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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1986 erschienen.

Die Sozialistische Internationale
...SCHAFFT ZWEI, DREI, VIELE PERUS

Nomen est program - Die Macher der 2. Garnitur beauftragen sich mit der Verbesserung des Imperialismus

Daß die SI weder in New York noch in Paris oder London gegründet wurde, sondern 1951 in Frankfurt am Main, ist kein Zufall. In New York verspürte man nicht das geringste Bedürfnis nach einer Organisation, die die amerikanische Außenpolitik kritisierte - noch dazu mit dem abwegigen Argument, sie sei zu wenig international, kümmere sich nicht genug um die Belange der Völkerfreundschaft, deren wahre Verwirklichung Sozialisten vorbehalten sein müsse. Amerika war mit Ende des 2. Weltkrieges Weltmacht Nr. 1 und regelte - bis auf die bekannte ärgerliche Ausnahme - die Welt nach seinen Interessen. Der Dollar war Weltgeld. Der Benutzung der Nationen stand nichts im Wege. Die dazugehörigen Ideale - Frieden, Demokratie und Völkerverständigung - wurden gratis mitgeliefert. Völkerfreundlicher ging's wirklich nicht.

Eine europäische pressure group

Die SI ist also von vornherein kenntlich als europäische Orgariisation, die sich an der amerikanischen Vorherrschaft stört. Dabei rechnet sie seit Anbeginn den jeweiligen Regierungsparteien die mangelhafte Verwirklichung der von den Amerikanern in Umlauf gebrachten Ideale vor - ein Versäumnis, dessen Behebung der Zweitrangigkeit der europäischen Staaten abhelfen könnte. - Paris und London schieden daher als Gründungsort aus. Diese Metropolen waren ja noch die Zentren des britischen Commonwealth resp. der französischen Besitzungen in Übersee. Hier war man eher an der Behauptung des eigenen Imperiums gegen die USA interessiert als an der Schaffung eines alternativen Imperialismus.

Die SI ist eine Organisation europäischer Oppositionsparteien, die sich ihrem Begriff entsprechend, nämlich als "zwischenstaatliche Vereinigung" aufführen. Sie kritisieren die praktizierte Außenpolitik, indem sie sie an ihrem idealen Auftrag, der Herstellung von ganz viel internationalen Beziehungen befreundeter Völkerschaften messen und das Resultat für mangelhaft befinden. So haben sie damals - und tun es noch heute - den Christdemokraten vorgehalten, mit der "zu" engen Bindung an die USA den Europäern Möglichkeiten zu verscherzen, die ihnen andernfalls offenstünden. Die Parole eines eigenständigeren 3. Wegs ist kein Einwand gegen die europäischamerikanische Freundschaft, sondern die Forderung, das Verhältnis "partnerschaftlicher", also vorteilhafter für die Europäer zu gestalten. Mit der ständigen Wiederholung dieser Sorte Gemosere über das ewige Zukurzkommen der Europäer wurde auch dem letzten Dödel klargemacht, daß die Sozialdemokraten keine Sozis, sondern anständige Demokraten sind. Die haben gegen die betriebene Außenpolitik nichts anderes, dies aber scharf und vernehmlich, einzuwenden, als daß sie ihrem Anspruch, die Zuständigkeit der eigenen Nation weltweit auszudehnen, nicht bestmöglich gerecht wird.

Auf dem Parkett der Außenpolitik bewegt sich eine zukünftige Regierungspartei also gleich so oppositionell, daß ihre Konstruktivität nichts mehr zu wünschen übrig läßt. Sie blamiert die Regierung daran, daß sie in ihren Taten nicht wirklich der Förderung des internationalen Gedankens verpflichtet sei, daß sie als kleinkarierte und hinterwäldlerische Nationalisten nicht alle Möglichkeiten nutzen, die der Nation eigentlich zustehen. In den Aufzählungen der Versäumnisse ihrer Kontrahenten entkleidet sie ihre Opposition aller Schnörkel und legt ein einziges Bekenntnis ab, wofür sie ist: Für das Recht der eigenen Nation, sich in die Belange anderer Nationen einzumischen - im Namen von Demokratie und Fortschritt, also für die Betrachtung der nationalen weltweiten Zuständigkeit als Selbstverständlichkeit und rundum positiver Angelegenheit.

Das Manko einer Oppositionspartei, die außenpolitischen Erfolge der Regierung nicht so ohne weiteres für sich verbuchen zu können, haben die Mitglieder der SI nicht allein durch ihre anspruchsvolle Kritik wettzumachen versucht. Ihr haftete, wie positiv sie auch ausfallen mochte, immer noch der Ruch der auf den Erfolg neidischen Miesmacherei an. Sie sind mit der Gründung ihres "zwischenstaatlichen" Vereins dazu übergegangen, Außenpolitik u fingieren - sich als zukünfige Macher in Szene zu setzen, die über mindestens so viele (und noch dazu wertvollere, weil noch nicht genutzte) Beziehungen verfügen wie die Regierungsparteie. Der Blödheit des Wählers zuliebe, der nur das Argument der Macht, den Erfolg, kapiert und honoriert, haben sie sich gegenseitig Wahlhilfe mit dem überzeugenden Hinweis geleistet, daß der Erfolg erringbar sei, weil er bereits andernorts errungen: Wenn in Schweden die Sozialdemokraten regieren werden sie das in Deutschland wohl auch noch schaffen können.

