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Politik als Seuchenbekämpfung
GAUWEILER - EINE KARRIERE
Einer aus der 68er Generation, der die Studentenbewegung mitgemacht hat - im RCDS, ist sofort i n die Institutionen gegangen und jetzt ins Innenministerium des Freistaates Bayern marschiert. Peter Gauweiler, CSU und 37, begann seinen Kampf gegen 'Marxismus an der Universität' und jetzt steht er an vorderster Front wegen AIDS. Beides für ihn eine Seuche. Ob Viren oder abweichende Gedanken, der Mann denkt immer nur an das eine: "Law and order (and justice)", zu deutsch: "Recht und Ordnung (und Gerechtigkeit)".
Der CSU-Student im grünen Parka
1969 "besetzten" studentenbewegte Kommilitonen der Zeitungswissenschaft an der Universität München ihr Institut, das sich im Amerika-Haus der bayerischen Landeshauptstadt befindet, wodurch der Ort der Aktion sowohl einen autiautoritären als auch einen antiimperialistischen Charakter verleihen sollte. Tags darauf gab es in der Uni ein Teach-in zur "Aufarbeitung" der Institutsbesetzung. Ein junges 'Semester im grünen Parka meldete sich zu Wort und erzählte erst einmal, warum e r sich durchaus mit diesem "Regelverstoß" - immerhin habe es sich um "Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Nötigung" gehandelt -"solidarisieren" könne. Immerhin hätten die Studenten "im Ansatz ein vertretbares Anliegen" gehabt. Nicht billigen, wenn auch verstehen, könne er allerdings die Ausweitung der Kritik an Ordinarienuniversität und Kultusbürokratie auf das Thema Vietnam, was damit doch überhaupt nichts zu tun habe. Dennoch könne man mit ihm und seinen Freunden rechnen, bei "künftigen Aktionen ähnlicher Art". Bei dem Redner handelte es sich um den Jura-Studenten Peter Gauweiler, der 1968 mitten in der Studentenbewegung in München den RCDS wieder auferstehen ließ, außer sich selbst als Vorsitzenden nur fünf weitere Gesinnungsfreunde zu den Studentenparlamentswahlen aufbieten konnte und deshalb versuchte, den RCDS als christlich-antiautoritäre-aber-konstruktive AIternative zum "scheinrevolutionären Chaos" anzubieten:
"Wir wollen radikale Reformen, die eine Universität garantieren, an der selbstbestimmte Bildung und sachbezogene Ausbildung möglich ist. Das verlangt ein einheitliches Vorgehen der Studentenschaft, keine revolutionären Sandkastenspiele." (Gauweiler in der "Süddeutschen Zeitung ", 8.12.1969)
Damals, als Haartracht und Kleidung noch zu den Unterscheidungsmerkmalen politischer Einstellung zählten, erregte der Kommilitone Gauweiler - noch ohne Popo-Scheitel und Maßanzug, sondern ganz dem Habitus des Publikums studentischer Versammlungen angepaßt - Aufsehen durch das vermeintliche Paradox, daß so einer beim RCDS ist. Selbst die Sprache der Antiautoritären hatte sich der Ringdemokrat angeeignet und kehrte sie bei Gelegenheit gegen ihre Erfinder: Sein RCDS wollte "wirkliche Reformen", "wahre Demokratie" und war gegen "den Ersatz der alten Autoritäten durch neue linke Päpste".
Damals wie heute konnten die meisten linken Studenten den RCDS nicht kritisieren, weswegen sich die Polemik gegen ihn und seine Vertreter auf die Denunziation seiner Verbindung zur CSU und vor allem zu Franz Josef Strauß konzentrierte. Gauweiler profilierte sich folglich als Kritiker in der CSU gegen Entartungserscheinungen der Partei: Für den RCDS kündigte er 1969 eine "Dokumentation über den 'Bayernkurier'" an, in der dem Strauß-Blatt ein "fahrlässiger Umgang mit der-Wahrheit" nachgewiesen werden sollte, und galt fortan als Dissident, der sich was traut. Als Mann, der besser sein wollte als die eigene Partei, hat er sich in Szene gesetzt: Anläßlich einer CSU-Wahlveranstaltung, auf der die Ordnermannschaft ein paar Zwischenrufer brutal zusammenschlug, rief der sichtlich erschütterte CSU-Student einem ihm bekannten linken Studentenpolitiker, der gerade rausgeschleppt wurde, nach: "Ich schäme mich für meine faschistische Partei!"
