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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1988 erschienen.
Unser Afrika
DIE POLITISCHE ÖKONOMIE SCHWARZAFRIKAS
Es handelt sich um die Wirkungen des Geldes, wenn der Hunger zum afrikanischen Alltag gehört, wenn ehemals fruchtbare Gebiete des schwarzen Kontinents immer weniger hergeben und die Nahrungsmittelproduktion von Jahr zu Jahr sinkt, wenn Slums zur afrikanischen Stadt gehören wie vormals die Dorfhütten zum Neger.
Es sind die Folgen des Kapitals der Industrienationen, das Afrikas Reichtümer nutzt, wo es sich lohnt, wenn so gut wie alle schwarzafrikanischen Staaten ihre wirtschaftliche Pleite erklären, während die Konten der ausländischen Geschäftemacher mit dem Erdteil stimmen.
Es sind die Folgen der Gewalt, die zu Geld, Kapital und Geschäft dazugehört, wenn die Ruinierung von Land und Leuten in Afrika ein radikales Dauerprogramm darstellt. Die Gewalt vor Ort sorgt dafür, daß die Schwarzen die Wirkungen des Gelds gehörig mitbekommen; die Gewalt des Imperialismus in Europa und Nordamerika sorgt für die Existenz souveräner afrikanischer Staaten, die allesamt keinen anderen Reichtum kennen wollen als die Macht des Geldes, die unter ihrer Hoheit nie zustandekommt.
Die Kolonialmächte sorgen für Ordnung
Die Anfänge und Grundlagen des radikalen Entwicklungsprogramms für den jahrhundertelang ziemlich dunklen und von der bürgerlichen Zivilisation nur am Rande gestörten schwarzen Kontinent setzte der Kolonialismus.
Nachdem lange Zeit Händler aus dem Norden mittels des durchsichtigen Prinzips der Glasperle oder noch unmittelbarer einfach mit Gewalt Elfenbein und Neger aus Afrika herausgeholt hatten, machten sich die Kolonialmächte gegen Ende des 19. Jahrhunderts daran, den Raub und die Einvernahme von Land und Leuten zu organisieren. Für die europäischen Staaten war nämlich in ihrer Konkurrenz um die Vorherrschaft über und die Aufteilung der Welt auch Schwarzafrika interessant geworden. Die Buschmänner und Nomaden, Hottentotten und Bantus, und wie sie sich alle nach Stämmen und unterschiedlichen Gewohnheiten der Nahrungsbeschaffung unterschieden, wurden einer allgemeinen Gewalt unterworfen. Es entstanden so überhaupt erst Staatsgebiete in Afrika, endgültig geregelt durch die Grenzziehungen auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884. Ganz normale Schwarze lernten kennen, was eine Grenze ist; ihnen wurde, natürlich, ohne daß sie gefragt worden wären, die Reichweite ihrer Kolonialmacht und -verwaltung beigebracht. Sie mußten bemerken, daß ihre Volks- oder Stammeszugehörigkeit oder -feindschaft nichts mehr galt. Mit der Regierung durch die Kolonialbeamten, mit Zwangsarbeit und Militärdienst inner- und außerhalb der Kolonien (noch im Zweiten Weltkrieg kämpften 100.000 Schwarze für Frankreich) wurde den Negern eingebleut, daß sie einer fremden Herrschaft zu gehorchen hatten.
Geschenkt bekamen sie aber auch eine ökonomische Sache. Mit der Einführung des Gelds sorgten die Kolonialmächte dafür, daß es auch etwas gab, was sich zu holen lohnte, und zwar in der Form, die kapitalistische Staaten für die natürlichste von der Welt halten. Auf die Überzeugungskraft des Segens der Geldwirtschaft verließ man sich deshalb aber noch lange nicht. Schlicht mit Gewalt wurden die Neger an den Umgang mit echtem Geld gewöhnt. Dafür reichte es natürlich nicht, per Verbot das traditionelle Glasperlenipiel mit den Schwarzen zu beenden.
"1902 wurde der Import von 'primitivem' Geld nach Nigeria verboten, das bisher in steigenden Mengen von europäischen Händlern geliefert worden war." (Frank Seelow: Geld und Geldpolitik im unterentwickelten Kapitalismus Afrikas, Meisenheim 1977)
Gründlich aufgezwungen wurde den Negern das Geldwesen erst dadurch, daß man von ihnen verlangte, was sie gar nicht besaßen, Geld, per Steuern. Mit einem Mal erfuhren die Einheimischen, daß ihre Produktion in zwei Teile zerfiel, einen für den Staatsbedarf notwendigen und einen anderen, der dann noch für ihren Bedarf übrigblieb.
"Das Besteuerungssystem in den Kolonien dient sowohl zur Finanzierung der notwendigen Ausgaben als auch zur Verwandlung der Bauern in landwirtschaftliche Warenproduzenten... Hütten, Kopf- oder Viehsteuer... Die Besteuerung war ein ökonomischer Hebel zur Auflösung der Subsistenzproduktion, die Folge war eine breite Entwicklung der 'freiwilligen' Wanderarbeit, um die Steuern bezahlen zu können." (ebenda, S. 146)
So billig kam die Kolonialmacht zu kapitalisierbaren Überschüssen und obendrein zu von der Kolonialwirtschaft (Plantagen oder ähnlichem) benötigten Arbeitskräften, die man sonst immerhin erst einfangen mußte. Für eine relativ geringe Zahl von Schwarzen bedeutete diese Neuerung, daß der Dienst an fremdem Eigentum ihr Leben ausmachte. Die große Masse der nomadisierenden Viehzüchter und wandernden Hackbauern erfuhr auf ihre Weise nach und nach, daß Geld nicht mit einem Lebensmittel zu verwechseln ist. Mit der selbstgenügsamen Subsistenzproduktion, die auch ein bißchen Mehrprodukt für den Häuptling und andere Medizinmänner abgeworfen hatte, war es vorbei. Ab sofort kam es für die Bauern und Viehzüchter, die von der Kolonialverwaltung erfaßt wurden, darauf an, ihre Produkte in Geld zu verwandeln. Und da diese Transaktion immer noch davon abhängt, welchen Preis und ob man überhaupt einen erzielt, war die Gefährdung der Existenz keine Frage des Wetters oder sonstiger natürlicher Umstände mehr.
Obendrein sorgte das Recht der Kolonialmacht und ihrer Unternehmer auf Eigentum für eine gehörige Einschränkung der bisherigen Produktionsbedingungen. Auch die weiter nur für ihre Subsistenz produzierenden Landsleute, die von der Kolonialgewalt und der Geldwirtschaft noch nicht erreicht worden waren, konnten davon nicht unbeeindruckt bleiben. Wo eine Plantage entstehen sollte selbstverständlich immer dort, wo das Land fruchtbar war -, wurden die dort hausenden Schwarzen gemäß den Bestimmungen des gesetzlichen Landraubs verjagt und hatten mit minder fruchtbaren Böden oder Weidegründen vorliebzunehmen. Vor allem aber ging mit der Landnahme durch die Kolonialmacht mehr und mehr eine für die umherziehenden Nomaden und Hackbauern notwendige Produktionsbedingung, die Weite des Landes, verloren, so daß Überweidung und ausgelaugte Böden nur eine Frage der Zeit waren.
Trotzdem blieb immer noch einiges von der vorkolonialistischen "Idylle" übrig, über die ein deutscher Gründervater verächtlich die Nase rümpfte, so als wunderte er sich, daß es der Neger noch nicht zur doppelten Buchführung gebracht hatte:
"Man stelle sich nun weiter vor, wie der Eingeborene in den Urwaldregionen wirtschaftet. Von irgendeiner regelrechten Felderbestellung ist keine Rede; der Mann arbeitet überhaupt nicht, sondern treibt, wenn es hoch kommt, etwas Handel, zu dem aber die Weiber die Träger liefern; im übrigen faulenzt er oder führt Krieg mit seinen Nachbarn. Die Weiber werden an irgend eine beliebige Stelle des Waldes geschickt, wo sie auf einer kümmerlichen Lichtung den Boden etwas aufkratzen und gerade soviel Jams, Kassada, Makabo und Planten bauen, wie die Familie zur Ernährung braucht; diese Farmen liegen oft stundenweit von den eigentlichen Wohnsitzen entfernt, da die Leute einen Fleck, der ein paar Jahre lang Frucht getragen hat, einfach wieder verlassen und sich eine neue Stelle aussuchen. (Jesko v. Puttkamer, seit 1895 Gouverneur der Kolonie Kamerun; zitiert nach Hücking/Launer, Aus Menschen Neger machen. Wie sich das Handelshaus Woermann um Afrika entwickelt hat, Hamburg 1986, S. 119)
Die moderne Kolonialverwaltung und die Macht des Geldes, also Geschäft und Gewalt, haben die wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem schwarzen Kontinent schon ziemlich gründlich umgewälzt. Von der Periode der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten und ihren Folgen unterscheidet sich der Kolonialismus - außer natürlich dadurch, daß es jetzt keine Kolonie mehr gibt in Afrika - lediglich durch den geringeren Grad des Eingriffs in die Produktivkräfte; konkreter durch den geringeren Grad der Ruinierung von Land und Leuten auf dem schwarzen Kontinent. Kolonialisten haben sich darüber beschwert, daß es so schwierig sei, aus Negern gescheite Sklaven zu machen; daß sich die Schwarzen, nach ein paar Tagen Arbeit auf der Plantage oder so, einfach wieder in den Busch verkrümelten und die neueingeführte ökonomische Abhängigkeit einfach nicht ernstnahmen. Heute hungern Neger, die tatsächlich auf Arbeit angewiesen sind, in den Slums der Städte, verhungern Schwarze, die es unternommen haben, für den Markt zu produzieren, irgendwo in der Gegend oder flüchten schon wieder in die Städte. Im Prinzip kein großer Unterschied, nur der Fortschritt ist unübersehbar.
Gestern, als noch Kolonialismus war, stellte einer seiner kritischen Theoretiker fest:
"Wenn der Export dieses Artikels bisher nicht ab-, sondern zugenommen hat (es handelt sich um Kautschuk aus Kamerun), so liegt das nicht an einer vermehrten Produktion, sondern daran, daß immer größere Terrains im Innern des Landes ausgebeutet werden, und daß immer mehr Menschen sich mit der Gewinnung des Gummi beschäftigen. Die Ausbeutung des Landes durch rücksichtsloses Zerstören der Pflanzen ist so vollständig, daß diejenigen Strecken, auf welchen früher die Gummipflanze wuchs, erst nach vielen Jahren, wenn überhaupt je wieder, ohne Anbau Gummi hervorbringen können." (A. Woermann, Vortrag 1879 vor der Hamburger geographischen Gesellschaft, zitiert nach Hücking/Launer, a.a.O., S. 142)
Heute, egal ob der Export von pflanzlichen oder tierischen Produkten aus afrikanischen Landen noch zu- oder schon abnimmt, sinkt in so gut wie allen schwarzafrikanischen Staaten die Masse der landwirtschaftlich erzeugten Produkte stetig.
