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Nebenfronten von gewaltigem Interesse
AMERIKA DEN (US-)AMERIKANERN!
<p><strong>Mittel und Suedamerika</strong></p>
Ein Che Guevara-Poster an der Wand zu haben und Solidarität mit dem anti-imperialistischen Kampf diverser Guerillabewegungen zu empfinden, war in den 60er und 70er Jahren durchaus keine Seltenheit. Die Empörung darüber war ziemlich verbreitet, daß sich die westliche Schutzmacht USA älle möglichen Greueltaten in fernen Weltgegenden leistete. Man dividierte die westliche Beherrschung der freien Welt, die über solche Instrumente wie die NATO und eine eingerichtete Konkurrenz auf dem Weltmarkt verfügt, in gute und böse Staaten auseinander, so daß einerseits die Rolle der USA klar entlarvt war, während andererseits von BRD und EG kaum die Rede war, höchstens bei mißliebigen und als unwürdig eingestuften Staatsbesuchen, bei denen es einigen Krawall gab. Wo man es mit der Kritik am Imperialismus schon nicht so genau nahm, war umgekehrt die Begeisterung für die Guerilla um so größer. Konsequenterweise hat dieses Interesse in dem Maße abgenommen, wie die USA und ihre Freunde vor Ort es geschafft haben, jede Opposition und die "nationalen Befreiungsbewegungen" mit aller politischen und militärischen Wucht aufzulösen.
Ein amerikanischer Hinterhof
Die Staatenwelt Lateinamerikas hat sich unter der Obhut einer antikolonialistischen Schutzmacht entwickelt. Die USA unterstützten den Unabhängigkeitskampf der ehemaligen Provinzen des spanischen Kolonialreiches und erkannten Brasilien gleich nach seiner Loslösung von Portugal an. Unter dem Slogan, "Amerika den Amerikanern" machten sie sich zum Anwalt der neuen staatlichen Souveränitäten. Dabei achteten die Amerikaner aus dem Norden von Anfang an darauf, daß ihre Unterstützung der lateinamerikanischen Staaten sich für sie lohnte. Mit Hilfe von Waffen und Botschaften exportierten sie ihr großartiges Produktionsverhältnis. Sie nahmen Land und Leute samt Rohstoffquellen und landwirtschaftlichen Produkten geschäftsmäßig in Besitz.
Was an lateinamerikanischer Ökonomie zustandegekommen ist, verdankt sich hauptsächlich amerikanischem Kapital; außer den Interessen Großbritanniens, bei dessen Sterling-Zone Argentinien und Uruguay ganz offiziell und ganz freiwillig bis 1945 dabei waren. So gehörte Amerika den Amerikanern.
Die antikolonialistische Aufsicht der USA über ihre Nachbarländer war so etwas wie ein politökonomischer Auftrag: Macht einen eigenen Staat und organisiert ihn so, daß er für uns nützlich ist. Wir gehen davon aus, daß das in eurem wohlverstandenen Eigeninteresse ist. Seht das gefälligst genau so. Alles, was ihr über die Realisierung dieses unseres Anspruchs hinaus tut, interessiert uns herzlich wenig und ist eure Sache, solange wir die Hoheitsinteressen der USA nicht gefährdet sehen. Man überließ den lokalen Parteien und politischen Führern die Herrschaft, insofern und solange sie die Erfüllung der US-Interessen zu ihren eigenen Anliegen machten.
Ein Paradebeispiel für das, was sich die USA unter freier amerikanischer Herrschaft vorstellen, sind ihre Maßnahmen während und nach dem Cuba-Krieg 1898, als Spanien die Philippinen, Puerto Rico und Cuba an die USA verlor. Schon vor dem Ausbruch des neuen Unabhängigkeitskrieges machte man sich in den USA Gedanken wie diesen: "It makes the water come to my mouth, when I think of the state of Cuba as one in our family." Für eine Weltmacht ist eine Annexion eine Gunst, die man nicht jedem gewährt; so sicher ist sie sich der Rangfolge der Staaten und der eingerichteten Benutzungsverhältnisse. Zur amerikanischen Staatenfamilie gehört seitdem Puerto Rico, während Cuba nach dem militärischen Eingreifen der US in den Krieg seiner eigenen Freiheit und Demokratie überlassen wurde. Für sich selbst stellten sich die USA einen Pachtvertrag auf die Militärbasis Guantanamo aus, auf der sie noch heute sitzen; den Cubanern diktierten sie eine demokratische Verfassung inklusive des Plat-Amendments, das ihnen völlig legal ein dauerndes Interventionsrecht auf Cuba zusicherte", um die Unabhängigkeit Cubas zu schützen und eine stabile Regierung zu gewährleisten".
Amerikanische Interessen sind in ganz Lateinamerika zu Hause, deswegen hat jede US-Regierung die Pflicht, in der Hemisphäre ihre Rechte zu wahren. Immer wenn solche Rechte angegriffen werden oder wenn die USA einen entsprechenden Eindruck haben, gibt es für die Ordnungsmacht etwas zu tun. Es stellt sich für die USA die Aufgabe, ständig zu überprüfen, ob sich die souveränen Regierungen bewähren, d.h. ob sie es selbständig hinkriegen, die amerikanischen Interessen inklusive der nationalen Sicherheit der USA zu garantieren. Nach innen bedeutet das Sicherung der Geschäftsbedingungen und politische Stabilität.