So sagte Peter Gauweiler 1970 Strauß in einem langen persönlichen Gespräch "ernsthaft die Meinung" - und wurde vom Parteivorsitzenden zum "Landesbeauftragten der CSU für Jugendfragen" bestellt. Die "Dokumentation über den Bayernkurier" geriet in Vergessenheit, statt dessen griff Gauweiler den RCDS-Bundesvorsitzenden Simon scharf an, weil dieser immer noch Strauß eine "studentenfeindliche Haltung" vorwerfen zu müssen meinte, wo dies doch inzwischen vom Tisch sei - eben durch die Bestallung des bayerischen RCDS-Vorsitzenden zum Jugendwart.
Letzte Erinnerungen an den CSU-Studentenfunktionär Gauweiler stammen aus dem Jahre 1971, wo der alte grüne Parka in der Universitätsmensa mit einem Megaphon hetzte: Die linken Studentengruppen, namentlich die Roten Zellen seien die eigentlichen und auf jeden Fall geistigen Urheber des Terrorismus. Mit dieser Drohung verabschiedete sich der Kommilitone - und begab sich auf seinen kurzen Marsch durch die Institutionen.
Der Kommunalpolitiker entseucht die Großstadt
Mit frischen 22 Jahren, so erhielt München den "jüngsten Stadtrat seiner Geschichte": Peter Gauweiler hatte es gepackt und sein erstes Staatsamt eingenommen. Um die CSU in der Landeshauptstadt hatte er sich schon vorher verdient gemacht durch eine rege Entlarvungstätigkeit von "Kommunistenspezln" in der SPD, die in der Endphase der Vogel-Ära vom "linken" Juso-Flügel mehrheitsbestimmt wurde. Gauweilers größter Coup soll die Abwerbung des SPD-MdB Günter Müller gewesen sein, der 1972 seine Partei verließ und vor seinem Eintritt in die CSU noch mit einer Liste namens "Soziale Demokraten 72" den Machtwechsel im Rathaus beförderte. Der neue schwarze OB Kiesl betraute seinen "jungen Mann" mit der kommunalen Kulturpolitik, die nach christlicher Auffassung völlig "zersetzt" bis "entartet" war nach einem Vierteljahrhundert Soziherrschaft. Fortan wurden die städtischen Kulturmittel "neu orientiert": Kein Moos mehr für "exaltierte Minderheiten", statt dessen die Stadt in Gestalt des Herrn Gauweiler als Förderer eines Roberto-Blanco-Konzerts. Die Abwanderung einiger Filmemacher aus der "progressiven" Szene begrüßte Gauweiler ausdrücklich:
Daß uns Werke, die einer gelehrten Interpretation, bedürfen weniger liegen als Dinge, die unmittelbar an die Sinne appellieren, wollen wir gar nicht bestreiten. Wer diesen typisch bayerischen Charakterzug für provinziell hält, dem sollte nichts in den Weg gelegt werden, den Duft der großen weiten Welt woanders einzuatmen." (Spiegel, 22/1979)
Die Fraktion war beeindruckt, wie der Dr. Gauweiler da so gewählt die altbayerische Drohung "Wenn's dir net paßt, nacha konnst ja geh!" in Anschlag brachte, um "unsere eigenen parteipolitischen Vorstellungen in der Kultur durchzusetzen" (Spiegel, ebenda). Der Mann war qualifiziert für höhere Aufgaben und wurde zum Kreisverwaltungsreferent gewählt, eine Wahlbeamtenstelle mit der Kompetenz, die "öffentliche Ordnung" in der Stadt unter Kontrolle zu halten. Der Jurist konnte endlich seine Rechtsvorstellungen in die Tat umsetzen, und zwar als Politiker, d.h. mit Gewalt ausgestattet, mit der man die Leute zum Parieren zwingen kann. Was als die Gauweiler-Kampagne zur Säuberung der Fußgängerzone von allem unwürdigen Leben in die Stadtgeschichte eingegangen ist, verdankte sich dem Unwillen des Kreisverwalters über das unter Straßenmusikanten, Bettlern und Pennern, Händlern, Religionsstiftern und außerparlamentarischen Gruppen grassierende Mißverständnis, alles, was nicht ausdrücklich verboten, sei deshalb auch schon erlaubt. Sein Amt regelte fortan jede Bewegung in "Münchens guter Stube": Gefiedelt darf nur mehr mit Erlaubnisschein, zu bestimmten Zeiten und an festgelegten Orten werden; die Anmeldung von Infoständen oder gar Demonstrationen wurde von der Gauweilerbehörde prinzipiell als Antrag auf eine Genehmigung für Stadtfriedensbruch behandelt und entsprechend schikanös beschieden. Die "asozialen Elemente", die gerne in den Untergeschoßen öffentlicher Plätze verweilen, mußten erfahren, daß auch von ihnen noch Geldstrafen zu holen sind: Einem zum x-ten Male vom Rathaussheriff im Stachus-Unterbau persönlich aufgescheuchten Berber, dem der Schreckensruf entglitt: "Um Gottes Willen, da kommt ja der Gauleiter! " verhalf der solcherart sich beleidigt fühlende Gauweiler zu einem Prozeß und DM 300.- Geldstrafe.
