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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1986 erschienen.


DER WELT-AGRAR-MARKT

Einige sachdienliche Hinweise zur Lage auf diesem Feld.

Gemeinsamer Protektionismus

"Agrarmarktordnung. Die Agrarpolitik der EWG ist bisher nicht an Marktwirtschaft und Wettbewerb, sondern - wenn auch in Verbindung mit Strukturverbesserungsmaßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft (s. Mansholt-Plan) - am Schutz der einheimischen Produzenten orientiert. Hauptinstrument dieses Schutzes sind die sogenannten Marktordnungen für einzelne Produkte. Bei diesen geht es um

- die Festsetzung eines einheitlichen Preisniveaus,

- den Abbau von Handelshemmnissen zwischen den EWG-Ländern und

- die Vorzugsbehandlung der europäischen Landwirte gegenüber den Produzenten dritter Länder (sog. Gemeinschaftspräferenzen).

Zu diesem Zweck setzen die Organe der Gemeinschaft meist einmal im Jahr u.a. sogenannte Richtpreise fest, die meist über den Weltmarktpreisen liegen. Sinkt der Preis eines Produktes unter diesen Richtpreis und nähert er sich dem (niedrigeren, ebenfalls festgesetzten) Interventionspreis, sind die entsprechenden Stellen der Gemeinschaft zu Stützungskäufen verpflichtet, um den Marktpreis nicht unter diesen Interventionspreis absinken zu lassen.

Bei Einfuhren von Agrarprodukren aus dritten Ländern werden die Weltmarktpreise auf die meist höher liegenden Binnenmarktpreise der EWG angehoben, indem der Preisvorteil dieser Produkte gegenüber den EWG-Erzeugnissen an der Grenze des einführenden EWG-Landes in Form eines Preiszuschlags "abgeschöpft" wird.

Diese Abschöpfungen fließen in den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGL) für die Finanzierung

- der genannten Interventionskäufe,

- der Exportbeihilfen für den Absatz von Überschüssen der EWG auf dem Weltmarkt zur Überbrückung des Unterschieds zwischen dem niedrigeren Weltmarktpreis und dem höheren EWG-Preis sowie

- der Maßnahmen zur Modernisierung und Strukturanpassung der europäischen Landwirtschaft (s. Mansholt-Plan)." (Aus: "Zivilmacht Europa - Supermacht oder Partner", Frankfurt a. M. 1973)

Mit GATT zum "fairen Handel"

"Die Bedeutung des GATT liegt vor allem darin, daß es zum ersten Mal in der Geschichte einen verbindlichen Kodex praktischer Regeln für einen fairen internationalen Handel schuf. Seine Prinzipien sind vor allem: - die Nichtdiskriminierung (...Meistbegünstigungsklausel)

- die Beschränkung des Schutzes von einheimischen Industrien auf zollpolitische Maßnahmen (statt der nur ausnahmsweise erlaubten mengenmäßigen Beschränkungen)

- die Verpflichtung zur ständigen Konsultation. ... Handelspolitisch konzentrierte sich das GATT insbesondere seit den Zollsenkungserfolgen auf den Abbau der bestehenden mengenmäßigen Beschränkungen (Kontingentierungen), auf die Verhinderung weiterer Kontingentierungen und auf die damit zusammenhängende Regelung von Einfuhrbeschränkungen zum Schutz notleidender Wirtschaftszweige (Schutzklauseln). Die Agrarpolitik der Mitgliedsländer genießt dabei allerdings eine Ausnahmestellung. ..." (ebenda)

"Kampfpreise" beleben die Konkurrenz

"Die EG hat am Wochenende zum zweitenrnal innen acht Tagen die Exportsubventionierung ihrer Getreidelieferungen nach Nordafrika kräftig hochgeschraubt. Nachdem im neuen Aktionsplan von Präsident Ronald Reagan für die amerikanische Handelspolitik weitere 300 Mill. Dollar Exportsubventionen nach den bereits mobilisierten 2 Mrd. Dollar des Ausgleichsprogramms gegen Exportsubventionen dritter Länder angekündigt worden sind, greift auch die EG tiefer in die Tasche des Gemeinsamen Agrarfonds.

