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Kriselt's bei Reagans?
NICHT REAGANS IRAN-AFFÄREN SIND DER SKANDAL, SONDERN DIE MASSSTÄBE DER US-POLITIK, DIE ENTSCHEIDEN, WAS EIN SKANDAL IST
Was ist denn eigentlich geschehen, das in der US-Politik so außergewöhnlich wäre? Was hat Ronald Reagan getan, was ihm nach Auffassung der politischen Sachverständigen die schlimmste Krise in seiner Regierungszeit beschert hat?
Waffenschieberei
In diesem Fall eine enorm bescheidene, gemessen an dem, was jedes Jahr ganz offiziell im US-Haushalt unter dem Titel Militärhilfe beschlossen wird und was weniger offiziell, aber ebenso regelmäßig von der CIA zu den Kriegsschauplätzen in aller Welt angeliefert wird. Daß die USA ganze Staaten wie überdimensionale eigene Militärstützpunkte ausrüsten, daß z.B. Israel - wie man anläßlich des jetzigen Skandals erfahren hat - bei Pentagon nur seine Bestellungen aufgeben muß, um aus US-Beständen für seine "tapferen militärischen Leistungen" versorgt zu werden - das gilt als völlig selbstverständlich. Daß lauter "kleine" Kriege - "low intensity warfare" (Weinberger/ Shultz) in Angola, Afghanistan, Kambodscha oder Nicaragua - mit US-Waffen bestritten werden, das ist ebenso unanstößig. Das würdigt die freie Welt mit einer gekonnten Verwechslung von Machern und Instrumenten der Weltpolitik als "Hilfe" für "Freiheitskämpfer". Wie moralisch/schmutzig ein Krieg ist, entscheidet das Interesse der Weltmacht Nr. 1. Und da sollten ein paar Waffenlieferungen an den Iran einen unglaublichen Mißgriff der US-Politik darstellen?!
Pflege von Beziehungen
Die Eingemeindung von Staaten in die westliche Weltordnung, die dabei angewandten Methoden von Erpressung und Bestechung - das gehört doch ebenso zu den heiligsten Pflichten der imperialistischen Aufsicht. Wozu unterhalten denn die USA und ihre Verbündeten ein diplomatisches Netz, das noch die armseligste Nation mit der Bekanntgabe der Interessen, Angebote und Sanktionen versorgt, an denen sie sich auszurichten hat?! Und seit wann sind die einmal getroffenen Einstufungen in der Skala Freund/Feind ein Grund für diplomatische Abstinenz? Die prompten Umbenennungen von ehemals "verabscheuungswürdigen Staaten" in "interessante Gesprächspartner" registrieren doch umgekehrt immerzu den Erfolg der freiheitlichen Ordnungsbestrebungen, denen sich auf Dauer kein Regime entziehen kann oder will. Wer erinnert sich bei Ägypten oder China noch daran, daß das einstmals Sowjetsatelliten oder totalitäre Staaten waren? Wie schnell hat sich ein pakistanischer Zia von einem anrüchigen Diktator in den befreundeten Präsidenten eines strategisch wichtigen Landes verwandelt? "Steinzeitkommunisten" und "Schlächter" wie die Pol-Pot-Anhänger, Drogenhändler wie die Contra-Führer, religiöse Fanatiker wie die afghanischen Mudschahedin - es kommt doch immer darauf an, wozu sie sich benützen lassen, und danach gestaltet sich die moralische Einstufung. Und da sollte sich Ronald Reagan durch Verhandlungen mit iranischen Politikern kompromittiert haben?
Verdeckte Operationen
sind eine mit allen erforderlichen Rechten versehene Abteilung der US-Außenpolitik. Dafür sind eigene Apparate wie CIA, NSA usw. zuständig. Deren Aufgaben und Etat werden regelmäßig im US-Haushalt abgesegnet. Daß sich da, weil geheim, etwas verselbständigt, gehört zu den demokratischen Märchen: Fragen der "nationalen Sicherheit" sind eben so umfassend wie die USA ihre Sicherheit politisch definieren, nämlich weltweit. Sie verlangen die gebotene Rücksichtslosigkeit gegenüber rechtlichen Gepflogenheiten, weil eben die "Sicherheit" der Nation das höchste aller Gebote ist. Sie werden schließlich nicht deshalb geheim abgewickelt, damit sich die Nation und ihr Präsident nicht ab und an öffentlich schämen müssen. Geheim sind sie einfach deswegen, weil der jeweilige Feind/Adressat und der Rest der Welt schon noch früh genug erfahren, worauf es ankommt.
