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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1987 erschienen.

Nationalökonomische Einbildungen anschaulich gemacht:
DER DOLLARKURS - TOTAL DANEBEN!

Jahr Wechselkurs Kaufkraft

des $ in DM des $ in DM

1970 3,65 2,79 überbewertet

1972 3,19 überbewertet

1973 2,66 2,91 unterbewertet

1975 2,46 2,77 unterbewertet

1976 2,52 unterbewertet

1978 2,01 2,59 unterbewertet

1980 1,71 unterbewertet

1981 2,27 2,27

1983 2,56 2,18 überbewertet

1985 3,47 überbewertet

1986 2,00 2,11 unterbewertet

Dieses Schaubild stellt das Verhältnis Dollar/DM im Laufe der letzte Jahre dar. Seltsamerweise zeigt es gleich zwei Kurvenverläufe. Die eine Kurve gibt wieder, welcher Wechselkurs an der Börse zustande gekommen und notiert worden ist. Die andere Kurve gibt wieder, wie der Wechselkurs sich auf Basis der ökonomischen Theorie der Währungen hätte ergeben müssen. Die Konfrontation von Theorie und Wirklichkeit wird mit diesem Schaubild aber nicht aufgemacht, um der Wissenschaft den beliebten Vorwurf hinzureiben, sie sei bloße Theorie. Im Gegcnteil: Die Theorie soll recht haben und die Wirklichkeit einen einzigen Fehler darstellen.

Damit nehmen die ökonomischen Durchblicker den nationalen Verantwortlichen für die BRD-Wirtschaft das Wort aus dem Mund. Die klagen seit geraumer Zeit schon über den Dollar, der angeblich den Exporterfolgen ihres Kapitals im Wege steht. Ihnen kann es der Dollar sowieso nicht recht machen. Ist der Dollarkurs hoch, klagen sie über die teueren Ölpreise, sinkt der Dollar, fürchten sie um die Absatzchancen deutscher Waren im Ausland. Allerdings ist ihre Beschwerde nicht nur die folgenlose Parteinahme für ein besseres Abschneiden der BRD in der Wirtschaftskonkurrenz - deutsche Politiker haben da ganz andere Mittel, z.B. die Macht eines ganzen Wirtschaftsblocks namens EG in petto. Dennoch schmeichelt es ihnen, von wissenschaftlicher Seite ihr jetziges Diktum: Dollar rauf! bestätigt zu bekommen. Der Dollar schadet sich selbst am meisten, wenn er deutsche Exporte verteuert - schöner kann man die politische Heuchelei kaum ökonomie-wissenschaftlich untermauern.

Soviel ist also bisher schon klar: Die rhetorische Frage, ob der Dollar nicht unterbewertet sei, ist ein Angriff auf den amerikanischen Konkurrenten, der dieses empört zurückweist und den Dollar seinerseits im Moment am liebsten bei 1.70 sehen möchte. Offenbar hängt vom Stand der Paritäten einiges ab, was den Erfolg der eigenen Wirtschift betrifft, und das fällt gerade nicht mit dem Erfolg der anderen Nation zusammen. Deshalb gibt es auch ständig Streit in Währungsfragen.

Die Idee der Kaufkraftparität und ihre Operationalisierung

Ökonomen sehen das anders. Weil sie die Konkurrenz der Nationen zu einem einzigen Kaufmarkt verklären wollen, machen sie die Kaufkraft zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Theorie der Währungen. So gesehen ist Konvertibilität den Währungen angeboren; wofür man sorgen muß, ist der richtige Wechselkurs. Denn überall, so ihre Vorstellung, musse man doch beim Einkaufen den gleichen Gegenwert für sein Geld erhalten, egal, ob es auf Dollar oder DM lautet. Anders gesagt: Wenn ein Kühlschrank in der BRD 100 DM kostet und in den USA 50 Dollar, dann müssen sich auch die Währungen wie 2:1 verhalten.