Was sozialkundlich erzogene Menschen manchmal als Skrupellosigkeit in Erstaunen versetzt, ist den verantwortlichen Stellen in Washington noch nie ein ernsthaftes Problem gewesen: Wer ihren Maßstäben von Souveränität gehorcht, vom populistischen Demokraten bis zum Caudillo oder Diktator, bestimmen sie sehr frei selber. Typen wie Pinochet, Stroessner oder Somoza sind durchaus willkommen, werden unterstützt, eingesetzt oder auch mal fallengelassen. Nach außen verbieten sich für die lateinamerikanischen Staaten alle unfreundlichen Akte gegenüber den USA. So sind bisher alle Versuche regionaler Wirtschaftsbündnisse gescheitert, sich mit Sonderpräferenzen für die beteiligten Staaten untereinander und Zollschranken und ähnlichem gegen "Drittländer" etwas mehr an wirtschaftlicher Eigenständigkeit zu verschaffen. Für die höheren Etagen der Diplomatie haben die USA 1948 die "Organisation amerikanischer Staaten" (OAS) mit Sitz in Washington geschaffen, die seit Beginn des "Kalten Krieges" gegen die Sowjetunion die jeweils aktuelle Übersetzung des Antikommunismus für Lateinamerika deklariert.
Ein Ausscheren aus der gemeinsamen außenpolitischen Front ist nicht üblich, im Gegenteil: Immer dann, wenn die USA zu ihrem letzten Mittel der Einmischung, der direkten militärischen Intervention, gegriffen haben, hat die Mehrheit der OAS-Staaten hinterher befunden, daß das im Sinne gemeinsamer Sicherheitsinteressen schon seine Ordnung hatte. 1962 wurde der "Marxismus-Leninismus" für umvereinbar mit der Freiheit in Nord- und Südamerika erklärt; Cuba warde aus der OAS ausgeschlossen, fast alle Mitgliedsländer brachen die diplomatischen Beziehungen zu der Revolutionsregierung ab. Als die US-Truppen 1965 in der Dominikanischen Republik landeten, um diesmal ohne Verfassungsauftrag für eine stabile Regierung zu sorgen, waren sogar ein paar lateinamerikanische Soldaten dabei - die Aktion war legitimiert als gemeinsame Sache einer "interamerikanischen Streitmacht", selbst beim Grenada-Ausflug der Marines durften fünf lokale Inselherrscher mitfahren.
Im übrigen gibt es da noch den "Sicherheitspakt" von Rio (1947 von 21 Staaten geschlossen), in dem man sich zum "kollektiven Beistand gegenüber Angriffen extrakontinentaler Mächte" verpflichtete. Gegen die gemeinte Macht im Osten wird immer wieder in gemeinsamen Manövern geübt. Die Vereinigten Staaten von (Nord-)Amerika unterwerfen die lateinamerikanischen Staaten ihrem Standpunkt im Ost-West-Gegensatz unter dem Titel "kontinentale Verteidigung" (defensa continental). Damit behaupten sie eine "globale Bedrohungslage" für die Sicherheit der Hemisphäre, die eine ebenso globale Antwort erfordern soll. Die Staaten in Lateinamerika müssen jederzeit Gewähr dafür bieten, daß sie dieser "Bedrohung" standhalten können. Deshalb genießen die Streitkräfte südamerikanischer Staaten eine Sonderbehandlung durch ihren großen Verbündeten und Förderer.
Ihre praktische Aufgabe besteht darin, Not und Elend in ihren Staaten unter Kontrolle zu halten, ihre Völkerschaften daran zu gewöhnen; und das im Namen einer höheren Mission: die Verteidigung "unserer Lebensweise, die wir mit der Freien Welt teilen", mit dem wichtigen Zusatz "christlich", aus dem südamerikanische Streitkräfte ihre Standesideologie schöpfen. In Militärakademien, von den USA gut verstreut über ganz Südamerika eingerichtet, und in den USA selber werden Offiziere und Spezialisten geschult, wobei der Einsatz gegen "subversive Elemente" im jeweiligen Heimatland ein zentraler Gesichtspunkt ist. Zu allem Überfluß haben die Vereinigten Staaten ein System von Stützpunkten angelegt, so daß sie einerseits selber schon immer vor Ort sind, zumindest in der Nähe, und andererseits über, auch global gesehen, strategisch wichtige Zwischenstationen, Nachschubbasen etc. verfügen.
Für "abgestufte" Reaktionen, die der westlichen Vormacht schon deshalb näher liegen, weil sie - so wie die Dinge liegen - auf direkte Interventionen in aller Regel gar nicht angewiesen ist, steht die CIA zur Verfügung. Wo es not tut, beschafft sie entsprechende"Beweise" dafür, daß bestimmte Regimes oder Politiker sich gegen die Interessen der USA vergangen haben, also "untragbar" sind. Oppositionelle Gruppen werden unterstützt oder bekämpft, je nach Sachlage und Opportunität. Die CIA ist geradezu berühmt dafür geworden, klassische Geheimdienstaffären in den lateinamerikanischen Staaten angezettelt bzw. auch zu Ende geführt zu haben. Kooperation mit den einheimischen Diensten - z.B. wenn es darum geht, unliebsame Staatsgegner gekonnt "verschwinden" zu lassen - steht natürlich auch an, oder gleich mit der Armee, wenn es - wie im Fall Chile geschehen - um die Inszenierung eines Putsches geht.