Dieselben Demokraten, die jetzt auf "schmutzige Geheimaktionen" deuten, haben damals beim Sturz des Schah ein einziges Versagen von CIA und Carter-Administration entdeckt, die nicht rechtzeitig vorgesorgt hätten. Und da sollte die Geheimdiplomatie Reagans, um den Iran wieder in den Griff zu bekommen, ein Fehltritt gewesen sein?!
Gesetzesbrüche
Das kann es wohl kaum sein, was sich Reagan hat zuschulden kommen lassen, so wie die Gesetze aussehen, die da in Betracht kommen. Z.B. die Pflicht des Präsidenten zur Unterrichtung des Kongresses:
"Das Gesetz ist bewußt vage formuliert, um dem Präsidenten, der zugleich Oberkommandierender der Streitkräfte ist, beträchtlichen Ermessensspielraum zu geben. Die Kritik im Fall Iran bezieht sich einstweilen auf eine 'Überdehnung', nicht aber einen Bruch des Gesetzes." (Frankfurter Allgemeine, 22.11.)
Und was das gesetzlich gefaßte Waffen-Embargo gegen den Iran betrifft; verfügt der Präsident über das ebenso gesetzliche Instrument, Gesetze aufheben zu können, wenn sie ihm gerade nicht in den Kram passen. Das dafür erforderliche Dokument hat er im Januar '85 unterzeichnet. Und schließlich:
Gelder für die Contras
Ein Skandal? Während gleichzeitig der Kongreß höchstoffiziell die Finanzierung der Contras genehmigt, sich also der Auffassung des Präsidenten angeschlossen hat, daß der Zermürbungskrieg gegen Nicaragua mit dem entsprechenden Gerät versorgt werden muß?! 10 bis 30 Millionen Dollars für die Contras können ja wohl kaum der Grund der Aufregung sein, wenn 100 Millionen legal bezahlt werden und Militärhilfe in ähnlichen Größenordnungen ohne jeden Streit an El Salvador und Honduras geleistet wird, damit die sich zur Operationsbasis für die Contras und amerikanische Dauermanöver herrichten.
Alles das war nicht der Grund der Entrüstung; das zählt zur bewährten Routine US-imperialistischer Außenpolitik. Daran nehmen Demokraten keinen Anstoß, darauf bestehen sie vielmehr als den nötigen Instrumenten der Aufsicht, die die Verteidigung der Freiheit in der Staatenwelt benötigt. Und genauso wenig gibt es die Spur von Kritik an dem, was Reagans Mannschaft in dem speziellen Fall gedreht hat.
Die Wiedereingemeindung des Iran - auch kein Skandal
Daß sich die USA zum Schiedsrichter über den Golfkrieg aufschwingen, geht selbstverständlich in Ordnung. Kein Waffengang, der die Führungsmacht nichts anginge. Und wenn sich hier zwei Staaten die Freiheit herausnehmen, ihr Volk für eine Vorherrschaft in der arabischen Welt zu verheizen, die in die vorgesehene Nahost-Ordnung nicht hineinpaßt, dann werden sie keinesfalls gebremst oder mit Nichtbeachtung belegt, sondern kalkuliert mit Waffen versorgt. Wohldosierte Lieferungen an beide Seiten garantieren die perfekte Kontrolle darüber, daß kein unerwünschter Sieger zustandekommt, daß sich vielmehr beide Seiten, je länger sie sich zusetzen, nur desto gründlichere Abhängigkeiten erarbeiten. Das führt dann zum Entstehen sogenannter "vernünftiger Kreise", die mit ihrem Waffenbedarf erpreßbar sind.