Daß das nicht so ist, war schon der erste Hinweis darauf, daß es sich bei dieser "Gesetzmäßigkeit" um eine rein moralische Vorstellung handelt. Logisch ist es allerdings auch nicht. So sehr es stimmt, daß wenn zwei Größen einer dritten gleich sind, sie auch untereinander gleich sind, so verkehrt ist die Anwendung dieses mathematischen Gesetzes auf den geschilderten Tatbestand. Da es keine internationale Kaufkraft gibt, die sich in Kühlschränken ausdrücken ließe, gibt es auch kein gemeinsames Drittes. Wenn der Kühlschrank mal 50 Dollar, mal 100 DM kostet, dann läßt sich deshalb nicht auf 50:100 = 1:2 schließen, weil weder die 50 Dollar noch die 100 DM eine überall, d.h. absolut gültige Größe für Kühlschränke sind. Es sind ja bloß die nationalen Preisschilder, die deshalb auch nur innerhalb der Landesgrenzen ihre Gültigkeit behalten. Die Vorstellung einer dem Geld innewohnenden natürlichen Kaufkraft, die es eigentlich (entsprechend umgetauscht) überall auf dem Globus wirksam werden ließe, streicht die staatliche Garantie des nationalen Geldwerts einfach durch. Staatlich erzwungene Kaufkraft reicht aber nur so weit wie die Macht der jeweiligen Nation.

Es ist also überhaupt nicht "klar", daß, weil man mit jeder Währung etwas kaufen kann, diese auch schon konvertibel sein muß. Gerade umgekehrt: Weil nationale Geldzettel kein Gold sind, weil sie ihren Wert nur per staatlicher Garantie haben, sind sie zunächst einmal auf den Herrschaftsbereich der jeweiligen Nation beschränkt. Weltweit besitzen überhaupt nur einige wenige Vertreter das Privileg eines freien Wechselkurses, und das sind nicht zufällig die Staaten, die in der Weltwirtschaft zählen, also über ökonomische und politische Macht verfügen. Auf Grundlage ihres Beschlusses, ihr jeweiliges Geld konvertibel zu machen, geht aber der Streit über das "richtige" Verhältnis erst los. Was dann mit den eingetauschten Dollars gekauft werden kann, ist das allerletzte Resultat einer durchgesetzten Parität!

Es ist also schon ein ziemlich weltfremder Gedanke, zu meinen, Währungen seien dazu da, einer imaginären Gemeinschaft von Weltbürgern überall den Einkauf von Kühlschränken durch ein garantiert gerechtes Austauschverhältnis zu erleichtern.

Allerdings, wer Kaufkraft sagt, sagt nicht nur Kühlschrank, sondern auch Motoröl, Flugzeug, Kartoffel, Nähgarn, Strumpfhose usw. Alle diese Waren haben ihren Preisausdruck in nationalem Geld und ergeben deshalb ebenso viele Wechselkursverhältnisse, die keineswegs übereinstimmen. Dieser mißliche Umstand ist auch dem Ökonomen bekannt: Wie kann man dennoch zu einem einheitlichen Wechselkurs gelangen:

Vonnöten ist offenbar ein einheitlicher Ausdruck für die Kaufkraft des Geldes, der an die Stelle der unendlichen Reihe verschiedener Ware tritt. Das Problem zu stellen, heißt, es falsch zu lösen, denn es ist ein Widerspruch. Der Ökonom macht sich an die Konstruktion einer Kunstware, bildhaft "repräsentativer Warenkorb" genannt. Dieser Warenkorb wird synthetisiert aus denjenigen Waren, die nach dem Dafürhalten des Ökonomen wichtig sind; und mit dem Umfang, in dem der Ökonom sie eingehen läßt, bemüht er sich noch um eine Charakterisierung ihrer relativen Bedeutung. So kommen denn die bekannten Gebinde aus 3 Pfund roten Rüben, 12 Minuten notariellen Beurkundungen und 1 1/2 Beethoven-Symphonien zustande, die mit den jeweiligen Preisen in DM oder Dollar bewertet genau die beiden Zahlen ergeben, auf die es der Wissenschaftler abgesehen hat:

"Der Preisindex oder die Kaufkraftparität I

n

p q

- i1 i0

i=1

I (1,0) = ---------------------- afghan.htm aids.htm dollar.htm fischer.htm forum.htm gb.htm hessen.htm korr.htm krise2.htm kultur.htm lambs.htm molke.htm steuer.htm tmp.html utf8 wahl.htm zeitgeis.htm 100

p n

---

p q

- i0 i0

i=1

gibt an, wieviel ein für das Land 0 repräsentativer Warenkorb (oder ein umfassendes Güterbündel) im Land 1 (ausgedrückt in Einheiten der Währung des Landes 1) kosten würde relativ zu den Aufwendungen, die dafür im Lande 0 notwendig wären. In anderen Worten, wieviel ausländische Geldeinheiten müßte man im Ausland (Land 1) aufwenden, um ein für das Inland repräsentatives Güterbündel zu erhalten, das im Inland 100 Geldeinheiten (z.B. 100.- DM in der Bundesrepublik Deutschland) kostet.