"Das Volumen der landwirtschaftlichen Exporte stagniert seit 1960, bei der Nahrungsmittelproduktion, deren Wachstum in den sechziger Jahren gerade noch den Bevölkerungsanstieg kompensierte, ist seit 1970 (pro Kopf) ein stetiger Fall (um 2% p.a.) auf ein Niveau zu beobachten, das nur noch in sieben von 37 Ländern (für die Daten vorliegen) eine ständige Verschlechterung der Versorgung verhindert. Entsprechend sind die Nahrungsmitteleinfuhren von 4 Mio t (1973/74) aufüber 11 Mio t (1983/84) gestiegen und der Anteil Afrikas an der gesamten Nahrungsmittelhilfe ist auf über die Hälfte geklettert. (Joachim Betz, Lome III: Bewahrung des Erreichten und Priorität für die Landwirtschaft. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament", B27/85, S. 18)
Der Reichtum souveräner afrikanischer Staaten
"Unabhängig in die Pleite. Die Selbständigkeit brachte Ghana kein Glück: der wirtschaftliche Niedergang bis zum Ende der siebziger Jahre." (Zeit, 1.1.)
Diese Sichtweise ist beispielhaft: So als wäre die Entlassung der afrikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit eigentlich die Garantie dafür gewesen, daß die neuen Staaten eine gediegene Wirtschaft zustandebrächten, heuchelt man über das gegenteilige Ergebnis. Als hätte das Ende der Fremdherrschaft gleichbedeutend sein müssen mit der Entwicklung zu Industriestaaten, die nicht mehr abhängig sind von den Industriestaaten, sondern mit ihnen auf dem Weltmarkt erfolgreich konkurrieren. Daraus ist nichts geworden.
Pech oder Notwendigkeit: Keine Frage.
Am Anfang war das Geld
Zu ihrer Finanzhoheit kamen einige schwarzafrikanische Staaten nicht sofort mit der Erlangung ihrer Unabhängigkeit, andere nie ganz. Großbritannien sträubte sich anfangs dagegen, das Finanzwesen der früheren Kolonien aus der Hand zu geben, so daß es noch Jahre dauerte, bis die kolonialen Bankgesetze aufgehoben wurden (in Ghana 6 Jahre, in Nigeria 7, in Sierra Leone 3). Zwölf afrikanische Staaten gehören der Franc-Zone an, der Communaute Financiere Africaine (CFA). Frankreich garantiert einen festen Wechselkurs (50:1) bis auf eine Ausnahme (Mali 100:1) und jedem Staat die unbegrenzte Konvertierbarkeit seiner Währung in Franc. Zwei Zentralbanken der CFA, in Dakar für Westafrika und in Jaunde für Zentralafrika, fungieren quasi als Außenstellen der französischen Nationalbank. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, 65% ihrer Devisen bei der zuständigen Zentralbank einzuzahlen; umgekehrt sind sie berechtigt, ihre "Operationskonten" bei den Zentralbanken zu überziehen.
Mit dieser Einschränkung besitzen die afrikanischen Staaten Geldhoheit, eine nationale Währung und Nationalbanken, bei denen sie sich verschulden können. Daß die Wechselreiterei zwischen Staat und nationaler Hausbank bzw. das Drucken von Geldnoten zu einer riesigen Inflation führt, so daß die nationale Währung niemand auf der Welt haben will und sie auf dem "gespaltenen Devisenmarkt" neben harten ausländischen Währungen ein kümmerliches Dasein lediglich als internes Zirkulationsmittel führt, beweist aber, wie wenig echtes Geld mit echtem Nationalzeichen auf dem schwarzen Kontinent wert ist.
Es ist das Zirkulationsmittel einer Marktwirtschaft eigener Art. Daß alle Bedarfsartikel als Waren ihren Preis haben, also jeder davon ausgeschlossen ist, der sie nicht zahlen kann: dieses moderne Gesetz der Armut gilt im afrikanischen wie in jedem Kapitalismus. Insofern existiert auch in dieser heißen Gegend der Zwang zum Geldverdienen. Minder ausgeprägt dagegen sind die Möglichkeiten, Dienste zu kaufen und sie so in Anspruch zu nehmen, daß sie sachlichen Reichtum vermehren und durch dessen Verkauf Kapital anhäufen. Privater Reichtum sammelt sich vornehmlich durch den Handel mit im Ausland geholten Waren an, für die das einheimische Publikum ein gar nicht kapitalistisch verdientes Geld zu Markte tragen muß. Viel davon hat es nicht. Nämlich nur so viel, wie die Staatsgewalt für Dienste aller Art unter die Leute bringt - wobei sie darauf bedacht ist, selbst möglichst viel davon wieder einzusammeln. Bereicherung findet im Handel statt - und das ist etwas anderes als Umsätze zwischen industriellen Kapitalisten, zwischen industriellem und Handelskapital, sowie zwischen Kapitalisten und Lohnarbeitern; die Umsätze also, die in den "Industrieländern" das vom Staat gedruckte Geld zu hartem kapitalistischen Reichtum machen.
Wenn überhaupt, so ist die Sphäre der individuellen Konsumtion die einzige Geschäftsmöglichkeit. Aber diese kleine Zirkulation fällt in Ermangelung einer großen sehr klein aus: Hie und da eine Brauerei (in Ruanda zum Beispiel zwei, die einige hundert Leute beschäftigen); ein Bauunternehmen für staatliche Bauaufträge, eine Papierfabrik... Bei letzteren handelt es sich schon um Fälle, wo der Staat den Unternehmer stellt.
An Steuern und Zöllen, mit denen die Staaten Schwarzafrikas sich ein Stück Einkommen verschaffen, wird noch deutlich, daß das Geld in Afrika, wie es der jeweilige Staat garantiert, nicht von einer kapitalistischen Volkswirtschaft ausgeschwitzt wird, die es sich erarbeitet und es vermehrt. Afrikanische Souveräne besteuern nicht Löhne und Unternehmergewinne also die ziemlich unterschiedlichen Früchte der Arbeit - dahin möchten sie gern kommen. Sie haben das originelle Problem, überhaupt erst alle Untertanen zu Steuerzahlern zu machen und dadurch so etwas wie einen nationalen Reichtum herzustellen. Folgendes gilt in Afrika als Fortschritt:
"Die gestufte Personensteuer (GDP = graduated personal tax) ist eine nach Einkommensklassen gestufte Steuer. Das stellt den bedeutendsten Fortschritt gegenüber der primitiven Kopfsteuer dar... Die gestufte Personensteuer wurde in der Absicht eingeführt, die afrikanische Stammesbevölkerung zur Entwicklungsfinanzierung heranzuziehen und ihren Sinn für die Notwendigkeit öffentlicher Aufgaben zu wecken.
Seit der Einführung der GPT ist es gelungen, breitere Bevölkerungsschichten zu besteuern." (Wagner, Steuerprobleme in Entwicklungsländern, Zürich 1971)
Steuerreformen haben dort vor allem den Zweck, Untertanen zu erfassen, damit es bei ihnen etwas zu holen gibt. Mosambik führt die Erhöhung seiner Staatseinnahmen auf
"eine größere Effektivität zurück, die nach und nach in das System der Steuereintreibung und in die Bekämpfung von Betrug und Steuerhinterziehung eingeführt worden ist". (The Star, Johannesburg 1984)
Lauter Maßnahmen, um an die fliegenden Händler heranzukommen, bei denen man Geld vermutet. "Industriestaaten" partizipieren an der kapitalistischen Reichtumsproduktion und tun sogar mit ihrem Steuerwesen alles, um deren Fortschritt zu fördern. Der afrikanische Fiskus dagegen muß zusehen, daß er sich vom Konsum seiner Bevölkerung das Nötige abzweigt, indem er ihn besteuert - Ruanda bezieht 20% seiner Staatseinnahmen aus der Biersteuer -; vor allem aber erhebt er Zölle auf Importe jeder Art: In Benin machten 1984 "Zölle, hauptsächlich auf den Warenumschlag über den Hafen von Cotonou", 48% der Einnahmen aus.
Einerseits wird das Prinzip der kolonialen Kopf- und Hüttensteuer quasi weiter angewandt, andererseits besteuert man den Handel, wo er stattfindet und man ihn erwischt. Das erste Verfahren gewöhnt die Massen ganz von selbst an die segensreichen Wirkungen des Geldes, das zweite beflügelt Schmuggel und Schwarzmarkt. Beides zusammengerechnet als Staatseinnahme halten Afrikas Staaten für absolut unzureichend für ihre Souveränität, und was sie sich mit ihr leisten wollen. Der Wert der heimischen Währung wird darüber nicht tauglicher. Während aber die Hungerkünstler in Stadt und Land sehen müssen, wie sie mit dem Kaufkraftschwund des Geldes fertig werden, wissen die Staaten ein Mittel, aus ihrer Geldhoheit mehr zu machen als ein Zirkulationsmittel für Schwarze. Mit aller Gewalt müssen Devisen her.
Staatliche Revenuequelle Export
Zwar verfügen Schwarzafrikas Staatsgewalten über keine Industrie, keine Volks- und Marktwirtschaft, aus denen sie die Mittel ihrer Souveränität ziehen könnten; aber über Land und Leute verfügen sie schon. Und wenn auch die schwarzen Souveräne nicht an einem heimischen kapitalistischen Reichtum partizipieren können - andere sind dazu schon in der Lage. Afrika ist schließlich nicht arm an landwirtschaftlichen Produkten, denn der schwarze Kontinent ist reich an fruchtbaren Böden, an ausgedehnten Flächen von dieser Sorte, auf denen, soweit die günstigen klimatischen Bedingungen reichen, eine Menge gutes Zeug wachsen kann. Und unter der Erde des schwarzen Erdteils lagern reichlich Bodenschätze.
