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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1987 erschienen.

Systematik

Tarifpolitik '87: Flexibel wie immer
ENTSCHIEDEN FÜR DIE FREI VERFÜGBARE ARBEITSKRAFT

Jetzt strahlt sie, wieder, die 35-Stunden-Sonne der IG Metall. Jetzt heißt es wieder:

"Bundesweit gehen Metaller mit Witz und Phantasie zur Sache

Der Sonne entgegen" (metall 24, 12/86).

Jetzt werden Unternehmer wieder auf den Arbeitsplatz-'Prüfstand' gestellt; werden Überstunden in Arbeiter, ersparte Stunden in gewonnene Beschäftigte hin und hergerechnet. Der Gedichtwettbewerb "Ist doch sonnenklar" - "O Sonnenschein! O Sonnenschein! Wie scheinst du mir ins Herz hinein" - ist angelaufen. "Hämmern für die 35" - "Beim Aktionstag in Ingolstadt bestanden die Metaller die Nagelprobe" - sowie Stricken ist auch schon im Gange. Die IG Metall hat mit dem vertraut kindischen Strickmuster für ihre Mitglieder die Tarifrunde '87 eröffnet, in der wieder einmal öffentlich Stimmung gemacht und das beschäftigungspolitische Programm der Gewerkschaften propagiert werden soll, nachdem beim letzten Mal ein paar Lohnprozente sang- und klanglos verabschiedet worden sind. Wieder einmal macht die Arbeitervertretung mit ihrer "Jahrhundertforderung" nach "Arbeitszeitverkürzung" ernst und setzt die "35-Stunden-Woche-bei-vollem-Lohnausgleich" neuerlich auf die Tagesordnung.

Gestritten wird allerdings weniger denn je um eine arbeitergenehme Korrektur des Lohnarbeitsverhältnisses, von Arbeitszeit und Leistung auf der einen, Bezahlung auf der anderen Seite; gestritten wird über die Ausdehnung der täglichen, wöchentlichen und monatlichen Arbeitszeit. Die unumstrittene Verhandlungsgrundlage ist die "Flexibilisierung der Arbeitszeit" - der eigentlich kontroverse Punkt, ob und wieweit die "Fünf-Tage-Woche" aufgehoben und mindestens der Samstag Normalarbeitstag werden soll. Ein für die Betroffenen bitterer, aber konsequenter Fortschritt gewerkschaftlicher Tarifpolitik und Tarifpartnerschaft, die da weitermacht, wo sie 1984 geendet hat: bei Revisionsansprüchen der Unternehmer an den Arbeitszeitvertrag.

Flexibilisierung der Arbeitszeit - ein Unternehmerprogramm

"Flexibilität" ist keine Förderung, für die sich Lohnarbeiter erwärmen könnten, sondern eine unerbittliche Gegebenheit eines kapitalistischen Betriebs. Freie Verfügung über Arbeitskräfte, immer wenn, aber auch nur dann und solange, wie es in die Unternehmerkalkulation paßt, das ist ein elementares Bedürfnis unternehmerischer Kostenkalkulation und ein ständiges Ergebnis ihrer Verfügung über die Produktionsmittel. Alle tarifvertraglichen Schranken, die angeblich Regelmäßigkeit und Begrenzung des Arbeitstages festschreiben, haben an diesem Prinzip nicht gerüttelt, sondern ihm eine Verlaufsform gegeben, die seine ruinösen Wirkungen auf die Lohnabhängigen mitberücksichtigt. Der Normalarbeitstag war nie mehr als eine Berechnungsgrundlage dafür, was als Über-Stunde, also als Ausnahme und Mehrbelastung gilt und etwas besser bezahlt und entgolten wird. Die einschlägigen Tarifregeln haben der Arbeiterschaft immer schon eine alternative Rechnung mit weniger oder mehr Arbeit gegen weniger oder mehr Lohn aufgemacht, über die nicht sie, sondern die Betriebsplaner entschieden haben - und der Staat hat mit seinen Gesetzen diese Unternehmerfreiheit gutgeheißen und geschützt. Und was die Arbeitsintensität angeht, die Leistungsvorgaben und -ansprüche, die der Arbeitsplatz vorschreibt, so haben fortschrittsorientierte Unternehmer jede Regelung des Arbeitstags als Auftrag und Gelegenheit begriffen, die Grenzen der normalen Leistungsfähigkeit während zehn oder acht Stunden immer wieder praktisch auszukundschaften, ohne sich deshalb an diese Zeit zu halten.

Wenn dagegen seit einiger Zeit von Umternehmerseite polemisiert wird, so als ob ihr aus dem Tarifrecht lauter Schranken erwüchsen, dann vor allem deshalb, weil die Erfolge im Umgang mit den Normalarbeitstagsbestimmungen unübersehbar sind. Was der Tarifvertrag als 'Ausnahme' regelt, ist längst die Regel; was die Gewerkschaft immer wieder mal als Auswuchs bejammert, gerade die Normalität; was Unternehmer fordern, längst die Wirklichkeit: Mit den Fortschritten der Technik hat auf der 'starren' Grundlage des 8-Stunden-Tages in der 40-Stunden-Woche die Teilzeitarbeit, das Überstundenwesen, die produktionsorientierte Gleitzeit, die Schichtarbeit - und das Conti-Schichtwesen rund um die Uhr und die ganze Woche hindurch zugenommen. Und das aus gutem unternehmerischen Kosten-Grund: Jede Kapitalauslage in Arbeitsmitteln und -bedingungen stellt neue Rentabilitätsansprüche; jede neue Maschine ist Kost, die sich lohnen muß, also auch Anspruch auf lebendige Arbeitskraft, die sie möglichst billig und dauerhaft bedienen soll. Je entwickelter die Technik, desto unerbittlicher und rücksichtsloser ist deshalb das Bedürfnis nach ihrer lohnenden Benutzung, desto primitiver die Methoden der 'Differenzierung' der Arbeitszeit: möglichst intensiv und lang - von den Qualitäten eines modernen Arbeitsplatzes noch ganz abgesehen, an dem Aufmerksamkeit und Anpassung an die Eigenheiten des Maschinenganges das Arbeiten eintönig und schwer machen.

