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II. Statt Weltrevolution: Friedensfördernde Einmischung in den imperialistischen Geschäftsgang
1.
Die KPdSU hat ihren sozialistischen Staat nie anders aufbauen können als unter Kriegsbedingungen und unter Kriegsdrohungen, die mit enormen Rüstungsanstrengungen zu beantworten waren. Sie hatte Hitler zu widerstehen und nach dem gewonnenen Weltkrieg der Feindschaft der verbündeten Demokratien bis hin zur Weltraumrüstung. Das ist eine Sache.
Eine ganz andere Sache ist der Standpunkt der politischen Weltverbesserung, den die KP zur imperialistischen Staatenwelt eingenommen hat. Statt den Umsturz in den Staaten zu betreiben oder zu fördern, deren Feindschaft sie sich gegenübersieht, hat sie sich zu dem notwendigerweise endlosen Unternehmen entschlossen, "mäßigend" und "entspannend" auf die Führungen der feindlichen Staaten einzuwirken. Damit erspart sie sich keine Kriegs- und keine Rüstungsanstrengung. Sie erobert sich ein Stück Teilnahme am fortwährenden Kampf um die imperialistische Aufteilung der Welt, die noch ganz neue außen- und rüstungspolitische Nötigungen mit sich bringt.
Und statt dem Volk, das für diese Politik aufkommen muß, die leidige Notwendigkeit der Kriegsbereitschaft ungeschminkt zu erklären, sorgt die KP für eine Staatsgesinnung, die den militaristischen Stolz auf die "unüberwindliche" Verteidigungsmacht der Nation mit einer ebenso lebendigen, ehrlichen und begriffslosen Friedensliebe vereint. Mit dem imperialistischen Ideal der "Völkerfreundschaft" macht die Partei jede Erinnerung an das Projekt einer Weltrevolution tot.
Die KPdSU hat sich mit ihrem Programm eines sozialistischen Staates der Arbeiter und Bauern der Welt der bürgerlichen Staatsgewalten mit ihrer imperialistischen Machtentfaltung entgegengesetzt. Mit ihrer Verpflichtung auf den Frieden als Staatsziel erteilt sie all den "guten Gründen" eine Absage, aus denen andere Staaten militärische Drohungen und Aktionen immer wieder für fällig halten.
Klargestcllt hat die KP damit allerdings zugleich, daß sie keineswegs darauf aus ist, mit der Staatenwelt, deren Führer dauernd erpresserische Forderungen aneinander haben und deswegen um kriegerische Einsatzzwecke für ihr Volk nie verlegen sind, einfach nichts mehr zu tun zu haben und sich außerhalb der eigenen Grenzen allenfalls dem Geschäft der revolutionären Aufwiegelei der Arbeiter zu widmen. Frieden ist eben allemal eine Staatsaffäre und auch als Ideal auf den Umgang von politischen Machthabern, die eine Armee zu befehligen haben, miteinander bezogen. Dieser Sphäre kehrt die KPdSU nicht den Rücken; sie nimmt sich ihrer an, in der festen Absicht, veredelnd und zum Glück der Menschheit darauf einzuwirken.
Zu diesem friedenspolitischen Engagement sieht sich die Partei heute aus einem Grund gedrängt, den sie für unwidersprechlich und absolut zwingend hält: Ein totaler Atomkrieg wäre, heute mehr denn je, das Ende jeder höheren Zivilisation, also auch des Sozialismus, um den es ihr doch geht. So trivial sie klingt, so verlogen ist bereits die "Diagnose". Unterschlagen ist dabei nämlich, daß zu dem "totalen Wahnsinn" des Atomkriegs, den es deswegen zu verhindem gelte, allemal zwei gehören, und zwar als zweiter die Sowjetmacht selbst, die die KP doch ganz und gar in den Dienst der Kriegsverhinderung stellen möchte. Der Widerspruch der Ideologie, Atomwaffen wären zur Verhinderung des Atomkriegs da, wird nicht besser, wenn Russen ihn vertreten: Ohne den festen Willen, auch auf ihrer Seite den Atomkrieg zu führen - wenn nötig... -, gäbe es die zu bannende Gefahr gar nicht. Warum bekennt sich die sowjetische KP nicht - das wäre ja immerhin mal ein deutlicher Pluspunkt gegenüber den demokratischen Volksbetrügern! - zu ihrer Kalkulation, den Atomwaffen ihrer imperialistischen Gegner selber mit eigenen Atomwaffen zu begegnen?
Gewiß, mit der heuchlerischen Lagebeschreibung würde auch die beabsichtigte Schlußfolgerung hinfällig. Die KPdSU müßte sich dazu bekennen, daß nicht "der Frieden" Ausgangspunkt und höchster Endzweck ihrer Friedenspolitik ist, sondern die Verteidigung ihres Staates gegen einen mit Atomwaffen bestückten feindlichen Staatenblock. Der Widerspruch träte zutage, daß sie ausgerechnet aus ihrer Fähigkeit und Bereitschaft, der Welt im Ernstfall den Atomkrieg nicht zu ersparen, ihre besondere Zuständigkeit für das Projekt ableiten will, der Welt überhaupt jeglichen Ernstfall zu ersparen. Und damit stände für die Partei etwas Entscheidendes auf dem Spiel: Bloß eine Politik der Selbstbehauptung in feindlicher Umgebung will die KPdSU nicht treiben. Sie bliebe damit, von ihrem eigenen Standpunkt aus gesehen, den Beitrag zur Verfriedlichung der Staatenwelt schuldig, zu dem sie sich als sozialistischer Staat berufen und als Weltmacht befähigt sieht. Sie wüßte ihren eigenen Unterschied zu jeder beliebigen bürgerlichen Regierung nicht mehr anzugeben, könnte sie nicht ihre eigene, einigermäßen gesicherte Existenz als qualitative Bereicherung des internationalen Staatenlebens, nämlich als Sieg für das Endziel einer friedlicheren Welt, ausgeben. Dabei macht sie sich - ironischerweise ausgerechnet dadurch mit jeder imperialistischen Staatsideologie gemein: Das Paradox, daß die eigene Gewalt nur dazu da sei, der Gewalt zwischen den Staaten Schranken zu setzen - weshalb sie nie groß genug sein kann -, ist noch jeder bürgerlichen Regierung geläufig. In Wirklichkeit hat die KP einen ganz eigenen Übergang hinter sich, wenn sie ihre weltweite Friedensmission beschwört: Ihre erste Wortmeldung in der Staatenwelt ist noch allemal ein Nein, eine Kündigung des kriegsträchtigen Erpressungsgeschäfts; dessen Agenten Diplomaten heißen; insofern ist und bleibt es ihr besonderer Widerspruch, wenn sie sich immer gleich zweitens als konstruktive Kraft in dieser Sphäre zur Stelle meldet. Ihre Theorien über den "Ernst der Lage", der ihre konstruktive Einmischung erforderlich mache, verraten noch den tatsächlichen negativen Ausgangspunkt ihrer Weltfriedenspolitik: Die KPdSU hat keinen Weltordnungsanspruch aus imperialistischen Staatsinteressen, dessen Rechthaberei sie in die Phrasen von der Friedensverantwortung gerade der größten Mächte kleidet, sondern eine falsche Antwort auf den