Sorge um Exportmärkte

Die EG fürchtet vor allem für ihre traditinellen Getreideexportmärkte Ägypten und Algerien, aber auch Tunesien und Syrien, wo der große Getreideproduzent Frankreich bisher traditioneller Lieferant war. Die EG-Getreidelieferungen dorthin bewegten sich in einer Größenordnung von etwa 3 Mill. Tonnen. Die USA haben inzwischen mit Bonifikationen 500000 Tonnen von einem Angebot von 1 Mill. Tonnen an Ägypten losschlagen können und bieten jetzt Algerien Weizen an.

Die EG hatte daraufhin ihre Exporterstattungen für Weizen in diese Region von 41 auf 5.5 ECU (1 ECU = 2,24 DM) je Tonne erhöht. Sie hat sie am Wochenende weiter auf 67,90 ECU für diese Region und auf 78 ECU speziell für Algerien heraufgesetzt. Die Wahrung der EG-Interessen, so Budget-Kommissar Christophersen, erscheint aber auch durch die Dollar-Baisse geboten. Um ein Prozent Kursverfall des Dollars zu neutralisieren, müßte die EG etwa 80 Mill. ECU zusätzlich aufwenden, damit sie wettbewerbsfähig bleibt." (Süddeutsche Zeitung, 30.9.1985)

Bauernsterben made in USA

"Einer der beiden Söhne, Bill, hatte 1978 einiges Land gekauft, weil er unbedingt selbst Farmer werden wollte. Aber er hatte die Depression nicht vorausgesehen: 'Wenn die Anlagewerte fallen, wenn der Bodenpreis und alles andere plötzlich nur noch die Hälfte wert sind und noch weniger, dann geht's bergab, dann gibt es keine Rettung mehr.' ...

'Sie (die Landwirtschaft) steht unter schwerem finanziellen Druck. Dieser Druck hat auch den Genossenschaftsverbund der Agrarbanken (Farm Credit System) erfaßt. Der Verbund hat keine andere Aufgabe, als Farmer und Rancher zu finanzieren. Wenn diese nun keinen Gewinn mehr erwirtschaften, weil bei niedrigen Produktionspreisen die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, können sie die Darlehen nicht zurückzahlen.' Und weiter erklärt der Bankier: 'Wegen der schlechten Gewinne sind aber auch die als Sicherheit dienenden Anlagewerte gesunken. In Iowa zum Beispiel hat der Wert des bebauten Bodens um sechzig Prozent verloren. Wir stehen vor sehr hohen Darlehensverlusten, und das gilt auch für den Genossenschaftsverbund der Agrarbanken. ...

... Vance Clark (Direktor des Farmers Home Administration): 'Wir können nicht jeden retten. Diejenigen Farmer, die keine Bareinkünfte aufbringen und deren Schulden weit über dem Vermögen liegen, werden es eben nicht schaffen. Wir müssen uns auf einen Aussiebungsprozeß einstellen.'

Das englische Wort dafür ist shake out. Was es bedeutet, kann man hören, wenn sich der monotone Zahlensingsang des Auktionators über Maschinen und Traktoren ergießt. 400000 Amerikaner sind 1985 aus den Landwirtschaftsgebieten abgewandert. Tausende von Farmern werden wahrscheinlich auch in diesem Jahr unter den Hammer kommen." (ZEIT, 2. Mai 1986)

Rückschlag und Gegenschlag

"Am internationalen Getreidemarkt haben sich nämlich in den letzten zwei, drei Jahren einschneidende Umwälzungen vollzogen. Wichtige Großkunden wie China und Indien haben die eigene Erzeugung so weit vorangebracht, daß ihr einstiger Importbedarf drastisch zurückgegangen ist und daß sie auch schon selbst als Getreideexporteure auftreten. Indische Getreidesilos sind nach Rekordernten überfüllt; für die neue Ernte fehlt es an Platz, so daß sich die Regierung um Käufer im Ausland bemüht. China hat gerade selbst verkündet, daß es in diesem Jahr erstmals sogar zu einem Netto-Exportland für Getreide wird, also mehr Getreide ins Ausland liefert als vom Ausland erwirbt. Beide Staaten werden damit zugleich zu Konkurrenten ihrer bisherigen Großlieferanten (wie Vereinigte Staaten, Europäische Gemeinschaft, Australien, Kanada, Argentinien) und mindern deren Absatz auf dem Weltmarkt damit zusätzlich." (Frankfurter Allgemeine, 3.9.1985)

"'Das aggressivste Exportprogramm seit der Eisenhower-Regierung.' Thomas Kay vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium erklärte dazu kürzlich: 'Die Gesundung der amerikanischen Landwirtschaft hängt davon ab, daß die Exportmärkte zurückgewonnen werden. Die Vereinigten Staaten müssen eine Hälfte ihrer Agrarproduktion exportieren, weil sie nur die andere Hälfte selbst verbrauchen können.'