Unamerican Activities
Ganz Südamerika ist für die USA ein "Krisenherd", noch jenseits dessen, daß irgendwo etwas passiert, was ihnen nicht gefällt. Die USA sind ununterbrochen mit einem Tatbestand konfrontiert, den sie nicht als Resultat ihrer eigenen Aktivitäten, sondern als Antiamerikanismus, letztlich Kommunismus und Revolution begreifen wollen: Die von ihnen benützten Staaten erweisen sich immer aufs neue als unstabil. Das liegt an einem Widerspruch, der das Nationalinteresse dieser Staaten kennzeichnet: Der Dienst an amerikanischen Geschäftsinteressen ist Bedingung und gleichzeitig Schranke des Fortkommens der Nation. Die lohnenden Geschäfte, die in jedem lateinamerikanischen Land laufen, sind eine dauernde Herausforderung des politischen Willens, die Nation zu entwickeln und widersprechen gleichzeitig jedem nationalen Entwicklungsprogramm. Antiamerikanismus ist deswegen ein notwendiger Bestandteil jeden lateinamerikanischen Patriotismus. Geltend macht er sich freilich in höchst unterschiedlicher Weise. Die regierenden Herrschaften pflegen ihn als Ideologie der Dienste, die sie dem Großen Bruder im Norden leisten und die allemal besser belohnt werden müßten. Da kommt dann auch stereotyp der Verweis aufs Elend der Volksmassen vor. Die Abhängigkeit von den USA zu beklagen, ist ein fester Bestandteil der politischen Kultur dieser Länder.
Schon das ist für amerikanische Politiker Grund genug zur Sorge. Dauernd sehen sie sich mit Kritik und der Forderung nach Änderung der eingerichteten Verhältnisse konfrontiert und halten das für eine Gefährdung der Stabilität. In der Nichtanerkennung der von ihnen produzierte Gründe für Unzufriedenheit und Unruhe sind die USA sehr radikal. Von daher nimmt es nicht wunder, daß man in Washington aufs höchste beunruhigt war, als sich in den 60er Jahren der Standpunkt des enttäuschten Nationalismus mit sozialistischem Gedankengut verband und in einigen Ländern der "anti-imperialistische Befreiungskampf" ausgerufen wurde. Eine Zeitlang hatte es tatsächlich den Anschein, als seien in Lateinamerika "regionale Konflikte" ausgebrochen.
Die Guerillabewegungen hatten aus dem Umgang des Imperialismus mit ihren Staaten und den Konsequenzen für die Bevölkerung den Schluß gezogen, den eigenen Staat als Statthalter der US-Interessen militärisch anzugreifen. Befördert wurde dieser Entschluß auch dadurch, daß sie als politische Parteien ohne Chancen geblieben waren, nicht weil es ihnen an Unterstützung seitens der Bevölkerung gefehlt hätte, sondern weil ihnen ihr Staat eine Sonderbehandlung zukommen ließ. Ihre Anführer und Sympathisanten wurden schon als demokratisch organisierte Partei exemplarisch oder auch systematisch liquidiert. Sie waren nämlich über den üblichen Antiamerikanismus hinausgegangen und hatten auf der Einlösung nationaler Forderungen und der Auskoppelung aus der "Abhängigkeit" bestanden und damit nicht nur die Geschäftsgrundlage der eigenen Bourgeoisie, sondern die des gesamten Staates in Frage gestellt.
Mit ihrer Phraseologie des Klassenkampfs und solchen Sachen wie einem "sozialistischen Vaterland" machten sie sich endgültig als 5. Kolonne des vaterlandslosen Weltkommunismus verdächtig. Mit diesem Vorwurf wurde ihnen allerdings unrecht getan. Tupamaros und andere setzten mehr auf Nation als auf Klassenkampf, wenn ihr Ziel Nr. 1 die Befreiung der "unterdrückten Nation" war. Der "Widerspruch zwischen Nation und Imperialismus" hatte, so die programmatischen Erklärungen, den Klassenwiderspruch "überlagert". Unter "Imperialismus" waren weniger die Klassenverhältnisse und die Produktionsweise des weltweit fungierenden Kapitals gemeint als die Dominanz einer "Großmacht", die eine ganze andere Nation bevormundete. Es wurde also ernstgemacht mit dem bürgerlichen Anti-Amerikanismus und sogar ein Bündnis mit "anti-imperialistischen, national gesonnenen Teilen der herrschenden Klasse" gesucht. Militärische Schläge gegen Repräsentanten des Imperialismus bzw. dessen "besonders verhaßte" Stellvertreter sollten die Nation auf den richtigen Weg bringen. Das war ihr Verbrechen, für das sie gnadenlos bekämpft worden sind.
Die militärische Niederlage der Guerilla in allen wichtigen lateinamerikanischen Staaten war total - die angegriffenen Machthaber haben sich so wie die USA auf keine Unterschiede eingelassen und die "kommunistische Gefahr" gründlich aus der Welt geräumt, einschließlich eines von ihnen so deklarierten "Umfeldes". Soweit von den Überlebenden noch etwas zu hören ist, haben sie aus ihrer Niederlage den radikal selbstkritischen Schluß gezogen, sie hätten mit ihrem Radikalismus zur Spaltung der Nation beigetragen, und das eigentlich notwendige breite Bündnis aller demokratischen Kräfte verhindert.