bewaffneten Weltordnungsstandpunkt der verbündeten kapitalistischen Demokratien, die den sowjetischen Staat als Ausnahme, Störenfried und Sicherheitsproblem definieren. Dieser muß sich in einem Machtkampf bewähren, dessen Endzweck, Mittel und Gründe gar nicht durch die KP bestimmt, sondern durch imperialistische Benutzungs- und Kontrollinteressen vorgegeben sind; er muß rüsten und kriegsbereit sein, weil das die Minimalvoraussetzung ist, unter der eine Gesellschaft sich überhaupt als eigenständiges politisches Subjekt in der modernen Staatenwelt betätigen kann. Die KPdSU nimmt diesen Zwang, sich in der Konkurrenz der militärischen Gewalten zu behaupten, jedoch nicht als praktischen Beweis, daß im Verkehr von Staaten eben lauter imperialistische Maßstäbe gelten und sonst keine - obwohl sie durchaus noch die Auffassung vertritt, daß sie sich mit einer dauernd aufrechterhaltenen und ausgebauten Kriegsbereitschaft einem Zwang unterwirft, der ihrem Projekt einer sozialistischen Gesellschaftsordnung eigentlich fremd und feindlich ist. Die Selbstbehauptung ihres Staates i n der imperialistischen Arena und nach deren Maßstäben nimmt die KPdSU genau umgekehrt als Beweis der prinzipiellen Möglichkeit, die Gesetze der imperialistischen Konkurrenz brechen zu können und andersgeartete eigene Maßstäbe für den Verkehr der Nationen miteinander in Kraft zu setzen. Welchen Widerspruch sie sich damit leistet, will die Partei nicht einmal daran merken, daß die Verhinderung ihres Weltverbesserungsvorhabens logischerweise zur verlogenen Warnung vor einer angeblich ganz ohne ihre Kriegsbereitschaft existierenden Atomkriegsgefahr gerät und von den Ideologien kaum noch zu unterscheiden ist, mit denen die imperialistischen Mächte ihre Weltherrschaft als enorme Verantwortung vorbuchstabieren. Statt dessen geht die KPdSU in ihrem Weltverbesserungswahn so weit, daß sie die bürgerlichen Verantwortungsphrasen als Zeichen vernünftiger Friedensliebe bei den Imperialisten und positives Echo auf ihre Warnungen versteht - als Bestätigung statt als Widerlegung ihrer Fiktion, .die imperialistische Welt-"Ordnung" wäre ausgerechnet dadurch auf dem Wege der Korrektur, daß ihr abweichendes Staatswesen sich i n ihr behauptet, mit den nötigen Atomwaffen!
In diesem Geiste ist die KPdSU zum Vorkämpfer der Rüstungsdiplomatie geworden. An ihren Hauptgegner trägt sie die Forderung heran, die Vorbereitung des Atomkriegs auf beiden Seiten einzustellen, weil sich von seiner Durchführung ohnehin keine Seite einen Vorteil erhoffen könne. Der verlogene Hinweis auf die qualitative Ebenbürtigkeit und quantitative Überfülle der eigenen Atomwaffen soll die USA von ihrem Willen abbringen, sich eine strategisch vielleicht doch entscheidende Überlegenheit zu errüsten. Das Scheingeschäft wird angeboten, sämtlichen Sicherheitssorgen des Westens konstruktiv Rechnung zu tragen, wenn die USA im Gegenzug den Plan aufgeben, den erdnahen Weltraum zur Kriegsbastion auszubauen - ein Scheingeschäft insofern, als die sowjetische Seite gar kein Äquivalent für den strategischen Fortschritt anbietet und auch gar nicht anbieten kann, den die USA anstreben; der angebotene "Preis", alle atomaren Waffengattungen ernsthaft zur Diskussion zu stellen, formuliert selber nur an anderen Gegenständen den Wunsch, die USA möchten von ihrer Atomkriegsdrohung Abstand nehmen.
Dieses Ansinnen ist mit einem deutlichen amerikanischen Nein beschieden worden; und eine andere Antwort ist auch gar nicht im imperialistischen Angebot. Trotzdem bleibt die KPdSU auf der Linie ihres Friedensgesuchs; in dem Fall sogar dermaßen hartnäckig, daß sie das angediente Scheingeschäft in seine verschiedenen Bestandteile auseinandergelegt hat und dem Westen mit einem Abkommen über Mittelstreckenraketen "entgegengekommen" ist, ohne auch nur eine Bremsung der amerikanischen Weltraumrüstungspläne dafür einzuhandeln. Was hat die KP davon: Die Atomwaffen bleiben diplomatisches Gesprächsthema; das ist alles. Mit dem Abbruch der Verhandlungen hat sie bloß gedroht, damit sie weitergehen. Ihr unverwüstlicher Wille, in der Atomkriegsfrage mit dem Westen im Gespräch zu bleiben, hat umgekehrt den imperialistischen Gegnern die Freiheit verschafft, die Entscheidung über Fortgang oder Abbruch der Verhandlungen den sowjetischen Diplomaten zuzuschieben und höchst einmalig die Bedingungen für ein "brauchbares" Abkommen zu diktieren: Sie lassen sich zu Rüstungsbegrenzungen und sogar zu beiderseitigen Verschrottungen herbei, wo und wie sie es für strategisch nicht entscheidend oder sogar relativ vorteilhaft halten, ohne sich in ihren für entscheidend erachteten Vorhaben hindern zu lassen. Auf diesem Wege erspart die KP ihrem Land kein Stück Atomkriegsvorbereitung; und die einzige Sicherheit, die sie stiftet, ist die des Westens, daß der Imperialismus außer Angeboten keinen Erpressungsversuch des Hauptfeindes zu fürchten hat.
Mit ihrem Anspruch auf Verfriedlichung der Staatenwelt hat die KPdSU sich noch weitere Betätigungsfelder geschaffen. Die gesamte Welt der Diplomatie erfreut sich ihrer höchsten Wertschätzung; um so mehr, weil von einem etwas exzentrischen Standpunkt aus. Imperialistische und in die imperialistische Welt verwickelte Regierungen verfolgen andauernd irgendwelche Anliegen, die die Willfährigkeit anderer Potentaten, auch zu deren eigenem Nachteil, erfordern; also brauchen sie einen lebhaften Verkehr und "Gedankenaustausch" untereinander, durch den sie einander mit ihren Interessen und dem erpresserischen Verweis auf die einsatzbereiten Druckmittel gegeneinander konfrontieren. Sie brauchen diplomatische Vertretungen, die den jeweiligen Stand des Interessen- und Kräfteverhältnisses der neinander interessierten "höchsten Gewalten" in Vertragsform gießen; und sie haben sich verschiedene diplomatische Börsenplätze bis hinauf zur UNO geschaffen, auf denen hauptsächlich eine Ware gehandelt wird: Friedensbedingungen, an die die einen Staaten sich halten sollen, damit andere nicht die Geduld verlieren - also lauter bedingte Kriegserklärungen. Das muß so sein, weil Staaten, die Verträge schließen, nur eine verläßliche Instanz kennen, die die Vertragserfüllung durch den Partner, auch in Widerspruch zu dessen Eigeninteresse, gewährleisten kann: sich selber.