Wenn jetzt die Unternehmer den normalen Tarifrundengang auf den Kopf stellen und der Gewerkschaft einen Forderungskatalog in Sachen Flexibilisierung vorgeben, dann wollen sie die Auflösung des Normalarbeitstages auch noch zum Vertragsprinzip machen. Er soll ausdrücklich als reine Rechengröße festgeschrieben werden, die alle Freiheiten unternehmerischer Arbeitszeit'gestaltung' zur Regel macht. Hier wie überall gilt nämlich, daß das Recht den Fortschritt kodifiziert und ihn damit beflügelt. Immer mehr Großbetriebe führen den Dreischichtbetrieb ein und melden Anspruch auf den Samstag an, richten also die Arbeitszeit an einer möglichst umfassenden Betriebsnutzungszeit aus und organisieren sie als ein zweckmäßiges Untermoment ihres dauernden oder wechselnden Bedarfs. Der Unternehmerverband legt diesen Anspruch zur prinzipiellen Unterschrift vor und verlangt von der Metallgewerkschaft, die Grundsätze der "38,5-Stunden-Woche" zu Ende zu denken:

Normalarbeitszeit bis zu 12 Stunden pro Tag, über 40 Stunden pro Woche an 6 bis 7 Tagen, Schichtarbeit rund um die Uhr; Kurzarbeit nach Bedarf und jährliche Verrechnung zu einer durchschnittlichen Normalarbeitszeit.

Was da gefordert wird, ist Flexibilität als Tarifvertragsgesetz: Die wirkliche Tätigkeit und Anwesenheit im Betrieb mit all ihren Konsequenzen für Freizeit, Mehr- oder Minderverschleiß soll getrennt sein von ihrer Berechnung als Arbeitszeit und Grundlage für die Lohnzahlung. So gilt dann ein 10-Tage-Schicht-Rhythmus mit vier freien Tagen im Prinzip drei Fünf-Tage-Wochen gleich; Überarbeit der einen Saison und Unterarbeit zur anderen soll sich ausgleichen - nicht für den, der da anzutreten hat, aber für seinen Lohn. Mehrarbeit ohne entsprechende Mehrbezahlung; Anpassung der Arbeitszeit ohne entsprechende Zusatzkosten; mobiler, also intensiverer und effektiverer Arbeitseinsatz ohne entsprechende Mehrkosten; Arbeitszeitfreiheit der Unternehmer ohne laufenden Regelungsbedarf mit Betriebsrat und Gewerkschaft - das soll die gültige Definition der Normalarbeitszeit sein.

Bei alledem setzen die Herren über die Arbeitsplätze darauf, daß sie mit diesem Ansinnen bei den Gewerkschaften, die sich für eine beschäftigungswirksame Tarifpolitik und Mitgestaltung des technischen Fortschritts stark machen, auf keinen grundsätzlichen Widerstand stoßen. Die Probe aufs Exempel haben sie 1984 gemacht - und Wende-Regierung, Paragr. 116 und Neue Heimat haben die Arbeitervertretung nicht unnachgiebiger, sondern radikaler gemacht - was die gemeinschaftsförderliche Anerkennung von Sachnotwendigkeiten der Arbeitsplatzbeschaffung und auch was die mangelnde Bereitschaft zu aufwendigen oder gar schädigenden Arbeitskampfmaßnahmen angeht. Zu verlieren haben Unternehmer sowieso nichts, wenn sie eine 'realitätsgerechte' Novellierung des Tarifrechts verlangen. Es hat ja den Realitäten gedient.

Die Forderung der IG Metall: Aber bitte!

Die IG Metall hat für den Anspruch der Unternehmer, der aus der gelungenen Akkumulation ihres Kapitals und den damit gesetzten Konkurrenzmaßstäben erwächst, viel übrig. Soviel jedenfalls, daß ihr neuer Vorsteher öffentlich angibt, "die IG Metall sei schon seit Jahren bereit, die Arbeitszeit an konkrete Produktionsbedürfnisse anzupassen", und mit diesem Selbstlob einen Forderungskatalog vorstellt, der dort anfängt, wo der Leber-Kompromiß aufgehört hatte. Was sich die IG Metall 1984 noch als ein Zugeständnis für 1 1/2 Stunden Arbeitszeitverkürzung der Form nach abhandeln ließ, "flexible Arbeitszeitregelungen", das bietet sie jetzt gleich selber an:

"Die Forderung für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende

- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit darf 35 Stunden nicht überschreiten.

- Sie kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf 5 Werktage - Montag bis Freitag - verteilt werden.

- Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten.

- Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 2 Monaten erreicht werden.

- Bei Arbeitern, in deren Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt, darf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten. Bei besonders erheblicher Arbeitsbereitschaft kann bis zu 46 Stunden wöchentlich vereinbart werden.

- Zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist jede Arbeitszeit, die außerhalb der festgelegten täglichen Arbeitszeit liegt.

- Mehrarbeit ist bis zu 10 Mehrarbeitsstunden im Monat zulässig.