Kurzum: Heute gilt in der Münchner City in Sachen öffentliche Ordnung das Gauweiler Prinzip: Alles, was nicht erlaubt ist, ist verboten! Und daran wird sich auch nichts ändern, weil der "Scharfmacher" von 1979 bei seinem Abgang 1986, ein allgemein anerkannter und von allen Seiten gelobter Fachmann für Stadtsicherheit geworden ist, Außenseiter sind heute diejenigen,
"die selbst über die sich ausbreitende Verrohung öffentlicher Umgangssitten, über Rücksichtslosigkeit und Rowdytum noch den Deckmantel mißverstandener Liberalitas Bavariae breiten wollen." (SPD-OB Kronawitter in der Abschiedslaudatio - für den scheidenden Referenten Gauweiler laut Frankfurter Rundschau von 10.3.)
Unumstritten war immer schon Gauweilers Kampf gegen die Prostitution auf städtischem Territorium, was die Nutten vermehrt in die Wohnmobile und auf die Ausfallstraßen verdrängte, wo sie der von ihnen so getaufte "Super-Gau" regelmäßig von der Funkstreife besuchen ließ, bis sie entnervt aufgaben, weil die Freier ausblieben. Im nachhinein wird ein anderer, umstrittener Gauweiler-Sieg, der gegen die Peepshows, vielleicht in anderem Lichte gesehen werden: als Anschlag auf eine vorzügliche Variante von "Safer-Sex". Unpopulär bis zuletzt blieb das Eintreten Gauweilers für die Entscheidung, die Firma eines Taek-Won-Do-Schulleiters mit dem Schutz der U- und S-Bahnhöfe zu betrauen: Dessen Jungs, ganz in Schwarz mit großkalibrigen Revolvern, gerieten immer wieder einmal in den Verdacht, sich so aufzuführen, wie sie aussehen. Für Gauweiler waren und sind alle Klagen seiner Kritiker, auch wenn sie sich auf zusammengeschlagene Bürger im U-Bahnhof berufen, immer nur ein weiterer Beleg dafür, daß "unsere Städte vor einer Jahrhundertherausforderung stehen" - nein, noch nicht AIDS, sondern: die "Harlemisierung der City", ihre "Entartung zur muselmanischen Gemeinde", wenn die "neue Liederlichkeit" triumphieren sollte. Deshalb muß gehobelt werden, und wer über die Späne jammert, macht sich zumindest verdächtig. Allen Ernstes vertritt Gauweiler öffentlich die Theorie, die Großstadtkriminalität in den USA habe ihre Ursache in einer "permissiven gesellschaftlichen Entwicklung" und in einer Polizei, der man liberalerseits immer wieder in den Rücken fällt. Bei uns soll es soweit erst gar nicht kommen: In der gemütlichen "Samstagsclub"-Sendung des Bayerischen Fernsehens entfaltete der strenge Mann zu Beginn des Jahres mit tödlichem Ernst im Gesicht das Zukunftsszenario einer Bevölkerung, die zu 100% irgendwann einmal "Verbrechensopfer" werden wird, es sei denn, sie läßt der Polizei und dem Staat freie Hand und alle Mittel. Abgesehen davon, daß "die Bevölkerung" das gar nicht in der Hand hat; unterstellt, daß niemand groß auffällt, wie in den Gauweilerschen Fiktionen ein Großteil der Leute als potentielles Verbrechertum vorkommt; selbst hingenommen, daß die Staatsgewalt ein Mittel zur Verbrechensverhinderung sein soll und nicht umgekehrt seine "Hauptursachen" fortlaufend produziert - Gauweilers Beschwörungen, es müsse härter durchgegriffen werden, leben davon, daß immer niemand nachfragt, wo, wie und gegen wen noch mehr Polizei wann und weshalb vorgehen soll. Deshalb kann der Mann immer noch nachschieben, er sei "selbstverständlich nicht der Meinung, mehr Polizei sei das Allheilmittel".