Nichts von diesem lieblichen Geschäft unterbleibt oder ändert deswegen seinen Charakter, weil mit der Sowjetunion eine Macht mit eingestiegen ist, die von bedingten Kriegsgründen als Materie und Inhalt des Umgangs souveräner Staaten miteinander erst einmal nichts wissen will. Was sie zur Weltdiplomatie beiträgt, ist genau umgekehrt gar nichts anderes als ihre kriegstüchtige und -bereite Macht, auf die alle anderen Staaten sich berechnend beziehen müssen und können; damit - und nur damit - paßt sie überhaupt in diese Konkurrenz hinein. Ihre Absage an imperialistische Kriegskalkulationen spielt insofern eine Rolle - und zwar eine bedeutende -, als daraus in der Welt der Diplomatie eine zusätzliche universelle Kriegsdrohung wird, die manchen Staaten Schutz für ihre Selbstbehauptungs- und Durchsetzungsbemühungen versprechen und anderen die entsprechenden Probleme bei der Entfaltung erpresserischen Drucks bereiten. Und das ist der KPdSU auch keineswegs verborgen geblieben, daß ihr unverwüstlicher Wille zu "friedlichen Konfliktlösungen" allüberall auf der Welt nicht bloß ein Eingeständnis bedeutet, aus welchem Stoff die herrlichen "internationalen Beziehungen" gemacht sind, die sie veredeln möchte, sondern auch selber nur so viel Respekt erwirbt, wie an konkreter Kriegsdrohung dahintersteht. Sie hat darauf reagiert - mit dem Auftrag an ihr Militär, einen satten Vorrat an Machtmitteln für jede Sorte konstruktiven Eingreifens in die fortwährende wechselseitige Behelligung der souveränen UNO-Mitglieder durch einander bereitzustellen. So tut die KP selbst alles dafür, ihre Weltfriedensmacht voll zu einem Standpunkt innerhalb der imperialistischen Staatenkonkurrenz auszubilden und ihren Staat ununterscheidbar von den altehrwürdigen imperialistischen Mächten zu machen. Dabei hat sie noch nicht einmal die imperialistische Interessen, die einer bürgerlichen Regierung als ehrenwerte Staatsaufgabe selbstverständlich sind. Was haben denn, vom Standpunkt einer sozialistischen Gesellschaft aus, Schiffe der Roten Flotte im Persischen Golf, Waffen aus sozialistischer Produktion in den Arsenalen der ägyptischen oder indischen Armee, Soldaten des Sowjetmilitärs in Angola oder Äthiopien verloren? Sehr nötig und konsequent wird das alles nur im Zuge des verrückten Unterfangens, den Herrschern der Welt bei ihren Händeln hilfreich zur Seite zu stehen, um mehr Frieden herbeizuzwingen. Wer Diplomaten für einen segensreichen Menschenschlag hält, muß dann allerdings auch Waffenexporte, Kriegsschiffe und militärische Grußadressen vor- oder hinterherschicken.
Der abweichende politische Ausgangspunkt der Interventionen, die die regierenden Kommunisten tatsächlich starten, macht sich dann oft genug bloß noch darin bemerkbar, daß sie Aufwand und Ertrag jeder wirklichen imperialistischen Kalkulation Hohn sprechen: Weil sie sich zu vernichtendem Zuschlagen nicht verstehen wollen - wie es die USA in Vietnam praktiziert haben und der Staat Israel es lehrbuchmäßig vorführt -, bleibt der kriegerische Ertrag meist aus, wodurch der allzu friedenspolitisch bemessene Aufwand an Gewaltmitteln dann doch nur um so kostspieliger wird. Die Wahrheit imperialistischer Friedenspolitik: ein fraglos überlegener militärischer Terror, soll es eben doch immer nicht sein, was die alternative Weltfriedensmacht zur Befriedung der Staatenwelt beisteuert. Das vermindert aber noch nicht einmal die moralischen Unkosten dieser Sorte sozialistischer Weltpolitik, im Gegenteil: Nach den Standards der Diplomatie gewogen, löst sich der Friedenswille der KPdSU für "die Weltöffentlichkeit" in eine ideologische Phrase auf, die sich von den bürgerlichen ausgerechnet durch eine spezielle Unglaubwürdigkeit unterscheidet, weil sie gerade nicht bloß die berechnende Verzierung hinreichend brutaler Erfolge ist.
Die Geltung, die der Maßstab des friedlichen Werkehrs der Staaten in der imperialistischen Realität nicht besitzt, verschafft ihm die KPdSU um so erfolgreicher in der guten Meinung ihrer Massen. Denen spiegelt sie eine Welt grundsätzlich friedliebender Nationen vor, in der eigentlich niemand Krieg will - außer einer bösen macht- und geldgierigen Minderheit, die keine theoretische Erklärung, sondern nur moralische Verachtung verdient. Für einen Gefolgsmann dieses Weltbilds muß es im Grunde völlig rätselhaft bleiben, wieso diese Bösen sich so unangefochten durchsetzen; so, daß der Sowjetmacht keine militärische Anstrengung erspart bleibt. Offensichtlich hat die Partei es aber mit ihren Phrasen über die allenthalben waltenden "Widersprüche" geschafft, ihren Bürgern jede Kritik an ihren widersprüchlichen Weltdeutungen und jedes Bedürfnis nach stichhaltiger Aufklärung abzugewöhnen. Reichlich bedient wird statt dessen die nationalistische Dummheit, den Weg der Sowjetunion durch das Weltgeschehen als einen von den Völkern begrüßten bis bejubelten Siegeszug des Friedens zu sehen und sich zu wundern oder auch zu empören, wenn jemand diese Einschätzung nicht teilt - aus welchen Gründen auch immer. Erledigt ist damit auch schon alles, was die KPdSU unter internationaler Klassensolidarität versteht und für die Pflege dieser edlen Gesinnung tut: Sie besteht in dem Friedensidealismus, als dessen Sachwalter die kommunistische Regierung nach Kräften dem Friedenswillen anderer Regierungen nachhilft. So werden Sowjetpatriotismus und proletarischer Internationalismus deckungsgleich - fast wie im wirklichen bürgerlich-imperialistischen Gemütsleben!
2.