Unkapitalistisch gesehen ließe sich aus diesen günstigen Naturbedingungen einiges machen, damit die Schwarzen auch einmal etwas mehr vom Leben haben. Die schwarzen Souveräne Afrikas sehen das aber nicht so einfach. Vom Kolonialismus haben sie gelernt, daß es auf money oder monnaie ankommt. Sie exportieren die "natürlichen Reichtümer" ihrer Länder ins Ausland, wo es die Devisen gibt, auf die sie scharf sind. Dieses, kapitalistisch gesehen, ganz normale Verfahren hat in Afrika - nach dem Kolonialismus - schon wieder einiges revolutioniert.
cash crop oder Der Hungerbringer Nr. 1
"Die Gunst der Naturbedingungen liefert immer nur die Möglichkeit, niemals die Wirklichkeit der Mehrarbeit, also des Mehrwerts oder des Mehrprodukts. " (Marx, Das Kapitall, MEW 23; S. 537)
Bei Erlangung der Unabhängigkeit waren 95% der Untertanen der jungen afrikanischen Staaten Bauern oder Nomaden, deren "Wirtschaftskreisläufe " darin bestanden, daß diese Produzenten ihren nach althergebrachten Methoden produzierten Reichtum selbst verzehrten. Einem afrikanischen Politiker muß dieser Zustand, daß seine Untertanen Yam-Wurzeln und Hirse für ihren Selbstverbrauch anbauen oder magere Rinder durch die Steppe treiben, von deren Milch und Blut sie sich ernähren, natürlich als rückständig erscheinen. Davon kann nicht einmal ein Negerstaat sich etwas verkaufen.
Um seine Subsistenzbauern und Nomaden in staatsnützliche cash-crop-Produzenten zu verwandeln oder ihre die gewünschte Exportproduktion störende Subsistenzwirtschaft auszuschalten, setzen die afrikanischen Souveräne die einzige Produktivkraft ein, die sie besitzen, ihre Gewalt.
a) Gesetzlicher Landraub
Für die Einrichtung oder Erweiterung der cash-crop-Produktion ist der Staat kraft seiner Souveränität so frei, die fruchtbaren Böden auf sich selbst oder einen interessierten Geschäftsmann zu übertragen.
"Im Jahre 1971 engagierte sich der US-amerikanische Plantagenkonzern BUD Autle in einem gemeinsamen Unternehmen (joint venture) mit der senegalesischen Regierung in der Produktion von Gemüsen und Früchten für den europäischen Markt in der Provinz Cap Vert. ...
Die Bauern, die auf den für die BUD-Plantage vorgesehenen 450 Hektar gesiedelt hatten, wurden mit Hilfe der einheimischen Polizei vertrieben, um Platz für BUD zu schaffen. (Kasch, Leffler, Schmiz, Tetzlaff. Multis und Menschenrechte in der Dritten Welt, Bornheim-Merten 1985)
Diese staatliche Landnahme betrifft mehr als nur die 10.000, die vertrieben werden und sehen müssen, wo sie unterkommen und sich ihre Nahrungsmittel erzeugen. Wenn die Regierung des Senegal
"die Wohnungen von 10.000 Familien zerstören ließ, die sich auf vom Staat beanspruchten Grundstücken niedergelassen haben" (Süddeutsche Zeitung, 5.5.1985),
dann müssen nicht nur diese Familien neue Bodenflächen suchen, wo sie ihre Hirse anbauen oder ihr Vieh weiden lassen. Die anderen sind immer mitbetroffen, weil ihnen bisher fruchtbare Böden nicht mehr zur Verfügung stehen: die Subsistenzbauern oder auch solche, die schon ein wenig für den Staats-Markt produzieren. Die gar nicht natürliche Folge ist, daß sie gezwungen sind - und immer mehr Leute dies sind -, auf weniger fruchtbare Böden auszuweichen. Die kärglichen Erträge machen einen sachdienlichen Umgang mit den Böden unmöglich. Die Bodenerosion nimmt nicht nur deshalb zu, sondern weil es neuen Boden und auch Brennholz braucht. So helfen im kleinen die Schwarzen mit ihrem Rodungshackbau und ihrem Brennholzbedarf dazu, was kommerzielle Rodungen - vor allem in den Küstenländern - im großen bewirken: Verwüstungen ganzer Landstriche. Überweidung wird zu einer Selbstverständlichkeit für die Nomaden und Viehzüchter.
"Das Grundprinzip der nomadischen Viehwirtschaft heißt Mobilität und Flexibilität. Dazu braucht es Platz, und gerade Platz wird den Nomaden immer weniger zugestanden. In Kenya zum Beispiel hat sich die seßhafte Bevölkerung, die viel schneller wächst als die nomadische, nahezu alles Land angeeignet" (Das ist gut, es gilt wohl das Aneignungsrecht qua Geburt!), "das sich auch nur halbwegs für den Ackerbau eignet. Da wird schon in Gegenden gebauert, wo der Mais nur in drei von zehn Jahren gedeiht. All das war einmal Weideland, dazu riesige Waldgebiete, die alle für den Ackerbau abgeholzt wurden. Die kenyanischen Massai haben heute wohl deutlich weniger als die Hälfte des Gebiets, das sie besaßen, als die Briten ins Land kamen. Sie verloren insbesondere auch die höher gelegenen Reservegebiete mit besseren Niederschlägen, wie die Ngong Hills bei Nairobi.
Im Sahel ist es nicht anders: Die Ackerbauern stoßen immer weiter nach Norden vor, in Gebiete, die bisher der Viehzucht vorbehalten waren. Die Regenfälle wandern nach Süden, der Ackerbau nach Norden. Jetzt sieht man Haussa-Bauern schon den sandigen Boden aufkratzen, wo noch nie Ackerbau betrieben worden war, obwohl die Regen abnehmen." (Andreas Bänzinger, Die Saat der Dürre, Afrika in den achtziger Jahren, Bornheim-Merten 1986, S. 73)
Da braucht nur eine Dürreperiode einzutreten, und der Hunger nimmt unweigerlich, aber nicht wegen der Dürre, seine für Afrika bekannten Ausmaße an.
b) Staatlich gebotene Exportprodukte
Geldfrüchte, die nicht für den Verzehr bestimmt sind, sondern auf dem Weltmarkt verkauft werden, soll das Land hergeben. Also werden die Bauern gezwungen, Früchte anzubauen, die sie auch abliefern und nicht selbst wieder verbrauchen.
"Die Hauptaufmerksamkeit des Projekt-Managements galt der Baumwolle als der wichtigsten Anbaufrucht.... Der Anbau von Erdnüssen und Weizen wurde dagegen sehr viel weniger betreut, obwohl beides den Nomaden weitgehend unbekannt war. Ihr Interesse am Weizen war schon deshalb gering, als sie nicht ihn, sondern Durra als Brotfrucht gewohnt waren. Der ihnen gut vertraute Anbau von Durra wurde ihnen aber streng verboten.
...
Die 15 Feddan (= 6,3 ha) sind von allen Pächtern zu je einem Drittel mit Baumwolle, Weizen und Erdnuß zu bestellen. Brachflächen, die zu beweiden wären bzw. Feldfutterbau waren nicht eingeplant bzw. nicht erlaubt." (Heinritz, Die Entwicklung junger Bewässerungsprojekte, München 1977, S. 193/194)
Die gar nicht überraschende Folge des Zwangs, nur mehr oder vor allem cash crops für den Staat zu produzieren, ist, daß die notwendigen Konsumtionsmittel nicht mehr produziert werden. Sie fehlen nicht mehr nur für den einzelnen Bauern, der z.B. ganz auf Tabakanbau umgestellt hat, sondern auch überhaupt auf dem inländischen Markt. Also werden sie eingeführt, und das Geld, sie zu kaufen, muß von den cash-crop-Produzenten erst noch berappt werden.
"In den dürregefährdeten Ländern des Kontinenti sank die Getreideproduktion pro Kopf zwischen 1978 und 1984 von gerade ausreichenden 160 Kilo auf nur noch 100 Kilo. Entsprechend (?) nahmen in Afrika die Importe von Grundnahrungsmitteln zu: 3,8 Millionen Tonnen waren es 1965, mehr als 10 Millionen Tonnen 1980." (Bänzinger, Saat der Dürre, a.a.O., S. 97)
An die Stelle von Subsistenzproduktion ist die Produktion für Geld getreten. Bleibt wegen schlechter Ernte oder zu geringer Preise der Geldertrag aus, bringt das fehlende Geld - den Hunger.
c) Staatliche Preispolitik
Der Markt, für den die cash-crop-Bauern produzieren, besteht in den staatlichen Vermarktungsorganisationen. Unter den Vorgaben der Preise, zu denen die Staaten die erzeugten Produkte gemäß dem Kurs an europäischen Warenbörsen verkaufen können, und der Preise, die die Mittel für die landwirtschaftliche Produktion haben, die auch zumeist im industriellen Ausland gekauft werden, setzen die Vermarktungsorganisationen die Abnahmepreise und Einkaufspreise der Produktionsmittel für die Bauern fest. Natürlich so, daß für den Staat dabei auch noch Devisen herausspringen. Unter diesen Voraussetzungen rechnen die afrikanischen Marktgesetze gleich mit dem Zustand ihrer Bauern - hart am Rande ihrer Existenz. Es besteht Abgabepflicht, egal, welcher Preis gezahlt wird.
"An diesem Tag gab es in Areka fast einen Volksaufstand. Die Beamten der 'Agricultural Marketing Corporation' warteten ab, bis die meisten Bauern ihren Teff (äthiopische Form der afrikanischen Hirse) auf den staubigen Marktplatz gebracht hatten, und dann ließen sie ihre Identität erkennen. Sie teilten den Bauern den offiziellen Preis, den sie festgesetzt hatten, mit und sagten den Bauern, daß die Vermarktungsorganisation die gesamten Vorräte aufkaufen werde. Der von ihnen genannte Preis war aber lächerlich gering. Die Bauern protestierten. Einige begannen sogar, ihr Getreide wieder einzupacken und sagten, daß sie nicht zu diesem Preis verkaufen würden. Die Leute von der AMC verkündeten sodann, daß niemand erlaubt würde, sein Getreide vom Markt fernzuhalten.
Daraufhin begannen die Bauern zu schreien und ihr Getreide vom Markt wegzuschaffen. ...