Und zwar deshalb nicht, weil für Gauweiler selbst der ansonsten "ehrbare Bürger" zumindest seit der sozialliberalen Koalition in Bonn von oben zur "neuen Rücksichtslosigkeit" nachgerade angestachelt worden ist. Hier liegt die Wurzel des Übels, weswegen der CSU-Politiker auch einmal an einem Parteifreund ein Exempel statuiert hat: Oktoberfestwirt Süssmair verlor sein Bierzelt (a) wegen notorisch schlechten Einschenkens der Maßkrüge, (b) wegen Beschäftigung von 20 illegalen Ausländern und (c) wegen der damit verbundenen "unvorstellbaren Sauerei", daß "unter Umständen ein Pakistaner mit offener Tbc den Kartoffelsalat anmacht" (Gauweiler, sichtlich angeekelt, wobei nicht klar wurde, ob vorm Salat oder angesichts der Existenz von Asiaten auf dem Oktoberfest. Diese Unklarheit ist bei ihm Absicht.) Andererseits schadete ihm nicht, daß er in Ausübung von Liberalitas Bavariae seinen Spezi Michael Graeter nicht davon abhielt, einen ungenehmigten Wintergarten vor seinem Schickerialokal aufzubauen. Die Stadtöffentlichkeit war fast erleichtert, als der Zuchtmeister selbst mal in was "verwickelt" war.
Der Herr Staatssekretär des Inneren: Die besten Anti-Körper entwickelt die Staatsgewalt
Die Unzufriedenheit des Vorsitzenden Strauß mit der Polizeistrategie seines Hillermeier im oberpfälzischen Wackersdorf holte Gauweiler letztes Jahr aus dem begrenzten Wirkungsbereich von Kommunalpolitik heraus auf die Landesebene, und der Befall der Nation mit AIDS verschaffte dem bayerischen Staatssekretär ein Szenario für bundesweit wirksame Auftritte. Der "Schwarze Peter" und die "permissive" Rita Süssmuth stehen seither für zwei Varianten staatlicher Seuchenbewältigung. Und weil es beiden Protagonisten im Kampf gegen "die medizinische Herausforderung des Jahrhunderts" um haargenau das Gleiche geht - Die Politik als der Anti-Körper gegen ein bislang unbeherrschtes Virus! - gewinnt der Streit zwischen zwei gleichermaßen christlichen wie demokratischen Politikern an persönlicher Schärfe. Dabei fällt auf, daß Gauweiler dem Bundesgesundheitsministerium stellvertretend für die "AIDS-Hilfen", die irgendwie noch den Standpunkt der Betroffenen, also die Lage der (potentiell) Erkrankten in ihren Maßnahmen gelten lassen, den Vorwurf macht, sie befänden sich nicht auf der Höhe des Problems, seien "professionelle Verharmloser".
Im ZDF-Hearing zum Thema giftete der Münchner Staatssekretär einerseits gegen die "abenteuerlichen" Abwiegelungsthesen des Bundesministeriums aus dem Jahre 1985, die noch davon ausgingen, daß die Seuche sich auf die sogenannten Risikogruppen beschränken lasse, und der sexuelle "Normalverbraucher" nichts groß zu befürchten habe. Dann setzte er nach und das Fernsehpublikum konnte einen modernen Bußprediger erleben, bei dem eine Freudsche Fehlleistung im Satzbau einiges von dem verriet, was den "Fachmann für Polizeiverwaltungsaufgaben" im Letzten treibt:
"... und wenn Sie sich mal vorstellen, daß es in den Großstädten jede Menge Saunaclubs gibt, in denen regelmäßig Analverkehr gegen die Gewerbeordnung stattfindet..."