Und schließlich haben sie, ohne "in der Regierungsverantwortung zu stehen", sich nicht vor ihr gedrückt. Sie haben sich, ohne an der Macht zu sein, so verhalten, als wäre sie bereits ihr eigen. Mit der Knüpfung von Kontakten haben sie der Diplomatie ihres Landes einen Dienst erwiesen. Mit der Unterstützung befreundeter Parteien und endlich sogar mit der Schaffung neuer Parteien haben sie ihrer Nation Möglichkeiten eröffnet, auf die sie bei Gelegenheit und Bedarf zurückgreifen konnte. So haben sie demonstriert; was ihre Alternative ist: Den Imperialismus dadurch besser machen, daß ihm größere Freiheiten bei der Auswahl des Herrscherpersonals verschafft werden. So haben sie die Vorstellung populär gemacht, der Imperialismus wäre auch anders zu haben, ohne daß man groß etwas an ihm ändern müßte - bis auf den alles entscheide den Umstand, endlich mal die Sozialdemokraten zeigen zu lassen, was in ihnen steckt.

Ein sauberer dritter Weg

Ihre Alternative bietet die SI als 3. Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus an. Die Heuchelei, als Kraft des Fortschritts beiden Systemen gleichermaßen reserviert gegenüberzustehen, beherrscht sie seit ihrer Gründung. Um sich als "Sozialismus", als 3. "Strömung" vom Kapitalismus abzusetzen, macht sie die aparte Trennung zwischen Kapital (von Übel) und Demokratie (extraprima) auf. So kommen die wirklichen Leistungen beider nicht mehr zur Sprache. Die Demokratie ist nicht die gelungenste Herrschaftsmethode der Neuzeit, sondern ein Ideal und allzeit noch nicht recht da. Am Kapitalismus ist nicht kritikabel, was er an Ausbeutung zustandebringt, sondern was ihm fehlt: Wenn endlich mehr Demokratie gewagt und auch das Soziale nicht vergessen würde, könnte der Kapitalismus eine wesentlich passablere Erscheinung abgeben. Wo die Kritik prinzipiell im Irrealis daherkommt, hat man sich mit den dem Kapitalismus nun mal "eingeborenen Übeln" längst arrangiert - sie sind ja verbesserbar! Soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftsdemokratie heißt das Rezept. Vorbildlich geht der 3. Weg den beiden anderen Systemen voran und zeigt ihnen, wie leicht eine bessere Welt zu haben ist.

Ganz verkehrt stellt es der Kapitalismus an, der die Arbeiter von der "Gestaltung der Produktion ausschließt". Ohne Mitbestimmung arbeiten die Arbeiter zwar auch nicht schlechter. Aber die Freiheit, sich für die Firma verantwortlich zu fühlen und über die eigene Vernutzung mitdebattieren zu dürfen, ist doch ein erhebendes Gefühl, das keinem Produktionsgestalter vorenthalten werden sollte. Der Sozialismus ist also eine Freiheit, die die Kapitalisten nichts kostet und den Arbeitern nix erspart - weshalb er sich bei aller Nörgelei in der Praxis glänzend mit dem Kapitalismus versteht und kaum von ihm zu unterscheiden ist.

Schlechter sieht das Verhältnis zum Kommunismus aus. Obwohl ihm am Kapitalismus vorexerziert wird, wie lässig eine Renovierung des Systems zu haben ist - wenn es sich um das richtige handelt -, läßt er sich zu keinerlei reformerischen Zugeständnissen herbei. Daß die Einführung der Montanunion im Ostblock dasselbe bedeutete wie in der BRD, kann die SI nur deshalb kaltlächelnd behaupten, weil sie eh der Ansicht ist, daß diesem System ein bißchen mehr freie Marktwirtschaft, Privateigentum und ein paar Kapitalisten - also sein Sturz nicht schaden könnten. Dort fehlt eben einfach alles, was das Leben hier lebenswert macht - Freiheit! Und dort gibt es alles, was hier längst überwunden ist - neue Klassengesellschaft, Zwangsarbeit, Imperialismus!

"Der interntionale Kommunismus ist das Instrument eines neuen Imperialismus. Wo immer er zur Macht gekommen ist, hat er die Freiheit ausgerottet oder die Möglichkeit, sie zu erringen, vernichtet." ("Erklärung der SI" von 1951)

Mit dieser Schauerstory über die Würger von Moskau hat man nichts über den Kommunisus erfahren. Aber über den Systemvergleich hat die SI die heimatlichen Gefilde als so sympathisch vorgestellt, daß jeder einsehen muß, daß es die erste Sozialistenpflicht ist, ihren Höchstwert zu verteidigen und dem Osten die Freiheit zu bringen. Sozialismus, wenn er außenpolitisch - und d.h. zuallererst gen Osten - aktiv wird, ist also ganz und gar nichts Drittes, sondern der bekannte Kampfauftrag. Den Schein der "Äquidistanz", des Vorbehalts gegen das eigene System aufkommen zu lassen, war eine leichte Übung, wenn die Drecksarbeit die andern erledigen.