Ganz unbestritten ist zweitens das Interesse, das es verbietet, den Iran einfach abzuschreiben, und das sich als dessen "strategische Bedeutung" zusammenfaßt: Die gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion und Afghanistan, das ist ein unbesetzes Stück Front gegen den Hauptfeind, dazu kommen 45 Millionen Volk, eine Million Soldaten und die Reste der unter dem Schah aufgebauten militärischen Infrastruktur; lauter Voriüge, die dieser Nation das lebhafteste Interesse der USA auf Dauer garantieren. Schließlich pflegen dieselben Mullahs, die wegen ihrer antiimperialistischen Töne zu Terroristen ernannt worden sind, auch einen soliden Antikommunismus. Neben der offiziellen Verurteilung ist daher logischerweise die Kontaktpflege nie abgerissen und hat ihre Erfolge zu verzeichnen, wie man jetzt ganz nebenbei erfährt. So hat z.B. die Pflege von Beziehungen durch Hinweise des CIA 1983 rund 200 Verräter, nämlich mutmaßliche Sowjetagenten, das Leben gekostet. Zusätzlich sind damals Sowjetdiplomaten ausgewiesen und die prosowjetische Tudeh-Partei ist verboten und verfolgt worden - darin hat keiner eine Verletzung demokratischer Werte sehen wollen.
Genauso unanstößig ist schließlich der Sachverhalt, daß sich die US-Politik - wegen all der guten strategischen Gründe - in die inneriranischen Verhältnisse einmischt und nach Kräften auf eine ihr genehme Regelung der iranischen Herrschaft hinarbeitet. Das gute Recht der USA, sich das passende Personal auswärtiger Herrschaften heranzuziehen und auf welchen Wegen auch immer an die Macht zu bringen, das hat noch keiner der Reagan Kritiker in Zweifel gezogen.
In dem Skandal, der jetzt den US-Präsidenten angeblich in ein Watergate gestürzt hat, steht keine der imperialistischen Gepflogenheiten, keine der harten Interessen der USA und der dazugehörigen Machenschaften zur Debatte. Der Skandal geht jenseits davon überhaupt erst los, hakt all das als selbstverständliche Rechte und Pflichten eines US-Präsidenten ab, um dann Vergehen auszumachen, die es allesamt in sich haben.
Der Skandal:
"Schwäche"
Der US-Präsident hat sich angeblich wegen der Geiseln auf ein schmutziges Geschäft eingelassen. Er soll damit gegen ein heiliges Prinzip verstoßen und seine Führung unglaubwürdig gemacht haben. Gegen das Prinzip nämlich, daß sich im Umgang mit "Terroristen" unterhalb von Kriegsaktionen jeder andere politische Verkehr verbietet.
Diese bemerkenswerte Definition von "Schwäche" begründet sich total aus den Maßstäben, die unter Ronald Reagan überhaupt erst in die Weltpolitik eingebracht worden sind. Aus der maßlosen Feinddefinition, die mit dem Titel "Terrorismusbekämpfung" verkündet worden ist: Mißliebige Staaten, zuwiderlaufende politische Interessen und Aktionen werden zu Verbrechen erklärt, die ausschließlich die analoge Behandlung verdienen. Die Bedingungslosigkeit dieser Feindschaftserklärung, die mit Rechtstiteln der Art "Mörder-GmbH" die auf die Abschußliste gesetzten Sowjetfreunde nicht einmal mehr zu irgendwelchen Alternativen erpressen will, wird jetzt gegen Reagan selbst ins Feld geführt: ausgerechnet er soll sich wegen der Geiseln erpreßbar, also abhängig gezeigt haben!
Eine Sichtweise, die die Verhältnisse auf den Kopf stellt: Die US-Politik behält sich vor, in jedem amerikanischen Menschenleben, das von der falschen Seite belästigt wird, sich selbst angegriffen zu sehen, legt sich politisches kidnapping als Vorwand für Kriegsaktionen zurecht - und dieselbe Politik sollte sich wegen sechs verschollenen Amis dazu erpressen lassen, ihren schlimmsten Feinden Waffen zukommen zu lassen? Die Erlogenheit der Gleichung von US-Souveränität und Schutz von Menschenleben ist mit Händen zu greifen. Die Menschenleben, die tagtäglich in den USA an den goldenen Regeln der Freiheit verrecken, darf man erst gar nicht einrechnen. Ebensowenig die US-Boys und Mitglieder anderer Nationen, die bei der "Terrorismusbekämpfung" ihr Menschenleben loswerden, Geiseln inclusive, die ja auch meistens ihre Befreiung nicht überleben. Als größten Mißgriff des Präsidenten zitiert die US-Presse gerade seinen weinerlichen Hinweis auf die drei Befreiten; die Ex-Geiseln selbst tun so, als ob sie unter diesen Bedingungen am liebsten gar nicht befreit worden wären - sollen sie doch zurück! -, und da sollte ausgerechnet der Erfinder dieser Kriegsmoral darauf hereingefallen und weich geworden sein?!