...die Exporte sind in den vergangenen fünf Jahren sowieso schon um dreißig Prozent zurückgegangen. In zehn Jahren ist der amerikanische Anteil am internationalen Weizenhandel von 41 auf 33 Prozent gesunken. Das lag nicht nur am hohen Dollarkurs und am Embargo, das der ehemalige Präsident Jimmy Carter gegenüber der Sowjetunion anordnete, sondern auch an den sehr produktiven neuen Anbietern auf dem Weltmarkt.

Bis Ende dieses Jahres wollen die Vereinigten Staaten nach den Plänen des Landwirtschaftsministeriums auf den Weltmärkten wieder voll ins Geschäft kommen. Mehrere Wege werden dafür gewählt:

- Erhöhung der Nahrungsmittellieterungen im Rahmen internationaler Hilfsprogramme um jährlich 550000 Tonnen,

- Subventionen für Getreideexporte in Höhe von 315 Millionen Dollar jährlich,

- Bereitstellung von zwei Milliarden Dollar über die nächsten drei Jahre, um ausländischen Kunden den Kauf amerikanischer Agrarprodukte zu erleichtern.

Dieses Bonus Incentive Commodity Export Program (mit der sinnfälligen Abkürzung BICEP) wird von der Europäischen Gemeinschaft kritisch beäugt, den sonst wirft Washington der EG gerne Agrarprotektionismus vor. Wenn jetzt auch noch Retourkutschen auf den Eintritt Spaniens und Portugals in das EG-Handelsregime angedroht werden, ist für Zündstoff zum transatlantischen Agrarkonflikt reichlich gesorgt. Auf den iberischen Märkten, so glauben die Amerikaner, werden sie bei den Agrarpdodukten Exportverluste von einer halben Milliarde Dollar verbuchen." (ZEIT, 2. Mai 1986)

"25 Jahre später, 1970, hatten wir die Selbstversorgung in Milch und Butter erreicht, noch einmal sieben Jahre später in Getreide und Fleisch. Heute, 1985, ist die Bundesrepublik - die Ausfuhr in die EG mitgerechnet - der viertgrößte Agrarexporteur der Welt." (Gräfin Dönhoff in "ZEIT", 24. Januar 1986)

Der Segen der Mißwirtschaft

"Exportieren? Die europäische Gemeinschaft verkauft heute mehr und mehr ihre landwirtschaftlichen Produkte zu einem Bruchteil der inländischen Erzeugerkosten auf dem Weltmarkt. Der Butterexport wurde in zehn Jahren verdreifacht und an Käse, Wein und Fleisch wird die doppelte Menge über die Grenzen der EG geschafft und dann zu einem Drittel oder gar Viertel des Inlandspreises verkauft. Selbst bei diesen Niedrigstpreisen müssen oft noch Käufer gesucht werden. Für Europa, USA und Kanada sind heute Mißernten ein Segen, denn sie entlasten den Markt. Wehe aber uns, wenn plötzlich die kommunistische Mißwirtschaft ihr Ende hätte und so viel Korn auf der fruchtbaren Schwarzerde Rußlands wachsen würde wie auf den Feldern der westlichen Welt. Mit ihren subventionierten Überschüssen beherrschen die reichen Industriestaaten den Agrarweltmarkt und machen hierdurch den armen Agrarstaaten eine unlautere Konkurrenz." (ZEIT, 1. November 1985)

1984/85 gingen fast zwei Drittel aller westlichen Weizen- und -mehl-Exporte in die Entwicklungsländer, über ein Viertel wurde in die UdSSR exportiert. Übriges Getreide ohne Reis wurde in etwa zu denselben Teilen in diese Länder, UdSSR und Entwicklungsländer, exportiert (nach Agrarbericht der Bundesregierung 1986).