Die SI zehrt davon, daß die Feindschaft gegen die UdSSR zu den unumstößlichen Pfeilern westlicher Politik gehört. Auch die Ideale, in deren Namen diese Feindschaft ausgetragen wird, hat sie nicht eigens erfinden müssen. Trotzdem hat sie sich eine spezielle Feindschaftserklärung gegen die Russen nicht nehmen lassen und die Freiheit zu dem Merkmal des Sozialismus erkoren. Die Russen sind schuld daran, daß Sozialdemokraten sich im Wahlkampf als Kommunisten beschimpfen lassen müssen und immer so schlecht abschneiden. Wenn es sie nicht gäbe, könnten die Sozialisten nicht mit ihnen verwechselt werden, weil ihre positive Grundhaltung dann unbeschmutzt - und unmittelbar hervortreten könnte. Wenn es sie nicht gäbe, wäre die SI automatisch vom 3. auf den 2. Platz der Strömungen vorgerückt und würde so eine ihrer wahren Bedeutung entsprechendere Position einnehmen. Anstatt also ein Wörtchen gegen die offizielle Hauptlinie der freien Welt zu verlieren, macht die SI ihren eigenen Antikommunismus auf:

"Seit der bolschewistischen Revolution in Rußland hat der Kommunismus die internationale Arbeiterbewegung gespalten und dadurch die Verwirklichung des SozialismHs in vielen Ländern um Jahrzehnte zurückgeworfen." (Erklärung der SI von 1951)

Daß zum Spalten immer zwei gehören und die SI der Arbeiterbewegung Schaden zufügt, wo sie kann - ist natürlich eine üble Verleumdung. Ihr Sozialismus hat sich - zumindest in jenem Teil der Welt, auf den es ankommt - durchgesetzt und ist somit der einzig anzuerkennende, gültige und mögliche.

Eine sozialistische Multi-Bewegung

Daß die SI seit 1951 so heißt, wie sie heißt, ist also ebenfalls alles andere als ein Zufall. 1947 war die Kominform als Nachfolgeorganisation der 1943 - als Konzession an die mit der Sowjetunion verbündeten Westmächte - aufgelösten Dritten Internationale gegründet worden. Da wurde es allerhöchste Zeit für den Beweis, daß Kommunisten keine Internationalisten sind. Wer seine eigenen Völker ins Gefängnis sperrt, dem ist jede Berechtigung abzusprechen, sich mit dem Ehrentitel Völkerfreundschaft zu schmücken. Also her mit dem Namen! Und endlich Mut zu einer kleinen zeitgemäßen Bedeutungsverschiebung!

Mag beim Gründer der Ersten Internationale noch der Gedanke sein Unwesen getrieben haben, daß die Proletarier besser nichts auf ihre Nation geben, so kam bereits er nicht um die Tatsache herum, daß auch Proletarier Bürger des ihm verhaßten Staats sind: Marx gründete - laut Brockhaus - seine Organisation zur Abschaffung des Kapitalismus als "zwischenstaatliche Vereinigung". Sonst hätte er sie nämlich nicht Internationale genannt. Seine Nachfolger sind da von vornherein gescheiter und wissen, worauf die Geschichte hinauswill. Fürs Internationale sind nicht die Arbeiter, sondern ihre Repräsentanten zuständig. Auch kündet die Tradition von keinem einzigen Fall, in dem sich ein Herrscher selbst abgeschafft hätte - das wäre ein bißchen viel verlangt. Deshalb wird das Sozialistische vor die Internationale gesetzt: Damit verbürgen sich die (potentiellen) Macher für die Verbesserung und Verschönerung ihres Ladens - wenn das kein Angebot ist, aufgrund dessen man, zu den schönsten Hoffnungen berechtigt, sie ruhig machen lassen kann.

Europa einen Weg gebahnt - Das Gesellenstück der SI in Portugal und Spanien

"In Spanien und Portugal ist es nicht möglich, daran zu denken, eine Demokratie aufzubauen, wenn nicht die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens und die Sozialistische Partei Portugals beteiligt sind..." (Felipe Gonzalez, "Demokratischer Fortschritt auf der Iberischen Halbinsel und in Lateinamerika")

Der Klartext dieses verzinkten Satzes lautet:

Demokratie muß unbedingt her!

Wir sagen aber nicht warum: Wir wollen sie!

Wir wissen natürlich, was damit an Belastungen auf die Arbeiter zukommt.

Wir bieten uns an, sie in Schach zu halten.

Dazu brauchen wir bloß die Macht.

Dann werden wir ihnen den Stolz auf unsere "Beteiligung" schon beizubringen wissen.

Und zwar unter der Parole: "Ohne uns schiebt sich nichts in Sachen Demokratie; also packen wir sie an!"

Weil es die Südländer für die Demokratie zu gewinnen galt, wurde ihnen der feststehende Beschluß nicht einfach vorgeknallt, sondern liebevoll verschlüsselt. Der Aufbau der Demokratie wird als selbstveiständliche Aufgabe und hoher Auftrag vorausgesetzt. Weit und breit kein Erbauer in Sicht, so daß sich die Demokratie ohne sie schwer anlassen wird. In diesem fiktiven "ohne uns" kommt der unbedingte Wille zur Demokratie als Drohung daher: Wenn ihr uns nicht mitmachen laßt - wer sollte ihnen das eigentlich verwehren? der Faschismus ist doch längst passe -, dann: und jetzt kommt nicht: dann lassen wir es eben bleiben oder kämpfen für unsere Beteiligung, sondern dann hat die Demokratie, dieses zarte und gefährdete Pflänzchen, keine Chance - ist das nicht furchtbar? In der dauernden Beschwörung des möglichen Scheiterns der Demokratie, noch bevor es sie gab, wurde auf das unverschämteste mit dem Faschismus gedroht, auch wenn der gar nicht mehr anstand. Das Argument für die Demokratie war: kein Faschismus - was aber nicht als ziemlich negativer Befund, sondern als Lobeshymne verstanden sein sollte. Das Argument für die Sozialisten war: Sie müssen unbedingt an die Macht, weil die ohne sie auf demokratisch nicht zu machen geht. Sie haben sich als Verhinderer vom linken Chaos und rechter Unordnung, als Garant von Stabilität angepriesen. Mehr haben sie dem Volk nicht versprochen. Vielmehr haben sie ihm mit der ständig an die Wand gemalten Gefährdung des sozialen Friedens mitgeteilt, wie anspruchsvoll sie es beäugten.