Die Sorte Kritik, die zwischen moralischer Scharfmacherei und politischen Interessen keine Differenz mehr kennen will, erklärt den Iran-Handel zu einer Demütigung der Nation. Einerseits eine verrückte Prinzipienreiterei: als dürften die USA außer Erschießen, Bombardieren und Erobern keine anderen außenpolitischen Mittel mehr zum Einsatz bringen; andererseits ein sehr deutlicher Antrag. Die Wahrheit über das Geisel-Geschäft nützt Ronald Reagan wenig. Er hätte dieselben Geiseln genausogut im Libanon verschimmeln und als ewigen Rechtstitel für "Vergeltungsschläge" bestehen lassen können, das hätte ihm seine Nation nie und nimmer verübelt. Er hat sie aber nun einmal als Testmaterial auf das Entgegenkommen und den praktischen Einfluß der "vernünftigen Kreise" in Teheran eingesetzt.
"Sie wollten über bessere Beziehungen sprechen ... Sie sagten, sie wollten etwas in Sachen Terrorismus untemehmen. Daraufhin haben wir gesagt, wenn euch das ernst ist, könnt ihr es beweisen. Das war ein einfacher Weg, um ihre Ernsthaftigkeit zu prüfen..." (Frankfurter Rundschau, 2.12.)
Die Absicht wird ihm zugute gehalten - aber da blamiert ihn der noch nicht eingetretene Erfolg.
"Mißerfolg"
"Zugestanden, daß Reagan und sein Stab zurecht versuchten, mit einem strategisch so bedeutenden Land wie dem Iran wieder Beziehungen herzustellen und Einfluß zu gewinnen. Aber wie konnten sie dabei übersehen, daß sie sich mit ihrer Zustimmung zu Waffenlieferungen in etwas eingelassen haben, das - in den Augen der Iraner und der ganzen Welt - aussehen mußte wie ein ungeschickter Tauschhandel von Waffen gegen Geiseln... eine nackte Erpressung?" (Time, 24.11.)
Die sachverständigen Kritiker des Präsidenten wissen, wo die Kriegsmoral, die Terroristenhetze, am Platz ist und wo andere politische Interessen ihr Recht haben. Auch ein als Terrorstaat definierter Gegner wie der Iran kann als Staat viel zu wichtig sein, um ihn nicht genausogut auf diplomatischem Weg für die US-Interessen vereinnahmen zu wollen. Bloß - diese Wiedereingemeindung ist noch nicht gelungen. Gerade wegen der noch nicht entschiedeneri Konkurrenz um die Khomeini-Nachfolge ist das Geschäft bekanntgeworden. Daher, so die imperialistische Logik der Kritik, war die ganze Aktion "von einem bodenlosen Dilettantismus" geprägt. Erfolglosigkeit, genauer: der öffentliche Eindruck, in geheimdiplomatischer Mission aufs Kreuz gelegt worden zu sein, das erträgt der feinfühlige US-Nationalismus nicht. Eben die Kombination: Die US-Politik öffentlich zum Gespött ungewaschener Mullahs gemacht und Geiseln freigekauft - die läßt einen Ronald Reagan auf einmal uralt aussehen. So unverschämt anspruchsvoll sind die Kriterien, mit denen eine Nation die ihr gebotene Politik als Show beurteilt, wenn sie nur lange genug instruiert worden ist, daß ihr göttliches Recht mit entschiedenem Auftreten und Blitzkriegen vollstreckt wird.
"Am Kongreß vorbei"
Diese Mißbilligung des originellen Einfalls, den Iran zur Finanzierung der Contras heranzuzuziehen, ist alles andere als eine Mißbilligung des Verwendungszwecks. Getäuscht worden ist der Kongreß auch nicht. Im Februar, als der Streit um die offene Finanzierung der Contras anstand, hat Reagan das letzte Mal laut und unüberhörbar erklärt:
"Falls der Kongreß die elf Millionen nicht freigibt, werde ich andere Möglichkeiten der Geld- und Waffenhilfe wählen."
Und damit hat er wohl kaum sagen wollen, daß er den Kongreß über seine Beteiligung an der Kriegführung in Nicaragua hinters Licht führen wollte. Das ist das albernste demokratische Gerücht, daß CIA und NSA vorwiegend zur Täuschung der anderen demokratischen Instanzen da seien. Die CIA organisiert vielmehr eine Sorte von Kriegführung mit den militärischen Bequemlichkeiten und diplomatischen Vorteilen, die sich daraus ergeben, daß eben nicht die USA selbst unmittelbar als kriegführende Partei auftreten.