Die russische Gefahr
Die Ideen und Aktivitäten der verschiedenen Guerillabewegungen waren deren eigene Erfindung und nicht das Werk der Sowjetunion. Das zeigt sich schon daran, daß sie recht häufig aus Abspaltungen von deren Verbündeten vor Ort, den nationalen KPs, hervorgegangen sind. Lautete der Vorwurf an diese kommunistischen Parteien "Reformismus" oder "Verrat", so hieß es umgekehrt "Voluntarismus" oder "Abenteurertum". So verabschiedete das ZK der Kolumbianischen Kommunistischen Partei 1983 eine Resolution unter der Überschrift "Den Kampf für die demokratische Öffnung verbreitern!"; darin heißt es u.a.:
"Einige extremistische Gruppen... verschließen die Augen vor den erreichten Fortschritten, erklären sich als Gegner der Amnestie und des demokratischen Friedens im Lande und verbinden den Klassenkampf ausschließlich mit den bewaffneten Aktionen. Für die Kommunisten taugen nur die Orientierungen, die dazu aufrufen, die Massen für ihre eigenen Forderungen und für die Erfüllung der Versprechungen der Regierung zu mobilisieren, um Hunderttausende Bürger in den Kampfzu führen, die für Betancur (= damaliger Regierungschef) stimmten in der Hoffnung, Probleme gelöst zu sehen wie das der Wohnung ohne Mietvorauszahlung oder das Problem des Fernstudiums, und die wollen, daß sich im nationalen Leben bedeutende Veränderungen vollziehen. Es gilt, die gegenwärtigen Bedingungen besser zu nutzen, um den Kampf der Massen zur Verteidigung der Lebensinteressen des werktätigen Volkes zu stimulieren... Gleichzeitig verurteilen wir die Entführungen als einen Faktor, der schwer ins Gewicht fällt zugunsten der reaktionären Tendenzen..."
Die im Lande operierenden Gurillagruppen werden zu einem Moment in der Taktik des Kampfes um demokratische Zugeständnisse der Machtinhaber und höchstens unter diesem Gesichtspunkt auch mal lobend erwähnt:
"Es fehlt nicht an Leuten, die vorschlagen, daß die Guerillabewegung verschwinden soll, ohne weitere Forderungen oder Bedingungen, damit der Erfolg der demokratischen Öffnung garantiert sei. Die so denken, wollen ignorieren, daß unter den politischen Bedingungen, die die bisher in der nationalen Situation registrierten Veränderungen begünstigt haben, neben dem Massenkampf für demokratische Freiheiten und Menschenrechte vor allem der Kampf und die Existenz der Guerillabewegung ins Gewicht gefallen sind." (Lateinamerika, Kleines Nachschlagewerk, Berlin 1985)
Während die Regierung Kolumbiens ihren Willen bekräftigt, alles zu tun für eine "Offensive zur vollständigen Vernichtung der Guerilla" (Süddeutsche Zeitung, 5./6.11.88), verhalten sich die KP und deren großer Bruder, die Sowjetunion, vornehm zurückhaltend. Sie wollten ja auch die Alternative "Freiheit oder Sozialismus" gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt haben - von den Guerillabewegungen und ihren politischen Zielen halten sie wenig, behandeln sie also auch dementsprechend allenfalls als einen Faktor in ihrer politischen Rechnung. Und die sieht bei der Sowjetunion so aus, daß sie sich in Lateinamerika nie so richtig entschließen konnte, um politischen Einfluß zu konkurrieren. Nach einer schnell vorübergegangenen Komintern-Phase, in der sich die Sowjetunion bemühte, die Aktivitäten der südamerikanischen KPs zu unterstützen und sie beim Umsturz anzuleiten, hat sie sich darauf besonnen, die dortige Staatenwelt als "halbkolonialen Hinterhof" der USA und mithin als unantastbar zu betrachten.
Selbst in Zeiten, als sie ihre Außenpolitik noch "anti-imperialistisch" nannte, hat sie es stets verstanden sich selbst Zügel im Hinblick auf diese amerikanisch dominierte Weltgegend aufzuerlegen. Als Gelegenheit, sich in die Beziehungen zwischen Washington und seinen nachgeordneten Souveränen einzumischen und einen Keil zwischen den Imperialismus und seine unterdrückten Völker" zu treiben, wie ihre Parteilehrbücher es einmal empfohlen haben, hat die Sowjetunion die "Widersprüche" auf dem lateinamerikanischen Kontinent nie wahrgenommen. Statt dessen hat sie die kommunistischen Parteien im Interesse ihrer weltpolitischen Bündnisüberlegungen gebremst. Als "Gegenleistung" für den Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg verdonnerte sie ihre KPs in Chile und Bolivien dazu, sich für Stillhalteabkommen der Arbeiter in den Erz- und Zinngruben stark zu machen. Und 1943 "gelang" es der KP Cubas, als erster und einziger KP Lateinamerikas überhaupt in eine Koalitionsregierung unter Batista aufgenommen zu werden und damit ein Teil der breiten "Anti-Hitler-Koalition" zu werden. (Ein Ereignis, das mit zu der jahrelangen "Verstimmung" zwischen Castro und dieser Partei beigetragen hat.)