Nämlich mit den Augen jener Macher, bei denen sie sich den Auftrag und die Mittel zu seiner Erledigung incl. aller dazu erforderlichen Sprüche abgeholt haben. Sowohl die PSOE als auch die PSP sind direkte - wie auch über die SI unterstützte - Abkömmlinge der SPD. Gegründet wurden die beiden Ableger Anfang der 70er Jahre in Deutschland; die PSP, bestens getimt, ein Jahr vor der portugiesischen Revolution in der Heimvolkshochschule der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bad Münstereifel. Dem "Testfall Portugal" rief Willy Brandt zu: "Das portugiesische Volk kann sich auf uns verlassen." Da hat er ausnahmsweise mal nicht gelogen. Die SPD - samt dem DGB - kümmerte sich einfach um alles: um die korrekte Regierungslinie; um die Neutralisierung der Linken in der frisch gegründeten Partei (sowie - als Geste des Internationalismus - um Parteiausschlußverfahren jener SPDler, die die Soares-Linie kritisiert hatten); um die Ausschaltung der Kommunisten; also als erstes um die Verhinderung eines damals noch debattierten Links-Bündnisses PS-PCP, das hieß die Säuberung der PS von Anhängern einer Volksfront; weiter um die Spaltung der kommunistischen Einheitsgewerkschaft und die Gründung einer portugiesischen. DGB-Kopie; dann um die Wahlkämpfe, deren zugkräftige Parolen: "Die Freiheit ist kein Kaufhaus!", "Freiheit oder Diktatur!" ihren deutschen Einfallsreichtum nur unschwer verheimlichen; aber auch um die Zuführung eigener und die Weiterleitung von CIA-Geldern; den Aufbau demokratischer Organisationen und Institutionen wie etwa Geheimdienst, Polizei und Presse; das Rückgängigmachen von "Fehlentwicklungen " unter Zuhilfenahme sozialdemokratischer Verfassungsrechtler, die die Revolutionsverfassung reformierten und gegen die Landnahmen im Alentejo Genossenschaftsgesetze entwarfen; und dann auch noch um die Beschaffung von Krediten - usw. usf.

Wozu dieser Aufwand? Die damalige Begründung lautete:

"In Portugal droht zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte in einem westeuropäischen NATO-Staat die Machtübernahme durch die Kommunisten Realität zu werden. Daher steht die Glaubwürdigkeit und Effizienz unseres politischen Systems gegenüber dem Kommunismus auf dem Spiel. Diese Herausforderungen richten sich an die europäische Gemeinschaft als Ganzes. ... Wir benötigen politischen Mut, um die wahren Tatbestände und unsere Strategie offen darzulegen. Zum einen sollte der Transfer realer Ressourcen nicht länger als Akt politischen Altruismus dargestellt werden. Es geht hier in allererster Linie um unser eigenes Interesse. ... Darum müssen wir jetzt in Portugal den Zeitzünder entschärfen... Eben dies ist eine Frage des angewandten demokratischen Sozialismus..." (Bruno Friedrich, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion)

So realistisch sich diese Stellungnahme auch gibt in dem betonten Eigennutz: Die Verhinderung des Kommunismus ist (einer) der Ehrentitel, unter dem sich das nationale Interesse - der "angewandte demokratische Sozialismus" - zur Umkrempelung der dortigen Verhältnisse aufschwang. Das Schöne an diesem Ehrentitel liegt darin, daß sich hier der selbstlose Dienst für die Freie Welt deckt mit dem Interesse der Sozialdemokraten, die Ordnungsmacht zu stellen.

Auf jeden Fall fällt die Beurteilung, was Nationen wie Portugal und Spanien brauchen, in die Richtlinienkompetenz hiesiger Macher. Was diesen Ländern guttut, ist das, wofür sie "uns" nutzen. Was brauchbar ist oder nicht, entscheidet sich hier. In der SPD-Baracke wurde verfügt, daß in Portugal und Spanien eine Demokratie ansteht. Ihre Einführung verdankt sich dem Interesse, alle nationalen Ressourcen dem deutschen Zugriff zu erschließen. Bei dieser Sorte Herrschaft gibt das Volk in der Wahl seine Zustimmung dazu ab, sich seine Durchmusterung daraufhin, was an ihm brauchbar ist, gefallen zu lassen - wg. Stärkung der Nation. Wo es auf die Benutzbarkeit des Volks ankommt, wird Untertanen ihre Beförderung zu mündigen Bürgern geschenkt. Die dürfen sich dann daran freuen, daß die demokratische Regierung den Faschismus an Stabilität übertrifft, den sie sich in Meinungsumfragen auch alsbald zurückwünschen dürfen:

"Bereits 4 Jahre nach dem 25.4.74 (= der Jahrestag der portugiesischen Revolution) ergab sich in Umfrageergebnissen eine eindeutige Präferenz für die Regierung Caetano" (des letzten faschistischen Staatschefs).

