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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1986 erschienen.

Systematik


WER IST REAKTIONÄRER, DER BAUER ODER DIE GRÜNEN, DIE SICH AN IHN ANSCHLEIMEN UND ES VIELLEICHT NOCH NICHT EINMAL MERKEN?

"10. Boden ist nicht im Überfluß vorhanden." (Alle Zitate aus dem Agrarprogramm der GRÜNEN).

Wie ja auch "das letzte Hemd keine Taschen hat"!

"11. Die wichtigsten Verbündeten der Bäuerinnen und Bauern sind die Verbraucherinnen und Verbraucher."

Da müßt Ihr etwas ausgelassen haben. Denn Eigentümer und Produzenten - selbst die blöden Bauern - sind im Kapitalismus Ausnützer der zahlungsfähigen Nachfrage, also Gegner der Bedürfnisse. Schon mal was von Preisen gehört? Oder meint Ihr damit nur, der Bauer, der in die roten Zahlen gekommen ist, solle seine letzten ökologischen Eier einfach seinem Nachbarn Verbraucher zuschieben?

"15 Bäuerliche Arbeits- und Lebensweise hat andere Wertorientierungen als rein auf Gewinn und betriebswirtschaftliches Wachstum gerichtete Unternehmensführung.

Unternehmerisches Denken ist ausschließlich am höchstmöglichen Gewinn orientiert. ...

Das Grundprinzip bäuerlicher Erzeugung ist die Vorsorge für die lebende und kommende Generation, der Arbeits- und Lebensmöglichkeit zu sichern sind. Dazu gehört: das Denken in langen Zeitabläufen von Ursache und Wirkung, die Schonung der natürlichen Ressourcen, die Gesunderhaltung der Böden, eine weitgehende Kreislaufwirtschaft auf den bäuerlichen Betriebe sowie Kenntnisse von den Wechselbeziehungen von Klima, Boden, Pflanze, Tier und Ackerbaukultur."

Also was jetzt? Entweder ist das Grundprinzip bäuerlicher Erzeugung nicht ganz "rein auf Gewinn" aus - sollte es da unsauber auf Gewinn aus sein? Oder Ihr vergeßt mal wieder bewußt, daß das Einkommen und Leben der Bauern nur von Markt, Preis und Gewinn abhängt, und wollt den Bauern mit deren geheuchelter Ideologie von Naturtechnik in den Arsch kriechen. Dann labert aber auch nicht von einem Grundprinzip, das der kapitalistisch besetzte Boden nun mal nicht hergibt. - Die Sache mit der Kenntnis vom Wetter könnte Euch übrigens als Verarschung der Bauern ausgelegt werden, Wetterfühligkeit ist ja schließlich kein Kompliment.

"13. Für die gerechte Entlohnung und Anerkennung" (kost wohl 5 Mark) "ist ein gestaffelter Preis notwendig.

Die bäuerliche Arbeit ist unterbezahlt. Die Arbeit des Bauern, der Bäuerin geht ein in das von ihm erzeugte Produkt. Eine Würdigung (Würdepreis?) und ausreichende Entlohnung dieser geleisteten Arbeit kann nur über den Preis ihrer Erzeugnisse erfolgen."

Ihr spinnt ja wohl! Erst kost' das Grundprinzip bäuerlicher Erzeugung gar nichts, sondern hilft nur der Natur, dem Leben und den noch nicht geborenen Kindern. Dann soll aber diese Blut-und-Boden-Ideologie doch unterbezahlt sein, die Arbeit in das Produkt eingehen und ihre gerechte Entlohnung über einen Staffelpreis zustandekommen. Da müßt Ihr Euch schon entscheiden: Entweder machen Preis und Gewinn den Bauern das Leben schwer - dann gibt's da aber auch keine gerechten Preise; oder Ihr glaubt an Eure ganz andere "Wertorientierung" der Bauern und lobt ihren Opfersinn - Opfer lohnen sich aber immer und zahlen jeden Preis, können also gar nicht ungerecht sein.