- Geleistete Mehrarbeit ist innerhalb der folgenden drei Monate durch bezahlte Freistellung von der Arbeit auszugleichen.

- Mehrarbeitszuschläge sind grundsätzlich in Geld zu vergüten. Auf Wunsch des Arbeitnehmers sind sie ebenfalls durch bezahlte Freistellung von der Arbeit auszugleichen.

- Mehrarbeitszuschläge betragen:

An Arbeitstagen - für die erste Mehrarbeitsstunde 25 Prozent, ab der zweiten Mehrarbeitsstunde 50 Prozent.

An arbeitsfreien Tagen - für die erste bis vierte Mehrarbeitsstunde 25 Prozent, ab der fünften Mehrarbeitsstunde 50 Prozent.

- Diese Forderungen auf eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beinhalten zugleich die Forderung auf den vollen Lohnausgleich. Dieser volle Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung ist im Zusammenhang mit den im März 1987 aufzunehmenden Verhandlungen üher eine Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen zu regeln."

Ein interessanter Vorschlag! Die tägliche Arbeitszeit ist nicht festgelegt, die wöchentliche gleich gar nicht; freier Anfang und freies Ende, Tag- und Nachtarbeit sind vorausgesetzt; alles andere wird einem tarifvertraglichen Rechnungs- und Verrechnungswesen anheimgegeben, das dem der Unternehmer allein in dem Rahmen nachsteht, innerhalb dessen ein Arbeitszeitdurchschnitt als "normal" definiert sein soll. Wie wenn noch nicht klar genug wäre, daß hier Freiheiten verbrieft werden, liefert der smarte Chef der Metaller noch ein Stück Klartext mit, wie diese "Eckpunkte flexibler und variabler Arbeitszeit zu verstehen sind:

"...hinsichtlich der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sei die IG Metall flexibel...

Bei den Modellen der Arbeitszeitverteilung, die für die Arbeitnehmer nützlich seien, könnten die Arbeitgeber betriebswirtschaftliche Chancen verwerten...

Schon aus den Eckwerten der Fünf-Tage-Woche und der regelmäßigen Höchstarbeitszeit von acht Stunden ergebe sich im Vergleich zur 35-Stunden-Woche eine Differenz von 5 Stunden, über die der Betrieb im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zur Verlängerung der Betriebsnutzungszeit disponieren könne." (Handelsblatt, 6.11.)

Und auch das, versichert der Mann aus Anlaß des Metallerkongresses, ist nicht so eng und verbindlich gemeint, wie es sich für einen gestaltungsfreudigen Gewerkschaftsfunktionär offenbar immer noch ausnimmt: "Ich kann mir vorstellen, daß Betriebe statt bisher acht Stunden täglich in Zukunft etwa neun, zehn oder elf Stunden lang produzieren. Dann ergeben sich unglaubliche Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten... Wenn einmal neun Stunden Arbeit pro Tag nötig werden - etwa weil es der Betrieb erfordert, oder vielleicht auch, weil es ausnahmsweise der Arbeitnehmer will - dann wird eben an einem anderen Tag nur fünf Stunden lang gearbeitet." (Süddeutiche Zeitung, 23.10.)

Wenn es darum geht, ihr Angebot ins rechte Unternehmerlicht zu rücken, kennt die Vorstellungskraft der gewerkschaftlichen Ersatzmanager offenbar keine Grenzen. Da sehen sie zielstrebig über die Härten des Arbeitslebens an modernen Arbeitsplätzen hinweg, die sie sonst gerne anklagend auflisten, und tun einmal so, wie wenn sie gar nicht wüßten, daß es an diesen Beschäftigungsgrundsätzen liegt, wenn immer mehr Metallarbeiter "mit 54 Jahren als Frührentner" aus dem Arbeitsleben scheiden. Ihre Phantasie beim Entwerfen von Flexibilitätsmodellen, mit denen man den Tarifvertragsrahmen, den sie vorschlagen, ausfüllen könnte, ist schier unerschöpflich:

"Klaus Zwickel nannte neben dem Sieben-Stunden-Tag und freien Tagen auch noch diese Möglichkeiten: Früherer Schluß am Freitag oder an einem anderen Tag, Kombination von Verkürzung an einem Tag und freien Tagen in einem Zeitraum von zwei Monaten sowie bei Schichtarbeit etwa Frühschichten von acht Stunden und Spätschichten von sechs Stunden. Die Verkürzung könne aber auch in Gleitzeitregelungen eingepaßt werden..." (Frankfurter Rundschau, 30.11.)

Und diese Rechnungen, die sich um den Unterschied zwischen einer statistischen Normalarbeitszeit und den ungemütlichen Wirkungen ihrer unterschiedlichen realen Ausgestaltung bewußt nicht kümmern, sind weitaus ehrlicher gemeint als sämtliche Statistiken über die ruinöse Arbeitswelt. Schließlich sollen sie beweisen, wie ernsthaft die Tarifstrategen es mit den Angeboten an die unternehmerische Gestaltungsfreiheit nehmen und in welche Richtung sie sich eine Ausgestaltung des Tarifvertrags wünschen. Am liebsten wäre ihnen ein Modellkatalog möglicher Arbeitszeitregelungen, aus denen dann jeder Betrieb(srat) sein passendes Muster auswählen könnte.