"Die Freiheit ist" eben "kein Kaufhaus". Mit dieser Abwandlung des bewährten Schmidt-Spruchs - "Das... Volk ist verwöhnt!" - werden jetzt auch im Süden Wahlerfolge errungen. Den SI-Zöglingen kann zu ihrer Erziehungsarbeit gratuliert werden. Doch nicht nur dies. Sie haben ihre Gesellschaft und ihr Staatswesen, die jetzt von außen abhängig sind, gemäß auswärtigen Erfordernissen zugerichtet. Dafür haben sie die Unterstützung der euröpäischen Macher erhalten: "Europa mit uns!" (Gipfeltreffen der SI in Oporto 1976)

Die haben ihnen auch die Ideale für diesen prosaischen Umwandlungsprozeß geliefert - Entwicklung, Demokratie, Dekolonialisierung und Entfaschisierung, Integration in die EG -, deren mangelnde Verwirklichung sie in bewährter SI-Manier immerzu beklagen sollen. Im Namen dieser Ideale setzten sich die SI-Macher ins Recht gegenüber allen nationalistischen Vorbehalten gegen die EG. Eigene Wege der (einzugemeindenden) Nation außerhalb oder gar gegen die EG werden nicht etwa durch Erpressung verhindert. Sie verboten sich ganz und gar von selbst, schadeten dem Land nur, verhinderten seine Entwicklung und ließen als undemokratische Tendenzen den Rückfall in den Faschismus befürchten. Ist ein Land aus wohltätiger Absicht der Obhut seiner angestammten Regenten entwunden worden? Ein Sozialdemokrat ist eben nie um ein Gütesiegel verlegen, wenn er die Herrschaft an sich bringt. Es gibt sie ja immer schon. Mit dem Europagedanken hat die SPD die schmählich benachteiligte deutsche Nachkriegsnation solange und so fest in den Dienst eines internationalen Programms gestellt, bis sie ihm vorstand.

In aller Bescheidenheit hat sie den vergrößerten Anspruch der Nation auch im Falle Spaniens durchgesetzt. Das mußte unbedingt in die NATO - obwohl es nie draußen war (US-Stützpunkte bereits unter Franco). Die PSOE hat dafür gesorgt. Mit ihrem Nein ließ sie sich ins Amt wählen - in diesem bewegte sie die Mehrheit der Spanier zum a, weil ihr andernfalls die Lust am Regieren vergangen wäre. Ja so san's...

Herrscher, hört die Signale: Mehr Menschlichkeit ins Nord-Süd-Gefälle!

Die SI ist seit Mitte der 70er Jahre in Lateinamerika auf dem Vormarsch. Mittlerweile regieren in 9 Staaten ihre Proteges oder Figuren, die sich von einem Beobachterstatus auf dem SI-Kongreß etwas versprechen. Die Ablösung der Diktatoren rechnet sie sich als ihr Verdienst an. Kaum sind aber ihre demokratischen Kreaturen an der Macht und das Gemetzel nimmt munter seinen Lauf, wollen sie für diese Leistung nicht haftbar gemacht werden. Da wird die Gewalt-Verhinderungs-Logik in Anschlag gebracht. Selbst bei dem gelungenen Blutbad in Peru ist "der junge Präsident" von der Ausübung seines Metiers abgehalten worden, für die Verhinderung von Gewalttaten zu sorgen:

"'Warum hat das keiner kontrolliert? Weshalb hat der Staat es so weit kommen lassen?', fragten in Lima jetzt Delgierte des Kongresses der SI die heimischen Genossen."

Solch "fassungslose" Fragen verraten, warum die Genossen die Demokratie für das überlegendste aller Systeme halten: "Es", "das" nämlich, was sich an Unzufriedenheit rührt, hat sie von vornherein so unter Kontrolle zu halten und durch ihre Machtvollkommenheit zu beeindrucken, daß sich häßliche und spektakuläre Gewalteinsätze, die wegen ihres möglichen Schadens für das Ansehen der Demokratie bedauert werden, erübrigen. Die Genossen können unbesorgt sein. Ihre Rufschädigung hält sich in Grenzen. Dabei beruht das Ansehen, das der Verein hierzulande genießt, nicht auf einer besonders gelungenen Heuchelei. Sie wird allgemein geteilt und durchschaut. Der von der SI beschworene Widerspruch zwischen Gewalt und Demokratie (vor allem bei sozialdemokratischen Herrschern), die sie überflüssig machen soll, schlug nicht einmal anläßlich des Massakers von Lima gegen sie aus. Sie hatte unter ihm zu leiden:

"Sozialdemokraten haben so etwas Rührendes. Kein Zweifel, daß diese Regierung guten Willens ist. ... Wenn nur die Armee nicht wäre..." (Stern)

So ein goldiger Präsident hätte Besseres verdient. Unsere GSG 9 z.B., die die Ausuferung von Gewalttätigkeit durch Präzisionsarbeit zu vermeiden pflegt.

Worauf beruht der Erfolg der SI?

Die SI beherrscht bei der Präsentation ihrer Arbeit die Trennung in Taten, auf die sie voll Stolz verweist, und Un-Taten, für die sie sich mit einem Leider und unter Berufung auf höhere Gewalten nicht zuständig erklärt. Die Einführung der Demokratie in diktatorisch verseuchte Landstriche gehört zur ersten Kategorie. Ihr unermüdliches Streben nach Demokratie mag sich die SI hoch anrechnen; von ihrem Einsatz für die Demokratie aber ist deren Installation zuletzt abhängig:

"Um eine Demokratie zu schaffen, muß man den Weg des Wählens gehen, damit ein Volk in der Lage ist, seine Regierung zu wählen und so frei, alle Formen der Diktatur - ob kapitalistisch oder kommunistisch - zurückzuweisen." (Mario Solorzano Martinez, Guatemaltekische Sozialdemokratische Partei)