Die KPdSU hat mit ihrer Planwirtschaft Land und Leute dem Geschäftsinteresse und Zugriff auswärtigen Kapitals erst einmal entzogen; auch umgekehrt ist den volkseigenen Betrieben das Geschäftsinteresse an Land und Leuten, Waren und Märkten in anderen Staaten fremd. Und trotzdem hat sie sich immer mehr in den Weltmarkt eingeschaltet, Schulden gemacht und lädt nun sogar Kapitalisten zu "joint ventures" mit sozialistischen Betrieben ein.
Das Wirtschaftsgeschehen in fremden Ländern ist der KPdSU einerseits gleichgültig genug, daß sie keine kapitalistische Nation mit einem "Revolutionsexport" behelligen möchte. Andererseits findet sie die Früchte kapitalistischer Ausbeutung anderswo dermaßen unwiderstehlich, daß ihr Ex- und Import sonst keine Schranken kennen will; ausländische Ausbeuter sind ihr als Handelspartner gerade recht.
Das hält diese Partei für die passende Austragung einer "Konkurrenz der Systeme", mit der sie noch nicht einmal die Absicht verbindet, den Kapitalismus wirklich niederzukonkurrieren. Sie beteiligt sich am Weltmarkt, so als würden sich ausgerechnet dadurch die Maßstäbe und Grundsätze ihrer Wirtschaftsweise wie von selbst segensreich über den Erdball ausbreiten. Handelsverträge behandelt sie wie Beweise dafür, wie gut man mit ihrem "realen Sozialismus" fährt; Beweise, die den Machthabe und "Wirtschaftsführern" anderer Länder Eindruck machen und sie überzeugen sollen. Und wenn nicht gleich vom Sozialismus, dann doch wenigstens von den Vorteilen eines friedlichen Verkehrs mit ihm.
Im Namen dieser Fiktion liefert die KPdSU dem Zugriff des internationalisierten Kapitals und seiner nationalen Hüter einiges von dem wieder aus, was sie ihm entzieht. Sie wirkt selbst mit an der Destabilisierung ihres Systems.
Den Internationalismus ihrer Volksmassen bedient die Partei auch. Mit sozialistischen Siegen bei Olympia.
Was haben Kommunisten bei Sportwettbewerben und Opernfestivals. verloren? Was haben sie Kinder zu Turnkrüppeln zu erziehen und Fräcke für die Auslandsreisen ihrer Musiker zu kaufe ? Sind solche Exportartikel vielleicht der passende Ersatz, wenn sie schon ihre Revolution nicht exportieren wollen? Oder wofür sonst hat die KPdSU diese lächerlichen nationalen Leistungsbeweise nötig, mit denen bürgerliche Staaten den Patriotismus ihrer Bürger bedienen und dem nationalistischen Geschmack auswärtiger Betrachter gefallen wollen?
Die KPdSU hat tatsächlich kommunistische Agitation durch nationale Imagepflege ersetzt. Und das ist noch nicht einmal der schlimmste Fehler ihrer außenpolitischen Generallinie, die sie "Wettbewerb der Systeme" nennt.
Was haben Kommunisten auf den kapitalistischen Weltmärkten herumzuschachern? Was haben sie westdeutschen Stahlfirmen Röhren abzukaufen, um westdeutschen Energieunternehmern Erdgas zu verkaufen, und dabei noch westdeutsche Banken verdienen zu lassen? Was haben sie Getreide von US-Farmern zu importieren - statt den halben Kontinent, in dem sie das Sagen haben, zum unabhängigen, unerpreßbaren Paradies der Werktätigen herzurichten?!
Die KPdSU hat für alles das einen Grund, der materialistisch klingt, es aber nicht ist, und kommunistisch schon gleich nicht: Internationaler Handel wäre "zu wechselseitigem Nutzen". Verschwendet diese Partei überhaupt noch einen Gedanken darauf, wer die andere Seite ist, zu deren Nutzen sie beitragen will? Und welchen Nutzen bilanziert sie eigentlich auf der eigenen Seite - neben Schulden und Devisennöten?!
Wenn die KPdSU einen blühenden Wirtschaftsverkehr mit dem kapitalistischen Westen anleiert, dann verhält sie sich in einer Hinsicht genau wie die andere Seite: Sie will gar nicht wissen, auf was für ein System, auf was für Zwecke und wohlorganisierte Sachzwänge sie sich damit einläßt; statt dessen unterstellt sie ihren Kontrahenten als ihr eigenes leicht verfremdetes Spiegelbild. So wie Kapitalisten - samt journalistischem Überbau - die realsozialistische Planwirtschaft als Geschäftschance nehmen, der es noch an einem offenen Markt und den vielen praktischen Instrumenten der Marktwirtschaft fehlt, so nimmt die KPdSU den Kapitalismus als ein Hebelwerk zur Hervorbringung nützlicher Güter, das sich nach den Kriterien der wirtschaftlichen Rechnungsführung glänzend mit der Planwirtschaft ergänzen kann, auch wenn es den Maßstäben planmäßiger Versorgung, namentlich der Massen, nicht genügt. So schaffen diese Kommunisten es problemlos, mit ihren Bedarfsvorstellungen laufend an ihren kapitalistischen Geschäftspartnern, die nichts als Profitraten im Kopf haben, vollständig vorbeizureden und zum Schluß bei Krimsekt handelseinig zu werden. Denn auf diese Weise gelingt es ihnen von sämtlichen Interessengegensätzen abzusehen, mit denen sie es tatsächlich zu tun bekommen.
Am lockersten abstrahieren sie von dem Interessengegensatz gegen das westliche Proletariat, den das Geschäftsleben, an dem sie teilnehmen wollen, allemal einschließt. Mit dem Selbstbewußtsein einer Wirtschaftsmacht, die keine anderen ökonomischen Prinzipien als die ihrigen kennen will und anerkennt, unterstellt die KPdSU den westlichen Lohnarbeitern einen ähnlichen Nutzen aus dem Ost-West-Geschäft, wie sie ihn ihren werktätigen Massen immerzu verspricht, nämlich eine leichtere und bessere Versorgung. Zwar weiß sie selbst es besser, wenn sie bei Gelegenheit ausdrücklich auf die arbeiterfreundlichen Erträge des westlichen Osthandels zu sprechen kommt: Da lobt die Partei sich weniger für die Ladas und Fellmützen, die ihre Betriebe liefern, als für die Arbeitsplätze, die ihre Aufträge "sichern"; die Abhängigkeit kapitalistischer Lohnarbeiterexistenzen von dem Geschäftserfolg des Unternehmens, dem sie dienen, ist ihr also geläufig. Aber wie solchem Selbstlob ebenso zu entnehmen ist, findet sie dieses Abhängigkeitsverhältnis keineswegs grundsätzlich kritikabel. Gerade da, wo offenkundig wird, daß der Kapitalismus ganz anders funktioniert als ein realsozialistischer Plan, entdeckt die KPdSU allenfalls, daß der Kapitalismus nicht so recht klappt - und jedenfalls besser funktioniert, wenn sie ihn mit Aufträgen versorgt. Mit denen will sie das Ihre zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterklasse im Westen getan haben.
