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Freedom and Democracy
WIE AMERIKANER DEMOKRATISCH EINEN LANDSMANN AUSSUCHEN, DER DANN PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA WERDEN SOLL.
"Wie noch jeder eitle Wichtigtuer, dem es Spaß machen würde, alle anderen einmal so richtig herumkommandieren zu dürfen, habe auch ich schon mit dem Gedanken gespielt, mich für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu bewerben." (Norman Mailer, The Armies of the Night)
In den USA toben Vorwahlen, zu denen beide Volksparteien das Volk bemühen: Die Wähler sollen selbst entscheiden, wem sie am ehesten zutrauen, daß er sie am ersten Dienstag im November zur Stimmabgabe für sich rumkriegt. Demokratischer geht's also wirklich nimmer.
Das Verfahren
Wie die Abgeordneten des Obersten Sowjet gewählt werden oder mit welchem Auswahlverfahren sich der Aufstieg ins Politbüro der KPdSU bewerkstelligen läßt, das braucht hierzulande niemand zu wissen, um das Urteil zu bestätigen, das ohnehin feststeht und worauf es ankommt: Hinter dem "Eisernen Vorhang" hat der Volkswille nichts zu sagen, und wenn ihm überhaupt Wahlen angeboten werden, dann als Farce. Wahr ist daran soviel, daß in der Sowjetunion die Akklamation einer Führung gilt, die nach anderen, nämlich den Eignungskriterien der Partei bestellt worden ist.
Wenn in den USA eine Präsidentenwahl ansteht, dann beschäftigt das "komplizierte" System der "primaries" die Medien der Freien Welt, und ganz normale Bundesbürger werden darüber auf dem laufenden gehalten, was ein "caucus" ist, und wieso ein Dienstag im März "super tuesday" heißt. Bei diesem Zirkus steht ganz außer Frage, daß er von höchster Bedeutsamkeit ist, weil es immerhin um das Führungsamt des Westens geht, und daß die im Fernsehen gezeigten Siegesfeiern mit Humba-Humba-Täterä, auf denen jubelndes Fußvolk die Verehrung von Personen kultiviert, nichts weniger sind als Höhepunkte des Schönsten und Besten, was die Freiheit zu bieten hat, nämlich demokratische Wahlen der Herrschaft: Da ist die Akklamation das Mittel der Führung, sich zu etablieren.
Der Respekt vor diesem Institut und die Ehrerbietung gegenüber der Weltmacht Nr. 1 sorgen dafür, daß noch die billigsten Tricks der Stimmviehfängerei und die albernsten Rituale der Führerkür anteilnehmend "analysiert" und verständnisvoll kommentiert werden. Der Zweck der Veranstaltung ist jedermann bekannt: Demokraten und Republikaner veranstalten Probeläufe beim Parteifußvolk (dazu gehört in den USA jeder, der öffentlich erklärt, für gewöhnlich der einen oder der anderen Partei zuzuneigen), bei denen alle Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur dadurch ihre Erfolgschancen unter Beweis stellen müssen, daß sie Erfolg haben.
Während früher die lokalen Politiker, die den Parteiapparat kontrollieren und organisieren, auf den Wahlparteitagen aushandelten, wen sie mehrheitlich für am geeignetsten einschätzten, als Präsident die Republikaner bzw. die Demokraten in die relevanten Jobs der Administration zu bringen, wird seit den 60er Jahren "dem Volk eine Chance" gegeben, dabei mitzumachen ("Let the people choose their own candidates!"). Das verlängert die "heiße Phase" des Wahlkampfs auf ein Jahr, kostet entsprechend mehr Geld, hat aber den Vorteil, daß die Publikumswirksamkeit aller potentiellen Kandidaten unter "realistischen Bedingungen" getestet werden kann. Ferner verschafft die Einbeziehung des Stimmvolks beim Kandidatenküren diesen jede Menge freiwillige Wahlhelfer, die dank des Angebots von oben ihre jugendliche Begeisterungsfähigkeit als Fans eines Kandidaten in die Wahlkampagne einbringen.
