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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1987 erschienen.

Der DGB zur Rüstungsindustrie
BASIS BAUT PANZER - GEWERKSCHAFT LIEFERT MORALISCHE MUNITION

Man kann den Staat, seine Wirtschaftsordnung und seine Gewaltmittel für sehr in Ordnung halten; man kann sogar mit Bundeswehrvertretern extra zu dem Zweck ein Treffen veranstalten, um sich mit ihnen am Leitbild soldatischer Pflichterfüllung im Treueschwur auf die demokratische Führung zu vereinen und trotzdem die Produktion von Waffen nicht "vernünftig" und den Rüstungsexport ziemlich "unverantwortlich" finden. - Wie das geht? Der Deutsche Gewerkschaftsbund macht's vor.

"Helfen statt Rüsten"

Eine erste, nicht nur in Gewerkschaftskreisen recht beliebte Methode, der Waffenproduktion eine gewisse subjektive Verachtung zu eigen, ohne diese auch nur im geringsten auf ihre Auftraggeber ausdehnen zu müssen, besteht in der schlichten Konfrontation einer weltweit verbreiteten Freigebigkeit in Sachen Kriegsmaterial mit lauter versäumten guten Taten. Gewerkschaftschef Ernst Breit definierte dieses vor allem für besinnliche Stunden wie Weihnachten oder Raketenstationierungen gedachte Verfahren treffend als systemneutralen Lebenswiderspruch:

"Das ist der Widerspruch, in dem wir leben: Im Osten wie im Westen, in den Industrieländern wie in den unterentwickelten Ländern werden unvorstellbar hohe Summen für militärische Zwecke ausgegeben, während gleichzeitig Sozialetats gekürzt werden, Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht befriedigt sind und in den unterentwickelten Ländern täglich Tausende von Menschen sterben, weil sie nicht genügend Nahrungsmittel besitzen oder weil ihnen die notwendige medizinische Versorgung fehlt." (DGB-Kongreß 1983 in Köln)

Gern wird dieses Kontrastprogramm noch mit kleinen Rechenkunststücken veranschaulicht - das wirkt konstruktiv. Mit dem Geld für einen einzigen Panzer könnte man Tausende von Negern mit ihrer Lieblingsspeise Reis (ein Pfund am Tag reicht denen schon zum Überleben!) füttern. Die Umrechnung von Kampfflugzeugen auf Dorfapotheken oder von Prozentsätzen des Weltrüstungsetats auf Seuchenausrottung zeitigt immer ein moralisch schlagendes Ergebnis: Um wieviel besser könnte dieser irgendwie vom Widersinn geplagte Globus doch ausschauen, wenn "Helfen statt Rüsten" sein Prinzip wäre. Das Praktische an solcherlei Statt-Forderungen ist, sie wollen als Forderung gar nicht ernst genommen werden. Es fehlt ihnen eine einschlägige Adresse. Keiner glaubt ja ernsthaft der hiesige Kriegsminister zum Beispiel würde auf ein Viertelchen eines Tornados verzichten, weil er angesichts der Alternative ein Dutzends Urwaldschulen seinen weichen Kern nicht mehr bändigen konnte. Seine sehr bestimmten politischen Absichten, die das Geschäft mit dem Handwerkszeug des Kriegs so attraktiv machen, sollen hier ausdrücklich nicht interessieren; - womöglich stellte sich bei der Begutachtung dieser Absichten noch heraus, daß Waffen und Hunger gar kein so herzerweichender Widerspruch, sondern recht kalkulierte Erscheinungen ein und derselben politischen Berechnung sind...

Um sich als guter Mensch zu wissen, reicht das bißchen schlechte Gewissen über üppig zitierbares Elend aus. Um darüber hinaus noch als verantwortlicher Weltenbürger dazustehen, der - wenn nur alle sein Niveau an Moralität aufwiesen - auch schon eine konstruktive Lösung in der Tasche hätte, genügt der Deuter auf eine vorgestellte Verschwendungssucht bei Dingern, von denen jeder zumindest das eine weiß, daß die noch niemand satt, nur tot gemacht haben.