Dabei ist die Partei sich vor allem sicher, daß sie damit den "verantwortlichen" Arbeitgebern und Wirtschafts- und Sozialpolitikern im Westen einen bedeutenden Gefallen getan hat. Denn denen unterstellt sie, ganz nach ihrem eigenen Bilde, weder Konkurrenzgeierei - obwohl ihre Handelsprofis genau die ausnützen noch den Zynismus kapitalistischer Arbeitskostenkalkulation, sondern lauter Probleme, für deren Lösung sie manche praktische Hilfe und überhaupt das Vorbild ihres Systems anzubieten hätte. Der kapitalistischen Unternehmer- und Politikermafia präsentiert sie ihren Staat als Beispiel dafür, wie gut deren Staat und Wirtschaft fahren könnten, würde nur auf die "sozialen Belange" mehr Rücksicht genommen. Das ist schon die ganze "konstruktive Kritik" dieser Kommunisten an dem Kapitalismus, den sie rund um ihr Land in Blüte stehen sehen; mehr an materiellem "Interessengegensatz" gegen die Staaten mit dieser andersartigen "Gesellschaftsordnung" wollen sie selbst nicht eingehen und nie eingegangen sein.
Nicht einmal dort, wo gewisse Wirkungen des weltweiten Handels und Wandels alles andere belegen als ausgerechnet die Unterstellung, Machthaber und Geldbesitzer in imperialistischen Staaten hätten mit massenhaftem Elend ein Problem. Zwar kennt die KPdSU die Lage der "3. Welt" genau genug, um jede Verantwortung dafür weit von sich zu weisen; sie zeigt auch auf den Schuldigen, wenn sie die Statistiken über den "Netto-Kapital-Transfer" in Milliarden-Dollar-Höhe aus den überschuldeten Elendsgebieten dieser Region vor allem in die USA zitiert und andere schreiende Ungerechtigkeiten des Welthandels geißelt. Aber auch das hält sie keineswegs für einen Grund, diesem System imperialistischer Aussaugung jede konstruktive Beteiligung aufzukündigen. Sie entdeckt nicht mehr als Ungerechtigkeiten der Mächtigen, für deren Behebung sie allerlei Empfehlungen ausspricht - i m Namen der Zukurz-Gekommenen, a n die Adresse derer, die "die Verantwortung tragen". Statt die Methodik des imperialistischen Zugriffs auf den Reichtum der ganzen Welt zu kritisieren, machen diese Kommunisten sich für den geradezu konterrevolutionären Unsinn stark, den Instrumenten des kapitalistischen Weltmarkts eine bessere Verwendung vorschreiben zu wollen; so soll zustandekommen, was sie sich als den eigentlichen, planwirtschaftlichen Inhalt und Zweck von Handel und Kredit, GATT, IWF und Weltbank einbilden, nämlich eine allseits sozialnützliche "internationale Arbeitsteilung".
In die Interessengegensätze des kapitalistischen Wirtschaftslebens mischt sich die KPdSU also gerne ein; allerdings nicht mit einem eigenen gegensätzlichen Interesse materieller Art, sondern mit einem seltsam fiktiven Konkurrenzstandpunkt. Sie redet von einer "Konkurrenz der Systeme", will das aber gar nicht als wirklich grundsätzliche Alternative verstanden haben, sondern wie einen Wettbewerb unterschiedlicher Lösungen für identische Probleme, nämlich einer effizienten Produktion, einer gerechten Verteilung usw. Dabei beweist gerade diese Sichtweise, wie inkommensurabel beide Systeme tatsächlich sind: Die kapitalistische Welt hat die Probleme ggar nicht, als deren bessere Lösung die KPdSU ihr "Modell" empfiehlt. Statt dessen wirft ihr imperialistisches Geschäftsleben lauter Gegensätze auf, die der Planwirtschaft völlig fremd sind; darunter auch einen sehr praktischen Interessengegensatz gegen die Planwirtschaft selbst, sobald deren Sachwalter sich auf Handels- und Kreditbeziehungen mit der kapitalistischen Geschäftswelt einlassen. Die gewünschten Geschäfte kommen nämlich nur in dem Maße zustande, wie die Agenturen des sozialistischen Handels sich wie ganz normale Konkurrenten auf den kapitalistischen Märkten betätigen und bewähren, mit solider Kaufkraft in kapitalistisch nutzbarer Währung einerseits, Ware zu konkurrenztüchtigen Preisen andererseits. Dieser "Sachzwang" schließt Rentabilitätsmaßstäbe ein, die zur plan"wirtschaftlichen Rechnungsführung" und deren gemütlichen bürokratischen "Normativen" durchaus nicht passen; außerdem die stets erneuerte Notwendigkeit der Devisenbeschaffung, von der die zuständigen Kommunisten wohl wissen könnten, welche Tücken sie hat - sobald sie ein Problem ist, ist das auch schon ünlösbar; außer durch Schulden, die das Problem nur vergrößern, indem sie seine Unlösbarkeit vertagen.
Doch für diese kleine Einsicht reichen die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der KPdSU offensichtlich nicht aus. Sie zieht es vor, auch diesen kapitalistischen Gegensatz zu ihren eigenen materiellen Interessen nicht als Gegensatz anzuerkennen und statt dessen ihn in ein konstruktiv zu lösendes Problem zu übersetzen. In dieser planwirtschaftlichen Fassung handelt es sich wieder um ein Stück "Wettbewerb der Systeme", um Lösungen für identische Aufgaben nämlich; und die Aufgabe, vor die die KPdSU ihre Ökonomie gestellt sieht, heißt völlig unkritisch "Kampf ums Weltniveau". Da bekommen die Glanzleistungen des kapitalistischen Fortschritts ein uneingeschränktes Plus, so als wäre ihr ökonomischer Begriff der, ein realsozialistisches Produktivitätsproblem lösen zu können; mit ihnen vergleichen diese Kommunisten sich selbstkritisch - und machen damit klar, wer sich hier an wem tatsächlich mißt, jenseits aller ideologischen Deutung und jenseits aller fälligen Wirkungen auf die arbeitenden Klassen. Denn dieses Messen ist eine praktische Angelegenheit; sie vollzieht sich über Preisvergleiche auf Dollarbasis nach Weltmarktbedingungen und blamiert alle Gesichtspunkte der leichteren und besseren Versorgung, des beschleunigten technologischen Fortschritts usw. Kapitalisten brauchen sich kaum umzustellen, wenn sie sich die realsozialistischen Warenangebote und Märkte zunutze machen; sie mögen sich täuschen über die Planwirtschaft und deren leitende Gesichtspunkte, aber sie kommen an Geld, und damit erfüllt sich ihr Zweck so gut wie auf jedem kapitalistischen Markt. Die regierenden Kommunisten dagegen sind mit Preisbewegungen konfrontiert, die jede Zweckmäßigkeit für ihr planmäßiges Herumwirtschaften vermissen lassen; sie müssen mitten in ihrem Wirtschaftsapparat Sonderabteilungen mit Vorzugsbehandlung für den Westhandel einrichten, damit der Dollar rollt und nicht der Rubel. Und sie könnten, wenn ihnen schon bei den eigenen Betrieben nichts auffällt, an der polnischen Wirtschaft - und den eigenen Unkosten für deren Subventionierung merken, wie kapitalistische Kredite und die Zwänge des Schuldendienstes auf die Zersetzung ihrer Wirtschaftsweise hinwirken.
