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Dieser Artikel ist in der MSZ 2-1986 erschienen.

Systematik


FEIND (IM) BILD

Karikatur:

Zerrbild, das auf eine Wahreit zielt, übertreibende, dazu oft überraschende Darstellung einer Person, Gruppe oder Sache, häufig als gesellschaftliche oder politische Kritik.

In der Karikatur wird sowohl einleuchtend Typisches als auch durch den Karikaturisten subjektiv Empfundenes augenfällig gemacht.

Das subjektive Empfinden moderner Zeichenkünstler macht nur eine Wahrheit augenfällig: Diese unabhängigen, kritischen Geister haben ihre Phantasie vermietet, und zwar an die Politiker, die in ihren Hauptstädten kompetent die Rechte der Nation ausbauen. Ihr Empfinden fällt daher ziemlich imperialistisch aus - und ihr Stift malt nur noch Zerrbilder, durch die sie die Politik legitimieren und an ihre Aufgaben erinnern. Diese politische Kritik unterbreiten sie dem Publikum, damit es ebenso empfindet und auf die Erledigung der politischen Pflichten dringt, bei den Zuständigen.

1. Die Hetze begann, kaum waren die Attentate von Wien und Rom geschehen. Wenn die US-Regierung beschließt, gegen Libyen Front zu machen, so fällt den politisierten Pinseln erst einmal ein, daß dies u Recht und wegen Gadafi auf die Tagesordnung kommt. An welchen Maßstäben sich dieser Mensch vergeht, wobei er stört - völlig uninteressant. Er steht außerhalb des Rechts schlechthin und ist einfach ein Verbrecher bzw. ein Drahtzieher:

Der Hintermann hat eine ausgeprägte Verbrecherphysiognomie, gibt sich gebieterisch und kommandiert Kapuzenmänner sowie Schnauzbärtige. Das sagt alles. Wem möchte es da einfallen zu fragen, ob es sich bei seinen Unarten nicht vielleicht um solche handelt, die jenseits aller Differenzen zwischen Sozialismus und Freiheit, Islam und Christentum in jedem ordentlichen Staatswesen zur Blüte gelangen? Der Eindeutigkeit der Botschaft leistet es auch gute Dienste, wenn die Urheber des "Nah-Ost-Problems", der "Palästinenser-Frage" und so nicht mit aufs Bild kamen. Eine Denunziation hat nicht komplex, sondern klar und bestimmt auszufallen. Deswegen darf sie auch nicht einseitig ausfallen und einen verkehrten Vergleich aufmachen - wichtig ist die Gleichsetzung von Politik und Verbrechen, die, auf Reagan oder Kohl etc. angewandt, selbst ein Verbrechen ist. Aber eben nur bei uns. Und daß in Libyen Verbrechen und Politik dasselbe sind, sieht man ja.

Insofern geht es so, wie es kommen muß. Weil Gadafi Terror unterstützt, erlebt er samt seinem Staat das 86er Jahr als Zielscheibe. Am Abzug sitzen die Guten. Aber die sieht man nicht auf dem Bild, weil es aus ihrer Perspektive gemalt ward.

2. Das ist vielleicht einer! Handel treiben tut er, mit Öl, das er gleich röhrenweise verkauft. Außer ihm macht das nämlich keiner, zumindestens nicht aus solch seltsamer Behausung heraus und auch nicht mit diesen Gesichtszügen, die auch der Farbe nach den Übergang vom Affen zum Neger markieren. Gut getroffen auch die Bebilderung der völlig verkehrten Art, wie der Affenmensch seine Erlöse aus dem Handel anlegt: Einerseits kauft er dafür Totenköpfe und Fahnen, um sie aufs Zelt zu hängen; andererseits finanziert er die schon erwähnten Kapuzen, in die er dann Helden steckt. Das würden zivilisierte Staatsmänner und andere Gorillas nie tun. Statt Kapuzen nehmen sie Helme, weil das die notleidende Stahlindustrie fördert, und statt der Totenköpfe stellen sie Kriegerdenkmäler auf. Außerdem geht bei den besseren Herrschaften der Handel nicht vorn raus und die Gewalt hinten heimlich rein. Genau umgekehrt marschiert die Gewalt vorneweg und bricht dem freien Handel bahn.

Aber die Guten sind im Leben, zumindest aus ihrer Perspektive, meistens die unschuldigen Opfer. Das merken sensible Politkünstler sofort.

Der Verrückte, der da unten Politik macht - man bedenke, Politik! -, hat überhaupt kein Problem damit, daß die Erde samt Inventar eine äußerst zerbrechliche Vase ist. Er will sie zusammenhauen, ganz ohne Feindeinwirkung. Der ist so und er findet sichtlich Gefallen daran. Womit haben wir das verdient, daß ausgerechnet der die Lunte in die Hand bekommen hat, die er mit Feuerzeug und dem Ausdruck höchster Genugtuung anzündet? Solange der Globus eine Bombe ist, gehört in solcher Leute Hände kein Feuer! Der Mann gehört enteignet, oder? Zumindest was seine Fähigkeit zum Feuern anlangt! Sonst zündet er grundlos den Erdball an, nachdem er ihn zerdeppert hat, und niemand kann mehr den Frieden sichern und vernünftig sein.

Auf den Kampf zwischen Vernunft und Großaffentum hebt auch das Kunstwerk von E.M. Lang ab. Da dieser das herzensgute und rührend unschuldige Filmtier nicht kennt, wählt er King Kong für die politische Kritik als Bild. Die moralischen Qualitäten der Bestie reduziert er mit wenigen, aber einprägsamen Strichen auf ihre Gefährlichkeit, die aus animalischer Großmannsucht entspringt.

Eindrucksvoll gelangt so die Dialektik zwischen der Kriegsgefahr, die ja von solchem abweichenden Verhalten in der Politik herrührt, und ihrer Bannung zum Ausdruck. Mit sowas werden wir Anti-Terroristen doch fertig!

5. Allerdings bedarf es dazu einer Entschlossenheit, die sich freimacht von der Eigensucht des auf Frieden spekulierenden Schachers.

Um diesen vortrefflichen Gedanken der Anschauung zu überantworten, mußte der Zeichner der FAZ den Westen selbst mit ins Bild nehmen. Sein schonungsloser Spott lebt von dem kritischen Geist, der sich nicht scheut, die ekelerregende Feigheit der eigenen Elite anzuprangern. Gegenüber dem auch hier gut getroffenen Steckbrief führen sich verantwortliche Kreise des Westens schamlos berechnend auf; die politische Moral gerät zur bloßen Deklamation und wirft das Licht der Entlarvung auf alle die, die nicht zur Hinrichtung schreiten.

Die subjektiv empfundene Enttäuschung darüber, daß sich unter diesen Umständen der Affenneger sicher in seinen Dünen tummeln kann, hat Murschetz zu einer Satire bewegt. Sie gilt der Zurückhaltung, durch die sich westliche Unterseeboxer leider immer noch auszeichnen. Dabei weiß er bekannte Unterschiede originell zu würdigen. Die notorisch harmlosen USA kontrastiert er mit einem mutigen Israel, das wenigstens Schlagring trägt. Diese beiden Staaten erkennt man am Manschettenknopf, Gadafi am Gesicht.

Objektiv hingegen zeichnet Ironimus die Lage. Treffend seine Darstellung des Kräfteverhältnisses, dessen Einschätzung jeden Zeitungsleser an ausgesprochenen Vorkriegsabenden interessieren muß. Der Killerhai ist erstens ein Tier, zweitens gefährlich und drittens viel zu groß; solange die Freiheitsarmada nicht näher kommt, kann sie allemal von dem Vieh geschluckt werden.

Fazit:

Die politische Kunst ist in der Demokratie zu Hause und aus der Freiheit nicht wegzudenken. Der Humor verlangt nach Krieg. Und umgekehrt.