Hauptziel der Sowjetunion nach dem Krieg wurde es, die nach 1948 mit Einrichtung der OAS zusammengebrochenen bzw. von den OAS-Staaten einseitig aufgelösten diplomatischen Beziehungen wiederherzustellen. Wirtschaftliche Angebote hatte sie auch an die lateinamerikanischen Staaten nur wenige zu machen, so daß ein nennenswerter Handel nie zustandegekommen ist. Daß solche Geschäfte sowieso von den USA äußerst mißtrauisch begutachtet (und eventuell verhindert) worden wären, hat Argentinien mit seinen Weizenlieferungen an die Sowjetunion mehrfach erfahren. Selbst die argentinische Militärregierung, weit entfernt vom Kommunismusverdacht, mußte sich den Vorwurf anhören, den USA in den Rücken gefallen zu sein und den Gegner mit einem zwar nicht auf der Cocom-Liste stehenden, aber von der Konjunktur der Weltpolitik aus gesehen "strategischen" Gut versorgt zu haben.
Die "dynamische Koexistenzpolitik" der Sowjetunion in Südamerika führte zu "fruchtbaren" Beziehungen auf den Gebieten Sport und Kultur, aber nirgends zu einer "Bastion der Weltmacht Nr. 2" vor der"Haustür" der USA. Mit einer Ausnahme:
Cuba - "Bombardiert Havanna!" (Adenauer an Kennedy)
Der Sozialismus auf Cuba ist keineswegs das Ergebnis einer sowjetischen Initiative zur Entfesselung der sozialen Revolution in der Karibik. Ihre Revolution gegen das von den USA gestützte Regime des Diktators Batista mußten Castro und seine Leute gegen eine KP beginnen, die auf "demokratische Opposition" setzte, der Guerilla "Abenteurertum" vorwarf und erst zum Widerstand gegen das Regime aufrief, als die Revolutionäre in Havanna einmarschierten.
Die sofort einsetzende Reaktion der USA - ein totales Wirtschaftsembargo, Beschlagnahmung aller cubanischen Konten in den USA, Kreditsperre, Aufbau und Unterstützung einer "Contra" bis hin zur mißglückten Invasion in der Schweinebucht - verwiesen die Revolutionsregierung an die Adresse Moskaus, um überhaupt eine Chance zum Überleben zu bekommen. Che Guevara kam 1961 als Bittsteller nach Moskau, um Waffen, Öl und Dollars gegen den amerikanischen Versuch einer Konterrevolution von außen zu kriegen.
Richtig eingestiegen ist die Sowjetunion in Cuba erst, nachdem sie sich entschlossen hatte, die Insel unter weltpolitischen Gesichtspunkten zu betrachten. Die Sowjetunion wollte Cuba zu ihrer Raketenbastion machen, um so das militärstrategische Kräfteverhältnis zu verändern. Insbesondere ging es ihr darum, den von den USA in der Türkei und in Italien aufgestellten Mittelstreckenraketen etwa.s Gleichwertiges entgegenzusetzen:
"Warum müssen die Amerikaner so viele Stützpunkte um uns herum anlegen, einschließlich des grenznahen Stützpunktes in der Türkei? Warum haben wir kein Recht, das gleiche mit den Amerikanern zu machen?" (Chruschtschow)
Wegen dieser sowjetischen Kalkulation wurde Cuba im Laufe des Jahres 1962 in die "sozialistische Staatengemeinschaft" aufgenommen und zum Objekt besonderer wirtschaftlicher und militärischer Fürsorge.
"Wir gaben ihnen so viele Waffen, wie die cubanische Armee verdauen konnte. ... Sie (die USA) fürchteten ebensosehr wie wir hofften, daß ein sozialistisches Cuba zu einem Magneten werden könnte, der andere lateinamerikanische Länder auf die Bahn des Sozialismus bringen würde. Wenn Cuba fiele, würden uns andere lateinamerikaoische Länder zurückweisen und behaupten, daß die Sowjetunion trotz all ihrer Macht nicht in der Lage gewesen sei, etwas anderes für Cuba zu tun, als leere Proteste vor den Vereinten Nationen abzugeben. ... Die logische Antwort (auf die Frage, wie Castro politisch zu stabilisieren sei) waren Raketen." (Chruschtschow, Memoiren)
Cuba profitierte davon, Mittel gegen die Bedrohung durch die NATO zu sein und eine praktische Demonstration, daß man sich auf die Sowjetunion verlassen kann, für alle Nationen, die auf Freundschaft mit der Weltmacht Nr. 2 setzen wollen. Die USA haben sich dieses sowjetische 'Projekt Cuba' nicht bieten lassen.
Erstens war ihnen schon ein Cuba ohne Raketen zuviel. Schon Monate vor den ersten Luftaufnahmen von den Raketenbasen stand der Entschluß fest, die Schlappe von der Schweinebucht wettzumachen und die Revolutionsregierung zu beseitigen. Kennedy ließ "für alle Fälle" 150.000 Reservisten einberufen, die US-Marine übte die Landung auf einer fiktiven Insel und den Sturz eines Tyrannen namens "Ortsac" (man buchstabiere von hinten...), und in öffentlichen Erklärungen wurde Castro aller möglichen "Bedrohungen" beschuldigt: von einer Gefährdung der Schiffahrt im Panama-Kanal bis hin zu einer Störung des US-Raumfahrtzentrums Cape Canaveral in Florida. Die für eine Invasion bereits angelaufenen Vorbereitungen kamen äußerst gelegen, als die USA zweitens die installierten Raketen sofort nach den ersten U2-Luftaufnahmen als die gemeinte Herausforderung begriffen und mit völliger Seeblockade Cubas und Ultimatum an die Sowjetunion reagierten.