Dann aber setzte die Regierung Ordnungskräfte ein, und die Bauern wußten, daß sie keine andere Wahl hatten als nachzugeben." (The Times, 1.3.1985, zitiert in der Übersetzung von Lloyd Timberlake, Krisenkontinent Afrika, Bonn 1985, S. 99)
Vom staatlich festgesetzten Ankaufspreis werden beim Kauf der Früchte Pachtzins (soweit erhoben), Steuer und die Kosten für Dünger und Saatgut oder junge Pflanzen abgezogen. Im Senegal gab es 1984 für ein Kilo Erdnüsse umgerechnet 35 Pfennige auf die Hand. Aber man braucht nicht nachzurechnen, sondern kann schon an dem Verfahren der Vermarktung feststellen, welche Alternativen den schwarzen cash-crop-Bauern ständig in die Hütte stehen. Wenn sie nicht erwischt werden, erbringt ihnen der Schmuggel oder der Schwarzmarkt etwas bessere Preise. Der Erdnußbauer aus dem Senegal (s.o.) macht das so:
"Auf dem sehr gut entwickelten Parallelmarkt, über den die Hauptstadt Dakar, aber auch - auf dem Schmuggelwege - die Nachbarstaaten Mali, Mauretanien und Gambia versorgt werden, kann der Bauer unter Umgehung der staatlichen Abgabestellen und ohne Abzüge 85 CFA (70 CFA waren ungefähr 50 Pfennig) pro Kilo erzielen. Selbst dieser Preis kann aber die Unzufriedenheit der Bauern nicht völlig beseitigen; denn von der Kaufkraft her haben die Bauern seit dem Jahr 1960 ständig an Boden veloren. Gemessen an dem Preis von 1960 müßte der heutige Produzentenpreis mindestens bei 105 bis 110 CFA pro Kilo liegen, um wenigstens den Inflationsausgleich zu gewährleisten." (Süß, Inflationsausgleich für schwarze Bauern)
"Günstiger ist es daher, wenn der Bauer selbst illegal - die Erdnüsse zu Öl preßt, da das Erdnußöl zu 475 CFA pro Liter verkauft wird. Je vier Kilo Erdnüsse ergeben einen Liter Öl..." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.3.1985)
(Im Senegal existieren nämlich vier staatliche Ölmühlen.)
Oder unser Bauer aus Afrika kehrt zurück in die Subsistenzwirtschaft (was, wie heute berichtet wird, einigen gelungen sein soll), soweit man ihn läßt und er noch ein Fleckchen Erde findet, wo das Subsistieren geht. Immerhin gibt es ja auch noch eine Menge Schwarze, die sich noch nicht in die staatlichen Marktmechanismen haben einfügen lassen. Und die stören natürlich bei der Re-Subsistenzialisierung. Eine Zwischenmöglichkeit bietet die afrikanische Form des deutschen "Nebenerwerbsbetriebes". Er heißt dort "Subsistenz plus", was so viel bedeutet wie: Erst mal was zum Beißen haben und, was übrig bleibt, an den Staat verscherbeln. Gegen diese innere Emigration oder um überhaupt Neger, die noch außen vor leben, dem staatlichen Zugriff zu unterwerfen, wird unter den verschiedensten Titeln in ganz Schwarzafrika das staatliche Erfassungsprogramm der sogenannten Villagisation durchgeführt. Um an alle Früchte ländlicher Arbeit heranzukommen, um dabei deren Produktivität noch zu steigern und um die Kontrolle über alle Untertanen zu verbessern, schreibt die Regierung den Negern vor, wo sie zu wohnen und zu arbeiten haben. Statt wie vorher in weit verstreuten, schlecht zugänglichen Einzelhütten haben sie in leichter erreichbaren Dörfern zusammenzuleben. Dort dürfen sie unter dem wachsamen Auge des Gesetzes weiterhin hackbauern und in Gemeinschaftsarbeit auch noch Polizeistation, Schulhaus und Kirche bauen. Über die neu angelegten Schotterpisten holen die staatlichen Ankäufer die Ernte ab.
Oder der ehemalige cash-crop-Bauer zieht in die Slums der Stadt, wo er dann feststellen kann, daß importierte Nahrungsmittel das Hungern auch nicht gerade erleichtern.
Oder er hungert einfach irgendwo in der Gegend herum und hofft blindlings darauf, auf ein Hungerhilfelager der Caritas zu stoßen.
Diese feinen Alternativen machen zugleich die Gliederung der produktiven landwirtschaftlichen Bevölkerung Afrikas aus: Pachtbauern und/oder Kontraktbauern; solche, die ohne Pacht und Kontrakt ihre Produkte zum Staatsmarkt tragen; Selbstversorger, die hie und da anfallende Überschüsse an den Staat verkaufen; und eine nicht geringe Zahl von Schwarzen, die als Nomaden oder im Wanderfeldbau noch am Staatsmarkt vorbei ihr Leben fristen und merken, daß die Abhängigkeit ihres Lebensunterhalts von Natur und Klima erst so richtig zu einer unbezwingbaren Notlage wird, weil Staaten dafür sorgen, daß die Umwelt enger und wüster wird. Schließlich noch die relativ geringe Zahl von Leuten, die als Lohnsklaven auf Plantagen zumeist europäischer oder amerikanischer Unternehmer für Essen, Kleidung und vielleicht sogar Unterkunft sowie ein kleines Taschengeld arbeiten, die Mobilität als Wanderarbeiter inbegriffen. Und endlich die steigende Masse derer, die dem Lande ade! gesagt und ihre Urbanisierung beschlossen haben. In den Slums der Hauptstadt haben sie die Wahl zwischen Hunger und der Hoffnung auf gelegentliche Abfälle des staatlichen Sektors. Glücklich schätzen sich sicherlich alle diejenigen, die nichts mehr mit dem Land zu tun haben, weil sie beim Staat einen bezahlten Posten bekommen haben, und sei es nur als Soldat, aber mit Unterkunft und Verpflegung.
Bodenschätze für Europa und Übersee
Neben den landwirtschaftlichen Produkten, die die meisten afrikanischen Länder exportieren, werden Mineralien auf dem Weltmarkt verkauft. Ihren Abbau besorgen in der Regel Firmen aus Europa oder den USA. Die afrikanischen Staaten erhalten einen Anteil an deren Geschäft, der je nach den erzielten Preisen größer oder kleiner ist. Einige Neger bekommen so auch für billigsten Lohn Arbeit und verringern so sogar ein bißchen die Statistik der schwarzen Hungerleider.
Ansonsten ist nicht bekanntgemacht worden, daß in Ländern, aus denen reichlich Mineralien exportiert werden, Zaire (Kupfer, Kobalt, Diamanten), Sambia (Kupfer), Nigeria (Öl), und die deshalb nicht zu den ärmsten Ländern wie die der Sahelzone zählen, der Wohlstand ausgebrochen wäre. Bei der schwarzen Bevölkerung sowieso nicht, in der Staatskasse aber auch nicht. Nigerias Ölboom war kurz, ein Wirtschaftswunder ist nicht daraus geworden. Genausowenig wie eines der ehemals "reichsten Länder des Kontinents" (Die Zeit, 5.2.), Uganda, das Kaffee produziert, daß es nur so kracht, und dazu noch über ein funktionierendes Transportwesen verfügte, als es unabhängig wurde, darüber zu einem afrikanischen Musterland herangereift ist. Und das liegt nicht in erster Linie daran, daß dort dauernd verrückte Neger die Schätze der Arbeit und des Bodens dadurch zunichte machen, daß sie abwechselnd Stammes-/Bürgerkriege gegeneinander führen.
So gern die Welt, die sich um Afrika theoretisch kümmert, mit billigen Gründen aufwartet weshalb Afrikas "Volkswirtschaften" die allgemeine Tendenz 'negativ!' aufweisen: sinnlose Kriege, überzogenes Staatsprogramm, goldene Badewannen für die Repräsentanten, Mißwirtschaft, überzogene Projekte, "Magendo. Das bedeutet Schwarzmarkt und Spekulation." (Die Zeit, ebd.) und ähnliche angebliche Fehler der Herrschaften dort sowie der dementsprechenden Entwicklungshilfe hier - die Ahnung davon, woran es eigentlich liegt, plaudern Freunde der afrikanischen Entwicklung hin und wieder auch noch aus. Mit den Preisen für Afrikas Produkte würde etwas nicht stimmen, sie seien irgendwie ungerecht, heißt es:
"Daß Afrika immer noch fast vollständig vom Export unverarbeiteter Rohstoffe - seien es landwirtschaftliche Produkte oder Mineralien - abhängt, ist bekannt. Ebenso, daß die Preisgestaltung bei diesen Produkten für die Länder Afrikas äußerst ungünstig ausfällt, weil der größte Teil des Mehrwerts durch die Weiterverarbeitung in den Industrieländern anfällt. So bekannt sind diese Zusammenhänge und so erfolglos waren alle Versuche, sie zu korrigieren (UNCTAD, Rohstoffabkommen), daß es fast altmodisch geworden ist, sich über die ungünstige Entwicklung der terms of trade (Austauschbedingungen zwischen Importen und Exporten) aufzuhalten." (Bänzinger, Saat der Dürre, a.a.O., S. 151)
Daß die Preisgestaltung für die Länder Afrikas "ungünstig" ausfällt, stimmt sicher. Auch die Sache mit dem Mehrwert, den die Verarbeiter der billigen Rohstoffe machen, entspricht den Tatsachen. Und daß die Staaten Afrikas wohlgemerkt, die Staaten, und nicht die Kakao-Bauern - nur über den Export von "natürlichen Rohstoffen" zu ihren Devisen kommen, kann auch kaum bestritten werden. Angesichts dieser Feststellungen bleibt es nur unverständlich, weshalb daraus niemand den Schluß zieht, daß dann wohl diese Preisverhältnisse, diese Abhängigkeit der Preise der aus Afrika exportierten Rohstoffe von der Nachfrage der Wirtschaften der Industrienationen von den imperialistischen Nationen in Europa und den USA so gewollt sind und daß alle Regelungsversuche nicht auf "Korrektur" aus sind - mögen sich Afrikas Souveräne auch dauernd über die mangelnden und zurückgehenden Erträge ihres Exports beklagen. Das imperialistische Programm der wohlfeilen Benutzung Schwarzafrikas braucht sich dabei nicht einmal den Vorwurf gefallen lassen, es würde kapitalistische Marktgesetze verletzen. In ihnen steht ja nirgendwo geschrieben, daß mit ihrer Hilfe aus "unterentwickelten" Staaten Konkurrenten der kapitalistischen "Industrienationen" werden. Erst recht wurden sie nicht dafür erfunden, schwarzes oder sonstiges Volk vom Hunger zu befreien. Die guten Gründe für
Die eigenartigen "terms of trade" afrikanischer Staaten
sind folgende:
In der Zahlungsbilanz, über die afrikanische Staaten ganz so wie alle anderen modernen Souveräne verfügen und an der sie Mehrung und Gefährdung des nationalen Reichtums ablesen, erscheinen die Rohstoffe des Landes - in der Regel zwei bis vier mit 90% aller Aktiva als Handelsgüter, als reguläre Waren mit bestimmten Preisen. Dennoch unterscheiden sie sich nicht bloß stofflich von den Waren, mit denen kapitalistische Nationen ihren Außenhandel bestreiten. Deren Exportgüter entstammen nämlich einer Produktion für ein im eigenen Lande vorhandenes zahlungsfähiges Bedürfnis; ihr Verkauf ist ein Mittel, Gewinne zu machen; und aus diesem Grunde wird ihre Erzeugung vermehrt und Ausschau nach günstigen Produktions- und Verkaufsbedingungen gehalten. Der Produktionspreis der nationalen Produkte wird mit dem ausländischer Produzenten verglichen, und als exportierter Überschuß auf Grund eines konkurrenzfähigen Produktionspreises sind diese Waren die stofflichen Mittel einer nationalen Ökonomie, den Reichtum anderer Nationen in den Fortgang ihrer Akkumulation als neue Bedingung mit einzubeziehen.