Der "tiefreligiöse" evangelische Christ Peter Gauweiler hält es nämlich im Grunde genommen für eine "unverantwortliche Verharmlosung", wenn man für AIDS ein vergleichsweise unschuldiges Virus namens LAV/HTLV-III verantwortlich macht, statt die eigentlichen Ursachen "beim Namen zu nennen" als da sind:
"Ein hamsterhaftes Sexualverhalten", eine "zunehmende Akzeptanz vielfältigster Verwilderungserscheinungen", eine geduldete "Geschäftemacherei mit Schmutz und Schund", eine "Politik des Laissez-faire für Rücksichtslose aller Schattierungen..." (ZDF, Bayernkurier, Süddeutsche Zeitung)
Der Politiker beutet die Seuchenstatistik aus, um mit ihr eine buchstäblich gnadenlose Schuld-und-Sühne-Debatte anzufachen, mit der man im Freistaat Bayern jetzt schon bitteren Ernst machen will, was keineswegs heißen soll, daß es anderswo in der Bundesrepublik und Westberlin anders zugehen wird. Denn das Bundesseuchengesetz und andere Maßnahmen des Staates beziehen sich im Falle AIDS auf eine ansteckende Krankheit, die die Medizin bislang weder verhindern noch wirkungsvoll bekämpfen kann. Die öffentliche Gewalt kann also nichts gegen die tödliche Infektion machen, aber sehr wohl den Infizierten das Leben noch schwerer. Gauweiler bedauert bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit:
"Ein bestimmtes Sexualverhalten läßt sich nicht erzwingen."
Das "leider" braucht er nicht extra zu sagen. Denn er tut ganz offen so, als käme es in erster Linie darauf an, den "Abnormen " ihr "abnormes Sexualverhalten" auszutreiben. Darunter fällt für einen wie ihn im Zweifelsfall jedes Sexual"verhalten", wenn sich hinterher rausstellt, daß man dabei AIDS gekriegt hat. ("AIDS holt man sich nicht nur. Man kriegt es auch.") Fürs Erste wird dafür gesorg't, daß Schwule und Prostituierte ("Stricher beiderlei Geschlechts und Bisexuelle" nennt sie der Experte, wobei für Gauweiler die Homosexualität als ein inzwischen straffreies Delikt einen nicht mehr verfolgbaren sittlichen Landfriedensbruch darstellt!) mit noch schärferen Repressalien im Alltag auskommen müssen, als sie ihnen der Staat ohnehin schon bereitet. Gauweiler, der immer schon politischen Radikalismus, namentlich von links, für eine Seuche hält und ihn entsprechend austreiben will, behandelt die Seuche AIDS wie eine radikale Störung der öffentlichen Ordnung, die er am liebsten unter Einsatz aller rechtlichen Mittel einfach verbieten können möchte.
"Wir lassen niemanden ungeschoren!"
droht der "dynamische Enddreißiger" und definiert sich seinen Kreis der "ansteckungsverdächtigen Personen" zusammen. Dazu braucht er kein einziges virologisches Argument, sondern allein die Staatsgewalt und Personen, auf die sie jetzt schon die Zugriffsmöglichkeit hat:
"Ansteckungsverdächtig in bezug auf AIDS und die HIV-Infektion sind männliche und weibliche Prostituierte, Insassen von Strafvolklzugsanstalten und drogenabhängige Fixer."
Hinzukommen deshalb selbstverständlich auch
"Asylantragsteller... angesichts der hohen Durchseuchungsraten, welche die Weltgesundheitsorganisation aus bestimmten Ländern mitteilt."
Nicht ungeschoren bleiben dürfen da auch
"Untersuchungshäftlinge"... wegen der "besonders hohen Durchseuchungsraten von AIDS unter Strafgefangenen, was mit den dort praktizierten Formen von Homosexualität zu tun hat."