Eine sehr billige und auch von der Ohrigkeit geschätzte Übung zum Thema "schlimme Waffen"; was sich schon daran ersehen läßt, daß sie vom letzten Dorfpfaffen bis hinunter zum Bundespräsidenten niemands Intellekt üherfordert und bei braven Bürgern immer wieder gut ankommt.

"Rüstungsproduktion sichert keine Arbeitsplätze"

Nun liegt dem DGB natürlich daran, der so geübten Verbundenheit mit der demikratischen Massenmoral eine autonome gewerkschaftliche Prägung zu geben. Programmatisch kündigen die Gewerkschaftsideologen ihren Tarifpartnern von der Waffenbranche an, daß sie ihr Geschäftsgebaren einem besonders strengen Härtetest im Windkanal gewerkschaftseigener Wertmaßstäbe unterziehen wollen:

"Das Wirken von Kapitalinteressen und Rüstungslobbys muß thematisiert und im Interesse der Forderungen des DGB bewertet werden."

Bei dieser Offensive geht es weder um eine Aufklärung über die sachlichen Gründe der Waffenproduktion noch um die Begründung einer Gegnerschaft, welche die "Kapitalinteressen" in dieser Sparte der Ausbeutung an ihrem (gar nicht spezifischen) arbeiterschädlichen "Wirken" hindert. Statt dessen soll sich der geschmäcklerisch-moralische Vorbehalt gegen so unschöne Produkte wie Kriegsgerät in einem besonders schlechten Ruf der Rüstungsindustrie bestätigt finden, der diesem Geschäftszweig, "selbst wenn man von moralischen Überlegungen einmal ahsieht", über den Vergleich mit traditionellen Gewerkschaftspositionen angehängt wird.

"Rüstungsproduktion sichert keine- Arheitsplätze" lautet der Hauptvorwurf, den der DGB mittels dieses Verfahrens ermittelt. - Bloß, welches kapitalistisch betriebene Unternehmen hat schon zum Zweck, Arbeitern - außer unter der Bedingung ihrer profitträchtigen Verwendbarkeit - einen Arbeitsplatz zu garantieren? Und wer - außer dem DGB - hat eigentlich die Behauptung je ernsthaft vertreten, daß die staatlich beschlossene Aufrüstung als Beschäftigungsprogramm gedacht sei? Zudem ist unter dem Gesichtspunkt der blanken Arbeitsbeschaffung der Gewaltapparat, mit dem Staaten ihre Interessen nach außen zu sichern und durchzusetzen suchen, mit allem, was an ihm geschäftsmäßig hängt, kein zu verachtender Beschäftigungsgeber. Das mögen die Erfinder dieses Beurteilungsmaßstabs nicht verschweigen:

"Die Gewerkschaften wehren sich gegen Theorien, die versuchen, das Beschäftigungsniveau mit der Produktion und Verbreitung technisch immer höher entwickelter Waffen zu koppeln."

Das Schöne an dieser Kampfansage des Gewerkschaftsbundes ist, daß man ihr kein böses Wort gegen die Praktiker in Kriegsdingen - weder gegen die Nachfrager und Verbreiter noch gegen die Hersteller und Profiteure von Waffen - entnehmen kann. Was hier in merkwürdigen Erscheinung einer unzulässigen theoretischen Kuppelei in Zweifel gezogen wird, ist die Erreichung eines guten Zwecks, den diese Arbeitervertreter aller kapitalischen Geschäftemacherei als Ideal angedichtet haben: das Schaffen von Beschäftigung. Wie aber nun ausgerechnet der expandierenden Kriegsmittelindustrie vorhalten, daß sie an disem edlen Zweck scheitere?