Wo ein Attribut der Demokratie - das Wählen - als ihre Bedingung angeführt wird, werden ihre wirklichen Bedingungen in vornehmes Schweigen gehüllt. Um eine Demokratie in Südamerika zu schaffen, muß die US-Regierung dem "Weg des Wählens" grünes Licht gegeben haben. Um dort eine Demokratie zu schaffen, müssen die Diktatoren gute Arbeit geleistet haben: Wenn die kämpfende Opposition niedergemacht ist, kann sich auch ein US-Präsident zum Wagnis der Demokratie verstehen. Die Carter-Administration beschloß eine flexible Handhabung ihres Hinterhofs: so viel Diktatur wie nötig, so viel Demokratie wie nötig. Das war der Startschuß für die SI, ihren "Europazentrismus" zu überwinden und sich ins Südamerikageschäft zu mischen. Mit ihrem Parteigründungs- und -unterstützungsprogramm stieß sie in eine Marktlücke: Wer heute in einem lateinamerikanischen Staat was werden will und nicht schon das Vertrauen des CIA genießt, bedarf der Protektion durch die SI. Die segensreichen Wirkungen von Geschäft und Gewalt haben diesem Club den Weg gebahnt. Doch schmarotzt er nicht nur an den Erfolgen der US-Politik und ihrer Vasallen. Er macht den USA auf ihrem eigenen Feld Konkurrenz, was, denen ein Dorn im Auge ist. Deshalb bewegt er sich von vornherein nur auf erlaubten und von der jeweiligen Administration abgesteckten Bahnen. Auf die Frage, ob die SI nicht ihr zentrales Ziel in Zentralamerika, eine Verhandlungslösung, verfehlt habe, antwortet Generalsekretär Robin Sears:

"Man muß sich fragen, wieviel schlimmer es wäre ohne unsere konsequente und hartnäckige politische, diplomatische und offene Intervention. Ich glaube, Sie würden sich schwer tun, etwa in der Reagan-Regierung jemand zu finden, der bestreiten wollte, welche wichtige Rolle wir gespielt haben beim Versuch, einige ihrer abenteuerlichen Vorstellungen zu mäßigen. Genauso wären linke Kräfte in der Region wohl ganz andere Wege gegangen, wenn ihnen unsere Bemühungen nicht Aussichten, Bewegungsfreiheit und kreative Gelegenheiten verschafft hätten."

Sich als Reagans Ratgeber aufplustern, die ihm genau das einflüstern, was er tut, und ihn, solange er sich nicht anders besinnt, von dem abhalten, was er noch im Schilde führt - das können sie! So übertünchen sie ihr Einverständnis mit ihrer Geschäftsgrundlage: Die Ausdehnung des europäischen Einflusses verdankt sich dem amerikanischen Placet, reicht also nur soweit, wie er amerikanischen Plänen nicht in die Quere kommt, und ist damit alles andere als eine Beseitigung der prinzipiellen Zweitrangigkeit der europäischen Nationen in Lateinamerika. Die lächerliche Aufgeblasenheit hat aber auch ihre gemeine Seite. Wo man sie läßt, werden sie "Abenteurern" gegenüber auch aktiv und verdolmetschen eigenständig allen Befreiungsbewegungen das amerikanische Programm, sie zu erledigen, als Angebot, ihre Ziele von selber aufgeben und sich so im Schoß der Sozialdemokratie kreativ entfalten zu dürfen. So was nennt man Arbeitsteilung.

Die SI an der Macht: Was ändert sich?

- Nüchtern besehen: nichts. Die neuen Machthaber haben jetzt andere Gönner aus der Welt des Imperialismus. Im Innern bleibt alles beim alten. Streiks und Widerstand dürfen nun, wo das Volk an der Macht ist, per definitionem nicht sein. Polizei und Militär schlagen zu, wenn nötig.

- Mit den Augen der SI betrachtet: alles - und nichts.

Alles: Denn jetzt herrscht Demokratie und nicht länger Diktatur. Und auch wenn zwei dasselbe tun, ist die Demokratie kein Polizeistaat. Bei ihrer Gewalt handelt es sich wahlweise um Versehen oder die edle Absicht, den weiteren Einsatz der Gewalt überflüssig zu machen. Diktatoren hingegen ist jeder zweckgerichtete Gebrauch der Gewalt abzusprechen. Ihre Motive entbehren des Sinns und sind in den finsteren Seelenabgründen angesiedelt. Mit ihrer Parole "Los Gorilas al Zoologico - Los Hombres al Poder! " (Die Gorillas in den Zoo - Die Menschen an die Macht!) macht sich die SI um die Verbreitung folgender Lügen verdient:

Zwischen Diktatur und Demokratie gibt es einen prinzipiellen Unterschied, der in der An- oder Abwesenheit von Gewalt liegt.

Diktaturen haben ihren Grund nicht im Imperialismus. Den gibt es bekanntlich nicht mehr. Und in der schönen neuen Weltordnung sollte - eigentlich überall Demokratie möglich sein, zu der bekanntlich Gewalt nicht paßt. Diktaturen können ihren Grund nur in unmenschlichen Verirrungen der Machthaber haben.

Demokratie hat genausowenig mit Imperialismus zu tun, Demokratie ist, wenn einem die Machthaber sympathisch sein können und man Vertrauen in sie fassen kann, weil sich ein Unterschied zwischen oben und unten nicht mehr entdecken läßt: Menschen.

Daß die unbedingt an die Macht gehören, weil sie Gewalt - und vor allem eine neuerliche Diktatur verhindern, soll man ihnen auch noch abnehmen.