"Es hat auf der Welt noch nie eine Landwirtschaft in freier Marktwirtschaft gegeben. Der Störfaktor, den wir überhaupt noch nicht erwähnt haben, ist der zur Zeit freie Welthandel, in dem sich die Agrarexporte nicht nach der Nachfrage richten, sondern wo sie in der Dritten Welt von den Zinsforderungen des internationalen Kapitals erzwungen oder durch gehortete Überschüsse subventioniert werden. Deren Preise liegen dann immer unter den Gestehungskosten." (Gerhard Preuschen, Dr. agr. habil., wissenschaftlicher Betreuer der Stiftung ökologischer Landbau)

Politische Preise

bestimmen den Agrarweltmarkt. Im internationalen Handel mit agrarischen Erzeugnissen blüht der Protektionismus in nicht mit anderen Waren vergleichbarem Umfang. Zölle und Kontingentierungen, Exporterleichterungen und Importbeschränkungen, festgelegt für die verschiedensten Früchte der Landwirtschaft, gehören beim Agrarhandel dazu. Staatlich garantierte Preise für nationale Agrarprodukte haben mit einem ökonomischen Konkurrenzvergleich auf dem Weltmarkt nichts zu tun, sie befreien die Bauern vom Produktivitätsvergleich ihrer Waren, wie er sonst über die Preise und ihren Wechsel durch Angebot und Nachfrage geschieht. Aber auch der Weltmarktpreis für Getreide oder Fleisch oder Butter, von dem es immer heißt, daß er niedriger sei als die im Inland garantierten Preise'. (so als wäre er marktgesetzlich zustandegekommen), ist kein Datum, das aus dem billigen überreichen Angebot im Verhältnis zu einer zahlungsmäßig begtenzten Nachfrage herrührte. Die konkurrierenden Staaten sind das politische Subjekt des agrarischen Weltmarktpreises. Für diese Konkurrenz spielen dann freilich ökonomische Gegebenheiten und Unterschiede zwischen den Landwirtschaften der Nationen eine Rolle.

Zu welcher Produktivität die in allen Ländern übliche Subventionierung der Bauern diese befördert hat; welches Gewicht der Agrarsektor in der nationalen Volkswirtschaft besitzt und was die gesamte Wirtschaft international darstellt - das ist von Bedeutung dafür; was sich Staaten ihre Landwirtschaft kosten lassen oder kosten lassen können. Daß die staatlichen Unkosten der Unterstützung der Landwirtschaft einmal ganz wegfallen, ist ein ziemlich unkapitalistisches Ideal. Vorher entscheidet sich, ob sie sich relativ gelohnt häben: ob man es sich leisten kann, mit Dumpingpreisen zu konkurrieren und in Nordafrika den Zuschlag für Weizenexport zu bekommen; ob man es schafft, die eingerichteten Abhängigkeiten von Entwicklungsländern gegen Dritte dafür zu nutzen, mit gesicherten Exportmengenabkommen die Überschüsse und "teuren" Getreidehügel und Milchseen in Grenzen zu halten; ob es für einen Staat ökonomisch gar nicht sinnlos ist, die gehorteten agrarischen Überschüsse weiter dadurch abzubauen, daß in der Form der "Nahrungsmittelhilfe" billige Entwicklungshilfe gegeben wird. Wer exportiert Getreide oder Butter in die UdSSR - zu welchem Preis auch immer? Schließlich ist nicht unerheblich auf diesem Feld, welcher Staat es sich leisten kann und will, daß seine auf den Weltmarkt gesetzten Preise wieder zig-tausend Bauern ihr ältestes Gewerbe aufgeben lassen. Es findet eine Konkurrenz statt um die Minderung von Subventionen, ohne die es in die Abteilung des nationalen Geschäftslebens nicht geht. Dabei kommt es sehr darauf an, ob ein Staat seine Landwirtschaft vor dem Weltmarkt schützt oder sie zu einem Exportschlager hochsubventioniert. Das Bauernsterben in der EG und in den USA fällt unter diese Rubrik des Agrarweltmarkts.