Der DGB fährt hier konsequent zweigleisig. Einerseits will er die Wohltat, daß sich auch mit Kanonen- und Panzerbau deutsche Arbeiter ausbeuten lassen, nicht bestreiten. Er hat Verständnis für solche "kurzfristigen Arbeitsplatzinteressen". Andererseits entlarvt er "das Märchen von den sicheren Arbeitsplätzen" der Rüstungsproduktion durch die Erfindung eines speziellen "Pferdefußes" für diese Branche". Dem Waffenkapital wird von gewerkschaftlichen Wirtschaftsexperten eine "krisenhafte Entwicklung" samt "Rationalisierungsdruck" prophezeit, daß es einem fast leid tun könnte:

Da droht der einheimische Markt abzusterben, weil der staatliche Arbeitnehmer mit "der genannten zweiten Generation von Großwaffensystemen für die Bundeswehr" nicht nur an seine Saturierungsgrenze stößt, sondern auch seine Kaufkraft nach eigenen Aussagen einen bedauernswerten Zustand aufweist:

"Durch die Finanzmisere in den öffentlichen Haushalten kann mit zusätzlichen Aufträge Rüstungsgüter nicht gerechnet werden."

Da macht eine "immer höher getriebene Technologie" die Rüstungsgüter "immer teurer". Da "tummeln sich auf dem internation Waffenmarkt immer mehr Anbieter", gleichzeitig "haben die potentiellen Käufer immer weniger oder gar kein Geld". Wer könnte sich da noch dem gewerkschaftlich mobilisierten Mitgefühl mit der bundesdeutschen Rüstungsindustrie entziehen? Sie "befindet sich somit in einem Teufelskreis". Und was macht sie da - verständlicherweise?

"Wer mithalten will, muß Zugeständnisse bei den Preisen machen. Im Klartext heißt das: Preise runter, Rationalisierungstempo rauf; oder immer menr Waffen werden mit immer weniger Menschen produziert."

Was beweisen also Entlassungen für einen geschulten Gewerkschaftsideologen? Daß sich die nationalen Kriegsmittelproduzenten in einer ganz prekären Lage befinden. Es ist ihnen nämlich aufgrund der naturgegebenen Zwänge ihres Geschäfts nahezu unmöglich gemacht, ihrem guten Ruf als Arbeit-Geber gerecht zu werden.

"Wie unter diesen Umständen die (noch) bestehenden Arbeitsplätze im Rüstungssektor erhalten oder gesichert werden können, ist ein Geheimnis von Rüstungsmanagern und Politikern, das sie uns mit Sicherheit nicht verraten werden (können)."

Fragt man sich nur, warum die Herren Manager nicht schon längst das Handtuch geworfen haben - zerrüttet ob der Tatsache, daß sie laufend "Arbeitsplätze vernichten" und das "trotz Umsatzsteigerungen". Offensichtlich ist für die Rüstungsindustriellen dieses "trotz" gar kein "Geheimnis", sondern die Reduzierung und Effektivierung von Arbeitsplätzen das gegebene Mittel, um die Konkurrenz auf dem Waffenmarkt zu ihren Gunsten ausschlagen zu lassen. Eine Praxis, die der DGB durchaus auch aus anderen Geschäftszweigen kennt und betreut, die er aber im Fall der Rüstungsproduktion als Problem einer besonderen Verstocktheit der Gegenseite deutet:

"Das Geschäft mit dem Tod ist aber so lukrativ, daß der DGB bisher immer auf taube Ohren stieß."