Strittig zwischen Reagan und seinem Kongreß war auch niemals das Recht oder die moralische Qualifikation der USA, Kriege zu inszenieren und sich dafür auswärtige Truppen zu halten und Finanzquellen zu erschließen. Strittig war bezeichnenderweise nur die Tauglichkeit dieser Truppe, die Frage, ob die Contras einig, stark und militärsch gut genug wären, um die ihnen zugedachte Funktion zu erfüllen. Ob sie nicht die USA in etwas "hineinziehen" zu Konseuenzen "nötigen" könnten... und das heißt eben nur: die souveräne Entscheidung der Weltmacht USA durch irgendwelche Zwangsläufigkeiten beeinträchtigen, die, genauer betrachtet, gar nichts anderes sind als die eigenen US-amerikanischen Absichten und erlesenen Maßstäbe für gelungenes Auftreten. Wenn sich dieser Kongreß, der über die Regierungstätigkeit seines Präsidenten gar keine andere Art von Kontrolle ausübt, als sie am Maßstab der US-Interessen und ihrer möglichst effektiven und glanzvollen Durchsetzung zu überprüfen, jetzt beschwert, es wäre an ihm vorbeiregiert worden, dann ist das nichts anderes als ein Kompetenzgerangel. Wo die Amtsführung Reagans ihrem Ende entgegengeht, melden sich die politischen Konkurrenten zu Wort, unterstreichen mit ihrer Beschwerde "am Kongreß vorbei" nachdrücklich ihre Anwartschaft auf den Posten und kosten das "Versagen" des amtierenden Präsidenten als bestes Argument für ihre Fortsetzung seiner Politik aus.
"Ungeschickt gelogen" oder: "Nicht einmal den Keller des Weißen Hauses unter Kontrolle"!
Zwischen den beiden Kriterien hat Reagan die Wahl, was die vorläufige Bewältigung des Skandals betrifft. Das mag ihm ungerecht vorkommen, da er "seinen Job" doch vorher wie nachher mit den ganz gewöhnlichen Methoden von Volksverhetzung nach innen, Desinformationskampagnen gegen seine Feinde und einer Führung durch lauter Spezialisten in Diplomatie, Spionage, schmutzige und saubere Kriegführung und Aufrüstung bestritten hat.
Der Sache nach sind die "Bedingungen", an denen ein US-Präsident seine Glaubwürdigkeit überprüfen lassen muß, die bedingungsloseste Ermächtigung, die man sich denken kann. Er darf und muß alle geheimen und öffentlichen Operationen befehligen, die das nationale Interesse nur irgend erfordert - er darf sich bloß nicht bei etwaigem bloß 50prozentigen Erfolg zu Geständnissen nötigen lassen, so daß e r dabei schlecht aussieht. Er d ar f und muß den größten Gewaltapparat der Welt kommandieren, die einschlägig befähigten Kreaturen zusammenziehen - er muß sich dabei bloß die Verantwortung zuschreiben, also an der Fiktion messen lassen, daß er höchstpersönlïch über jedes U-Boot-Manöver, jede Truppenbeegung, jeden ClA-Einbruch den Überblick hat.
So wahnwitzig der an die oberste Charaktermaske gerichtete Anspruch auf totale Führung ist, auf der anderen Seite ist es eine lupenrein imperialistische Veranstaltung, die sich die USA mit diesem Skandal leisten. Vergriffen hat sich Ronald Reagan einzig im Hinblick auf die ideologischen Rechtstitel seiner Kriegspolitik. Die werden jetzt gegen ihn eingefordert. Sein glanzvoller Überfall auf Grenada - der jetzt gerade noch mit ein paar Todesurteilen für seine Opfer abgesegnet worden ist - ist noch mit der konstruktiven Kritik kommentiert worden, ob denn eine Macht wie die USA gegen eine Karibik-Insel nicht auch verhältnismäßigere, zivilere Mittel hätte anwenden können. Jetzt genau umgekehrt: Darf eine Macht wie die USA, die ihre Feinde schlichtweg als Verbrecher einstuft, mit denen überhaupt verhandeln und sie friedlich erpressen? Ist das nicht ein Zeichen von Nachgiebigkeit und Schwäche? So flexibel ist also eine Kritik, die sich konstruktiv am Erfolg der Nation orientiert.