Und überhaupt alle
"Ausländer". Bei denen wird einfach die ohnehin von ihnen für eine Aufenthaltsgenehmigung verlangte "vom Arzt ausgestellte gesundheitliche Unbedenklichkeitsbescheinigung... auf AIDS und die Infektion erweitert." (Gauweiler in der "Süddeutschen Zeitung" vom 6.3.)
Wem jetzt bei dieser Liste einfällt, daß diese "Personenkreise" ziemlich personalidentisch sind mit all den Leuten, mit denen ein christlich-soziales Weltbild nichts zu tun haben möchte, weshalb sie allesamt einer demokratisch-rechtsstaatlichen Behandlung zugeführt werden, deren Kriterien samt und sonders aus der Ideologie des Rassismus geschöpft werden, der hat Peter Gauweiler unterschätzt, um nicht zu sagen "gefährlich verharmlost". Der Mann läßt nämlich wirklich niemanden ungeschoren, sowie ihn sein Staat in die Finger kriegt. Fast schon demonstrativ vorgeführt im Freistaat Bayern an allen Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Im "Normalfall" lauter sehr brave Leute, die deshalb beleidigt waren - wie die Österreicher -, weil sie den Gauweilerschen Menschensortierungsstandpunkt teilen und sich jetzt mit "Abnormen" auf eine Stufe gestellt fühlen. Dabei will der oberste bayerische Seuchenexorzist nur das:
"Wir wollen so viele Gruppen wie möglich der Testung zuführen."
Weil "die Grenzen einer Epidemie keine Frage der Politik, sondern der Biologie" sind, sollen sich die Bürger nicht beschweren, wenn der Staat sie wegen ihrer seuchenanfälligen Physis unter ganz neuen Gesichtspunkten hernimmt. Da wird ihm noch manches einfallen und mancher Bürger wird entdecken müssen, daß er unter eine "Risikogruppe" fällt, weil der Gauweiler eine neue "Testungsmöglichkeit" entdeckt hat.
Für den Ordnungspolitiker Gauweiler gilt dabei der vom Parteigenossen Friedrich Zimmermann bei jedem neuen Gesetz zum Ausbau der "wehrhaften Demokratie" in Umlauf gebrachte Satz: Der anständige Bürger hat nichts zu befürchten, - und wer sich trotzdem fürchtet, den werden wir uns (vor)merken! Daß es sich bei AIDS um eine Krankheit handelt und nicht um eine Ordnungswidrigkeit, macht für Gauweiler staatliches Zuschlagen umso dringlicher. Daß sich AlDS-Infizierte neben der Krankheit auch noch vorm Schwarzen Mann aus Bayern fürchten, hält dieser für "abwegig und widerwärtig" und fragt statt dessen:
"Wie lange wird die Strategie einer wirksamen Eindämmung und Bekämpfung von AIDS von derartigen Argumenten noch belastet sein... Bis zur Einsicht in die Notwendigkeit strengerer Regelungen wird die Krankheit noch sehr viele unnötige Todesopfer fordern."
Und die kommen zwar vom Virus, aber die Gauweiler-Kritiker tragen die Verantwortung. Gegen sie setzt "der Experte" auf die Geier-Perspektive: Die Leichen, die garantiert noch anfallen, werden ihm rechtgeben!
So wird die Karri.ere des Peter Gauweiler (AlDS-Test negativ) unaufhaltsam nach oben weitergehen. Irgendwann kommt dann auch der Punkt, wo der Verantwortliche endlich klar sagen kann, was er mit denen zu machen gedenkt, die der Staat als Infizierte aufgespürt hat. Wie denn die Krankheit und der Tod "strenger geregelt" gehören. Was denn das heißen soll:
"Es kann nur eine logische Konsequenz geben: Wir versuchen, sie daran zu hindern, das Virus weiter zu verbreiten."
Herr Dr. Peter Gauweiler (37 und CSU) handelt aus Überzeugung so, wie sein Amt, seine Partei, der Staat, der Papst, der Sachzwang usw. es verlangen. Dabei, dies verriet er dem "Spiegel", ist er "Mensch geblieben": Jeden vierten Samstag streicht er Brote für Stadtstreicher in der Bahnhofsmission. So fördert er den Appetit und wahrt die Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen.