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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1986 erschienen.

Systematik


MILITANZ FÜR SOZIALEN FRIEDEN UND IWF

In einem Land, in dem der Staatskredit als Garantie des privaten Kredits fungiert, d.h. in dem das Wachsen der Staatsverschuldung den Maßstab für die privaten Investitionen liefert, macht der Staat Lohn- und Preispolitik. Er setzt so die Bedingungen für die Verwendung des von ihm geschaffenen Kredits im Geschäftsleben. Folglich ist für die Gewerkschaften der Staat der Tarifpartner Nummer eins und der Unternehmer ein "Partner" anderer Art. Und da außerdem in den letzten Jahren die Schöpfung des inneren Kredits unter Aufsicht des IWF steht, ist dieser für die argentinischen Gewerkschaften zum "Hauptpartner" geworden: Wenn eine Delegation des IWF aus dem Flugzeug steigt, warten die Leute von CGT (Confederacion General del Trabajo) begierig darauf, zu Gesprächen eingeladen zu werden, und sie sind richtig beleidigt, wenn die Einladung ausbleibt.

In ihren Beziehungen zum Staat sind die Gewerkschaften konsequent: Sie betreiben sie unabhängig davon, ob Zivilisten oder Militärs an den Schalthebeln der Macht sitzen. Sie kümmern sich vor allem um bestimmte Bereiche der Reproduktion der Arbeitskraft, für die sich der Staat nicht interessiert. Die Krankenversicherung, die Versorgung mit Arzneimitteln und die Ferienzentren für Arbeiter wurden einst von den Gewerkschaften verwaltet; finanziert wurde dies alles durch einen Zwangsbeitrag der Lohnarbeiter. Dieses System, das von der letzten Militärregierung zu den "unnötigen Ausgaben" gerechnet und deshalb abgeschafft wurde, ist die Grundlage für die Hauptforderung der Gewerkschaften heute: Rückgabe ihres Besitzes und Rückkehr zum System der Zwangsbeiträge. Es geht dabei um eine Summe von 2 Milliarden Dollar, und da lohnt es sich für die Gewerkschaften zu "kämpfen".

Wieder als Mitverwalter der Lohnarbeit fungieren zu dürfen, ist das Hauptziel der Gewerkschaftspolitik; und um an dieses Ziel zu gelangen, kennt ihr "Pragmatismus" keine (Scham-) Grenzen.

Noch origineller und noch mehr in Bewegung gekommen sind die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband sowie ihr Ergebnis, die Beziehung der Gewerkschaftsführer zur "arbeitenden Basis".

Auf Grund der ökonomischen Funktion des Staates ist der Lohn selbst kein Thema, das die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern trübt; Thema sind allein die Konsequenzen der Höhe und der Sicherheit des Lohns für die Arbeitsdisziplin. An dieser haben die Kapitalisten ein ungeheures Interesse, und Aufgabe der Gewerkschaften ist es, die Disziplin auf einem akzeptablen Niveau zu halten.

So kommt es z.B. häufig vor, daß ein Unternehmen den Lohn an seine Arbeiter nicht rechtzeitig auszahlt. Irgend einmal reicht es . dann den Arbeitern; sie besetzen die Fabrik und nehmen den Personalchef als Geisel. Das ist der Zeitpunkt für das Eingreifen der Gewerkschaft. Sie tritt als Vermittler auf; und manchmal schickt sie, wenn die Arbeiter um jeden Preis sich durchsetzen wollen, ihren Schlägertrupp und erteilt den "Rädelsführern" eine Lektion in gewerkschaftlicher Verantwortlichkeit. Jede große Gewerkschaft verfügt über eigene Rollkommandos, und aus ihnen rekrutieren sich die Führer der Bewegung. Auch der jetzige Führer der peronistischen Partei, Herminio Iglesias, verdiente sich seine ersten gewerkschaftlichen Sporen als Anführer solcher Kommandos, die ihm als "schlagkräftige" Hausmacht den Weg an die Parteispitze ebneten.

Bei der Gewerkschaftspolitik geht es allerdings nicht immer nur um den "sozialen Frieden". Angesichts der politischen Instabilität, der häufigen Regierungswechsel und der Konflikte zwischen zivilen Politikern und Militärs haben die Gewerkschaften einen sehr feinen "politischen Riecher" entwickelt, um sich auf das einzustellen, was "im Anzug ist". So machen sie bisweilen bei einem Staatsstreich mit und schicken ihre "Basis" auf die Straße, um die Regierung zu "destabilisieren"; dann beordern sie ihre Mitglieder wieder nach Hause und treten in Verhandlungen mit den neuen Machern an der Spitze des Staats, die endlich einmal ihren Ansprüchen gerecht werden sollen. Wenn sie bei der Vorbereitung eines Regierungswechsels nicht berücksichtigt werden, dann "halten sie sich einfach raus", d.h. sie gehen nach Hause und warten darauf, daß man sie "ruft".

Unter der letzten Militärdiktatur führten sie sich so unterwürfig auf, daß Galtieri sie zur Belohnung im Flugzeug mit auf die Malvinas nahm. Nach der Niederlage schloß sich allerdings sogar ihre "Basis" den Radikalen, der Partei Alfonsins, an, so daß die peronistischen Gewerkschaftsführer bei der Demokratisierung nur Opposition spielen dürfen.

Gegenwärtig haben sie in der Auslandsverschuldung Argentiniens ein Thema gefunden, um mit den Unternehmern gemeinsam den Kampf um eine Senkung der Zinsen und um die Wiederbelebung der Wirtschaft zu führen. Sie führen sich als von den Gläubigern verkannte "loan advisers" auf und schicken jetzt die Basis auf die Straße, um gegen den IWF zu protestieren. Die letzte große Demonstration ging allerdings völlig in die Hose, denn die "Basis" blieb zuhause und es kamen nur die "Kommunisten". Wie soll man den Bossen beim IWF einen solchen Faux pas erklären? So wird man von diesen nie zu Rate gezogen, wie die Kredite von Mister Baker am besten eingesetzt werden!