Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1986 erschienen.

Rechtsstaat
TERRORISMUS IST IMMER UND ÜBERALL

Kronzeugen aus der Terrorszene, eine Ausweitung terroristischer Straftatbestände und eine erweiterte "Zugriffsregelung" auf Daten über die Reisetätigkeiten bundesdeutscher Bürger, um damit die Rasterfahndung zu vervollständigen, bietet der Bund seinem Anwalt Rebmann an.

Die "große Koalition bei der Bekämpfung des Terrorismus" (Waigel, CSU) hat das gewünschte demokratische Bedenken, ob sich der Rechtsstaat nicht aushöhle, wenn er "Mörder" mittels Strafverschonung zu Spitzeldiensten für das BKA korrumpiere, selbst in Umlauf gesetzt. Jetzt debattiert die Republik heftig über diesen "rechtsstaatlich hochgradig ungewöhnlichen Weg" (Kleinert, FDP). Weniger beachtet bleibt die rechtspolitische Hauptsache: eine enorme gesetzliche Ausweitung der "terroristischen Bedrohung", der die Bundesregierung sich und ihr Land ausgesetzt sehen will. Zwei weitere Gesetzentwürfe erweitern den Tatbestand des "Terrorismus" nämlich gewaltig. Zum einen wird der Paragr. 129a StGB weiter gefaßt. Bislang legte er staatsfeindliche Anschläge jedem als Kollektivschuld zur Last, der einer terroristischen Vereinigung zugerechnet wurde. Die geplante Neufassung definiert nicht nur etliche "symbolische Widerstandsaktionen" aus der AKW-Szene zu staatsfeindlichen Anschlägen. Sie schließt vom Delikt auch gleich auf das Vorhandensein einer "terroristischen Vereinigung", die dafür verantwortlich und haftbar gemacht wird und damit selbst einen neuen wichtigen Straftatbestand darstellt. Da mag mancher sein nächtliches Sägen am Strommast noch so sehr als "symbolisches" Widerstandsmahnmal eines Einzelkämpfers verstehen, das alle Guten in Staat und Volk zur "Umkehr" bewegen möge - seine Absicht wird vom Staatsanwalt nach eigenen Kriterien bewertet: Terrorismus! Ein neuer Paragr. 130a StGB stellt gleichzeitig die "Befürwortung von Gewalt und die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff" wieder unter Strafe. Gemeint sind damit weder High-Technologien, die für die Bundesrepublik jede Menge Sprengstoff ausbrüten, noch Minister, die seinen Einsatz befürworten und organisieren. Ebensowenig dürfen die zweifelsfrei zum Zwecke der Gewaltausübung gegründeten Vereinigungen wie Polizei und Bundeswehr der Terrors verdächtigt werden. Umgekehrt: Die Staatsgewalt wahrt ihr Monopol auf Gewalt, und zwar in den Sphären der Ideologie ebenso wie in der rechts- und militärstaatlichen Praxis. Dem Staatsschutz stehen neue Tatbestände fürs Verhaften und längerfristige Einsperren zur Verfügung. Das schafft Freiheit.