Tatsächlich kennt die KPdSU keine solchen Bedenken. Sie spekuliert auf den eingekauften Fortschritt - und außerdem auf einen eindeutigen politischen Ertrag ihres Westgeschäfts. Ausgerechnet an der internationalen Geschäftemacherei will sie den Beweis führen, wie eindeutig und vordringlich es den Herren aller Länder auf die Wahrung des Friedens ankommen müsse, da doch ein Krieg das flotte Herumschieben von Waren und Schulden rund um den Globus zu Fall bringen müßte. An diesem Beweis ist alles grundverkehrt:
Erstens sind die Kreaturen des kapitalistischen Weltmarkts nicht an dessen Wohlergehen interessiert, sondern an dem Erfolg ihres Vermögens bzw. dem der nationalen Geschäftswelt, auch wenn das die Vernichtung ganzer Sphären des Weltgeschäfts und zahlreicher konkurrierender Teilnehmer einschließt; deswegen schafft gerade der blühende Schacher mit seinen gnadenlosen Konkurrenzkämpfen den Stoff für lauter Konflikte, die von den verantwortlichen Politikern betreut, also auf die Ebene der Konkurrenz ihrer politischen Gewalten gehoben werden; und jeder derartige Konflikt kann Anlaß für den Übergang sein, daß eine Regierung die Bedingungen der Wohlfahrt ihrer Nation durch den Einsatz ihrer Gewalt gegen andere Staaten meint sichern zu müssen. Kurz gesagt: Welchen Kriegsgrund hätten denn die imperialistischen Staaten, wenn sie nicht über ihren weltweiten Kapitalumschlag alle Nationen in einen dauernden totalen Existenzkampf hereingezogen hätten, der gewaltsamer Kontrolle bedarf?!
Genau deswegen gehört es zweitens zu den leichtesten Übungen imperialistischer Politik, das Geschäftsleben, für das sie grundsätzlich sorgt, im Interesse der Kontrolle über das Ganze auch schon mal zu unterbinden. Bürgerliche Politiker teilen eben nicht die idyllische Auffassung vom Konkurrenzkampf ihrer Kapitalisten als einem friedlichen Wettstreit; sie kennen die Erpressungsqualitäten jedes gelungenen Geschäfts sowie der dabei geschaffenen und eingesetzten Geschäftsmittel und wissen sich nicht bloß frei genug, sondern geradezu verpflichtet, die Erpressung über das Geschäft zu stellen, wenn die Gesamtlage es ihnen gebietet.
Drittens ist gerade das Geschäft mit dem Reich des "realen Sozialismus" diejenige Abteilung des Weltmarktes, die von vornherein ganz und gar unter politischem Vorbehalt steht. Da teilen die imperialistischen Politiker, die sonst in nationalen Bilanzen auf Dollarbasis denken, auf einmal ein Stück mit die Sichtweise ihrer kommunistischen Kontrahenten, die auf erleichterten technischen Fortschritt scharf sind, und bremsen ihre Geschäftswelt - u.a. durch die "Cocom-Liste" -, damit solche Effekte möglichst nicht zustandekommen. Ihre Betreuung des Osthandels ihrer Kapitalisten hat prinzipiell Sabotagequalität; und wenn das ein paar eigene Geschäftsleute - US-Farmer z.B. ruiniert, so gehört das zu den Widersprüchen, die die nationale Verantwortung regierender Demokraten leicht aushält.
Also: Es gibt im gesamten Welthandel keinen Sachzwang zum Frieden; im Gegenteil, er schafft kriegsträchtige Kontrollbedürfnisse und Ordnungsansprüche gegen Konkurrenten. Und gegen die Sowjetunion verfechten die imperialistischen Mächte ein gemeinsames, alle Konkurrenzstreitigkeiten überlagerndes, globales Sicherheitsinteresse. Dieses wird im gesamten Osthandel der kapitalistischen Nationen gegen die Sowjetunion in Anschlag gebracht. Das bedeutet oft genug, daß die Gesichtspunkte der Sowjetfeindschaft sich gegen den Osthandel selbst richten; aber nichts ist verkehrter als der Umkehrschluß, dann wäre die Aufrechterhaltung und Ausweitung des Ost-West-Geschäfts ein Stück Überwindung imperialistischer Friedenspolitik gegen das sozialistische Lager. Im Gegenteil: Was da zustandekommt, wird allemal als Erpressungsund Sabotagemittel begutachtet; und wenn westliche Ostpolitiker fast gleichlautend mit ihren kommunistischen Kontrahenten über die Friedensqualität von Handel und Wandel quatschen, dann offenbart das nur, woran sie beim Osthandel immer gleich denken, nämlich eben an den fortdauernden kriegsträchtigen Gegensatz.
Es ist zweifellos eine friedenspolitische Spitzenleistung der KPdSU, daß sie sich über den politischen Interessengegensatz, den der Westen gerade mit der Aufnahme eines blühenden Geschäftsverkehrs mit ihrer Planwirtschaft aufmacht, entschlossen hinwegsetzt. Der Westen kann machen, was er will: Die KP hat in ihrem planwirtschaftlichen System den Handel als friedensfördernde internationale Unterstützungsaktion vorgesehen, und das hält sie mit dem Selbstbewußtsein der Herrschaft über ein Weltreich, das sich seine eigenen Maßstäbe setzt - für objektiv. Daß der Imperialismus auch in dieser Hinsicht ganz anders funktioniert als der reale Sozialismus, ignoriert sie souverän - und gerade so unterwirft sie sich faktisch den Maßstäben, die im Welthandel tatsächlich gelten, weil der Imperialismus sie (durch)setzt. Sie erspart ihrem Volk nichts, sondern erlegt ihm mit den Verpflichtungen im Westgeschäft eine zusätzliche ökonomische Last auf. Sie sichert nicht den Frieden, sondern macht ihren Staat ein Stück erpreßbarer. Mit ihrem Angebot einer vorbildlichen Systemalternative beeindruckt sie keinen Machthaber und an andere Adressaten wendet sie sich mit ihren Beeinflussungsversuchen gar nicht! - sondern macht bloß deutlich, wie fern ihr tatsächlich jeder ruinöse Konkurrenzkampf liegt - die verbündeten Demokratien drangsalieren einander, vom Rest der Welt ganz zu schweigen, materiell unvergleichlich mehr und härter! Und höchstens in diesem ironischen Sinn trägt sie wirklich zur Weltverbesserung bei: Im Konkurrenzkampf der Nationen wäre der Teufel los, würde sich die Sowjetunion nur annähernd so aufführen wie ihre Gegner und jeden Interessengegensatz gegen sie mit der entsprechenden Kampfposition beantworten. Soll man die KPdSU dafür loben, daß sie ihren Staat zu einem so bequemen Gegner des Imperialismus gemacht hat?!