"Wenn wir zulassen, daß das Offensivpotential, das sich derzeit in Cuba befindet, dort bleibt, bin ich überzeugt, daß wir früher oder später - und wahrscheinlich früher - ganz Lateinamerika an den Kommunismus verlieren, weil wir in den Augen der Lateinamerikaner jede Glaubwürdigkeit hinsichtlich unserer Bereitschaft, der sowjetischen Militärmacht wirkungsvoll entgegenzutreten, verloren haben werden. Mit ähnlichen Reaktionen können wir auch andernorts rechnen, zum Beispiel im Iran, in Thailand und Pakistan. Daher bin ich der Überzeugung, daß das Überleben unserer Nation die sofortige Beseitigung der Offensivwaffen in Cuba verlangt. Darüber kann es kein Verhandeln geben, und jedes Vorgehen, das zu Verhandlungen über diese Frage führt, die zwangsläufig in die Länge gezogen würden, hätte die oben umrissenen Folgen." (Memorandum von Finanzminister Douglas Dillon für John F. Kennedy)
Eine strategische Benützung Cubas wird aufjeden Fall verhindert werden, hieß die Botschaft an die Sowjetunion. Der Militäraufmarsch in der Region wurde intensiviert und alle Vorbereitungen für einen atomaren Countdown liefen. Drittens stellten die USA ihre Sicht der "Signalwirkung" Cubas klar: Wenn ein Staat aus der freien Wertegemeinschaft des Westens ins Sozialistische Lager überwechselt, folgen andere nach und setzen ebenfalls auf die Macht der Sowjetunion.
Das Ergebnis der "Krise" ist bekannt: Unter dem Druck der Weltkriegsdrohung hat die Sowjetunion die Raketen wieder abgebaut. Im Gegenzug montierten die USA später ihre Jupiter-Raketen in der Türkei ab. Die Invasion Cubas fand bis heute nicht statt. Dafür hat die SU einen hohen Preis bezahlt; und das nicht nur in finanzieller Hinsicht mit den regelmäßigen Subventionen. Seit der Cuba-Krise verordnete die Sowjetunion nicht nur sich selbst, sondern auch den cubanischen Kommunisten strikte Zurückhaltung in Lateinamerika. Das hat zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Castro und der KPdSU und zu erbitterten Streitigkeiten und Richtungskämpfen innerhalb der Kommunistischen Parteien und revolutionären Bewegungen in ganz Südamerika geführt.
Auch wenn zu den Ergebnissen der "Krise" die Existenz Cubas gehört, eine Berechtigung dafür ist von dem mächtigen Nachbarn nicht anerkannt worden. Einfach so weiter gemacht haben die USA auch nicht. Ihre Lehre, die sie gezogen und 1965 sofort in der Dominikanischen Republik angewandt haben, faßt sich in dem Imperativ "Kein zweites Cuba in Lateinamerika!" zusammen. Das bedeutet erstens Aufrechterhaltung der Wirtschaftsblockade und der militärischen Bedrohung gegen Cuba, zweitens, daß Cuba seitdem ein Prüfstein für die Beziehungen zwischen den USA und den lateinamerikanischen Regierungen ist, und drittens, daß der ganze Kontinent erhöhte militärische Aufmerksamkeit genießt.
Chile - "Ich sehe nicht ein, weshalb wir zulassen sollten, daß ein Land marxistisch wird, nur weil die Bevölkerung unzurechnungsfähig ist." (Henry Kissinger)
In Chile gab es einmal eine "Bedrohung" durch eine unerwünschte Regierung: das Kabinett der Unidad Popular, einer Koalition von Linksparteien, deren integrierende Kraft die KP Chiles war. Diese Partei verfügte über eine beachtliche Verankerung im Volk und eine lupenreine demokratische Tradition.
Die neue Volksfront-Regierung proklamierte als Ziel, alle Institutionen des Staates in den Dienst einer sozialen Veränderung der Gesellschaft zu stellen, die den arbeitenden Klassen der Bevölkerung zugute kommen sollte. Insbesondere die Kommunistische Partei relativierte sogleich dieses Vorhaben mit der ständigen Ermahnung an sich selbst, die Koalitionspartner und an das Volk, den "legalen Weg zum Sozialismus" nicht durch politische Maßnahmen zu gefährden, die einen Militärputsch provozieren könnten. Möglichst wenig zu verändern als Bedingung für politische Veränderung, das war der Widerspruch dieser Regierung.
Die USA setzten von Anfang an den Plan zur Destabilisierung des Landes in die Tat um: Embargo gegen chilenische Kupferexporte und Einsatz der eigenen strategischen Kupferreserve, um einen Preisverfall (Haupteinnahmequelle des Landes) herbeizuführen, Sperrung von Auslandskrediten und stattdessen massive Finanz- und sonstige Hilfen für die Oppositionsparteien, Anleierung von "Counterinsurgency"-Aktionen im Lande etc. Die "Lösung" des "Problems" Chile wurde der CIA und deren guten Beziehungen zum chilenischen Militär überantwortet!