Geändert hat sich an der ökonomischen Grundlage dieses politischen Weltagrarmarktzirkus' auch noch etwas. Der Spitzenexporteur agrarischer Produkte auf dem Weltmarkt über Jahrzehnte - natürlich immer schon staatlich subventioniert -, die USA, hat zur Kenntnis nehmen müssen, daß selbst so bodenarme Länder wie die europäischen bei ihrer "Erhaltung des Bauernstandes" ein paar kapitalistische Gesichtspunkte des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten beherzigt haben. Die EG ist gerade dabei, die USA als ersten Agrarexporteur der Welt zu überholen. In der Milch- und Fleischproduktion überflügelt sie mit höherer Produktivität die Konkurrenz der Vereinigten Staaten und verzeichnet Exporterfolge nach Nordamerika. Als Getreideproduzent hat die EG hinter den USA den zweiten Platz in der westlichen Welt erreicht, vor Australien und Kanada. Im Weltweizenexport steht die EG neben Australien und Kanada an zweiter Stelle hinter dem Spitzenexporteur USA, dessen Gesamtgetreideausfuhren aber in den letzten 5 Jahren um 30 Prozent zurückgingen. Neue Anbieter von Getreide kommen auf den Weltmarkt. Während Argentinien und Brasilien steigende Mengen produzieren, gehen bisherige Getreideimport-Länder wie China und Indien jetzt mit Überschüssen auf den Markt. Dies und die kontinuierlich steigende Produktivität in den traditionellen Getreide-Ländern steigern die zu verkaufenden Überschüsse, so daß eine Konkurrenz um den Abbau der Lagervorräte stattfindet, mit Preisen, die im Verhältnis zu Lagerkosten und Wertverfall der Waren bestimmt werden. Die UdSSR und die Entwicklungsländer sind dafür ein Glücksfall, die einen, wenn sie mal wieder eine ordentliche Mißernte geschafft haben, die anderen, je weniger sie in der Lage sind, die einheimische Nahrungsmittelproduktion zu steigern, bzw. willens, das Zeug nicht im Ausland zu verscherbeln. In Afrika steigen die Hungerquoten:

"Es sei 'das beste Hilfspaket des Jahrhunderts' (meint ein UN-Experte aus Ghana), wenn die Entwicklungsländer durch zeitlich auf drei bis fünf Jahre befristete Nahrungsmittelhilfe zu Reformen gezwungen würden.

Die entwicklungspolitische Realität sieht dagegen anders aus, obwohl auch Bonn in offiziellen Erklärungen meist von einer 'Übergangslösung' spricht. Denn längst hat sich diese Form der Überschußverwertung einen festen Platz im Instrumentenkasten der Europäischen Gemeinschaft (EG) erobert. Nach den USA avancierte die EG zum zweitgrößten Billiglieferanten: Allein im letzten Jahr wurden rund 1,1 Millionen Tonnen Getreide und 157400 Tonnen Milchpulver, Zucker, Butter- und Pflanzenöle in die Entwicklungsländer verschifft. Fast jede dritte für Entwicklungspolitik reservierte EG-Mark wird inzwischen für die Nahrungsmittelhilfe ausgegeben.

Hinzu kommen noch die bilateralen Leistungen einzelner Mitgliedsländer wie der Bundesrepublik, die 1985 auf eigene Rechnung noch einmal gut 190000 Tonnen Überschußgetreide in die Dritte Welt schleuste." (Frankfurter Rundschau, 14. Mai 1986)

Gemeinsames Gleichgewicht

Auf dem Agrarweltmarkt bringt die Politik "Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht". Das haben die Sieben auf ihrem Wirtschaftsgipfel in Tokio erst kürzlich wieder voll bestätigt, indem sie sich gemeinsam Sorgen machten:

"Mit Besorgnis stellen wir fest, daß heute bei einigen wichtigen Agrarerzeugnissen eine globale strukturelle Überschußsituation herrscht, die teils auf technische Verbesserungen und teils auf eine langjährige Politik der innerstaatlichen Subventionierung und des Schutzes der Landwirtschaft in allen unseren Ländern zurückgeht. Das schadet der Wirtschaft gewisser Entwicklungsländer und dürfte die Gefahr ausgedehnteren protektionistischen Drucks verschärfen. Vor diesem Problem stehen wir alle, und es läßt sich nur durch gegenseitige Zusammenarbeit bewältigen. Wir alle kennen die Bedeutung der Landwirtschaft für das Wohlergehen ländlicher Gemeinschaften, sind uns aber einig, daß bei Vorliegen von Überschüssen Handlungsbedarf besteht, damit im Lichte der Weltnachfrage die Politik umgeschichtet und die Struktur der Agrarerzeugung angepaßt wird." (Wirtschaftserklärung von Tokio)

In diesem Sinne sind schon erste Handlungserfolge zu verzeichnen:

"Sowohl die USA wie auch die EG haben am Freitag noch einmal ihre Verhandlungsbereitschaft hervorgehoben ... Die USA rechnen sich aber Handelsverluste zwischen 700 Mill. und 2 Mrd. Dollar bei ihren Agrarausfuhren nach Spanien und Portugal aus, da die beiden neuen EG-Mitgliedsstaaten seit dem 1. März in die gemeinsame EG-Agrarpolitik mit ihren besonderen Schutzvorkehrungen eingegliedert wurden.