Die beiden großen amerikanischen Volksparteien kennen auch nicht das Problem, sie würden ein wählerungünstiges Bild der "Zerrissenheit" abgeben, wenn z.B. bei den Demokraten 7 Kandidaten aufeinander eindreschen: Die Vorwahlkampagne ist eine von jedermann in den USA auch so gesehene und beurteilte Inszenierung, bei der sich die Führungsqualitäten der antretenden Personen im Fertigmachen der Konkurrenz zeigen sollen. Die wechselseitigen Anwürfe vertragen sich blendend mit der "Solidarität der Demokraten" bzw. Republikaner, wenn die "party convention" die Führer für die Hauptwahlschlacht aufs Podest gehoben hat. Dann pflegen alle Delegierten, die nicht für den Sieger gestimmt haben, im nachhinein ihr Votum zu ändern, um dem "next president of the United States" ein einstimmiges Votum per Akklamation als Wahlempfehlung mit auf den Weg zu geben. Mit Opportunismus verwechselt das keiner. Schnörkellose Zustimmung der Gefolgschaft ist der Beweis überzeugender Führung. Das macht der Demokratie so schnell keiner nach - schon gar nicht die "autoritären Regime", bei denen das immer ein Zeichen der "Schwäche" sein soll.
Unter dem Sternenbanner der Demokratie kommt allenthalben Freude und Rührung bei Führer und Gefolge auf, wenn die Politik sich auf Personenkult pur zusammenzieht. Je länger die Vorwahlkampfzeit dauert, desto ausschließlicher wird nur noch über die (Wähler-)Wirkung der Aspiranten spekuliert, jenseits aller unterschiedlichen Parolen, mit denen die Kandidaten einmal angegeben haben, um den Leuten zu erklären, ausgerechnet auf sie käme es an. Jetzt kann man in US-Kommentaren Sprüche lesen, in denen geradezu methodisch dementiert wird, hier ginge es um irgendetwas anderes als um Techniken der Macht und der Volksverdummung.
Die Demokraten bewegt z.B. die Frage, ob nicht am Ende die Partei mit einem zwar relativ erfolgreichen, aber für die Wahl im November absolut aussichtslosen Kandidaten dastehen könnte. Dagegen gäbe es dann nur eine "kühne Initiative" der Parteistrategen auf der "convention" mit der gegen alle vorgewählten Kandidaten - aber mit ihrer Zustimmung etwa der Gouverneur von New York, Mario Cuomo, oder der Südstaatensenator Sam Nunn als "vote getter" feierlich inthronisiert werden müßte. "Manipulation" bzw. Mißachtung von Wählerstimmen? Keineswegs: Wähler der Demokraten haben schließlich ein Recht darauf, daß ihnen die Partei einen Kandidaten präsentiert, der auch Präsident werden kann.
Auf der anderen Seite plagen sich die Fans der "Grand Old Party" mit dem Problem, daß ihr George Bush zwar der logische Favorit für die Nominierung zum Kandidaten ist, andererseits demoskopisch gegen alle denkbaren Kandidaten der Demokraten verlieren könnte. Der Gesamtwähler steht nicht so auf Bush wie der Wähler als Republikaner. Die Sache wird noch komplizierter, wenn man in den Zeitungen zu lesen kriegt, daß Senator Robert Dole zwar bei Präsidentschaftswahlen gegen einen demokratischen Kandidaten Dukakis gewinnen könnte, gegen Bush aber bei den Vorwahlen dauernd verliert. Auch in den USA ist die Demokratie also gar nicht so einfach.
Angebot und Nachfrage
Daß die einzelnen Kandidaten Produkte ihres "campaign managements" sind, stört die Konsumenten mitnichten: Dafür verteilen sie Punkte, sekundiert von den Kritikern in den Medien. Wer es geschickt versteht, sich zu verkaufen, der stellt damit seine Qualifikation für den Job eines demokratischen Politikers, der ja zuerst und bis zuletzt in der Kunst des Wählereinseifens besteht, schlagend unter Beweis. Insofern ist die politische Öffentlichkeit in den USA zum Kern der Sache demokratische Wahlen vorgedrungen und interessiert sich ausschließlich für die Personen: Der Wahlkampf ist eine einzige "personality show", die mit allen Tricks der massenkulturellen Unterhaltung abgezogen wird.
