsratifizierung durch den US-Senat im März 1978 unmißverständlich klargestellt. Der Vertrag wurde mit einer Reihe von amendments umrahmt, die alle dafür sorgen, daß Panama nicht über den Status eines "Juniorpartners" hinauskommt. So ist die neu eingerichtete Panama-Kanal-Kommission, die auch die Gebühren einnimmt, keine autonome Betriebsgesellschaft, sondern untersteht direkt dem amerikanischen Präsidenten. Vorsitzender ist ein ehemaliger US-General; ab 1990 soll der Vorsitz an Panama übergeben werden, doch muß jeder neue Vorsitzende vom US-Präsidenten bestätigt werden. Außerdem sicherten sich die USA einen Generalvorbehalt zu:

"Falls der Kanal geschlossen oder sein Betrieb gefährdet werden sollte, haben die USA ohne Rücksicht auf die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen das Recht, alle Schritte zu ergreifen, die notwendig erscheinen, den Kanal wieder zu öffnen oder nach Maßgabe der Lage den Betrieb auf dem Kanal wieder herzustellen." (De Concini-Zusatz)

1979 schoben die USA noch einen Zusatz hinterher (sog. Murphy-Gesetz): In ihm wurde festgelegt, daß der Präsident und der Verteidigungsminister der USA die höchsten Amtsinhaber in der Kanal-Kommission sind. 1984 opferten die USA tatsächlich, wie vom Vertrag vorgeschrieben, ihre Anti-Guerilla-Schule "School of the Americas" in Fort Gullick; die Ausbildung wird nun an anderen Orten vorgenommen.

Panama ist mit dem Kanalvertrag von einem souveränen Anhängsel an die Kanalzone zu einem bedingt selbständigen Staat mit Kanal geworden.

Auf Wasser gebaut

Die politische Ökonomie Panamas beruht auf dem Kanal und damit auf folgendem Widerspruch: Der 'Reichtum der Nation' besteht in den politischen Gebühren, die auswärtige Interessenten für die Benutzung eines Verbindungsweges zwischen Standorten ihres ökonomischen Interesses entrichten. Außer dem Kanal als Angebot an die Berechnungen auswärtiger Händler und Reedereien enthält das Land keine Reichtumsquelle, von der ein modernes Staatswesen sich erhalten könnte.

Diese Reichtumsquelle enthält Panama nun aber; und außerdem ein politisches Subjekt, das gar nichts widersprüchliches darin findet, die zugestandene nationale Hoheit über die Umgebung der Kanalzone und neuerdings auch ein Stückchen weit über diese Zone selbst als brauchbare, ausbaufähige Basis eines nationalen Geschäftslebens anzusehen. Dieses Subjekt sind logischerweise nicht die Geschäftsleute, die sich um den Kanal und seine Gebühren herum eingenistet haben, sondern die Inhaber und Repräsentanten der nationalen Hoheit selbst: die Militärs, die nicht einer bürgerlichen Gesellschaft mit ziviler Staatsgewalt dienen, sondern die Machthaber über das Land samt Insassen sind. Ihr General Torrijos hat in Panamas Politik den Standpunkt eingeführt, das Dasein der Nation als abhängige politische Variable der Ökonomie des Kanals wäre ein hinreichendes Mittel, um unter zweckmäßigem Einsatz der souveränen Gewalt eine eigene nationale Ökonomie aufzubauen und darüber Regie zu führen.

Im Namen dieses nationalen Aufbauwerkes ist erstens genau das weiterbetrieben worden, was auswärtige Interessenten samt inländischen Ablegern und Dienstleistern ohnehin betrieben haben, nämlich eben eine Kanalwirtschaft samt dem "naturwüchsigen" Drumherum: Warenverkehr - die Freihandelszone Colon wurde zum weltweit zweitgrößten Lager- und Umschlagsplatz hinter Hongkong, an dem Waren aller Art auch ein bißchen weiterverarbeitet, vor allem aber aufbewahrt, umgepackt und wieder weitergeschickt werden - und Geldverkehr - Panama wurde zu einem Bankenzentrum. Dabei stehen die erzielten Erfolge in einem ironischen Verhältnis zu dem nationalen Standpunkt, es handelte sich da um Erfolge nationaler Anstrengungen: Es ist nicht nur - wie bei jedem "Entwicklungsland" - so, daß die nationale Ökonomie auf den Aktivitäten auswärtiger Interessenten beruht; die Rolle Panamas als Umschlags- und Bankenplatz ist gerade darüber zustande gekommen und hängt davon ab, daß das Land ein ganz besonders unselbständiges Anhängsel auswärtiger Finanz- und Handelsinteressen ist. Sein Reiz für die Weltwirtschaft liegt in solchen Eigenschaften wie denen, daß die Nation gar keine eigene Währung hat, sondern in Dollar abrechnet, auf dieser Grundlage dem Geldkapital spezielle Freiheiten läßt, sich gar nicht nationalegoistisch in die Finanztransaktionen ausländischer Geldbesitzer einmischt, und: daß das alles unter besonderer Betreuung duch die Kanaltruppe der USA stattfindet.