Genau davon kann bei den Exportartikeln der afrikanischen Staaten nicht die Rede sein.
Die Bodenschätze und landwirtschaftlichen Rohstoffe, mit denen sie auf dem Weltmarkt auftreten, treffen im eigenen Land teils auf überhaupt kein Bedürfnis, teils - soweit sie für die individuelle Konsumtion der Landesbewohner oder ihren Bedarf an Gerätschaften für ihre Produktionsweise in Frage kämen - auf keine zahlungsfähige Nachfrage, sind also gar nicht die stofflichen Mittel einer nationalen Zirkulation. Ihre Erschließung und Förderung bzw. Kultivierung und Ernte geschieht ausschließlich für - und ist daher auch in Gang gekommen durch - das Interesse einer ausländischen Ökonomie, die darin Mittel für ihren Fortgang und Fortschritt entdeckt hat und nutzen will. Auch sie stellen gewissermaßen, ihre Ausfuhr beweist es, einen "nationalen Überschuß" dar: aber eben nicht einen wirklichen Überschuß, der aus einer nationalen Mehrwertproduktion entspringt, sondern einen "Überfluß", den man nur in Anführungszeichen als solchen bezeichnen kann, weil er neben - und dieses 'neben' heißt stets: auf Kosten - jeglicher Produktion für die Bedürfnisse des einheimischen Wirtschaftens zustandekommt. Folglich haben sie auch keinen einheimischen Wert: keinen Produktionspreis, mit dem ihre Produzenten auf dem Weltmarkt auftreten könnten und über den ihre Produktivität sich mit der ihrer Konkurrenten vergleichen würde; die Exportschlager der afrikanischen Staaten sind nicht Ware. Sie werden zur Ware und nehmen die Preisform an erst dann und nur dadurch, daß sie und wenn sie ihr Ursprungsland verlassen. Ihre Warenform verdankt sich dem Willen des zuständigen Souveräns, sich die Zulassung des Abtransports dieser Güter bezahlen zu lassen, und der Bereitschaft ausländischer Inhaber von wirklichem Reichtum, dafür zu zahlen.
So schreibt der Souverän eines rohstoffexportierenden Landes, um an seine Reveserve heranzukommen, Listenpreise für seine Exportgüter vor, die entweder direkt seinem Handelskontor, also der Staatskasse zufließen oder als Berechnungsgrundlage für eine vom Käufer zu entrichtende Ausfuhrabgabe dienen; er verpachtet sein Land sowie Explorations- und Schürfrechte an ausländische Interessenten; er beteiligt sich an deren Investitionen, und zwar nicht mit wirklichem Reichtum, sondern mit der Verpflichtung seines ausländischen Geschäftspartners, die Fiktion einer staatlichen Kapitalbeteiligung zu akzeptieren und mit Gewinnanteilen zu honorieren; und wenn er die Dependancen einer ausländischen Firma verstaatlicht, dann findet weder Enteignung statt noch eine seriöse Finanztransaktion, sondern die Teilhabe des Fiskus an dem Reichtum, der anderswo aus den Schätzen des Landes gemacht wird, bekommt eine Rechtsform, mit der die Regierung sich explizit zu ihrer Verantwortung dafür bekennt, daß das Geschäft des ausländischen Investors kontinuierlich weiterläuft. In allen derartigen Staatsaktionen, einschließlich sämtlicher politischer Bemühungen um Absatz- und Erlösstabilisierungsabkommen mit den Käuferländern, betätigt sich der politische Wille, nicht: sich am Außenhandel einer nationalen Ökonomie auch noch fiskalisch mitzubereichern, sondern: die Verfügungsgewalt über das Land zu Geld zu machen. Und damit beweisen alle ökonomischen Aktivitäten der afrikanischen Staaten in Sachen Außenhandel, daß sie das ökonomische Subjekt ihres Exports überhaupt nicht sind.
Denn die tatsächliche ökonomische Nutzung der bereitgestellten Naturschätze: ihr Gebrauch als Mittel für die Produktion wirklichen Reichtums, und damit die Voraussetzung dafür, daß ihre Deklaration als Ware nicht bloß ein frommer Wunsch der exportwillige n Staatsgewalt bleibt, fällt ganz auf die Seite der ausländischen Nachfrage. Nur dort findet die Akkumulation von Wert statt, die es erlaubt, ihre aus Afrika importierten stofflichen Voraussetzungen überhaupt unter die Wertform zu subsumieren; und allein gemäß der Kalkulation mit dem Kostpreis der Produktion, die die konkurrierenden nationalen Kapitale dort einander aufherrschen, setzt das Interesse an afrikanischen Rohstoffen sich in Zahlungsbereitschaft um. Die mit Hilfe sämtlicher Ideale des Freihandels vorgebrachte Bettelei der afrikanischen Staaten um die Erlaubnis, mit ihren Gütern auf dem westeuropäischen Markt auftreten zu dürfen, bezeugt schlagend, daß hier keine Konkurrenz um ein zahlungsfähiges Bedürfnis stattfindet, sondern das Bemühen, den eigenen Artikeln überhaupt einen Preis zu verschaffen - ein Bemühen, dessen Erfolg völlig von der Bereitschaft der kapitalistischen Nationen abhängt, die angebotenen Güter als Bestandteil der Kosten ihrer nationalen Akkumulation i n Kauf zu nehmen.
Praktischer Ausdruck und Verlaufsform dieser prinzipiell gegebenen Bereitschaft sind die Warenbörsen für Mineralien und Naturprodukte, die nicht zufällig in New York, London und anderen kapitalistischen Metropolen zu Hause sind. Sie sind das Mittel - nicht der Rohstoffexporteure, ihre Vorstellungen über einen hinreichenden Preis ihrer Angebote zu realisieren, sondern der kapitalistischen Käufer, das Zugeständnis eines Preises für Rohstoffe gleich so zu gestalten, daß dessen Höhe sich genau nach der tatsächlichen Profitträchtigkeit ihrer Verwendung, nämlich nach dem aktuellen Stand der Konjunkturen kapitalistischer Akkumulation bemißt. In der Tat sind diese Börsen der einzige Ort in der kapitalistischen Welt, wo wirklich Ernst gemacht wird mit der bürgerlichen Ideologie, Gebrauchsgüter bekämen ihren Preis durch das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage: Wo die Anbieter keine Kalkulation mit Produktivität und Profit in die Waagschale zu werfen haben, sondern bloß ihren Wunsch nach Geld, entscheidet wirklich die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager darüber, was daraus wird. An die Stelle des Wertes, den kapitalistisch produzierte Waren in ihrem Produktionspreis haben, tritt da die freie Bewertung durch die Kundschaft - eir Art der "Wertbildung", die die normalen Gesetze der Warenzirkulation auf den Kopf stellt, eben deswegen der Spekulation ein weites Betätigungsfeld eröffnet - und allen Vorstellungen über Tauschgerechtigkeit mitsamt der daraus abgeleiteten Kritik an "strukturellen Ungerechtigkeiten" des Weltmarkts Hohn spricht.
Für die Finanz- und Wirtschaftspolitik der afrikanischen Staaten oder genauer: für ihre der Finanz- und Wirtschaftspolitik bürgerlicher Staaten analogen Aktivitäten folgen aus dieser Art von Außenhandel lauter Paradoxien. Die Staatsgewalt bringt es so fertig, ihren Bestand zu finanzieren, ohne in ihrem Herrschaftsbereich über Quellen wirklichen universal verwendbaren Reichtums zu verfügen, also ohne die dafür eigentlich unerläßliche Akkumulation. Ohne ein nationalen Überschuß repräsentierendes, also profitträchtiges Warenangebot betätigt sie sich als Außenhändler, indem sie die in ihrem Bereich vorfindlichen sachlichen Voraussetzungen einer möglichen, aber eben nicht existierenden nationalen Produktion zur Ware deklariert - selbstverständlich ohne ihnen damit doch die Eigenschaft eines mehrwertträchtigen Warenkapitals verleihen zu können. Sein Geschäft macht ein solcher Souverän somit durch die bloße Veräußerung seiner natürlichen Reichtümer, ohne durch diese Transaktion die Bedingungen für eigenen Reichtum zu schaffen und ihn zu vermehren. Wo die kapitalistischen Staaten den welthistorischen "Kunstgriff" praktizieren, ihre eigenen Unkosten zum Mittel der Akkumulation zu machen, bestreiten die politischen Souveräne Afrikas ihren Finanzbedarf mit einem "Geschäft", das die vorhandenen stofflichen Voraussetzungen sowohl für den Aufbau einer nationalen Produktion - die deswegen auch nicht zustandekommt - als auch für die Fortführung dieser trostlosen Sorte von "Geschäft" nur mindert. Und schließlich: Eben weil ihr Export grundsätzlich nichts mit Gewinn zu tun hat, sondern mit dem Ausverkauf der "Reichtümer" des Landes zur Finanzierung des existierenden Herrschaftsapparats dient, haben die als Verkäufer auftretenden Souveräne mit der Höhe des Preises für ihre als Mittel fremden Reichtums freigegebenen Rohstoffe ökonomisch nichts zu schaffen. (Vgl. Resultate 6, Imperialismus 3, München 1981, S. 132-136)
Kapitalimport: Praktizierter Entwicklungsidealismus und Schulden - Hungerbringer Nr. 1
Die schwarzen Gründungsväter ihrer jungen Nationen waren nicht dumm. Schließlich waren sie ja durch die hohe Schule ihrer ehemaligen Kolonialmächte gegangen. So wußten sie gleich, was zu einer ordentlichen souveränen Staatsgewalt alles gehört, merkten aber auch rasch, daß ihre Instandsetzung, Instandhaltung und Aufpolierung eine ganze Menge Geld kostet. Und sie konnten feststellen, daß die Erlöse aus dem Export der landestümlichen Früchte und Bodenschätze, die Gewinne aus den paar Staatsbetrieben (die sie noch dazu im Ausland erst hatten kaufen müssen) sowie die Beteiligungen an den ausländischen Plantagen, Minen oder Verarbeitungsindustrien den Staatshaushalt nicht so recht füllen wollten. Darüber muß den afrikanischen Politikern irgendwie klar geworden sein, daß mit einer Nation, die sich alle sachlichen Mittel ihrer Herrschaft im Ausland kaufen muß und diese nicht einmal mit dem nationalen Geld bezahlen kann (weil nun einmal bei Banknoten Druckkosten nicht honoriert werden), nicht viel Staat zu machen ist. Da Afrikas politische Elite auch gelernt hatte, wie zutiefst rückständig die sprichwörtliche Selbstgenügsamkeit ihrer Vorfahren war und daß wahre Unabhängigkeit nur über "Fortschritt" erreichbar ist, machten sich die schwarzen Souveräne daran, sich ihre "Bananenrepubliken" oder "Kakaostaaten" in Industriestaaten entwickeln zu lassen. "Rasche Industrialisierung" hieß die Parole, in der UNO allgemein anerkannt, so daß dieser moderne Völkerbund regelrechte "Entwicklungsdekaden" (1960-1970; 1970-1980) einläutete. Es ist ja auch gar nicht so unlogisch, über die Anschaffung und Einrichtung allgemeiner Voraussetzungen der Produktion eine eigenständige Wirtschaft in Gang bringen zu wollen: Ausbau einer Infrastruktur (Transport- und Fernmeldewesen), Sicherung der Energieversorgung; Beschaffung von Grundstoffindustrien wie vor allem Stahl, aber auch Düngemittelindustrie; nicht zuletzt der Ausbau der allerallgemeinsten Produktionsbedingung, des staatlichen Sektors. Daß die schwarzen Herrschaften sich für ihr Entwicklungsprogramm die reichen Industrienationen in Westeuropa und Nordamerika - manche auch die große Sowjetunion - zum Vorbild nahmen, war nur natürlich; denn die Kolonialmächte imponierten ihnen immer noch schwer.