3.
Die KPdSU mu sich von westlichen Linken vorhalten lassen, sie hätte mit dem schlechten Beispiel ihres Staates die Attraktivität des Sozialismus verspielt und deswegen den Mißerfolg der "revolutionären Kräfte" auf dem Gewissen. Das ist ungerecht. Kein bürgerlicher - oder linker Antikommunist hat seinen Standpunkt je von einer objektiven Untersuchung des "realen Sozialismus" abhängig gemacht. Und Leute, die sich in ihrer Kritik am Kapitalismus durch Fehler der sowjetischen Kommunisten irritieren lassen, machen sowieso keine Revolution.
Geschadet hat die KPdSU dem Weltkommunismus ganz anders: durch ihr Bemühen, die Welt durch glanzvolle Erfolge ihres nationalen Aufbauwerks zu beeindrucken. Die Idee des bestmöglichen Staatswesens durchsetzen zu wollen, ist nämlich das Gegenteil des Projekts einer Weltrevolution. Totgemacht hat die KPdSU die kommunistische Weltbewegung mit ihrer Politik, andere Souveräne als Helfershelfer ihres Friedenswillens zu gewinnen. Nicht nur, daß sie dafür manchen Gesinnungsgenossen geopfert hat: Sie hat ihren lebenskräftigsten Bruderparteien den Weg in den "Eurokommunismus" gewiesen. Inzwischen gibt es keinen Aufruhr mehr auf der Welt und noch nicht einmal mehr eine nennenswerte Opposition, hinter der "die Russen stecken". Das ist die Quittung für den Fehler, weltweiten Klassenkampf durch Außenpolitik zu ersetzen.
Die KPdSU braucht sich ja nicht um den Klassenkampf anderswo zu kümmern. Sie könnte sich ruhig auf den Standpunkt stellen, daß sie mit dem Aufbau eines blühenden Kommunismus genug zu tun hat und der Klassenkampf in anderen Gesellschaften ohnehin von den Kommunisten und Arbeitern dort gewonnen werden muß - wer wollte ihr das übelnehmen. Aber wenn sie schon meint, sie müßte sich um die sozialen Verhältnisse in aller Welt kümmern, dann soll sie das wenigstens so tun, daß sie den Kommunisten dort das Leben nicht noch schwerer macht!
Tatsächlich müssen die jedoch in allen Staaten des imperialistischen Weltsystems die Erfahrung machen, daß die weltweit ausschwärmenden Kader der KPdSU ihnen a n der Seite ihrer Gegner begegnen, Arm in Arm mit Machthabern und Kapitalisten; und das nicht zufällig, auf einem Schnappschuß gewissermaßen, sondern geradezu programmatisch. Kein westlicher Staatsmann, der sich gegen kommunistische Kritiker nicht darauf berufen könnte, wie gut er sich mit den führenden Häuptern der KPdSU versteht und wie ähnlich sie die wichtigen Weltprobleme sehen, in welch gemeinschaftlichem Geist sie diese zu bewältigen gedenken!
Dieses fatale Ergebnis kennzeichnet einen Erfolg, um den die KPdSU sich bemüht und den sie bekommen hat. Sie wollte und will den antikapitalistischen Umsturz, den sie in Rußland zustandegebracht und gegen viel imperialistische Feindschaft durchgekämpft hat, für die Imperialisten und die kapitalistischen Staatsmänner respektabel machen. Dieser Widerspruch ist aufgegangen - logischerweise auf Kosten der Absage an das bürgerliche System, welchem der Umsturz irgendwie ja doch gilt, und dessen Staatsgewalten er so verhaßt ist. Die KPdSU selber tut alles, um den revolutionäre Charakter ihrer Herrschaft zu verkleinern oder überhaupt zu leugnen. Sie tut so, als hätte sie mit ihrer gesellschaftlichen "Neuordnung" gar keinen Schritt aus der bürgerlichen "Völkerfamilie" heraus getan, sondern nur ein besonders fortschrittliches Anliegen eben dieser Staatenwelt exemplarisch und wegweisend erfüllt - die optimale "Antwort auf die Fragen der Zeit" gefunden, heißt das heute in der Phraseologie dieser Kommunisten. Die KPdSU tut gerade so, als hätten die übrigen Staaten - im Unterschied zum alten Rußland weiter gar keine Revolution nötig, um sich ihrem erfolgreichen Weg, einen modernen Staat zu machen, anzuschließen. Und damit stellt sie - neben allem andern auch - das Verhältnis zu ihren Gesinnungsgenossen auf den Kopf, die anderswo gegen den Kapitalismus kämpfen und. sich nichts darüber vormachen, daß die Abschaffung des Privateigentums eine gesellafttliche Revolution ist, also einen staatsfeindlichen Umsturz braucht. Statt dieser Opposition zu helfen, definiert die KPdSU deren Ziele um: Kommunisten sollen dafür werben, daß die politischen Köpfe einer jeden Nation, also vor allem die maßgeblichen, sich mit der Sicht der "Weltprobleme" und den "Lösungsvorschlägen" anfreunden, die die KPdSU verteilt.
Dieser Auftrag ist antikommunistisch. Er ist zweitens paradox, weil sich sogar noch bei der extremsten Anbiederei herausstellt, daß die realsozialistische Problemdefinition vom Aufgabenkatalog des bürgerlichen Staates eben doch durch nichts geringeres als eine gesellschaftliche Revolution geschieden ist; wenn die Gefolgsleute der KPdSU das selbst nicht wahrhaben wollen, dann konfrontiert ihr Staat sie mit dieser Wahrheit. Und drittens hat er einen gewaltigen Haken. Die Ansprache der Kommunisten soll sich an ein grundsätzlich staatstreues Problembewußtsein wenden, aus Engagement für nationalen Fortschritt - also an den politischen Standpunkt, dem der nationale Erfolg das denkbar höchste Anliegen ist; dieser Standpunkt soll sich durch den nationalen Erfolg eines anderen Staates, eben der Sowjetunion, beeindrucken, belehren und anleiten lassen. Im Interesse an einer glanzvollen Zukunft der nationalen Gesellschaft sollen die "kommunistischen" Verweise auf das sowjetische Vorbild und die angesprochenen politischen Bedürfnisie ihren gemeinsamen Nenner haben - und das kann gar nicht gutgehen. Der nationale Standpunkt wäre nämlich keiner, schlösse er nicht die Abgrenzung gegen "die anderen", das Mißtrauen gegen auswärtige Vorbilder und den Geist der Konkurrenz ein bekanntlich gibt es nur einen nationalen Grund, wirklich vorbehaltlos "vom Ausland zu lernen", und das ist der Konkurrenzkampf ums nationale Überleben.