Das letzte Gewerkschaftstabu zum Brechen: der "freie Samstag"

Bei aller gewerkschaftlichen Flexibilität gegenüber den Erfordernissen der kostspieligen Technik - sie hat auch ihre Prinzipien, um die sie rechten möchte. Als neues Tabu schreibt die IG Metall den arbeitsfreien Samstag und den Freizeitausgleich innerhalb von zwei Monaten sowie die Verrechnung von Überstunden mit Freizeiten statt Geld vor und findet kämpferische Worte für den Schutz des geregelten Familienlebens - und des gewerkschaftlichen Ansehens:

"Der freie Samstag und der normale Arbeitstag gehören zu den größten Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung. Sie dürfen nicht betriebswirtschaftlichen Kostenbelangen geopfert werden."

So tönte Steinkühler auf dem IG Metall-Kongreß, nachdem er längst mitgeteilt hatte, er könne sich auch Samstagsarbeit durchaus 'vorstellen'. Damit ist angegeben, worum man sich gleich gar nicht streitet - Schicht-, Nachtatbeit und sonstige Lappalien - und was man als Verhandlungsgegenstand ansieht, den man sich in bewährter Manier 'abringen' lassen kann, an dem man die Rahmenbedingungen der Flexibilisierung exemplarisch abstecken möchte. Dabei herrschen wie immer zwischen den Gewerkschaften unterschiedliche Auffassungen, wie prinzipiell man noch auf einer "Errungenschaft" bestehen soll, die man längst für revisionsbedürftig und unhaltbar ansieht. Die Chefs der betont kooperativ eingestellten IG-Chemie und IG Nahrung-Gaststätten-Genuß, Rappe und Döding, nehmen wieder einmal das für unausweichlich gehaltene 'Verhandlungsergebnis' vorweg und stellen damit klar, worum wirklich verhandelt wird:

"Ich kann mir vorstellen, daß an jedem vierten oder fünften Samstag gearbeitet wird und es dafür an eine Wochentag frei gibt... Auch den Gewerkschaften ist es wichtig, daß die deutsche Wirtschaft international konkurrenzfähig bleibt." (Süddeutsche Zeitung, 1.12.)

Eine interessante Kontroverse! Um "Wochenendarbeit - ja oder nein" geht sie sowieso nicht: Da hat die Wirklichkeit alle als denkbar ins Spiel gebrachten Gewerkschafts"vorstellungen" längst überholt. Nicht einmal bloß darum geht es, auch wieder regelmäßig am Samstag zu arbeiten; sondern um das Rundum-die-Uhr-Programm moderner Betriebszeitenplaner, das unter dem Titel: 'Samstag soll Pappi leider auch mal wieder ab und zu dem Betrieb gehören!' gewerkschaftsgerecht diskutiert wird.

Zur Debatte steht bei diesem Programm also einzig seine passende tarifvertragliche Einkleidung - wo künftig die normale Arbeitszeit rechnerisch aufhört und wo das Ausnahmewesen anfängt, das der betriebsrätlichen Zustimmung bedarf und extra geregelt gehört. Und wenn erst einmal klar ist, daß betriebsgerechte Arbeitszeit und die verlängerte Verfügung über die Arbeitskräfte Tarifregel werden soll, dann ist es um Freizeit und freies Wochenende schlecht bestellt, egal ob die Tarifstrategen es in den Rang eines Gewerkschaftsgrunqsatzes erheben, der nur in notwendigen Fällen durchbrochen werden darf - oder ob Samstag (und Sonntag) umstandslos der betrieblichen Planung anheimgestellt und dem normalne Durchschnittsrechenwesen zugeschlagen werden.

Das passende Schlagwort: "Zeitsouveränität"

Auf das Prinzip, jede kapitalgerechte Einrichtung von Arbeitszeit und -umständen für eine arbeiterfreundliche Segnung gewerkschaftlicher Vertretung auszugeben, verzichten Steinkühler, Rappe und Co. deswegen noch lange nicht. Darüber ist das Schlagwort von der "Zeitsouveränität" in Mode gekommen, die die Unternehmer (bzw. die Gewerkschaft) behindern (bzw. schaffen) täten. Arbeitnehmern, die wie eh und je antreten, wenn es der Betrieb verlangt, wird so das Programm der Flexibilisierung als sein glattes Gegenteil vorstellig gemacht und behauptet, je freier das Verfügungsrecht der Unternehmer über Arbeit, Lohn und Arbeitszeit ausgestaltet sei, umso besser ließen sich damit die Freizeitwünsche der Arbeiter vereinbaren, ja, kämen dadurch erst so richtig zum Zuge. Der logische Unsinn, die Verpflichtung, jederzeit und betriebsgemäß als Arbeitskraft einsetzbar zu sein, sei dasselbe wie selbstbestimmt arbeiten; die Zumutung, im Prinzip immer bereitstehen zu müssen, sei dasselbe wie zu arbeiten, wann man will - das ist allerdings haargenau die passende Sprachregelung für eine Tarifrevision, die der Arbeitszeit jeden Schein von gesicherter Normalität und Festigkeit nimmt und offiziell der unternehmerischen und betriebsrätlichen 'Gestaltung' überantwortet. Unklarheiten, was damit gemeint ist, läßt man dabei erst gar nicht aufkommen.