Da es den hoffnungsvollen afrikanischen Politikern nicht verdächtig vorkam, mit welchem Interesse die großen Industrienationen des Westens und ihre Kapitalbesitzer bereit waren, Afrika bei seiner Entwicklung zu helfen mit Geld- und Warenkapital, ward das Entwicklungsprogramm realisiert. Das Ergebnis ist überall ziemlich gleich:
- Zum Beispiel Staudämme oder Kraftwerke zur Energiegewinnung. Ihre tatsächliche Nutzung liegt in der Regel weit unter der Kapazität zur Stromerzeugung. Die Industrien, für die die Energie gedacht war, gibt es nicht. Sie aufzubauen, fehlt dem Staat das Geld, bzw. er bekommt dafür keine Kredite. Aus demselben Grunde wird das Ideal, einen Stausee auch noch für die landwirtschaftliche Bewässerung zu nutzen, nicht Wirklichkeit. Am Zaire-Fluß im gleichnamigen Land stehen zwei Wasserkraftwerke.
"Im Sommer 1982 wurde die zweite Stufe des Kraftwerks, Inga II, betriebsfertig. Aber Inga II wird wohl den Betrieb nie voll aufnehmen. Inga I und Inga II könnten zusammen eine Leistung von 1760 Megawatt produzieren (...). Das angeschlossene Netz absorbierte aber zur Spitzenzeit nur 190 Megawatt, ganze zwölf Prozent also. Um wenigstens einen Teil des Stroms brauchen zu können, mußte man eine sündhaft teure Überlandleitung zu den Kupferminen von Shaba bauen... Die Überlandleitung nach Shaba allein kostete 1,3 Milliarden Dollar." (Bänzinger, Saat der Dürre, a.a.O., S. 159)
Über ein großes Stauwehr mit Elektrizitätswerk verfügt auch Mosambik mit Cabora Bassa. Den dort produzierten Strom kauft, wenn überhaupt, der feindliche Nachbar, die Republik Südafrika.
- Zum Beispiel eine Stahlindustrie. Siehe Nigeria:
"Stahl hatte damals für Nigeria absolute Priorität. Mit einer eigenen Stahlindustrie wollte das wirtschaftlich (Erdöl) und bevölkerungsmäßig (rund 100 Millionen Einwohner) wichtigste Land Afrikas den technologischen Durchbruch erzielen, wollte die Abhängigkeit von den Industriestaaten abschütteln." (ebenda, S. 166)
Ein Riesenstahlwerk wurde erst 1983 gebaut, zusätzlich zu den schon vorhandenen. Die Gestehungskosten des nigerianischen Stahls liegen, nicht zuletzt wegen der hohen Transportkosten im Lande, ein gutes Stück über dem Weltmarktpreis. Und das Vorhandensein von Stahl macht für sich noch keine Sekundärindustrie. Im Gegenteil:
"1985 mußte Nigeria bei stark gesunkenen Öleinnahmen von nur noch zehn Milliarden Dollar allein vier Milliarden für Zinsen und Rückzahlungen ausgeben. Der Rest genügte nicht mehr, um einerseits die nötig gewordenen Nahrungsmittel- und Konsumgüter zu importieren und andererseits die Industrie in Gang zu halten, die bei den benötigten Rohstoffen und Ersatzteilen zu 70 Prozent von Importen abhängig ist." (ebenda, S. 169)
- Zum Beispiel eine Agrarindustrie. Etwa im relativ jungen Staat Guinea-Bissao. Für diese Industrie fehlen die Rohstoffe, weil die landwirtschaftliche Produktion zurückgeht oder die Rohstoffe gleich roh verkauft werden.
"Das verrückteste ist der agro-industrielle Großkomplex von Cumere, der schon 30 Millionen Dollar verschluckt und eine so überdimensionierte Kapazität hat, daß es schon der gesamten Erdnußernte Westafrikas bedürfte, ihn auszulasten. Kein einziger von Luis Cabrals Industriebetrieben wurde ein Erfolg: weder die Bierbrauerei und die Plastikfabrik, die wegen des Mangels an Rohmaterialien meist stillstehen, noch die Automontageanlage von Citroen, deren Sinnlosigkeit angesichts des unterentwickelten Straßennetzes von vornherein abzusehen war." (Süddeutsche Zeitung, 24.9.1986)
- Zum Beispiel größere landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte mit Bewässerung, Maschinenpark usw. Sobald die Kreditgelder verbraucht und die Entwicklungsfachleute abgezogen sind, stellt sich regelmäßig heraus, daß für die Fortführung des Projekts mehr Geld nötig, als mit den Weltmarktpreisen für die hergestellten Güter zu erlösen ist. Die Pumpen und Traktoren vergammeln, und die Neger werden auch noch dafür haftbar gemacht.
- Zum Beispiel monumentale Bauten für Afrikas Souveränitäten. Sie haben ihren Zweck voll und ganz erfüllt. Die Staaten haben sie.
'Entwicklungsruine' oder 'unser Afrika'?
Heute gelten diese Beispiele als Fälle von "Entwicklungsruinen", "Monster-Projekten" und afrikanischem Größenwahn, als "sinnlose Verrücktheiten" und schwere "Sünden der Entwicklungspolitik". Gemessen am Entwicklungsidealismus ist das natürlich ziemlich viel gescheitert. So lassen sich dann auch eine Menge saudummer Gründe finden, weshalb sich in Afrika "trotz aller Hilfe" kein Wirtschaftswachstum, sondern nur Verfall eingestellt hat: Die Projekte sollen zu groß ausgefallen sein für afrikanische Verhältnisse; sie hätten den Eigentümlichkeiten der afrikanischen Menschennatur nicht entsprochen; anstatt erst im kleinen in der Landwirtschaft zu entwickeln, hätten sie, zu sehr am Muster der Industrienationen orientiert, notwendige Schritte überspringen wollen. Andererseits soll auch die Mißwirtschaft und Korruption der afrikanischen Möchtegern-Souveräne einen großen Anteil an der schief gelaufenen Entwicklung haben - Hätte es denn anders kommen können, wenn unbestritten ist, daß Afrika an Geld und Kapital gemessen wird und auch Afrikas Souveräne auf nichts anderes ihre souveräne Macht gründen wollen? Vielleicht sollte man einmal damit aufhören, immer dann, wenn es um die Benutzung von Negern geht, Geschäft und Gewalt in gut und böse auseinanderzudividieren.
Die Entwicklungspolitik in und mit Afrika war erfolgreich; ihr offiziell verkündeter ideeller Zweck gehört zur Verkaufsstrategie. Deutsche, andere europäische und nordamerikanische Firmen haben am Bau der Entwicklungsprojekte verdient - sonst wären Siemens oder die Baufirma Julius Berger ja wohl nicht eingestiegen - zum Beispiel! Konsortien von Privatbanken dieser westlichen Breiten waren so frei, Kredite zu vergeben, damit über den Zins ein Geschäft daraus wird. Und Staaten wie zum Beispiel die Bundesrepublik haben mit ihren Entwicklungskrediten, bei denen es sich keineswegs um zinslose handelt oder gar um Geschenke, sondern um längerfristige mit geringeren Zinsen als marktüblich, erstens über "Mischfinanzierung" ihren Banken ein Geschäft vermittelt, das sonst gar nicht zustandegekommen wäre, zweitens nationalen Produktionsfirmen - egal ob die Entwicklungskredite "liefergebunden" hießen oder nicht - Aufträge verschafft. Im Falle der Kreditierung des Masinga-Staudammes in Kenia sah die bundesdeutsche Sache so aus:
"Sie (die Kredite) sind - im Gegensatz zu den britischen - nicht liefergebunden. Nicht-liefergebunden heißt, daß sie nicht mit der Bedingung vergeben wurden, Aufträge in gleicher Höhe an das Geberland zu erteilen. Dennoch zeigt sich nach den internationalen Abschreibungen für die Bauarbeiten, daß die Entwicklungszusammenarbeit keine finanzielle Einbahnstraße ist: Aufträge für fast 200 Mill. Mark - also ein Vielfaches (!) der Mittel der finanziellen Zusammenarbeit - gingen an bundesdeutsche Firmen; sie erhielten insbesondere für die Turbinen und die Rohre den Zuschlag." (Jahresbericht des BMZ 1984, S. 20) Die Einbahnstraße verläuft eben genau andersherum. Wie sollte es auch anders sein, wenn die kapitalistischen Industrienationen Geld- und Warenkapital in afrikanische Länder exportieren, wo es an diesem Kapital gerade mangelt, so daß die Kapitalhilfe ziemlich einseitig genutzt wird?