Als zweites ist es für die heutigen Kritiker Reagans die allergrößte Selbstverständlichkeit, die weltweite Durchsetzung der US-Politik gar nicht anders als in Gestalt innenpolitischer Kompetenzstreitigkeiten oder Eigenschaften der allerhöchsten Charaktermaske zu verhandeln. Der Krieg gegen Nicaragua - begutachtet unter dem erlesenen Gesichtspunkt, wieviel der Kongreß dem Präsidenten "erlaubt" oder "verbietet", wie fein das System der "checks and balances" funktioniert. Die Endlösung der Nahostfrage - Material für Zweifel an der Qualifikation eines 75-jährigen patriotischen Trottels, sich die richtigen Macher an Land zu ziehen. Die US-Politik treibt die Flurbereinigung im Nahen Osten gegen die Sowjetunion voran, spannt alle möglichen Staaten dafür ein und benutzt sie als Zwischenträger für ihre Mittelamerikapolitik - und diskutiert wird, wieviel Reagan davon "gewußt" hat, falls er sein Hörgerät eingeschaltet hatte. Die weltpolitischen Fortschritte in der Frontbegradigung als Material zur Beleuchtung vor- und nachteiliger Marotten ihres Vorstehers: mit dieser irrsinnigen Verdrehung begutachten aufgeklärte Demokraten die Vorbereitungen zum nächsten Weltkrieg.
Es geht nämlich immerzu um nichts anderes, das aber gerade in der Form, daß der eigentliche Adressat gar nicht vorkommt. Auch darin folgt die Skandalmacherei ganz den Maßstäben, die Reagan gesetzt hat: den Angriff auf Staaten, die mit der Sowjetunion befreundet sind oder ihr zugerechnet werden, mit der Terrorismusanschuldigung so in Szene zu setzen, als ob es deren Schutzmacht gar nichts anginge, als ob es gar keine Weltmacht Nr. 2 gäbe, deren Interessen in Mittelamerika, im Nahen Osten oder in Indochina überhaupt zu berücksichtigen wären.
Gemeint ist dabei die Sowjetunion immerzu. Und deshalb wird die Entrüstung über die Führungsschwäche im Weißen Haus auch bruchlos in das Thema überführt, woran sich die verlangte Führungsstärke zu bemessen hat.
"Ein amerikanischer Diplomat, der mit den Sowjets über Fragen der Rüstungskontrolle verhandelt, hat beunruhigende Signale aufgefangen. Der Kreml schätzt neuerdings Reagan politisch so schwach ein, daß er die Zugeständnisse noch einmal überdenken will, die er für einen Abschluß zu machen bereit wäre." (Time, 8.12.)
Egal ob die Rüstungsdiplomatie sich überhaupt an irgendwelchen Zugeständnissen der Sowjetunion bemißt, Schwäche der eigenen Führung ist in der imperialistischen Enttäuschung der amerikanischen Nation so gut wie eine Stärkung des Feinds.
Das Ergebnis des Skandals
steht deshalb, gemäß der Logik der Maßstäbe, die ihn eizeugt haben, unabhängig von den diversen Sonderausschüssen und personellen Umbesetzungen längst fest. Die Nation prüft wieder einmal ihren Präsidenten. Hält er seinen Kurs? Bleibt es dabei, daß der Vorwurf des Terrorismus an andere Staaten als Kriegserklärung aufzufassen ist? Ist er womöglich nur scheinradikal? Diese Fragen sind auch schon die Antwort: Reagans Extremismus im Staatsdienst ist so sehr zum nationalen Konsens geworden, daß er als Persönlichkeit jetzt wie eine "lahme Ente" (= lame duck) daherkommt. Das hat Nancy und Ron verständlicherweise tief getroffen. Und das ist schon so gut wie ein Einsatzbefehl, z.B. für US-Hubschrauberpiloten an der Grenze zu Nicaragua.
Heiteres Rätselraten bei B 3 über Erfolge imperialistischer Politik
Im Rahmen des Advent-Rätsels im III. Programm des Bayerischen Rundfunks, bei dem jeden Tag eine Preisfrage gestellt wird, lautete die Frage vom Donnerstag, dem 4.12.:
"Im April dieses Jahres hat Präsident Reagan, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, Libyen bombardiert. Dabei wurden zwei Städte getroffen. Die eine war Tripolis, wie hieß die zweite Stadt??"