Zugkräftig sind diese Lügen durchaus. Ihre Verbreitung zählt übrigens zu den wesentlichen Leistungen der SI. Froh darüber, daß der Bürgerkrieg vorbei ist, lernt das Volk es seiner neuen Regierung als Verdienst anzurechnen, da sie vom bürgerkriegsmäßigen Umgang mit der Bevölkerung Abstand nimmt. So als ob der Bürgerkrieg nicht zum Resultat gehabt hätte-, daß man ihn mit der Ausschaltung der Opposition auch wieder sein lassen kann, wird die ständige Möglichkeit der Diktatur beschworen, gegen die es nur ein Allheilmittel gibt. Daß der beste Schutz vor Übergriffen der Gewalt edle Machthaber sind, die sich ihr unerschrocken in den Weg stellen, will auch erst mal gelernt sein. Am besten dadurch, daß man dem Würstchen klarmacht, daß es eins ist. In der Reklame der SI für die Demokratie wird die Menschheit gar nicht mehr anders denn als ausgeliefertes Opfer angesprochen, als Material der Herrschaft, das sich glücklich schätzen kann, wenn mit ihm nicht alles angestellt wird.

Nichts: In der Drohung mit dem Schlimmsten steckt ja schon ein zarter Hinweis. Wie in der Diktatur soll der Untertan in der Demokratie nicht etwa auf die Idee kommen, seine Herrschaft danach zu befragen, was sie ihm bringt. Immerhin bringt sie ihm eine Methode, sich das Fragen abzugewöhnen. Und wer gewöhnt sich nicht an den Geschmack von Brotsuppe, wenn sie ihm mit der Bemerkung serviert wird, der Koch habe mit ihr eine andere Scheußlichkeit vermeiden wollen. Daß sich die Demokratie durch nichts von der Diktatur unterscheidet, außer in der Herrschaftsform, will die SI als ihren Realismus gewürdigt wissen:

"Wir haben sehr viel gelernt. Früher waren wir romantisch und haben deshalb Fehler gemacht. Wir haben jetzt alle diese leeren linken Sprüche aufgegeben. Wir sind realistisch geworden." (Martinez)

Das Gerücht, daß die Machtübernahme durch die SI eine Änderung der Lebensumstände des armen Volks bedeute, lassen die Machthaber hauptsächlich in hiesigen Zeitungen wie dem "Stern" verbreiten:

"Ich frage den Premierminister nach Fronton und Lurigancho. ...'Das Problem der Armut läßt sich nicht mit Gewalt lösen.'"

Problembewußtsein macht sich immer gut und ein Anflug von Sozialkritik kommt dem Wunsch der einmischungsbesessenen imperialistischen Mannschaft entgegen, was Lateinamerika brauche, seien Herrscher, die sich um eine Veränderung der Verhältnisse zum Besseren hin bemühten. Zu Hause schenken sie sich diese Heuchelei weitgehend:

"...eine Organisation, die sich an die gesamte Bevölkerung wendet, so daß die Bevölkerung als ganze in der Lage sein wird, ein neues System zu unterstützen. Das unterscheidet uns von anderen Parteien in Guatemala." (Martinez)

Wo die auswärtige Herrschaft nach den Bedürfnissen der hiesigen gemodelt wird, lernt sie als erstes, auf den allzu nachdrücklich vertretenen Zusatz von Sozialkritik zu verzichten. So was muß dort nur Erwartungen wecken, die doch nicht zu erfüllen sind - und enttäuschte Erwartungen arbeiten romantisch-weltfremden linken Spinnern in die Hände, also Vorsicht! So kürzt sich die hier propagierte Gleichung Sozialismus = Demokratie = Stabilität ganz auf ihre letzten beiden Bestandteile zusammen. Warum auch nicht? Wahlkämpfe lassen sich auch mit dem Vorwurf an den Gegner führen, er beschwöre die Diktatur herauf, womit man beim Lieblingsthema gelandet wäre: Der prinzipielle Nachteil der Diktatur ist die ständige Möglichkeit eines Putsches - das ist doch mal eine Kritik an der Diktatur! Auf jeden Fall kommt mit der Tilgung des Sozialismus "unser" europäischer Nutzen klarer raus. Dieser erfreuliche Undogmatismus bringt es mit sich, daß die südamerikanischen Mitgliedsparteien der SI meistenteils nur die Demokratie oder noch schlichter: das Volk oder die Nation im Parteinamen führen. Sofern die ansonsten als Gorilla geschmähten Generäle sich wie Brizola in Brasilien zum Versprechen von Wahlen herbeilassen, sind sie gern gesehene Gesprächspartner der SI. In manchen Ländern aber wie Guatemala hält sich, d.h. "assoziiert" die SI neben der erfolglosen Genossenpartei gleich mehrere Erfolgsfaktoren: Neben der sozialdemokratischen Partei wird da ein "Bündnis" (FDCR) und eine "nationalkonservative" Partei - selbstverständlich "mit sozialdemokratischem Selbstverständnis" - geführt.

Worin besteht die Alternative ihres Programms für die Entwicklungsländer?

Die SI ist flexibel. Sie hat ihr Programm nicht nur dem Kontinent, sondern auch der Konjunktur angepaßt. Die Propagierung des Sozialismus sah sie für bestimmter Weltgegenden schon seit längerem nicht mehr als ihre vordringliche Aufgabe an. Inzwischen hat sie auch die Ideale der Entwicklung ad acta gelegt, indem sie sie problematisiert:

"Hauptthemen des Kongresses in Lima waren die Beziehungen zwischen Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung vor allem in der Dritten Welt."

Daß sich diese "Beziehungen" schwierig gestalten, weil man "vor allem in der Dritten Welt" noch nicht genügend zu der Einsicht gelangt ist, daß man nicht alles - gleichzeitig - haben kann, dürfte das Ergebnis des Kongresses gewesen sein. Natürlich wurden nach wie vor "Ungerechtigkeiten" im Nord-Süd-Gefälle beklagt. Aber wo gibt's die nicht. Und wer muß schließlich befürchten, runterzurutschen - und sinnt dennoch auf Abhilfe für die, die von Haus aus im unteren südlichen Teil angesiedelt sind? Wie die Abhilfe aussieht, muß denen vorbehalten bleiben, die die Verantwortung tragen und überhaupt in der Lage sind, sich der "weltweiten Herausforderung" zu stellen.