Mehr als diese blöde moralische Beschwerde: die anderen denken bloß an ihren Profit! kann aus dieser Sorte "Kritik" auch gar nicht erwachsen. Wer nämlich partout anhand der Waffenproduktion ein Beschäftigungsprogramm zur Debatte stellen will, der darf natürlich nicht Arbeitsplätze dadurch "gefährden", daß er die kapitalistischen Geschäftsnotwendigkeiten in Frage stellt, von denen doch die Gunst arbeiten zu dürfen abhängt. Noch weniger darf er den Markt - sprich das staaatliche Rüstungsprogramm - "zerreden". Gewerkschafter haben grundsätzlich für alles Verständnis, was den Betrieb voranbringt; Zweifel erlauben sie sich allenfalls dann, ob es nicht der Durchschlagskraft deutschen Waffenkapitals und dem Nutzen deutscher Wertartbeit dafür auch weiter aufwärts gehe:

"Die Erhaltung der Produktionskapazität in der Rüstungsindustrie und attraktive Gewinne sind ohne ständige Ausweitung des Rüstungsexports nicht zu haben. Ob das bei zunehmenden Finanzierungsproblemen, wachsenden Eigenproduktionen in Ländern der Dritten Welt und veränderter Anbieterpalette allerdings realistisch ist, muß bezweifelt werden."

Nun werden diese Zweifel zwar nicht von denen, für die sie sich die Gewerkschaft macht, geteilt - bekanntlich tun die Bonner Einsatzleiter des Waffenexports alles, um ihren Rüstungsunernehmern den Zwang zu "attraktiven Gewinnen" leicht zu machen -; aufrechte Gewerkschafter wollen dennoch wenigstens einmal vorgemacht haben, wie ein zweifelsfreier "Realismus" aussehen könnte.

Dafür halten sie betriebliche Arbeitskreise in "alternativer Produktion" ab.

"Statt Rüstung nützliche Produkte"

Dort dürfen sich engagierte Gewerkschaftsmitglieder in dem albernen Rollenspiel eines Unternehmers, der beim DGB ist, üben: Wie edel könnte doch das Ansehen unserer Rüstungskapitalisten sein, wenn sie nicht dem Irrglauben anhingen, daß sich ihr Vorteil nur über so rufgeschädigte Produkte wie Waffen erreichen ließe. Wie viele "sinnvolle" und "sozial nützliche" Gebrauchsgüter ließen sich denken, die - würden sie nur alle hergestellt - kaum einen Arbeiter mehr um die Ehre seines Dienstes an der Volkswirtschaft brächten. Kein vom Markt und ausländischen Konkurrenten gepeinigter Unternehmer müßte mehr die treue Belegschaft mit Entlassungen enttäuschen, weil vor allem auch seinem Gewinn keine unzumutbaren Einbußen entstünden.

Die Berichterstatter von solchen Arbeitskreisen schreiben in Gewerkschaftsheften begeistert wie Jungscharführer vom Engagement der Teilnehmer. Lauter "Daniel Düsentriebs" sollen sich da entpuppt haben, die der Menschheit nur so "Sinnvolles" erfanden wie neuartige Klärschlammanlagen, energiesparende Haushaltsgeräte, verkehrsberuhigte Transportmittel hin und weg vom Arbeitsplatz oder gar einen "solargestützten Elektrorollstuhl". Dabei wurde immer auf dem Boden betrieblicher Notwendigkeiten geblieben - ein DGB-Arbeiter weiß schließlich, wovon er abhängt.

"An Ideen herrscht kein Mangel. Arbeitnehmer wissen sehr genau, welcher Bedarf besteht und welche Voraussetzungen im eigenen Betrieb oder Unternehmen gegeben sind, ihn abzudecken.

Probleme treten allerdings immer dann auf, wenn es gilt, die Ideen umzusetzen. In unserer Wirtschaftsordnung ist dafür angeblich niemand zuständig."

Es ist immer schon ein Jammer mit "unserer Wirtschaftsordnung"! Immer muß der DGB den Unternehmem sagen, wie sie ihr Geschäft sozial verträglich machen könnten. Und selbst dann wollen die altmodischen Kapitalisten diese wirklich nur gut gemeinten "Ideen" nicht als Innovation aufgreifen, sondern drängeln sich lieber auf einem engen Waffenmarkt herum, der sie zu Maßnahmen zwingt, die wieder unschön an den Klassengegensatz erinnern.