"Panama hat einen beachtlichen Boom als internationaler Bankplatz erlebt. Das beruht auf der absoluten Konvertibilität seiner Währung und der Freiheit von Kontrollen des Devisenhandels, besonders seit der Reform des Bankgesetzes von 1970. Es gibt keine Mindestreserven oder Obergrenzen für Zinsraten und sehr wenige Auflagen für Auslandskredite." (Dresdner Bank Country Report 1980)

Insoweit hat sich der nationale Ehrgeiz der Machthaber darin verwirklicht, sich an der speziellen Dienstbarkeit ihres Landes für den internationalen Kapitalismus zu freuen. Als Standpunkt mit einem eigenen Inhalt konnte er sich überhaupt bloß in einer anderen Hinsicht betätigen, nämlich in Bezug auf das regierte Volk. Ihr Bemühen um wirtschaftspolitische Souveränität haben die Militärs hier in der Weise ausgetobt, daß sie gesetzliche Bedingungen für die geschäftliche Benutzung ihrer Untertanen verhängt haben, so wie sie sich für ein Land mit einer tatsächlich kapitalistisch nützlich gemachten Arbeiterklasse gehören. Torrijos hat Mindestlöhne, Normen für Arbeitsbedingungen, Gewerkschaften u.a. verfügt und den militärischen Effektivitätsgesichtspunkt sogar auf die Rassenfrage erstreckt, nämlich die rechtliche Gleichstellung von Schwarzen und Mischlingen samt Minderheitenquote für die Aufnahme in den Staatsdienst angeordnet. In ihrer Parteilichkeit fürs eigene Volk konnten die national gesonnenen Militärmachthaber so weit gehen, wie sie wollten, weil diese Seite ihres Nationalismus sowieso bloß ideeller Natur war und bleiben mußte: Die national umfassend nützlich gemachte Arbeiterschaft, die die ihr zuerkannten Rechte materiell nützlich machen könnte, gibt es gar nicht; was es gibt, sind Bankangestellte und Hilfsarbeiter, für die die jeweiligen "Arbeitgeber" die jeweilichen Löhne und Arbeitsbedingungen festlegen, ganz egal was das Arbeitsgesetz vorschreibt - denn daneben gibt es die unbeschäftigten Massen, denen die schönste Mindestlohnvorschrift kein Einkommen verschafft; deshalb sind gesetzliche Regelungen, die vom Kapital als Einschränkung empfunden worden sind, auch wieder aufgehoben worden. Geblieben ist von Torrijos Einfall, das Volk gesetzlich zur Basis und zum Nutznießer eines nationalen Aufbauwerks zu ernennen, folgerichtig die ideelle Seite: Das Gerede von der "nationalen Würde" jedes Panamesen ist nicht der ideologische Überbau über eine unübersehbare nationale Macht, sondern selber schon der ganze nationale Inhalt der Militärherrschaft. Sehr passend nannte Noriega die Lebensmittelbeutel, aus denen seine unter dem Boykott der USA leidenden Untertanen sich vorübergehend ernähren sollten, "Tüten der Würde" und die Trüppchen, in denen er Freiwillige, die sowieso nichts besseres zu tun hatten, für einen Kampf gegen eine mögliche US-Invasion trainieren ließ, "Bataillone der Würde".

Dabei ist noch nicht einmal ganz auszuschließen daß bei Gelegenheit ein paar Dutzend , oder Hundert Panamesen diesen Standpunkt einer würdevollen Einigkeit der Staatsmacht mit ihrem sonst nutzlosen Volk auch noch mit ihrem Blut besiegeln und als nationale Märtyrer in die Geschichte Panamas eingehen dürfen. Völlig ausgeschlossen ist, daß sich dadurch die politische Ökonomie des Landes ändert. Die stürzt nur dann zusammen, wenn eventuell eines Tages die kapitalistische Welt ihr Interesse am Panamakanal verliert. Und wenn das geschieht, wird noch nicht einmal daran ein panamesischer General schuld sein.