"Ein seit vielen Jahren in Entwicklungsländern tätiger UNO-Experte für Wirtschaftsfragen schätzt, daß sechzig Prozent der Entwicklungshilfegelder direkt ins Ausland zurückfließen und daß von den restlichen vierzig Prozent der weit überwiegende Teil indirekt den elben Weg nimmt, zum Beispiel über ausländische Firmen in Entwicklungsländern." (Kurt Gerhardt, "In den Händen des Volkes". Erfahrungen mit Entwicklungshilfe im Niger. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33-34/87, S. 5)
Entwicklungshilfe hat neben dem Geschäft, das die helfenden Nationen oder deren Unternehmer mit ihr gemacht haben, einen zweiten, ebenso imperialistischen, Zweck erfüllt: Die notwendigen Mittel, ihre souveräne Herrschaft auszuüben, haben Afrikas Staatsmänner erhalten. Das Regieren dort verhungert nicht. Freilich haben die politischen Repräsentanten des schwarzen Erdteils nicht bekommen, was sie sich erhofft hatten: durch den Aufbau und das Wachstum einer eigenen Volkswirtschaft politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen. Im Gegenteil: Die Dienstbarkeit der afrikanischen Staaten für die imperialistischen Metropolen, vor allem von Westeuropa, ist durch die großzügige Hilfe dieser Geberländer erst richtig fruchtbar und unauflöslich geworden. Nicht nur dadurch, daß Afrikas Nationen mit den Erträgen des Reichtums, den ihre Herrschaften aus dem Lande schaffen oder schaffen lassen, weiterhin total auf den nützlichen Gebrauch des nachfragenden Auslands angewiesen sind, daß sie umgekehrt so gut wie alle sachlichen Mittel ihrer Herrschaft und ihrer bescheidenen Wirtschaft im Ausland kaufen müssen. Nicht nur dadurch, daß die Tendenz der Deviseneinnahmen negativ ist, weil die Kurse der Rohstoffpreise kontinuierlich nach unten zeigen und dazu noch die Masse der in den Ländern erzeugten landwirtschaftlichen Produkte stetig sinkt. Die staatlichen und sie begleitenden privaten Kredite für das Projekt "afrikanische Entwicklung" haben noch das, klare Verhältnisse stiftende, Ergebnis, daß die Entwicklungsspender, Gläubiger und die Entwicklungsländer Schuldner sind. Was sonst in der kapitalistischen Welt niemanden erschüttert, weil Schulden Hebel des geschäftlichen Wachstums sind, macht den afrikanischen Ländern schwer zu schaffen; ihnen fehlt nämlich für die kapitalistische Gleichung 'Schulden sind ein Geschäft', die Geschäftsgrundlage und das Geschäft. Ob aber die Ausrufung einer "Schuldenkrise Afrikas" - nach der Entdeckung der "Krise der Landwirtschaft" in Afrika, der "Wirtschaftskrise" dort oder der "Krise Afrikas" überhaupt - die Sache genauer trifft, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall spricht schon vordergründig gegen diese Theorie von dem hereinbrechenden Unfall, daß es wenig Planvolleres gibt im Reich des Kapitalismus als die laufende und gelaufene Herrichtung Schwarzafrikas.
Organisierter Schuldendienst für Afrika
So ist es dazu gekommen, daß die Sub-Sahara-Staaten etwa 200 Milliarden Dollar zum Schuldenberg der "Dritten Welt" beitragen. Das tut seine Wirkung. Diese Schulden wollen "bedient" sein, und zwar mit guten Devisen. Nur ist der Export von Zinsen kein gutes Geschäft. Und die Erlöse aus anderweitigem Export, mit denen die Zinsen finanziert werden, sinken aus genannten Gründen; da heißt es rechnen und experimentieren, z.B. so, daß das Grundnahrungsmittel Hirse exportiert wird und dann Reis importiert wird, damit wenigstens die Leute in den Städten, die etwas Geld haben, sich ihr tägliches Brot kaufen können.
"Der Schuldendienstquotient (also das Verhältnis von Exporteinnahmen zu Schuldzinien und Tilgungen) in Ländern wie Tansania, Sudan, Sambia, Zaire oder Cote d'Ivoire erreicht bedrohliche Größenordnungen (50 bis über 100%), so daß Neuinvestitionen und lebenswichtige Exporte kaum noch zu finanzieren sind." (Rainer Tetzlaff, Priorität den Überlebenschancen, Entwicklungskonzeptionen aus und für Afrika, in: Das Parlament, 33-34/1987)
Schmerzlich bemerkbar macht sich auch die Tatsache, daß Kredite, auch wenn sie Entwicklungshilfe heißen, nicht dem Bedarf und dem Wohlergehen dessen dienen, der sie - womöglich gegen Hunger - braucht. Gegenwärtig entwickelt sich Afrika dadurch, daß seine Länder die Schulden der Entwicklungshilfe zurückzahlen.
"Was Afrika an Schulden zurückzahlt, ist mehr, als es an (Entwicklungs-)Hilfe erhält. Afrika ist ein Netto-Exporteur von (Kapital)Ressourcen, kein Empfänger.... Afrika hat im vergangenen Jahr 14 Milliarden Dollar Schuldendienst geleistet - aber nur 11 Milliarden Dollar Hilfe erhalten. " (Adebayo Adedeji, Exekutivdirektor der UN-Wirtschaftskommirsion für Afrika, Frankfurter Rundschau, 1.7.1981)
Wer nicht wahrhaben will, daß Entwicklungskredite Mittel von lauter Geschäften sind - und zwar nicht in den Schuldner-, sondern in den Gläubigerländern - und Instrumente der wirtschaftspolitischen und politischen Einflußnahme, der könnte natürlich auf die Idee verfallen, man sollte doch wenigstens durch Vereinfachung Kosten sparen und die schwarzen Staaten einfach die 2 Milliarden nach Europa und Übersee überweisen lassen. Wie naiv so etwas gedacht ist, bekommen selbst Afrikas Souveräne mit, wenn sie um Stornierung oder Streckung der Schuldentilgung, um Umschuldung und/oder neue Kredite nachsuchen. Als Bittsteller wissen sie genau, daß nicht sie etwas verlangen können, sondern umgekehrt die Geber die Bedingungen setzen, unter denen etwas läuft. Und die treten, bevor sie selbst rührig werden, zuerst mit der organisierten Wucht der kapitalistischen Industrienationen, dem IWF an - quasi der Planungsbehörde für Schwarzafrika, die über Kreditvergabe entscheidet und von den afrikanischen Regierungen "einschneidende Maßnahmen" verlangt, bevor es überhaupt einen Kredit gibt. Und mit dieser gar nicht unsichtbaren Hand sorgt sie allgemein für die Fortsetzung der gedeihlichen Benutzung Afrikas und dafür, daß dessen Staatsmänner es an Wohlwollen gegenüber dem Westen nicht fehlen lassen.
Die Voraussetzungen für den umfassenden und zwingenden Charakter der Einflußnahme sind eingerichtet. Die afrikanischen Länder bekommen 70 Prozent ihrer Kredite von internationalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds. Und die Kreditschraube sorgt für wirtschaftspolitische Folgsamkeit im Sinne der Oberaufseher vom IWF.
"Mehr als jeder zweite Dollar, der im Export verdient wird, muß derzeit und in den nächsten Jahren für den Schuldendienst ausgegeben werden, und gut die Hälfte dieser Quote beansprucht allein der Währungsfonds, obwohl dort nur rund ein Viertel der ghanaischen Auslandsschulden zu Buche stehen. Der Grund: Der IWF vergibt grundsätzlich nur kurz- und mittelfristige Kredite mit einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren. Entsprechend hoch fallen die Tilgungsraten aus. Ghana-Experte Siebold: 'Die mittelfristigen IWF-Kredite führen zu einer den Wiederaufbau gefährdenden Schuldendienstbelastung.' Es sei grundsätzlich unsinnig, ein langfristiges Anpassungsprogramm mit kurz- und mittelfristigen Krediten zu finanzieren." (Die Zeit, 8.1.)
Für einen Entwicklungsexperten mag das "unsinnig" sein, nur meint "Anpassung" etwas anderes, als er sich denkt. Der IWF dringt mit dem Sachzwang Kredit wirkungsvoll auf die Einführung und Einhaltung kapitalistischer Gepflogenheiten. Und diese "Rückkehr zur Marktwirtschaft" bringt wegen der Eigentümlichkeiten der afrikanischen Wirtschaften, wegen ihrer besonderen Abhängigkeit vom Weltmarkt der Großen spezielle Feinheiten mit sich, an denen sich aller Entwicklungsidealismus blamiert.
Der Sudan, der über die größte Fläche bebaubaren Bodens in dieser Region verfügt, sollte mittels großer Bewässerungsprojekte, die das sonst verdunstende Wasser des Nil nutzen, zum "Brotkorb des Nahen Ostens" werden. Sinkende Exporte und Exporterlöse der Hauptexportware Baumwolle, steigende Ölpreise und steigende Zinssätze bei den Schulden brachten 1978 den Sudan in Finanzierungsschwierigkeiten. Das Land ersuchte den IWF um Hilfe. Dieser setzte die Bedingungen für ein "Stabilisierungsprogramm".
"Der IWF forderte die Beschneidung der Subventionen für Nahrungsmittel, eine Begrenzung der öffentlichen Verschuldung und Abwertung der Währung. Die Geschäftsbanken warteten auf eine Billigung des IWF, bevor sie weitere Kredite vergaben. 1980 gab die Weltbank, der Partner des IWF, folgende Anordnungen:
1. Die Prioritäten sollten nicht länger bei den großen Entwicklungsprojekten im Süden und Westen (den ärmsten Gebieten) liegen;
2. Die Bewässerung im Osten des Landes sollte verbessert werden, um die Baumwollernte für den Export zu steigern;
3. Baumwolle sollte allein im Mittelpunkt der landwirtschaftlichen Produktion stehen, keine diversifizierende Nahrungsmittelerzeugung;
4. Verbesserte Vermarktungs- und Preismechanismen für die Baumwolle.
Das gegenwärtige Desaster des Sudans ist folglich darauf zurückzuführen, daß der IWF und die Weltbank ausschließlich die Produktion für den Export, in diesem Falle Baumwolle, betonten, keine Gelder für die dringend benötigten Infrastrukturprojekte wie die Modernisierung des völlig veralteten Eisenbahnnetzes bereitstellten und darauf bestanden, daß Schuldenrückzahlung Priorität haben sollte." (Das größte Sicherheitsproblem ist der IWF! Eine Studie des Schiller-Instituts, Hannover 1985, S. 9)
Einmal abgesehen von den Wirkungen auf die Neger, die es ja im Sudan auch noch gibt, besteht die "Strukturanpassung" der allesamt "überschuldeten" Länder darin, aus ihnen regelrechte Kontore der kapitalistischen Industrienationen zu machen, ohne jeden Entwicklungsschnörkel. Die Kontoristen, also die afrikanischen Souveräne, erhalten ihr Salär dafür, daß sie die Geschäftsrichtlinien der Muttergesellschaften befolgen, und dürfen sich dafür sogar wie echte, anerkannte Herrschaften aufführen und empfangen lassen. Sie haben dafür zu sorgen, daß die Verbindlichkeiten eingehalten werden, daß nur Artikel erzeugt werden und dann aber auch alle weitergeliefert werden, die wohlfeil und in Europa und Übersee zu gebrauchen sind. Sie haben darauf zu achten, daß nicht unnütz Ware oder Geld für Land und Leute ausgegeben wird. S o dürfen sie weiterhin das Ideal einer eigenständigen Volkswirtschaft pflegen. Dafür wird ihnen sogar ein freiwilliger Sonderlohn in Form von Nahrungsmittelhilfe" gewährt. Die Helfer nähren damit bei den Souveränitäten den Idealismus, für das "Wohl des ganzen Volkes" zuständig zu sein. Wenn der IWF und seine Auftraggeber heute eine "Privatisierungspolitik" praktizieren und die "Rückkehr zu Marktgesetzlichkeiten" verlangen, so wird darin der Anspruch deutlich, wie Afrika dem Imperialismus nutzen soll. Denn wenn Marktgesetzlichkeit dort herrschen soll, wo alle finanziellen und sachlichen Voraussetzungen einer kapitalistischen Industrie und freien Marktkonkurrenz nicht gegeben sind, dann ist als ökonomischer Inhalt der Ausübung der Souveränität dort unten gefordert, das Land mit seinen Rohstoffen und Anlagesphären für den Bedarf des Wachstums der Industrienationen bereitzuhalten und zur Verfügung zu stellen.