"Die Untemehmer klammern sich weiterhin vielfach an 'alte Zöpfe', die längerfristig die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht garantieren können."

Was wiederum nicht heißt, daß deutsche Gewerkschafter für diesen bequemen Standpunkt nicht auch Verständnis hätten, denn

"solange die Unternehmer von den Militärs staatlich garantierte Superprofite buchstäblich im Schlaf einstreichen können, haben sie wenig Neigung, nach Alternativen Ausschau zu halten."

Spätestens hier - im Prinzip aber immer - fällt dem Gewerkschaftsbund der Staat ein; denn "Produktion und Export von Waffen werden durch politische Entscheidungen bestimmt". Natürlich hütet sich die deutsche Arbeiterlobby, an dieser Entscheidungskompetenz zu rütteln. Zur heimischen Wehrmacht und deren Ausstattungsbedürfnissen hat sie sich ins beste Einvernehmen gesetzt. Schließlich tut auch die Bundeswehr nur ihre verdammte Pflicht - nach außen eben, weil sie die Gewerkschaft nach innen für den sozialen Frieden leistet:

"... heute betrachten es Bundeswehr und Gewerkschaften übereinstimmend als ihre Aufgabe, unsern freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu erhalten..."

Auch daß es sich für eine imperialistisch erstarkte Bundesrepublik gehört, "als Partner in dem kollektiven Sicherheitsbündnis der NATO mit andern freien Völkern gemeinsam Verantwortung und Risiken zu tragen", hat der DGB in einer eigens von ihm angestrengten Tagung deutschen Militärs mit Unterschrift und Siegel bestätigt. Dieser niet- und nagelfeste nationalistische Standpunkt erlaubt den Brüdern von der deutschen Arbeit nur noch eine methodische Einwendung gegen die Auftraggeber der Rüstung und Organisatoren ihres Exports:

"Die Produktion von Waffen ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll"

lautet der Befund. Oder besser noch:

"Wenn Politiker mit dem kühlen Kopf eines Wirtschaftsmanagers Kassensturz machten, müßten sie die Waffenfabriken längst geschlossen haben."

Ein DGB behauptet sowas nicht bloß, er rechnet's aus. Für den Nachvollzug des Rechenkunststücks ist es allerdings dringend erforderlich, sich vom Staat ein ganz voreingenommen positives Bild zu machen. Ganz falsch wäre es zum Beispiel, wollte man von dem in einer Gewerkschaftszeitung angeführten Fall der deutschen Produktion von Kriegsschiffen für die Türkei, deren Finanzierung erst einmal von der Bundesregierung übernommen wird, darauf schließen, daß sich der deutsche Staat ein politisches Programm, für das auch der NATO-Partner Türkei einsteht, etwas kosten läßt. Da wäre man ja gleich bei der NATO-Strategie, bei der herausragenden Rolle der BRD in diesem Kriegsbündnis und dabei, wie sich "Waffenhilfe" in politische Einflußnahme anderswo umsetzen läßt. - Also bei lauter langweiligen Erklärungen, aus denen sich nie und nimmer der Skandal eines staatlichen Versäumnisses drechseln ließe. Genau darauf hat's aber die Gewerkschaft abgesehen. Und dazu stellt sie sich eine Obrigkeit vor, die zwar über viel eingesammeltes Steuergeld verfügt, aber oft nicht so recht weiß, wie sie es - in ihrem Sinn - wirklich nutzbringend ausgeben soll. So garantiert der Staat seinen Rüstungsindustriellen mit subventionierten Auslandsaufträgen ihren Gewinn und muß sich prompt nachsagen lassen, daß er damit gleich gegen zwei Ideologien verstößt, die der DGB an ihm schätzt:

Erstens schade er seinem Ansehen als Nation, die sich gegenüber dem Ausland behauptet und nichts zu verschenken hat - schon gar nicht an "zahlungsunfähige Armenhäuser". Dieses faschistische Argument läßt sich der Gewerkschaftsbund nicht entgehen: "Wir schenken somit der Türkei Rüstungsgüter." (Eine "Verschwendung von Steuergeldern", die dem DGB deshalb bei der Bundeswehr und rein deutschen Rüstungsoptionen nicht einfallen mag.)