Die Lösungsvorschläge sehen entsprechend aus. Um zu unterstreichen, wie intensiv man sich um das Problem kümmert, schreckt man vor keiner Übertreibung zurück: All die Mittel, die gerade zu besagtem Abgrund geführt haben, werden als Heilmittel angepriesen, folgte man nur den Vorschlägen der SI. Mit einer Unverfrorenheit sondergleichen preist die SI die Methoden der imperialistischen Ausbeutung in den Händen soiialdemokratisch regierter europäischer Staaten als die "Wende" in der Entwicklungspolitik, als "Rettung vor dem Abgrund" an:

"Wir brauchen ein neues Modell der Entwicklung, beruhend aufder Erholung des Wachstums durch Umverteilung und nicht auf der Umverteilung durch Wachstum... eine Wiederherstellung gegenwärtiger Gatt-Vereinbarungen... Der IWF verfehlt heute seine wirkliche Aufgabe... Die Welt braucht ein neues Bretton Woods."

Was ist eigentlich an einem Entwicklungsmodell, das auf der Umverteilung durch Wachstum beruht, so furchtbar und was macht die Erholung des Wachstums durch Umverteilung für die SI so attraktiv? Der Verdacht drängt sich auf, daß ihr die Umverteilung der Worte einiges Vergnügen bereitet. So besteht das Progiamm der SI heute darin, den praktizierten Imperialismus als Forderung aufzustellen: Da ist eine Parole wohlfeiler als die andere: Schuldenstundung, Schuldenerlaß - ja, wenn's weiter nichts sein darf! Bei soviel gutem Willen löst sich das Verhältnis der Nationen in allseitiges Wohlgefallen auf:

"'Better my neighbour' may replace 'beggar-my-neighbour' to the betterment of us all."

Hier ist nicht nur der Gag mit der Lautverschiebung zu beachten. Abgesehen davon, daß in diesem Frieden-Freude-Eierkuchen endgültig alle Unterschiede ersäuft sind: nicht nur die zwischen den staatlichen "Nachbarn"' der '1.' und '3. Welt', sondern auch die zwischen Verhungernden und ihren staatlichen Betreuer "Bettlern" -: Am lautbeklagten Zustand der Bettelnachbarn sind nicht zuletzt sie selbst schuld. Warum haben sie nicht energischer auf die Besserung ihrer Nachbarn gedrungen?

Sei's, wie es sei: Das Programm kommt an. Es ist ein Angebot an Regierungsmannschaften oder solche, die es werden wollen, sich ihre Vorschriften nicht in Washington, sondern in Bonn abzuholen. Und damit die von dieser Alternative auch Gebrauch machen, wird jetzt der bislang noch vernachlässigte Teil der Staatenwelt mit ihr intensiver vertraut gemacht:

"Die SI will in den nächsten Jahren in Afrika und Asien aktiver werden." (Sears) Vorsicht, schwarzer Mann!

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat wieder mal vorgearbeitet. In China ist sie die einzige zugelassene Parteistiftung, und Willy Brandt wurde empfangen, als wäre er noch Kanzler. Für Afrika hat sie fürs erste die SISGA (SI Study Group on Africa) gegründet, zwecks

"Beobachtung... Definition der SI-Politik in Afrika, Herstellung von Kontakten mit demokratischen Kräften auf dem Kontinent, Überwachung des Demokratisierungsprozesses und der Menschenrechte in Afrika... Unterstützung der friedlichen Entwicklung des Kontinents".

Fazit

Die SI verbreitet Lügen über den Imperiatismus und macht Reklame für ihn. Ibn gibt's nicht und Gewalt gehört nicht dazu - aber alle "eingeborenen Übel" sind verbesserbar. Das geht die Erdenbewohner zwar nichts an. Aber sie können beruhigt sein: Die Änderung der Verhältnisse ist bei den Verantwortlichen in den besten Händen. In den Metropolen des Imperialismus bildet sie die Nationalisten zu Weltbürgern, die alles Geschehen nur noch unter der ebenso bornierten wie anspruchsvollen Fragestellung begutachten: Was bedeutet das für uns? Betrübt, daß es nicht überall auf der Welt so demokratisch und sozialstaatsmäßig zugeht wie in ihrer schönen Heimat, fordern sie ihre Herrscher auf, noch im letzten Winkel noch mehr und noch besser für Ordnung zu sorgen und nach dem Rechten zu schauen. In den Staaten der "3. Welt" sorgen sie dafür, daß der Gedanke, das Elend der Bevölkerung habe etwas mit der weltweiten Herrschaft des Kapitals zu tun, in Vergessenheit gerät. Das Volk hat zu lernen, daß Demokratie besser ist als Diktatur - und alle anderen Hoffnungen fahren zu lassen. Denn die Linke wird systematisch niedergemacht, weil sie der Sache des Sozialismus schadet. Mehr brauchen die Zöglinge von Brandt, Palme, Kreisky und Co nicht zu wissen und zu beherzigen. Mit ihrem Erfolg dehnen sie den sozialdemokratischen Einfluß weltweit aus - und zwar so erfolgreich, daß diese Methode europaweit Nachahmer gefunden hat. Die-Hanns-Seidel-Stiftung fuhrwerkt nicht nur in Togo rum, Geißler kümmert sich um die Verbrüderung mit den südamerikanischen Christdemokraten, und die Euroliberalen und die konservative europäische demokratische Union haben auch allerlei anzupacken...