"Die entwicklungspolitische Logik dieses Ansatzes besteht im Kern darin, alle nicht direkt wachstumsfördernden Staatsausgaben auf ein Minimum zu beschränken, unrentable Industrie- und Dienstleistungsbetriebe aufzugeben, die alten kolonialwirtschaftlichen Agrarbetriebe zu 'rentabilitieren', um so Devisen zu sparen bzw. zu verdienen." (Tetzlaff, Überlebenschancen, a.a.O.)
Devisen für wessen Wachstum?
Das erfolgreiche Agieren des IWF gilt den westlichen Nationen und privaten Krediteuren als Sicherheit, nun ihrerseits mit Umschuldungen und ähnlicher Entwicklungshilfe fortfahren zu können, nach denselben Prinzipien, wie sie der IWF anwendet - zur gedeihlichen Benutzung Afrikas und ihrer Fortführung.
"Im Zuge der 1983 vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank konzipierten Sanierungsprogramms müssen unrentable Staatsbetriebe schließen, wird die Wirtschaft unter Betonung des privatwirtschaftlichen Sektors umstrukturiert. Die Regierung (der BRD) führt dieses Programm entschlossen durch. Zwischen Togo, Weltbank, IWF und der Bundesregierung findet eine intensive Abstimmung aller Entwicklungsmaßnahmen statt." (Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung 1985)
Wenn die Bundesrepublik jüngst mit Nigeria eine Umschuldung vereinbart hat über 2,4 Milliarden Mark bis 1995, wenn dieselbe Bundesrepublik eine Entwicklungspolitik der kleinen Projekte (Landwirtschaft, Kleinindustrie und Handwerk) sowie der "Erhaltung des Bisherigen" (Erneuerungen im Transportwesen z.B.) propagiert und praktiziert, dann sind das Belege dafür, daß man Afrika im Sack hat als Dependance der europäischen Wirtschaftsmacht. Die bisherige Entwicklungspolitik ist nicht gescheitert, sondern hat die Abhängigkeiten geschaffen, die es heute gestatten, die Entwicklungspolitik "realistischer" zu fassen und noch kostengünstiger zu gestalten.
Übrigens beweisen Schuldenerlasse nicht das Gegenteil. Die Bundesrepublik hat 20 afrikanischen Staaten (vor allem aus der Sahelzone, aber auch Togo) von ihren Schulden an die BRD befreit, und Entwicklungshilfe an diese Länder besteht in "Zuschüssen", die nicht zurückgezahlt werden müssen. - Erstens haben die gestrichenen Kredite ihre Schuldigkeit getan, nämlich Geld- und produktive Geschäfte ermöglicht. Zweitens haben sie Abhängigkeit geschaffen, so daß die Schuldenerlasse und Zuschüsse geradezu wie billige Alimente fungieren, die Benutzbarkeit der Länder zu erhalten und den politischen Einfluß auch auf die "ärmsten Länder" zu sichern. So hat der deutsche Imperialismus Afrika im Griff, ohne daß dies gleich die bürokratischen Formen annehmen muß, wie sie Frankreich praktiziert:
"Der Außenhandel (der Zentralafrikanischen Republik) wird weitgehend von französischen Firmen kontrolliert. Frankreich ist der wichtigste Handelspartner (ca. 60% aller Im-und Exporte), Kapitalgeber und Gläubiger. Es finanziert zwei Drittel des Staatshaushalts durch direkte Subventionen, das ist ebenso viel, wie allein die Gehälter der Staatsbürokraten verschlingen. Überspitzt kann man sagen, daß die Regierung der ZAR und ihre Angestellten aus Paris bezahlt werden. So verwundert es auch nicht, daß der neue starke Mann im Land, General Kolingba, Frankreich öffentlich aufforderte, ein Jahr lang alle Gehälter seiner Beamten zu zahlen." (blätter des iz3w, August 1985, S. 23)
Schulden - Dienst für Hunger
Eigentlich könnte es der Bevölkerung Schwarzafrikas egal sein, wieviel Schulden ihre Herrschaften haben und wie sie die Schuldentilgung bewerkstelligen; die Neger haben wirklich andere Probleme. Nur ist es in Afrika so, daß die Auslandsverschuldung der afrikanischen Staaten (deretwegen ja die Souveräne dort nicht am Stock gehen) und ihre Verwaltung durch IWF und dessen maßgebliche Staatenwelt ganz von selbst und selbstverständlich das Leben und den Lebensunterhalt der schwarzen Bevölkerung betreffen. Sie sorgen ganz speziell noch einmal dafür, daß in Afrika die Hungerleider zunehmen.
Das "Sanierungsprogramm" des IWF und seiner Unterorganisationen verlangt die Konzentration der Produktion auf landwirtschaftliche Güter, die exportierbar sind; auf der anderen Seite soll der Import von notwendigen Lebensmitteln gerade reduziert werden. Auch für die Schwarzen stellt sich der Mangel an Nahrungsmitteln als Geldmangel dar, und der wird durch die sogenannte Strukturanpassung ziemlich radikalisiert. Damit die Bauern, die auch fürs eigene Land produzieren, einen Anreiz hätten, werden die Preise dieser Lebensmittel hochgesetzt. Die Subventionen für die zum großen Teil importierten Nahrungsmittel müssen fallen. So kommen 30-70-prozentige Preissteigerungen von Grundnahrungsmitteln heraus. Dazu kommt dann noch ein durch Inflation und befohlene Abwertung (bis zu 50%) geregelter Kaufkraftschwund des Geldes.
"Die hausgemachte Inflation in den sechziger Jahren und die importierte Inflation durch die drastische Abwertung des Cedi in den achtziger Jahren haben das Realeinkommen der Ghanaer gewaltig reduziert. Selbst nach vorsichtigen Schätzungen ist es heute kaum höher als vor fast zwanzig Jahren. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn liegt in diesem Jahr bei 112 Cedi pro Tag. Das ist kaum mehr als umgerechnet eine Mark. Ein Maurer verdient etwa 200 Cedi pro Tag, ein Angestellter im öffentlichen Dienst vielleicht zwischen 300 und 400 Cedi.
Das ist zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Das zeigt sich, wenn man über Accras Makola-Markt geht und dort einen Blick auf die Preise wirft: Ein Kilo Mehl kostet 150 Cedi, ein Kilo Zucker 175 Cedi. Eine Jamswurzel, die für eine Person zwei Tage lang reicht, ist für 150 Cedi zu haben. Fünf Stücke des Grundnahrungsmittels Cassava, von denen drei Personen satt werden, kosten 100 Cedi, eine Flasche heimisches Bier ist genauso teuer. 'Früher hatten wir nichts zu essen, weil es nichts zu kaufen gab', meinte ein Arbeiter sarkastisch, 'jetzt haben wir nichts zu essen, weil alles zu teuer ist'." (Die Zeit, 8.1.)
Und was ist mit denen, die keine Arbeit haben und sich auch nicht mehr mit einem Stück Boden oder Vieh ein bißchen selbstversorgen können, denen also, die in den Slums der Städte hausen? Auf Afrikas Märkten kommt es vor, daß Zwiebeln geviertelt angeboten werden. Offenbar ein Exempel der "Preiswahrheit", die Entwicklungspolitiker endlich in Afrika durchsetzen wollen.
Die Segnungen der für Afrika hausgemachten Marktwirtschaft lassen sich natürlich mit Gewalt steigern. Da die Herrschaften im Sudan die geforderten Preiserhöhungen für Lebensmittel nicht durchsetzen wollten - es gab Unruhen bei der Stadtbevölkerung - und auch sonst westliche Vorbehalte gegen die Politik dort bestanden, wurde 1984 die Wirtschaftshilfe radikal gekürzt. Da brauchte es nur noch die Verstärker Dürre und Flüchtlingsstrom, und 1984 konnte die UN-Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) den "Brotkorb des Nahen Ostens" (s.o.) zum Nahrungsmittelnotstandsland erklären. - Der IWF und die Weltbank fordern vom Sudan die Einhaltung der Schuldenrückzahlungstermine und Abwertung der Währung sowie Preiserhöhungen für Brot und Benzin. Die FAO leitet "Nahrungsmittelhilfe" ein, und Politiker des Westens animieren ihr Volk zur Hungerhilfe. Die imperialistische Arbeitsteilung für 'unser Afrika'!
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Afrika ist zu einem Hungerkontinent entwickelt worden. Die Einfuhr von Geschäft und Gewalt, die Einrichtung und Zurichtung der afrikanischen Länder zu unabhängigen Dependancen der Metropolen des Kapitalismus - vor allem der Hauptstaaten der EG - haben das zwingend ergeben.
Derweil lobt sich die Bundesregierung dafür, den Negern nicht mehr mit unpassenden Traktoren, sondern mit der "Verbreitung der Ochsenanspannung" (BMZ) zu helfen. Und sie finden damit noch Anerkennung bei allen Anhängern des Entwicklungsidealismus, weil die doch tatsächlich die Ochsentour der Bundesregierung für ein den Negern gemäßes Programm halten. Mit demselben Recht könnten sie den Zynismus fortführen und zu der Einsicht gelangen, daß Hungern der Mentalität der Neger gerecht wird. Haben die Neger denn etwas anderes gelernt, seitdem sie erst der Kolonialismus und dann der Imperialismus entdeckt hat?!