Die Unternehmer tragen ihre Wünsche nach Arbeitszeitverlängerung und bedarfsgerechtem Arbeitseinsatz einfach als Herzensanliegen der 'Mitarbeiter' vor und geben sich damit keineswegs der Lächerlichkeit preis, weil es längst gute Gewohnheit ist, jede Betriebsnotwendigkeit als Gegebenheit, oder, positiv, als 'Angebot' zu verstehen:

"Hunderttausende wollen weniger arbeiten und dafür auch weniger Geld bekommen... Menschen die zur Samstagsarbeit bereit sind, weil sie dafür gerne am Dienstag in ein weniger volles Schwimmbad gehen wollen... Wenn wir eine Nachtschicht organisieren, gibt es viele Leute, die mitmachen. Die wollen eben nachts arbeiten." (der neue Arbeitgeberpräsident Murmann in der Wirtschaftswoche", 50/86)

"Gehen wir doch einmal ganz einfach von den Menschen aus. Es gibt sehr viele, die mehr Freiräume und einige Zeitautonomie wollen. Der eine will nicht 40, sondern 35 Stunden in der Woche arbeiten, ein anderer aber vielleicht 45 Stunden... Schließlich gibt es auch Menschen, die bereit sind, dafür zu sorgen, daß die Maschinen auch nachts laufen... Man kann auf Dauer keine Tarifpolitik gegen die Menschen machen." (derselbe in "Stern", 50/86)

Und die Gewerkschaft setzt dem auch nur die trockene Versicherung entgegen, daß ihre Variante, dem Unternehmerbedürfnis Rechnung zu tragen, dieses Angebot erst wirklich zu einem machen würde, wohl wissend, daß sich die Betroffenen sowieso nach dem zu richten haben, was sie mit den Unternehmern aushandelt:

"Denn je kürzer die Arbeitszeit wird, desto größer wird der Wunsch der Arbeitnehmer, bei der Lage und Verteilung der Arbeitszeit mitbestimmen zu können, die 'Zeitsouveränität' zu erhalten. Schon die Flexi-Möglichkeiten des Leber-Kompromisses sind... von den Betrieben akzeptiert worden." (Steinkühler, Handelsblatt, 6.11.)

"Kürzer arbeiten zu sozialen Zeiten... Die Arbeitszeitwünsche sind äußerst vielfältig. Nicht alle müssen unerfüllt bleiben. Die 35-Stunden-Woche bietet da Chancen... Wahlmöglichkeiten für die Beschäftigten... Versetzte Arbeitszeiten zum Beispiel... Gleitzeit... die 'Wiedergutmachung' von Überstunden in Freizeit... Jeder merkt es: Soziale Arbeitszeiten und die beabsichtigte Unternehmer-Flexibilisierung sind etwas Grundverschiedenes." (Gewerkschafter Sonderdruck 11/86).

So kann man den Betroffenen auch beibringen, da es um Arbeitszeitverkürzung nicht geht.

"Arbeitszeitverkürzung" '87: Gewerkschaftliche Beschäftigungspolitik auf den Begriff gebracht

Was die "35-Stunden-Woche" angeht, das Firmenschild, unter dem die IG Metall die Neuregelung der Arbeitszeit in die Verhandlungen einbringt, so hat die von vorneherein den Stellenwert, der ihr in einem Programm frei verfügbarer Arbeitskraft zukommt: den einer Bezugsgröße für die Kalkulation, wie lang die intensiv genutzte Arbeitskraft für den Betrieb taugt. Wenn die gewerkschaftlichen Tarifstrategen als Ausgleich für betriebsgerechtes Arbeiten einen niedrigeren Durchschnitt fordern, dann setzen sie damit der Tendenz moderner Arbeitsplatzausfüllung gar nichts entgegen, sondern machen auch hier daraus bloß ein gewerkschaftliches Tarifprogramm. Es ist längst Kapitalrechnung, da mancher moderne Arbeitsplatz am Bildschirm der Arbeitszeit Schranken setzt, daß manche 'Arbeitswoche' in Wechsel- oder Conti-Schicht Extra-Erholzeiten nötig und für den Betrieb lohnend macht. Wenn die Gewerkschaft aus diesen Konsequenzen steigender Maschinenauslastung und Arbeitsintensität ein Arbeitszeitverkürzungsprogramm macht, so ändert das gar nichts an der Sache, daß bestenfalls um betriebsgenehme Kompensationsregelungen gestritten wird. Es sagt aber einiges darüber aus, daß sich die Arbeitervertreter und Anwälte eines humanen Arbeitslebens Arbeitszeitverkürzung nur als unumgängliche Folge betrieblicher Freiheit im Umgang mit den Arbeitskräften vorstellen können - und als Grundlage für deren Fortschritt. Entsprechend umstandslos rechnen die 35-Stunden-Wochenkämpfer ja auch Arbeitszeitverkürzungen in "Produktivitätssteigerungen", also Leistungsintensivierung um, als sei dies eine natürliche Qualität der Arbeit.

Zweitens ist dieses Entschädigungsprogramm sowieso dem gesellschaftspolitischen Auftrag untergeordnet, dem die Gewerkschaften mit ihrer Tarifpolitik dienen wollen: der besseren = gerechteren Verteilung der Arbeit. Zum tausendsten Mal werden die Rechnungen aufgetischt, die davon ausgehen, lohnende Anwendung von Arbeitskräften sei so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche Aufteilung eines festen Topfes an Arbeit. So absurd und unernst gemeint es ist, wenn Überstunden in neue Arbeitsplätze, fünf Stunden weniger Arbeit - minus "induziertem Produktivitätszuwachs von 50%" - in 250.000 weniger Arbeitslose übersetzt werden, so hart ist der praktische Arbeitsbeschaffungsstandpunkt, den die IG Metall als Vorreiter mit diesen Rechnungen bebildert: Bessere Betriebsnutzung ist der einzige Weg zu mehr Beschäftigung. Wer Arbeitsplätze sagt und wie die Gewerkschaft auf seine Fahnen schreibt, der akzeptiert auch, daß sie nur nach den Geschäftsgrundsätzen des Kapitals zustandekommen. Also gilt es die auch zu erfüllen, ehe man an sie den Anspruch knüpfen kann, der geschäftliche Erfolg solle sich in Beschäftigung niederschlagen. Die Arbeitsplaner der Gewerkschaft beherrschen diese Logik lässig, daß nur die bessere und billigere Anwendung der Arbeitskraft, also die Ersparung an Arbeitskräften, zu neuer Beschäftigung führt. Sie setzen gar nicht auf Arbeitszeitverkürzung, sondern auf die heilsamen Wirkungen der Flexibilisierung, die sie mit dem gewerkschaftlichen Ideal versehen, der Standpunkt der Mehrbeschäftigung möge doch in der Durchschnittsrechengröße und den Überstundenregelungen anerkannt werden.