Die Reaktion der Volksregierung, die versuchte, sich die Loyalität der Streitkräfte dadurch zu sichern, daß Generäle in die Regierung aufgenommen wurden, beschleunigte die Vorbereitungen für einen Staatsstreich in der Armee. Das Offizierscorps erzwang die sofortige Versetzung aller Militärs in den Ruhestand die unter dem Verdacht standen, gute Beziehungen zur linken Regierung zu unterhalten. Dies mit der Begründung, es gelte einen "Bürgerkrieg" zu verhindern; eine Parole, die die rechten Offiziere direkt von der Propaganda der KP übernehmen konnten.
So kam die Diktatur in Chile ohne Bürgerkrieg durch einen blutigen Staatsstreich an die Macht, und die USA erklärten das "Problem" Chile für erledigt und ihren regionalen "Konflikt" in Südwestamerika für beendet. Aus keinem anderen Grunde ist damals das "Thema" Chile aus den Schlagzeilen der Weltpresse verschwunden. Auf der Grundlage der Massenliquidierung von Kommunisten und Volksfrontaktivisten blieb nur noch ein kleines, aber sehr feines"Problem" übrig: Das "problematische" Verhältnis eines aus guten und im Westen anerkannten Gründen "autoritären" (wohlgemerkt: nicht "totalitären"!) Regimes zu den Menschenrechten. Dabei handelt es sich um einen Titel, der ebenso anerkannt wie bekanntermaßen von den USA verwaltet wird. Die "Übergriffe" des Pinochet-Regimes wurden zum Dauerthema der Menschenrechtskommissionen in den Unterausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus in Washington. Gemäß dem politischen Interesse, das in dieser Form der Einmischung zu Wort kommt, wurden einige der "Exzesse" des Regimes als Mord verurteilt, andere blieben gänzlich ohne Beachtung.
So reifte, mit viel Folter, Ermordeten und "Verschwundenen" bis heute die Demokratie i n Chile. So erfolgreich war die Diktatur, daß sich jetzt die "Freunde" Chiles in den Staaten Westeuropas, nicht zuletzt in der CDU, ernste Sorge machen darüber, ob nicht ein weiterer Ausschluß der Zivilpolitiker von der Macht das Erreichte gefährden könnte.
Die Diktatur kam den Wünschen ihrer Freunde und Förderer etwas entgegen: Man ist bereit zum "Dialog". Der Diktator, die Streitkräfte und eine verantwortungsbewußte Opposition - alle gemeinsam im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor der Nation und gegenüber dem ganzen Freien Westen - sind die Protagonisten eines "nationalen Dialogs". Sein Gegenstand sollen die Modalitäten und die Fristen für die Nachfolge des Diktators sein. Die unterschiedlichen Meinungen beziehen sich - wiederum ein Beweis dafür, wie "reif" Chile für die Demokratie ist - ausschließlich darauf, welche Persönlichkeiten, Zivilisten oder Militärs, die Macht übernehmen sollen. Vor allem aber ist sich die Solidarität der Demokraten einig, daß die Opfer der Diktatur, die Kommunisten und ihre Volksfrontverbündeten, auch unter der Demokratie bei der Mitgestaltung des politischen Lebens nur stören können. Sie können zur Demokratie nur insofern einen Beitrag leisten, als sie sich selbst aufgeben, wie Teile der ehemaligen Sozialistischen Partei Allendes, die jetzt als "Demokratisierte Linke" den Christdemokraten als Kronzeugen für die Richtigkeit ihrer damaligen Komplizenschaft mit dem Militär dienen.
Nicaragua - "Low Intensity Warfare"
Die Carter-Regierung hat keinen Grund gesehen, den Sieg der Sandinisten über das 46 Jahre von den USA protegierte Somoza-Regime um jeden Preis zu verhindern. Für das weitere Schicksal dieses Landes verließ sie sich auf die üblichen friedlichen Erpressungsmittel der nordamerikanischen Großmacht. Das wurde ihr vom innenpolitischen Gegner als unverzeihliche Schwäche zum Vorwurf gemacht. Reagan beschwor die Gefahr eines Verlusts des amerikanischen Ordnungsmonopols in der westlichen Hemisphäre. Für ihn stand fest, daß der Versuch, einen eigenen nationalen Weg zu gehen, die Gefahr der Ausbreitung des Kommunismus in Mittelamerika bedeutete. Der Sowjetunion wurde mitgeteilt, daß man entschlossen war, so ziemlich jede nicht eindeutig pro-amerikanische Aktivität eines Staates, noch dazu wenn sie auf "amerikanischem Boden" stattfand, als Beleg für das Wirken des "Reichs des Bösen" anzusehen und entsprechend zu ahnden.