Zweitens verkalkuliere sich der Staat als Einkäufer von Beschäftigung. In dieser Rolle ist zwar noch kein Minister tätig geworden. Unterstellt man sie aber als quasi heimlichen Zweck jeder kapitalfreundlichen Maßnahme der Regierung dann läßt sich trefflich über den Sinn von Staatsausgaben an die Waffenindustrie streiten. Am obigen Beispiel hat der Arbeitskreis "Alternative Produktion" bei der Blohm und Voss AG somit folgende Kritik an der Rüstungspolitik der Bundesregierung errechnet: Würden statt der vier Fregatten vier menschenfreundliche Frachter gebaut, dann bräuchte der wertvolle Steuersäckel nicht für den ganzen Preis, sondern nur für die "30 Prozent Preisdifferenz, um die deutsche Anbieter teurer waren" als ihre Konkurrenten, bluten. Für eine deutsche Werft wären Aufträge und saubere Gewinne gesichert. Und der deutsche Schiffsbau-Prolet hätte mehr Arbeitsstunden zum Abarbeiten, über die er sich mit seiner Gewerkschaft besonders freuen darf, weil sie sein Staat so billig für seine Firma eingekauft hat:

"Somit wären mit 110 Millionen Mark Steuermitteln fast zwei Millionen Stunden gesichert und nicht, wie jetzt für Fregatten geplant, eine Million Stunden für 150 Millionen Mark überteuert gekauft."

Nebenbei ließe sich auch "die Qualität und Konkurrenzfähigkeit der deutschen Flotte" erhöhen. Ein imperialistischer Vorteil, gegen den wirklich niemand was haben kann.

"Zivile Produktion - doppelter Nutzen"

Aber nicht nur in diesem Fall, überhaupt wüßten die Rechenkünstler vom DGB ihrem Staat einen Haufen alternativer Möglichkeiten, wie er sich endlich von dem erfundenen Zwang befreien könnte, sein gutes Geld immer fürs Herstellen von Kriegsgerät verschwenden zu müssen, wenn er Arbeitsstunden oder -plätze einkaufen geht. Angenommen z. B. Vater Staat hat 10 Milliarden Mark für Arbeitsplätze im Portemonnaie. Was kriegt er wo dafür?

Gibt man sie im Verteidigungsbereich aus, sind es 180.000. Setzt man sie für soziale Maßnahmen ein, bedeutet das ein Plus von rund 30, im Gesundheitswesen von über 33 Prozent, und in kommunale Einrichtungen gesteckt, werden damit 245.000 Arbeitsplätze - plus 36 Prozent - geschaffen."

Der Vorteil springt jedem Milchmädchen ins Auge. Alle guten Absichten, die die Gewerkschaftsideologie dem Staatswesen unbeirrbar unterstellt, lassen sich allein mittels der Vorstellung einer "Verschiebung der öffentlichen Ausgaben" belegen. Man braucht sich einfach nur auszumalen, eine runde Summe würde vom Rüstungsetat dem Herrn Blüm (die segensreichen Wirkungem seines Ministeriums sind allgemein bekannt) für "soziale Maßnahmen" übertragen - und schon erstrahlt das ganze Staatssystem wieder in seinem eigentlichen Glanz. Wie von selbst zeigt sich, daß die Herstellung und der Vertrieb von Waffen nie ein politischer Zweck, sondern allenfalls eine Notwendigkeit ist. "Die Wirtschaft" kann ihre Gemeinnützigkeit beweisen, weil sie ihr Geschäft jetzt mit Krankenwagen statt mit Panzern macht. Und vor allem der Prolet ist wieder wer, belastet nicht sinnlos öffentliche Kassen, sondern hat Sinn im Dienst.