Dieser Widerspruch, den nationalen Standpunkt durch den besser gelungenen Nationalismus eines Auslands begeistern zu wollen, fällt als Vorwurf der "Moskauhörigkeit" und des Vaterlandsverrats ganz auf die Parteien zurück, die der Linie der KPdSU folgen; und das zwingt sie zu einer Entscheidung: Sie müssen früher oder später wählen zwischen dem "Standpunkt Moskaus" und den "nationalen Farben". Irgendwelche politischen Verbrechen, die der Sowjetmacht nachgesagt werden, sind nie der Grund für dieses Dilemma, sondern machen es allenfalls akut. Und es ist keine Frage, daß Parteien, die es sich leisten können, die Scheidung von der KPdSU vollziehen und sich vollends auf den Standpunkt des nationalen Fortschritts - ohne fremde "Gängelei" stellen; etwas anderes haben die "Eurokommunisten" ja nie von der KPdSU gelernt! Dem Moskauer Vorbild treu zu bleiben, ist umgekehrt gleichbedeutend mit einem fortgesetzten Scheitern am nie kritisierten Nationalismus, dem schon der Verdacht auf "Russenknechtschaft" als Grund für einen bombenfesten Antikommunismus genügt.
Dabei geht es der KPdSU noch nicht einmal im Ernst darum, daß in anderen Ländern Versatzstücke ihres "realen Sozialismus" eingeführt werden - wie sollte das auch gehen: Die Werbung fürs sowjetische Vorbild zielt vor allem auf einen Gesinnungswandel in den anderen Staaten dahingehend, daß mit der Sowjetunion gut auszukommen sei und kein Grund zur Feindschaft bestehe. Und damit wird der Agitationsauftrag an die verbündeten KPs noch ein Stück absurder. Sie sollen sich als Partei des sowjetischen Friedenswillens aufführen; und das ist in der demokratischen Staatenwelt eine extrem harte Nuß. Denn selbst wenn die sowjettreuen Kommunisten es so nicht sehen: Mit "Friedenspolitik" sind allemal "Gefahren" angesprochen, die ohne sowjetische Kriegsbereitschaft nun einmal nicht zu denken sind. Daher ist jedem nationalen Gemüt klar, daß die Parteilichkeit für die sowjetische Friedensliebe genaugenommen eine für deren Kriegsgründe beinhaltet. Kommunistische Friedenswerbung ist deswegen nicht bloß die Fortsetzung sowjetischer Außenpolitik mit den Mitteln einer als Partei auftretenden "5. Kolonne"; es ist auch völlig klar, daß sie von jedem national gesinnten Menschen - an dem die kommunistische Botschaft ja nichts verändern will! - so genommen und schon deswegen zurückgewiesen wird. Es ist schon eine tödliche Selbstverleugnug, die die KPdSU ihren Bruderparteien abverlangt!
Und denen ist noch nicht einmal der Dank des großen Bruders gewiß. Es liegt nämlich in der Logik genau dieser Friedenspolitik, daß sie die Anstrengungen verbündeter Gesinnungsgenossen locker opfert, wenn sich dadurch bessere Chancen zur Einwirkung auf den sowjetfreundlichen Friedenswillen der zuständigen Regierung ergeben. Für den Frieden, den sie, sehr sachgerecht, als gute diplomatische Beziehung zu andern Regierungen buchstabiert, ist die KPdSU zu jedem Zynismus gegen eine eigentlich mit ihr sympathisierende - womöglich von ihr aufgebaute - Opposition bereit. Natürlich versteht sie den zu bewahrenden Frieden als überragenden Rechtfertigungsgrund für jede Sauerei. Aber damit offenbart sie nur einmal mehr ihren nicht wiedergutzumachenden Fehler, ihrem abweichenden System auf Staatsebene Anerkennung verschaffen zu wollen: Daß der Imperialismus das als Kriegsgrund nimmt, schafft sie nicht ab; sie läßt sich darauf ein.
Was einmal eine "kommunistische Weltbewegung" war, das hat die KPdSU mit ihrer friedenspolitischen Generallinie totgekriegt. Aber das irritiert sie nicht weiter. Sie verfügt - in ihrer Sicht der Welt - über Ersatz. Nationalisten, die sich aus welchen Gründen auch immer um Frieden und/oder irgendeine "soziale Frage" kümmern, ohne je an Klassenkampf gedacht zu haben, gefallen ihr längst fast genausogut wie kommunistische Parteien, die direkt für sie werben, und allemal besser als einfach Kommunisten. Sie bezieht sich darauf als nicht bestellte, deswegen nur um so überzeugendere Anwälte des Standpunkts, den sie in die Politik der imperialistischen Nationen (bloß) einbringen will; und es stört sie nicht weiter, wenn solche Fraktionen ihren Antikommunismus betonen: Im Namen von Frieden und Fortschritt wird selbst das verziehem.
Nach diesem Muster hat die KPdSU lange Jahre die antikolonialistische Befreiungsbewegungen zu ihren Bündnispartnern gemacht; ideell und auch mit Waffenhilfe. Das Ergebnis war leicht absehbar: Mit dem Gewinn der Selbständigkeit und dem Übergang zum "nationalen Aufbau" war die Distanzierung von der Solidarität aus dem Osten eingeleitet; es sei denn, imperialistische Subversion oder ein Krieg nötigen zur Bitte um sowjetische Waffenhilfe - und die KPdSU hält es für nützlich, sie zu gewähren. Inzwischen ist aus diesen Zeiten nur noch die imperialistische Gewohnheit übriggeblieben, "die Russen" als Drahtzieher zu verdächtigen, wo etwas nicht im Sinne des imperialistischen Sicherheitsfanatismus läuft. So etwas Böses will sich die KPdSU einerseits nicht nachsagen lassen; andererseits ist ihr sogar das noch willkommen als Beleg dafür, daß alles Fortschrittliche, Soziale, Antiimperialistische bei ihr seine wahre Heimat hätte.
Als Beleg dafür nimmt die KPdSU heutzutage überhaupt alles, was sie kriegen kann. Was im Westen prominent ist, wird eingeladen, um anschließend von der sowjetischen Gastfreundschaft Zeugnis zu geben - auch ein Beweis für die Möglichkeit einer friedlicheren Welt. Ans kapitalistische Proletariat, das bei den großen "Wirtschaftsmächten" dient und verkommt, wendet sie sich bloß noch über dessen Fernsehlieblinge und Philosophen. Das soll gut sein für die Weltrevolution? Das kann die KPdSU selber nicht glauben. Aber es macht ihr nichts: Sie will sie nicht.