Wenn die Metallgewerkschaft den 24-Stunden-Tag und die Sieben-Tage-Woche bei Siemens als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme interpretiert, wenn Samstagsschichten bei VW und ihre spätere Freizeitverrechnung 4000 Arbeitsplätze geschaffen haben sollen, dann kommt das der Sache schon näher, wie sie auch von der fortschrittlichsten Kraft im Lande gesehen wird: Wenn die Betriebsanlagen länger und intensiver genutzt werden und sich entsprechender geschäftlicher Erfolg einstellt, dann werden unter diesen kapitaldienlichen Bedingungen auch Arbeiter zusätzlich angewendet. So macht sich die Arbeitervertretung mit ihrem tarifpolitischen Beschäftigungsprogramm zum Agenten des Gesetzes, daß mit dem Wachstum des Kapitals immer mehr Kapital immer weniger Arbeitskräfte anwendet, Mehrarbeit ohne mehr Arbeiter mobilisiert wird. Sie setzt darauf, daß die Ausweitung unter diesen Umständen zusätzliche Arbeitskräfte benötigt und fügt ihren entsprechenden Angeboten das in Rahmenforderungen eingekleidete Drängen hinzu, Neueinstellungen vorzunehmen. Dafür dürfen alle intensiver und zu allen möglichen Zeiten arbeiten.

Der Lohn: Wieder mal eine solidarische Lohnsenkung

Nach derselben Logik nimmt sich die IG Metall der anderen Seite des Lohnverhältnisses an - der Lohnsumme. Es ist ihr selbstverständlich, daß Arbeitszeit Kost ist, die beim Lohn nicht mehr zu verteilen geht.

Zielstrebig führt sie die 1984 getrennten Termine der Tarifverhandlungen über Arbeitszeit und Arbeitslohn wieder zusammen, so daß sich die Lohnforderungen diesmal gleich daran bemessen, wieweit ein Lohnausgleich für die neuen Arbeitszeitregelungen erreichbar ist. Einerseits kennt sie den Lohn also nur als Entschädigung für kapitalistischen Umgang mit Arbeitskraft. Andererseits hält sie ihn für im Prinzip so ausgezeichnet - die Kostenbelastung der Unternehmer umgekehrt für so unerträglich -, daß sie den Arbeitern ohne weiteres ein Lohnopfer für die rechnerisch ersparte Arbeitszeit zumuten zu können und zu müssen meint. Auch hier taugt die Vorstellung von einem festen - möglichst gerecht, und das heißt 'beschäftigungswirksam' zu verteilenden Topf einzig dafür und wird auch nur dafür bemüht, den Unternehmern Kosten für Arbeit zu ersparen, sie also lohnender zu machen, auf daß sich das in Arbeitsplätzen niederschlage. Das sind für Gewerkschafter eben die unumgänglichen Solidaropfer und Vorleistungen, damit das Kapital seinen gesellschaftlichen Dienst versehen und zu ihm angehalten werden kann.

Für Tarifstreit ist genügend gesorgt. Schließlich geht es neben der abweichenden Lesart der ehernen Grundsätze lohnender Beschäftigung ja auch noch darum, gewerkschaftliche Erfolge vorzuweisen. Da muß nicht nur der Ansehensverlust durch die Neue Heimat bewältigt, sondern auch die Lehre aus dem Arbeitskampf '84 gezogen werden. Ob man sich durch demonstratives Einvernehmen mit den Unternehmern wie die IG Chemie oder in der Manier einer kämpferischen Gewerkschaft wie die IGMetall besser als Mitgestalter der Arbeitswelt in Szene setzt - das gehört da zu den feinen, aber für Gewerkschaftsfunktionäre entscheidenden Unterschieden. Eins steht allerdings für alle fest. Den "Gewerkschaften bläst der Wind ins Gesicht". Dementsprechend sieht die Planung der IG Metall aus.

Ein Streikersatzprogramm

soll nach dem Ende der Friedenspflicht und vor einer euentuellen Urabstimmung über die Bühne gehen. Letztere, in der über Streik abgestimmt wird, möchte man nämlich am liebsten erst gar nicht stattfinden lassen. "Massenhafte Warnstreiks", Demonstrationen während der Arbeitszeit, "zweitägige Symbolstreiks" - oder was die Phantasie gewerkschaftlicher Tariftaktiker sonst noch erfindet - fungieren ausdrücklich nicht als Drohung, zu härteren Mitteln zu greifen. Gleichzeitig möchte man mit einem öffentlichkeitswirksamen Tamtam (dazu gehört auch, daß die Mitglieder per gedrucktem Kalender aufgefordert werden, mit irgendwelchen Aktivitäten, die im Kalender stehen, "Druck" vorzutäuschen) die moralische Berechtigung, die gewerkschaftliche Macht ausdrücken und an die Arbeitgeber das Signal geben, sie möchten doch bitteschön die IG-Metall nicht dazu zwingen, einen Arbeitskampf ausfechten zu müssen.

