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Dieser Artikel ist in der MSZ 7-1986 erschienen.

Der höhere Wahn:
LA PALOMA, OHE!

"Fünfte Enzyklika Papst Johannes Pauls II: Über den Heiligen Geist - Wider Materialismus und Tod."

"Damit berührt Johannes Paul II. ein Geheimnis, das des Heiligen Geistes als des Geistes des Vaters und des Sohnes, das zu den zentralen Aussagen des christlichen Glaubens an einen dreifaltigen Gott zählt, doch zugleich wenig bekannt ist und noch weniger verstanden wird." (Alle Zitate nach "Frankfurter Allgemeine", 31.5.)

Am Pfingstmontag hat er seine Enzyklika unterschrieben. Tags darauf wurde sie veröffentlicht. Die FAZ meinte,

"Die päpstlichen Sätze entziehen sich weitgehend dem journalistischen Zugriff; sie der Hast eines sich täglich überholenden Nachrichtenbetriebs anzuvertrauen, hieße, biblisch gesprochen, 'Perlen vor die Säue werfen'."

Wir meinen jedoch, daß das Umgekehrte zutrifft; profan geschrieben und dennoch beim Bild geblieben: Wojtyla hat wieder einmal die Sau voll rausgelassen.

"Der Widerstand gegen den Heiligen Geist findet leider - in den verschiedenen Geschichtsepochen und besonders in unserer modernen Zeit auch ihre äußere Dimension, indem er sich als Inhalt der Kultur und der Zivilisation, als philosophisches System, als Ideologie, als Aktions- und Bildungsprogramm für das menschliche Verhalten konkretisiert. Dieser Widerstand findet seinen höchsten Ausdruck im Materialismus, sei es in seiner theoretischen Form, als Gedankensystem, sei es in seiner praktischen Form, als Methode der Interpretation und Bewertung der Tatsachen sowie als Programm eines entsprechenden Verhaltens. Das System, das diese Denkweise, Ideologie und Praxis am meisten entwickelt und zu den äußersten praktischen Konsequenzen geführt hat, ist der dialektische und historische Materialismus, der noch immer als die Lebenssubstanz des Marxismus gilt. Grundsätzlich und de facto schließt der Materialismus die Gegenwart und das Wirken Gottes, der Geist ist, in der Welt und vor allem im Menschen aus; und zwar aus dem Hauptgrund, weil er dessen Existenz leugnet, da er von seinem Wesen und Programm her ein atheistisches System ist."

Den Heiligen Geist stellt sich die katholische Metaphorik bekanntlich als Taube vor. Damals hat so ein Vogel laut Neuem Testament die Jungfrau Maria künstlich befruchtet, und heute noch verehrt die Bourgeoisie, hierin traulich vereint mit dem Revisionismus in der nationalen und internationalen Arbeiterbewegung, dieses Federvieh als Symbol für den Frieden, ungeachtet des Sachverhalts, daß die real existierenden Tauben vorwiegend Dreck hinterlassen, wo sie im richtigen Leben erscheinen. Eine solche Betrachtungsweise wäre jedoch bereits der Materialismus, gegen den man sich im Vatikan ex cathedra wieder einmal zu Wort gemeldet hat. In der jüngsten Auslegung trifft der Banntuch querbeet durch die gesamte Geschichte von Wissenschaft und Kultur jede Denkfigur, die nicht vor dem römischen Glauben vor und jenseits aller Erkenntnis den Kotau gemacht hat. Der Materialismus kann sich geschmeichelt fühlen: Der Heilige Stuhl identifiziert ihn mit dem Denken. Und der dialektische samt dem historischen Materialismus kriegt vom obersten und populärsten Guru des Irrationalismus bestätigt, daß es sich bei ihm um radikale Wissenschaft handelt, weil im Marxismus alles erklärt und "das Wirken" höherer Geister systematisch "geleugnet" wird.

In den unnachahmlichen Worten der Apostel in der FAZ-Redaktion:

"Der Papst zögert nicht, Marxismus, Materialismus und Atheismus als Ablehnung des Heiligen Geistes zu kennzeichnen."

Der traut sich was, der Gottesmann! Bis hierher könnte man die Enzyklika also durchaus als treffenden Beitrag zur ideologischen Abgrenzung zwischen Glauben und Materialismus begrüßen. Wojtyla bestätigt Lenins starkes, weil vereinfachendes Urteil, demzufolge aller Idealismus in letzter Instanz nichts weiter ist als Pfaffentum. Wie immer geht's dem Oberhirten jedoch nicht um einen herrschaftsfreien Diskurs. Er will natürlich hetzen, aufwiegeln und Unfrieden stiften mit seiner Anrufung des göttlichen Täuberichs:

"Das Oberhaupt der katholischen Kirche ruft den Beistand des Geistes als 'Parakleten des Trösters' an gegen die 'Zeichen des Todes'. Wörtlich: 'Es hat sich die Sitte verbreitet - die an einigen Orten fast eine Institution zu werden droht -, den menschlichen Wesen, noch bevor sie geboren werden oder bevor sie zur natürlichen Grenze des Todes gelangt sind, das Leben zu nehmen. Ferner sind trotz vieler ehrlicher Anstrengungen für den Frieden neue Kriege ausgebrochen und im Gange, die Hunderttausenden von Menschen das Leben oder die Gesundheit rauben. Und wie könnte man die Attentate auf das menschliche Leben von seiten des Terrorismus vergessen, der auch auf internationaler Ebene organisiert ist?'"

An allem soll der Materialismus schuld sein. Nur gut, daß der Paraklet schon unterwegs ist, um gegen die Zeichen des Todes seine Feldzeichen in die Welt zu setzen: SDI - mit Sicherheit ein Wink von oben. Und die Aeroplane des Pentagon haben den ersten Schlag gegen Armageddon über Libyen geführt. Dabei ist der Heilige Geist gleichsam als Fernaufklärer über die nächsten Ziele im Heiligen Krieg von großen Diensten. Er ist nämlich

"ein Geist des Lebens, der befähigt, das Gute und das Böse beim Namen zu nennen."

So hat wohl auch Ronald Reagan erfahren, wo das Reich des Bösen liegt: direkt vom Guten.