Dabei kommen die Aufgaben amerikanischer Politik nicht zu kurz. Sie sind durch die Stellung der Weltmacht Nr. 1 als "internationale Verantwortung" für jeden US-Politiker definiert; schon jedem amerikanischen Bürger ist als "common sense" mitgegeben, daß noch jeder Aufstand irgendwo auf der Welt die "Sicherheitsinteressen der Nation" berührt; daß jede Gefährdung der reibungslosen Versorgung mit Rohstoffen aus aller Herren Länder sofort die "Lebensadern der Freien Welt" bedroht; und daß sinkende Absatzzahlen von Coca Cola in Honduras bereits ein "Angriff auf die Freie Marktwirtschaft" sind - genauso einig sind sich Präsidentschaftskandidaten in der Sache, für die sie keine Argumente anzuführen brauchen, die sie eh nicht hätten. Das "Wall Street Journal", eine Zeitung für die Leute, auf die es auch in den USA ankommt, bot seinen Lesern für die Müsli-Pause zwischen Börsenschluß und Büroarbeit eine Tabelle mit den "Positionen" aller 12 Kandidaten zu den "top issues", zu denen sie eine Meinung haben müssen, weil sie von den Journalisten auch mal danach gefragt werden - in dieser Reihenfolge:
"Nationale Sicherheit, Mittelamerika, Haushalt, Steuern, Wirtschaft, AIDS." (4.12.1987)
In dieser Art von Fragestellung ist die Antwort schon enthalten: Eine Staatsgewalt, deren Souveränität darin sich betätigt, erfolgreichen Amerikanern in den USA und den USA gegen den Rest der Welt alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, verträgt keine Alternativen. Soweit sich da überhaupt Differenzen auftun, dann erstens deswegen, weil die Kandidaten ein bißchen Spielmaterial ("arguing chips") brauchen, um daran ihre "competence" zu demonstrieren; zweitens insofern, als sich über die noch besseren Mittel zum eintönig stets gleichen Zweck ein edler patriotischer Streit anzetteln läßt.
Beispiel "Nationale Sicherheit": Damit ist unterstellt, daß US-Außenpolitik von der subversiven Aktion bis zum Einmarsch, von der Rüstungsdiplomatie bis zum Kriegsbeginn, immer das selbstverständliche Recht Amerikas zum Zuschlagen beinhaltet. Von daher gibt es kritische Stellungen zum INF-Vertrag: Ob er eine Stärkung oder eine Preisgabe von Positionen ohne Not ist, ob vielleicht Rüsten ohne Diplomatie zielführender wäre. Beispiel "Mittelamerika": Klar, daß der Sandinismus eine "unamerican activity" ist, die weggeputzt gehört. Strittig, ob's die Contras bringen, ob deren Unterstützung militärisch oder bloß "humanitär" gehen soll. Beim "Haushalt" sind selbstverständlich alle für Steuerkürzungen, Defizitabbau ohne nähere Angaben ("unspecified spending cuts"), um einerseits den starken Mann zu markieren, der andererseits keine potentiellen Wählergruppen jetzt schon vergrätzt. In Sachen "Wirtschaftspolitik" bewegt sich die Profilierung innerhalb des Zielkonflikts zwischen Importbeschränkungen und Freiheit des Weltmarkts für US-Produkte. Gegen "AIDS" sind überraschenderweise alle ohne Abstriche...
Worum es geht, ist ja von vorherein etwas ganz anderes als eine kleinliche Debatte um ein paar Raketen mehr im Weltraum oder zehntausend Farmer weniger im Mittleren Westen: Damit kann man höchstens ein paar Cowboys in Bismarck, N. D., oder die Arbeitsplatzbesitzer bei Lockheed betören. "Nationwide" sind die Vorwahlen nichts anderes als ein Test des persönlichen Durchsetzungsvermögens der Kandidaten in der politischen Arena. Wer Präsident werden will, muß sich als ein Virtuose in der erzdemokratischen Kunst bewähren, Zutrauen zu seiner Eignung als Oberhäuptling der Staatsgewalt zu erwerben. Man muß ihm gleichzeitig einen Gebrauchtwagen abnehmen können und beruhigt bei der Vorstellung sein, daß er die Raketen zu den Russkies rüberschickt, wenn sie's verdienen! Der Kandidat qualifiziert sich als Erfolgsmensch, und deshalb sind auch seine Siege im Privatbereich höchst wichtig: Familie, am besten mit Großeltern, Kindern und Enkeln. Millionär sein weckt in den USA bezüglich eines Politikerimages weder Neid noch klassenbedingtes Mißtrauen bei den Habenichtsen, vielmehr ist es ein sicheres Indiz für die lauteren Motive des Bewerbers - er hätte es gar nicht nötig, Politiker zu werden - und eine Absicherung gegen Korrumpierbarkeit.