Daß die verantwortlichen Herren in Bonn für ihre praktischen Entscheidungen in Sachen Aufrüstung offenbar ein ganz anderes Rechensystem in Anschlag bringen, davon läßt sich ein für die eigentlich guten Intentionen der Staatsgewalt eintretender Gewerkschaftsagigator nicht irre machen. Er beschwert sich lieber

über die Ignoranz der Polit-Profis gegenüber staatstragenden "Gedankenspielen".

"Mag diese Rechnung für den Laien im Zeichen der Krise als Ei des Kolumbus gelten - für die Politiker scheint daraus keine Gleichung zu werden. Während der Rotstift der Finanzexperten vor keinem andern Posten haltmacht, während alle Umschichtungen in den Sozialtöpfen das Loch im Haushalt nicht stopfen können, bleiben die Militärausgaben eine heilige Kuh.

Schon das Gedankenspiel mit einer Etatkürzung und die Infragestellung der Rüstungsindustrie erscheinen vielen Politikern als reine Blasphemie - vom Aufschrei der Waffenfabrikanten ganz zu schweigen."

Eine Botschaft ist dieser bemerkenswerten Charakterisierung des politischen Willens zur Rüstung als "heiliger Kuh", die sich mit allen Vieren gegen das vom DGB gelegte "Ei des Kolumbus" sträubt, schon zu entnehmen: Es ist absolut unerklärlich, warum die konstruktiven Gewerkschaftsbeiträge von den Politikern niiht als solche verstanden werden. Weil aber diese Beiträge ohnehin weniger auf ihre praktische Umsetzung als auf ihre Anerkennung als Beweis von Mitverantwortlichkeit aus sind, empfehlen die Erfinder einen "langen Atem". Dafür darf man sich dann den Staat als Öltanker vorstellen.

"Aber ähnlich einem schweren, in Fahrt befindlichen Öltanker ist auch ein staatlicher Behördenapparat nur mühsam, durch intensive und dauerhafte Arbeit von seinem Kurs abzubringen."

Die laufende Rüstungsproduktion

kann die Gedankenspiele der Gewerkschaft gut verkraften. Denn gestandene Gewerkschaftsmitglieder arbeiten in ihr sehr mühsam und dauerhaft, während ihre Betriebsräte intensiv um gedeihliche Aufträge für "ihre" Betriebe werben und Vorschläge machen. Jede Kritik an der Rüstungsproduktion halten sie für einen Anschlag auf die Ehre der Arbeiter. Denn solange sich in der Einstellung der Politiker und der kurzfristigen Kalkulation der Betriebsleitungen nichts "bewegt", gilt das Grundgesetz gewerkschaftlichen Kampfes. Wovon wir abhängen, dem gilt unser ganzer Einsatz! Denn es ist erstens praktisch und geht zweitens moralisch in Ordnung, wenn Arbeiter das erledigen, was ihnen mit vorhandenen Arbeitsplätzen aufgetragen wird. Die schönen Alternativen gibt es ja gar nicht, so daß wie in der chemischen und Atomindustrie auch im Waffengewerbe die fällige Arbeit ganz eindeutig die Sache des gewerkschaftlich organisierten Arbeitsmannes ist. "Aussteigen" wäre denkbar, aber unverantwortlich - sagen diejenigen, die an nichts, schon gar nicht an Kampf gegen etwas, gedacht haben, weil sie alles mitverantworten wollen.

Zitate aus:

DGB Hessen, 1983, Positionspapier "Gewerkschaftliche Anforderungen an die Friedensbewegung"

DER GEWERKSCHAFTER 1/84, "Alternative Produktion"

DER GEWERKSCHAFTER 9/84, "Rüstungsexport: Das todsichere Ceschäft"

Gemeinsame Sieben-Punkte-Erklärung von DGB und Bundeswehr

Metall, Nr. 18, September 1986, "Statt Rüstung nützliche Produkte!"