"Die Demonstration unserer Kampfbereitschaft und der sich ständig steigernde Druck in den Betrieben - das sind auch in den kommenden Monaten die besten Garanten dafür, den Streik nur als letztes Mittel einsetzen zu müssen. Damit wir nach Möglichkeit auch ohne Arbeitskampf zu unsrem Ziel kommen: der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Für alle." (Hans Janßen auf dem Gewerkschaftstag der IG-Metall)

Das ist nicht viel mehr als die bekannte Tour bei Politikem, die einfach mehrmals betonen, daß sie ("um jede Stimme") kämpfen werden, damit Öffentlichkeit und Wähler dieses mitbekommen. Der einzige Unterschied liegt darin, daß dafür die Basis der Gewerkschaft ein bißchen - symbolische Beweglichkeit zeigen soll, vor allem aber darin, daß dieser ohnmächtige "Druck", der in die Abteilung public relations gehört, ein einziges Friedensangebot an die Arbeitgeberseite darstellt. Die Gewerkschaft, die von dem Paragr. 116 schwer beeindruckt ist, weil sie von ihrer Streiktaktik nicht abgehen will, hat sich durch die Angriffe der Regierung auf sie in Sachen Neue Heimat in die Defensive bringen lassen. Weil sie sich in ihrer politischen Rolle als sozialer Mitgestalter der Republik sehr getroffen fühlt, gibt sie sich für die nächste Tarifrunde kämpferisch und meint damit das glatte Gegenteil von Druck.

Es hängt aber nicht von ihr ab, ob die Rechnung auf eine Verhandlungslösung ohne Streik aufgeht, snndern von der Arbeitgeberseite. Wenn die nämlich das angeschlagene Ansehen der Gewerkschaft ausreizt, kommt es womöglich doch zu einem Arbeitskampf, weil die Gewerkschaft zu der Einschätzung kommt, nur so ihr Gesicht wahren zu können. In diesen politmethodischen Höhen denken Gewerkschaftsstrategen, wenn sie die Sonne der 35-Stunden-Woche anpreisen.

Wenn Streik, dann gegen die kalte Aussperrung und den Paragr. 116

Kommt es aus dem absurden Grunde zu einem Streik, daß die Gewerkschaft gern verhindern möchte, schlecht dazustehen, so besteht für diesen Fall der aberwitzige Plan der IG Metall darin, den Unternehmern ihre Begründung für die sogenannte "kalte Aussperrung" nehmen zu wollen. Da die IG Metall nicht im Entferntesten daran denkt, mit einer Schädigung der Wirtschaft die Unternehmer zu Zugeständnissen zu zwingen, sondern antritt zu demonstrativen Arbeitskämpfen, die zugleich Streikkasse und Wirtschaft schonen, bekommt die Ausweitung der Aussperrung über die bestreikten Gebiete hinaus ihre Wucht. Sie schafft massenhaft Opfer, Arbeitnehmer, die ohne Geld dastehen, weil mit dem Paragr. 116 die Bundesanstalt für Arbeit kein Kurzarbeitergeld mehr zahlt, und die Arbeitnehmervertretung partout nicht zahlen will. So ist innergewerkschaftlich die Idee "Betriebsbesetzung" aufgekommen und vom Vorstand abgelehnt worden, weil man nicht mit der Polizei in Konflikt kommen will - und nicht etwa, weil der Inhalt dieser Idee auf Kritik gestoßen wäre. Darin sind sich nämlich die maßgeblichen Gewerkschafter einig, daß ein gewerkschaftliches Druckmittel darin besteht, den Unternehmern betriebliche Argumente für Aussperrung zu nehmen oder auch nur "kalte Aussperrung" als unrechtmäßig hinzustellen.

"...ist unser Problem nicht, wie wir es schaffen, Produktion lahmzulegen, sondern wie wir uns gegen ungerechtfertigte Produktionseinstellungen wehren. Die Organisation kann" (sie will nicht) "im Bereich kalter Aussperrung außerhalb umkämpfter Tarifgebiete keine Unterstützungsleistungen gewähren. Und das Arbeitsamt soll nach dem neuen Recht nicht mehr zahlen. Und dafür bieten Betriebsbesetzungen keine Lösung. Mit der Besetzung eines Betriebs gibt es keinen Pfennig Geld für die Betroffenen - nicht vom Arbeitsamt und erst recht nicht vom Arbeitgeber." (Hans Mayr auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall)

Die gewerkschaftliche Streiktaktik macht Ernst mit der Verrücktheit, daß in dem einen Gebiet die Metaller ihre Arbeit niederlegen, während sie in einem anderen extra ihre Arbeitswilligkeit zeigen, ja besonders zulangen sollen, damit die Arbeitgeber keinen Anlaß fänden, die Produktion einzustellen.

"Es wurden betriebliche Beispiele dargestellt zur Minimierung der kalten Aussperrung, darunter das Vorziehen von Aufträgen auf Antrag des Betriebsrates und damit die Vorratsproduktion als Alternative zur Betriebseinschränkung oder -stillegung." (derselbe)

Bei einem solchen Tarifstreit ist der Gegensatz von Kapital und Arbeit zweifelsohne in guten Händen.

Eine einfache Rechnung

"Bei VW in Kassel/Baunatal wurden allein 7000 Arbeitslose nur deswegen eingestellt, weil täglich 700 Werksangehörige ihre Überstunden abbummeln und somit 'ersetzt' werden müssen... 'Obwohl es am Anfang gar nicht so einfach war', erinnert sich Betriebsratsmitglied Willi Dilchert, 'unsere Kollegen zum Verzicht auf Überstunden zu bewegen; einige Kollegen haben auf bis zu 300 DM monatlich verzichten müssen.'