In die Tat umgesetzt wurde diese Kampfansage mit einem abwechslungsreichen Hin und Her von Krieg und Diplomatie, die sich dauernd widersprachen und aufs schönste ergänzten. Immer mit der Drohung, die Kapitulation der Sandinisten auch mit dem Einsatz eigener Truppen zu erzwingen. Daran gemessen nahmen sich die tatsächlichen Eingriffe der USA immer friedlich aus. So standen und stehen nebeneinander die Drohung mit der Intervention, ihre immer wieder in Manövern geübte Vorbereitung, der Kleinkrieg der CIA inklusive der Verminung von Häfen, die militärische Aufrüstung der Nachbarstaaten Nicaraguas, ein Wirtschaftsboykott samt Kreditsperren (auch durch die BRD, die nicht beiseite stehen wollte), und Aktivitäten einer bestens ausgerüsteten Söldnertruppe vor Ort. Die Terroranschläge dieser Contras und die begleitenden Maßnahmen ihrer Schutzherren haben Nicaragua zerstört. Die Regierung sah sich gezwungen, mit ihren erklärten Feinden zu verhandeln. In diesen Verhandlungen wird sie immer wieder mit der Forderung nach freiwilligem Machtverzicht konfrontiert.
Die Lage ist aussichtslos: Alle Anstrengungen der Sandinisten, sich militärisch zu behaupten und die Contras zu besiegen, werden mit einer Eskalation des militärischen Drucks beantwortet. Alle Versuche, auf diplomatischem Wege wenigstens zu einem Waffenstillstand zu kommen, stoßen auf die Forderung der anderen Seite, dem Feind nicht bloß freie politische Betätigung im Lande zu gewähren, sondern ihn gleich mitregieren zu lassen. Jedes Zugeständnis der innenpolitischen Mitsprache des Gegners setzt die Sandinisten wieder neuen Forderungen aus. Dabei behalten sich immer die USA die letzte Entscheidung darüber vor, ob der jeweils erreichte Verhandlungsstand eine Fortsetzung des Waffenstillstandes rechtfertigt.
Während der Eskalation gegen Nicaragua hat Reagan dann das gleiche Stück in Grenada noch einmal aufgeführt, diesmal mit Schlußakt. Der Fehltritt der "linken" Regierung hatte darin bestanden, sich mit kubanischer Hilfe einen Flugplatz zuzulegen - wahrscheinlich bloß, um am Tourismusgeschäft zu partizipieren. Die USA nahmen das als Gelegenheit, den Einfluß Kubas in der Region grundsätzlich zu bekämpfen.
El Salvador - High Intensity "Counterinsurgency"
In El Salvador ist eine Entwicklung wie in Nicaragua verhindert worden. Hier hält ein authentischer Demokrat und Freund der USA einer linken Aufstandsbewegung stand. Die Regierung des christdemokratischen Kohl-Spezis Napoleon Duartes hat es sogar geschafft, in El Salvador freie Wahlen zu organisieren, ohne damit auch nur im mindesten die Arbeit ihrer "Todesschwadronen" zu unterbrechen, ja auch nur zu stören. Während in Nicaragua die Regierung gelegentlich die Oppositionszeitung "La Prensa" zensiert und Leben, Sicherheit und Eigentum ihrer Besitzer garantiert, sichert die Regierung El Salvadors, vom Westen anerkannter Garant aller Menschenrechte in der Region, die Freiheit und Unabhängigkeit von pistoleros, die als Zivilisten "Feinde der Freiheit" umlegen, so vor kurzem den Vorsitzenden der salvadorianischen Menschenrechtskommission...
Um diesen hohen Stand von Befriedung und Demokratisierung zu erreichen, griffen die USA auf radikale Maßnahmen zurück: Sie reformierten den Staatsapparat in EI Salvador so lange, bis er im Stande war, die Angriffe einer revolutionären Befreiungsbewegung, die sich vom Sieg der Sandinisten in Nicaragua begeistern ließ, mit einem Krieg gegen Teile des eigenen Volks zu beantworten. Die salvadorianische Armee wurde unter US-Anleitung in eine Nationalgarde nach dem Vorbild der Somoza-Truppe umorganisiert. Mit einem Unterschied: Sie soll gewinnen, weil die USA ein "zweites Nicaragua" nicht zulassen werden und das damalige Fallenlassen Somozas durch die Carter-Administration als schweren Fehler einschätzen. Deshalb wurden und werden komplette Truppeneinheiten in Bataillonsstärke auf US-Territorium versetzt und dort angemessen ausgerüstet, ausgebildet und auch noch "motiviert". Die Guerilla wurde massiv "aus der Luft bekämpft". Das heißt, die Luftwaffe bombardierte die befreiten Gebiete so lange, bis die Befreiungsfront entweder wegen eigener Verluste aufgab oder wegen der Opfer unter den Zivilisten es vorzog, die Stellung zu räumen. Für den Erfolg des "Kriegs gegen die Subversion" kam beides aufs Gleiche hinaus, weshalb auch in El Salvador die toten Frauen und Kinder leider "unvermeidlich", also militärisch "sinnvoll" und eingeplant sind.
Die Befreiungsbewegung hat einsehen müssen, daß ihr ein Sieg mit den Waffen unmöglich gemacht wird, und sich deshalb auf ihre politischen Arm besonnen, dem das Standhalten auf dem Schlachtfeld zu einer Anerkennung als Verhandlungspartner für Friedensgespräche verhelfen soll. Die bisherigen Angebote Duartes bei von der Kirche vermittelten Treffen mit Guerillaführern beschränkten sich auf das "Angebot", die Waffen abzuliefern, sich an den nächsten Wahlen zu beteiligen, d.h. sich "dem demokratischen Prozeß" zu stellen. Angesichts dessen Eigenheiten in EI Salvador also eine Einladung zum Selbstmord, die von der Befreiungsfront abgelehnt wurde.