Auf ähnliche Weise läßt sich 1 (O,1) berechnen." (Hailinger, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung)

Das schafft zwar keine "repräsentative" Ware, dafür aber eine unendliche Reihe von Problemen, wie man die anvisierte Willkür, was man eigentlich zahlen will, sachgerecht untermauert, und wie man die Addition von disparaten Qualitäten am schönsten rechtfertigt:

"Schwierigkeiten ergeben sich bei der Erfassung von Gütern, die nur in einem der beiden Länder gehandelt werden, oder bei Gütern, die in den Ländern zwar vorhanden sind, jedoch erhebliche Qualitätsunterschiede aufweisen. Die Probleme sind von der gleichen Natur, wie sie bei veralteten bzw. neuen Gütern sowie bei Qualitätsänderungen bei intertemporalen Vergleichen auftauchen. Im allgemeinen werden nur Güter erfaßt, die in jedem der beiden Länder gehandelt werden. Je größer die klimatischen, kulturellen und geschmacklichen Unterschiede in den zu vergleichenden Ländern sind, desto stärker wird sich dieie Einschränkung auswirken, da dann die Zahl der in beiden Ländern gleichzeitig gehandelten Güter relativ klein - und damit wenig repräsentativ für Kaufkraftvergleiche - sein wird. Ähnliches gilt auch für die Beurteilung und Erfassung von Qualitätsunterschieden von Gütern in beiden Ländern, die enorme Probleme aufwerfen. Hier hat man eine Reihe von zum Teil recht folgenreichen Entscheidungen zu treffen. Vor allem die Frage, was als 'Gut' angesehen werden soll, ist schwierig zu lösen. Je detaillierter man die Güter beschreibt, desto weniger gemeinsame Güter wird es geben, wenn die oben erwähnten kulturellen und geschmacklichen Unterschiede zwischen den beiden Ländern relativ groß sind. Beschreibt man die zu erfassenden Güter hingegen in sehr allgemeiner Form als Gruppen, wie z.B. Getränke, Lebensmittel, Bekleidung, Maschinen, dann können beispielsweise so verschiedenartige Getränke wie z.B. französischer Wein, japanischer Saki, Coca Cola in Amerika und deutsches Bier "gleiche Güter" darstellen. Bei der Entscheidung solch schwieriger Fragen wird man im Einzelfall die Vorteile verbesserter Information und die Nachteile hoher Berechnungskosten gege einander abzuwägen haben." (Haslinger, ....)

So sieht dann der Mist aus, auf dem die Dissertationen wachsen. Und was auch immer beim Problematisieren herauskommt und an Folgeproblemen neu entdeckt wird: Auf jeden Fall kann man eine Zahl berechnen, eine Kurve zeichnen und einen sachverständigen Kommentar zum Weltgeschehen abliefern.

Fazit: Der Dollar badet weder zu kalt noch zu heiß. Dieser dümmliche Appell an die Vorstellung eines irgendwie gearteten Schadens paßt zu einer idealistischeß Theorie über den Wechselkurs. Der tatsächliche Wechselkurs von DM und Dollar wird nur zur Kenntnis genommen, um ihm eine zweite, frei konstruierte Bewegung zur Seite zu stellen und als ihre eigentliche Richtschnur vorzuhalten. Dabei wird mit dem Kaufkraftvergleich gerade das geleugnet, was die Spezifik eines Kursvergleichs ausmacht: Die nationale Uniform des Geldes, mit dem Staaten auf dem Weltmarkt gegeneinarder antreten. Die wäre nämlich ganz und gar überflüssig, wenn es den Maßstab der Kaufkraft wirklich gäbe. Wenn Währungen nur dazu gut sein sollten, hüben wie drüben dasselbe einzukaufen, dann gäbe es nur noch einen Wert (= Waren)messer, dem es egal ist, welche Nationalität ein Kühlschrank hat. Dann ist nicht einzusehen, warum es zwei verschiedene Währungen für den einen Warenwert geben sollte. Dann gäbe es längst, was es so nur als konkurrenzverherrlichendes Ideal von Volkswirten bzw. in den Weltherrschaftsträumen von Politikern gibt: das gemeinsame Weltgeld.