Die Kandidaten punkten also vorwiegend mit sich als Mensch, für welche Eigenschaft sie sich entsprechend zurechtmachen (lassen). Der Wahlkampf ist ein einziger Charaktermaskenball, was man der amerikanischen Berichterstattung in liebevollster Detailfreudigkeit entnehmen kann.: Wie haben sich die Prätendenten an die.Amerikanerinnen und Amerikaner ran- und sie eingemacht: Beispiele:
- Dick Gephardt gewann Iowa wegen seiner Mutter, die die Farmersfrauen mit Selbstgebackenem auf den "caucus" lockte. Ferner kommt er aus dem Nachbarstaat und ist damit fast schon "local boy". Damit hat er die Wählerinnen auf seine Seite gezogen, die einer Mutter alles glauben und wohl zum ersten Mal in ihrem Leben von der Politik etwas zum Runterbeißen gekriegt haben. Ihren Männern, zumeist Farmern, versprach er eine drastische Erhöhung der Einfuhrzölle auf alles Asiatische, bis die Gelben nur noch US-Weizen fressen. Das glaubten ihm zwar selbst die Bauern nicht, aber "sie mochten ihn für den Versuch". - Woran man sieht, daß die Zugehörigkeit zum gleichen Stall in der Demokratie ein guter Grund ist, auf der ganzen Welt auszumisten.
- Mike Dukakis holte sich New Hampshire, weil er Gouverneur von Massachusetts ist (das grenzt zufällig an New Hampshire, und so etwas verbindet bekanntlich ungemein), eine attraktive Frau hat, die als Jüdin für ihren Mann mit Abstand das meiste Geld für den Wahlkampf lockermachen konnte (andererseits hat ihm das im Süden und Mittelwesten wieder Stimmen beim traditionellen amerikanischen Antisemitismus gekostet). Daneben hat der Mann griechische Vorfahren und spanisch sprechen gelernt, so daß viele Einwanderer für ihn sind, weil Mike gezeigt hat, wie "einer von uns" es zu etwas bringen kann. Da fragt ihn freilich keiner mehr, was er denn jemals "für uns" getan hat, geschweige denn, wie er es in der Politik zu etwas gebracht hat. - Woran man sieht, daß auch Minderheiten gute Amerikaner sind und ein demokratisches Recht auf den Erfolg der Nation anmelden dürfen.
- Gary Hart hingegen, von dem Dukakis die "new ideas" übernommen hat, gab jetzt auf, weil amerikanische Wähler offensichtlich der Überzeugung sind, ein Mann, der in Eheangelegenheiten lügt, könne kein guter Präsident werden, wo's bekanntlich auf penible Wahrheitsliebe ankommt. Die gleichen Leute halten übrigens Col. Oliver North für einen Nationalhelden, weil er aus Patriotismus gelogen hat. Woran man sieht, daß der "American way of life" ein politischer Auftrag ist, dessen Erfüllung an den Kandidaten vorurteilsfrei überprüft wird.
- George Bush hat außer auf seine Frau Barbara, die zweckmäßigerweise auch gleich noch wie seine Mutter aussieht, auf seinen Amtsbonus als Vizepräsident gesetzt. Deshalb machte er während der Irangate-Affäre auf Treue zum Chef, selbst zu Zeiten, als Teile der Öffentlichkeit Reagan für einen senilen Lügenbold hielten. Das hat sich gelohnt: Rechtzeitig ist Reagans Popularitätskurve (nicht zuletzt dank des dynamischen Revi "Mike" Gorbatschow!) wieder auf einsame 83% im Süden davongezogen. - Woran man sieht, daß für demokratische Gemüter das Ausüben von Herrschaft unwiderstehlich attraktiv ist.
- Bob Dole setzte als Senats"einpeitscher" (so heißt in den USA der Fraktionsvorsitzende) der Republikaner auf "kritische Distanz" zum Altmeister bei gleichzeitiger "Prinzipientreue" zur "Reagan-Revolution". So verlor er Stimmen bei den Reagan-Fans an Bush, während bei den Freunden des KuKlux-Klan der Pfaffe Robertson absahnte. - Woran man sieht, wie schnell und wie ungerechtfertigt ein Kandidat in den Ruf eines Miesmachers ("pessimist" auf amerikanisch) geraten kann, was unter demokratischen Wählern offenbar tödlich ist.
- Noch gut im Rennen liegt allerdings Mrs. Dole, ehemals Ministerin der Reagan-Administration, die jetzt von der Bush-Kampagne gezielt als "running mate" (Vizepräsidentschaftskandidatin) ins Gespräch gebracht wird. Das kann Dole den Todesstoß versetzen oder ihm den Weg zu einer ehrenvollen Kapitulation per Seitenwechsel ebnen. - Woran man sieht, daß unterprivilegierte Politiker keine "lonely loosers" werden müssen, sofern sie das passende Geschlecht vorweisen können.
Der Erfolg
beim demokratrschen Urakt kennt nur einen Vater: den Erfolg.