Die USA beschränken infolgedessen vom 19. Mai an die Einfuhrmengen - ohne zusätzliche Abgaben zu erheben - von Wein und Bier, Fruchtsäften und Süßigkeiten aus der EG. Präsident Reagans Sprecher Larry Speakes beurteilte die Maßnahmen als 'fair und ausgewogen'...

Antwort aus Brüssel... Wenn die USA zu Handelsbeschränkungen greifen, müsse die EG jetzt mit 'symmetrischen und parallelen' Gegenmaßnahmen antworten. ... Äußerungen Noirs (französischer Außenhandelsminister) zufolge würden sie (die Antwort der Europäer) den Export der USA von Sonnenblumenöl, Honig, Äpfeln, Bier, Backpflaumen und Fruchtsaft betreffen." (Süddeutsche Zeitung, Pfingsten 1986)

Anders war ja auch der "Handlungsbedarf" nicht gemeint. Solche "Handelskriege" sind im politischen Preis des Agrarweltmarkts notwendig mit einbegriffen.

Nichts dazugelernt

aus dem Krieg:

"'48 aus russischer Gefangenschaft heimgekommen... da war ich kaputt... Ich hab das bißchen Milch, was meine Mutter in einer alten Heringsbüchse den Katzen hingestellt hat, ausgesoffen. Und heut' ist zuviel davon da. Damals waren die Bauern gut genug, damit die anderen was zu fressen hatten. Mit dem Handwagen sind 'se aus der Stadt gekommen und haben geramscht... gebettelt... Das ist alles längst vergessen. Heut' sind wir bloß noch die dummen Bauern." (Ein Milchbauer aus dem Odenwald)

Das war damals wohl gerechter als heut', wo der Staat auch nicht zu seinen Bauern hält?

"Während die deutschen Bauern ihre Erzeugnisse einschränken müssen, erhalten die irischen noch Erzeugerprämien aus dem Brüsseler Topf. Und das soll gerecht sein?" (derselbe)

"Die werden sich in Bonn noch wundern. Wir Bauern, wir machen zwar nur noch fünf bis sechs Prozent von dem 'Stimmvieh' aus. Aber die entscheiden '87 die Wahl."

Da wird sich die SPD aber freuen, wie gut das Stimmvieh auszurechnen ist und wie treu der Bauer seinen Grundsätzen bliebt: staatstreu und total ergeben in sein Scheiß-Los.

"'Das Vieh kommt immer zuerst.' Es ist die erste Mahlzeit (9 Uhr), die die beiden zu sich nehmen. Man ißt Schwarzbrot mit Butter und selbstangemachtem Quark oder Zwetschgenmarmelade und Apfelgelee aus eigener, der Hausfrau Herstellung. 'Die morgens schon Wurst, Käse oder Schinken aufs Brot tun, die sind bald bankrott', sagt der Bauer, und seine Frau setzt hinzu: 'oder kriegen die Gicht in die Glieder'."

Der Milchbauer, kurz vor dem Übergang zur Margarine! Gottseidank hat diese bäuerliche Dummheit auch mal ihr Ende:

"Der kleine Sven bleibt bei der Großmutter, die jetzt noch das Melkgeschirr zu spülen hat und das Mittagessen zubereiten muß. 'Wir machen halt jeden Tag so weiter. Es muß einfach weitergehen, auch wenn es noch viel zu klagen gibt. Erst wenn wir im Kasten liegen und uns kein Zahn mehr wehtut" (der gesunde bäuerliche Materialismus!), "haben wir unsere Ruhe'. Die größte Gerechtigkeit sei, daß alle hinmüssen," (auch die Iren z.B.!) "und, fügt sie schmunzelnd hinzu, 'das letzte Hemd hat keine Taschen!'" (Alle Zitate aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 14. März 1986)

Die letzte war die Mutter von dem Bauern und die Großmutter von dem Sohn des Bauern. So wird von Generation zu Generation weitergegeben, daß man nichts dazugelernt hat.