Der IG-Metall-Betriebsrat hat nicht einfach ja und amen gesagt, als die Firmenleitung im Frühjahr dieses Jahres mit Anträgen für Samstagsarbeit kam... Mit einem Appell an alle Gewerkschafter rechnet Metaller Dilchert vor, daß diese Regelung, auf das ganze Bundesgebiet übertragen, rein rechnerisch bei 1,44 Milliarden Überstunden etwa 850.000 Arbeitslose weniger bedeuten würde."

Macht wieviel bei 2,3 Millionen Arbeitslosen? Richtig! Nach Adam Rieses Rechenschieber 3896470000 Überstunden = 487058800 Samstagsschichten a 8 Stunden. Also nichts wie ran an die Bänder, damit die Arbeitslosen endlich von der Straße kommen!

Die besten Argumente gegen das "freie Wochenende"

Arbeitsminister Blüm "Wenn die Menschen weniger arbeiten wollen, müssen die Maschinen länger laufen."

Vorarbeiter Peter Scherr (Siemens Regensburg) "Daß ich oft Samstag und Sonntag im Werk bin, stört mich nicht. In meiner langen Freizeit kann ich viel besser Einkaufen, Banksachen erledigen, Besuche machen."

"Bild" "Arbeit nach Wunsch: samstags, sonntags, nachts und gar nicht"

Katholischer Unternehmerverband "Ein realistisches Bild zeichnet den heutigen Sonntag als Teil des am Freitag beginnenden Wochenendes mit Hektik und Unruhe, Lärm und Hast...

Ein Entzerren des Wochenendrummels würde für Mensch und Natur ein großes Verdienst darstellen."

Gesamtmetallpräsident Stumpfe "Ich sehe nicht ein, warum ein freies Wochenende nicht auch aus einem freien Sonntag und einem freien Montag bestehen kann."

Gewerkschaftslogik

1. Lauter Auswüchse.

"Arbeit soll nicht kaputt machen

Durch die neuen Techniken wird die Arbeit nicht zum Telespiel. Die Belastungen der Nerven und Sinne haben erschreckend zugenommen.

- Bis ins kleinste vorgeschriebene Arbeit: 12,6 Millionen Betroffene

- Arbeit unter Lärm: 12,3 Millionen Betroffene

- Arbeit in gebückter Körperhaltung: 10,8 Millionen Betroffene

- Lasten von mehr als 20 kg tragen oder heben: 8,6 Millionen Betroffene

- Arbeit in Nässe, Hitze oder Zugluft: 10,8 Millionen Betroffene

- Nacht- oder Schichtarbeit: 5,5 Millionen Betroffene

- Arbeit in Staub, Rauch, Gasen oder Dämpfen: 9 Millionen Betroffene

Jeder zweite Arbeiter muß heute als Frühinvalide seinen Arbeitsplatz verlassen."

2. Weil Gewerkschaft und Betriebsräte schon immer flexibel sind

"Zu starr sei die Arbeitszeit von heute, sagen die Unternehmer... das sind die Tatsachen: Flexibel geht es schon heute zu. Oft mehr als uns lieb ist. Oder wie starr sind Schichtarbeit, Kurzarbeit, Mehrarbeit, Gleitzeit, versetzte Arbeitszeiten, die Doppel- und Dreifachwoche?"

3. Also muß man die Angelegenheit den starren Unternehmern aus der Hand nehmen

"Steinkühler sagte, der Begriff der Flexi-Arbeit sei 1984 von den Arbeitgebern erfunden, jedoch nie mit Inhalten ausgefüllt worden. Das täte nun die IG Metall, wobei sie selbstverständlich nicht die Interessen der Arbeitgeber vertrete."

4. So daß die Auswüchse noch normaler werden

"Steinkühler: 'Hier ist überhaupt nichts festzementiert. Natürlich kann man durch Mehrarbeit auch über die effektive 40-Stunden-Woche hinausgehen, wenn es dafür betriebswirtschaftliche Zwänge gibt. Auch ist natürlich bei solchen Modellen die Kombination mit Gleitzeit und Teilzeitarbeit möglich. Die Zeitsouveränität der Arbeitnehmer lasse sich bei einiger Phantasie vereinbaren mit einer Verlängerung der betrieblichen Nutzungszeiten."

Ein gewerkschaftlicher Kaleader-"Druck", von dem sich die Unternehmer nicht wieder erholen werden

"Aktionsfahrplan

2.-15. Dezember DGB-Veranstaltungen zum Thema Arbeitszeit

-10. Januar Veranstaltungen mit den Bundestagsabgeordneten besuchen

5.Januar Bundestagswahl!!!

-3. Februar Info-Material verteilen

9.-28. Februar In den Betrieben läuft die Aktion 'Unternehmer auf dem Prüfstand' (Vertrauensmann, Betriebsrat fragen)

-11. März Unternehmer auf dem Prüfstand

6.-17.März Info-Material verteilen

3.-24. März Betriebliche Aktionen

- 2. April Info-Material verteilen

0.-12. April Über eine Oster-Aktion nachdenken

7.-30. April Betriebliche Aktionen, Info-Material verteilen

-4.Mai An Demos für Arbeitszeitverkürzung beteiligen

-18. Mai Neuen Aktionskalender entwickeln, wenn die Arbeitgeber bis dahin noch keinen vernünftigen Kompromiß auf den Tisch gelegt haben."