Das System der aufeinanderfolgenden "primaries" sorgt dafür, daß aus dem Wahlakt selbst die entscheidenden und vorwärtstreibenden "Argumente" für den Wahlkampf kommen. Mit jedem Einzelsieg steigen die Chancen des Siegers, von der nächsten Wählermannschaft auch gekürt zu werden. In den USA nennt man das den "bandwagon effect", ein Bild, demzufolge jedermann dem Wagen hinterherrennt, auf dem die Musik spielt. Das ist für Amerikaner ein Grund für die Wahlentscheidung, dem sie sich nur schwer entziehen können. Amerikanische Wähler sind derart politisiert, daß sie sich blöd vorkommen, wenn sie auf einen looser gesetzt haben. Ihre Reife beweisen sie sich und anderen mit dem Instinkt, auf den Sieger als erste abgefahren zu sein.
Die Wahl der Vertreter von "government for the people and by the people", die dem freiheitlichen System so zur Ehre gereichen soll, löst sich in eine engagiert geführte Diskussion über die Kalkulation der Chancen auf. Und das nicht nur in der beobachtenden Abteilung der aufgeklärten Demokraten - die Kandidaten selbst besprechen ihre Auftritte wie Unterhaltungskünstler, bei denen es auf die Einschaltquoten ankommt: Auf dem Höhepunkt des Vorwahlkampfs liefern die Ergebnisse der demoskopischen polls die besten Argumente. Und jeder Sieg in einem Bundesstaat stiftet den Aspiranten auf die Macht Gelegenheiten, bei denen das Volk sie wiederum fernsehwirksam feiern darf.
Deshalb beschränken sich US-Politiker neben der Zurshowstellung ihrer Person auf ein paar Grundgedanken, mit denen sich die ideologische Einheit zwischen Regierten und Regierenden akklamativ herstellen und zelebrieren läßt. Sie erzählen von der Mission Amerikas, dem unbezweifelbaren Anspruch aller Amerikaner auf Erfolg ihres Staates weltweit, von Hoffnung und Glaube, sowie recht viel vom lieben Gott. Die "presidential hopefuls" folgen zwar nicht alle wie im Falle Pat Robertsons einem direkten Anruf des Höchsten, zumindest haben sie aber neben ihrer Frau auch noch Jesus konsultiert. Die Vervollkommnung religiöser Heuchelei zur Bigotterie ist eben Teil des "American way of life", das Recht des Amerikaners auf einen großen und ewigen Bund mit dem Allmächtigen, der ja mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein guter Amerikaner und auf alle Fälle der beste Präsidentenberater ist. Wo ein Staat sich als die oberste moralische Instanz der ganzen Welt aufführt, und das dank seiner imperialistischen Macht auch sehr wirkungsvoll, also sehr glaubwürdig, brauchen dessen Untertanen für ein korrektes Weltbild nicht mehr als die offizielle Einteilung in Gut und Böse und einen "Good Lord" von US-Gnaden. So geht manche Kirchenkollekte in den Wahlkampffonds der Pastoren Robertson und Jackson ein, aber auch die anderen haben Pfaffen im Troß ihrer Kampagne, die die Wahlkampfmunition segnen und das Spendengeld fließen lassen. Was übrigens an Geld noch fehlt, verschafft auch in den USA den Politikern, wenn sie auf Stimmenfang gehen müssen, der Staat. Schließlich sollen die Wähler für das Privileg des Urnengangs mit ihren Steuergeldern blechen. Hier haben sich die Politiker als Gesetzgeber ein amerikanisches Prinzip der Selbstfinanzierung einfallen lassen: Wer bis zum 1. Dezember 1987 eine bestimmte Geldsumme für seine Kampagne lockermachen konnte, kriegt vom Fiskus den gleichen Betrag umsonst als Prämie drauf, weil er beweisen konnte, daß er wirkliche Chancen hat. So gibt den Machtbewerbern der Erfolg nicht nur recht, sondern auch noch das Geld.
Das Ergebnis
steht von vornherein fest, ohne daß dies der Spannung bei denen, die es interessiert, Abbruch tut: Die USA werden im November einen neuen Präsidenten kriegen. Daß dessen Name wenig zu der Sache tut, die er vertritt, ist die Grundlage des ganzen Spektakels. Auf dieser Grundlage geht die Hälfte der Amerikaner weder jetzt noch im November zum Wählen. Die einen sind so rundum glücklich und "proud to be American", daß sie es in der Regel nicht für nötig erachten, sich außerhalb ihres Berufs auch noch um die Berufsaussichten für Politiker zu bemühen. Die anderen zählen zu den Ausgemusterten des "American way of life" und sind mit den Lebensumständen im Ghetto ausreichend beschäftigt, so daß sie keinen Bock mehr haben, sich als Wähler registrieren zu lassen. Einen Präsidenten kriegen auch sie.