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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1986 erschienen.

Systematik

Was will SDI?
RÜSTUNG KOMPLETT

Aufrüstung ist immer begleitet von der Versicherung, es handle sich dabei "nur" um eine Steigerung der Verteidigungsfähigkeit. Der imperialistische Politiker rechnet dabei mit einem selbstverständlichen Bonus, der ihm von seinen Untertanen zuteil wird, wenn er seine Waffen mit der Gefährlichkeit des Feindes "begründet". Präsident Reagan hat zur Begründung der unausweichlichen Notwendigkeit von SDI das Verteidigungsargument auf die Spitze getrieben: ohne dieses Weltraumsystem seien die USA wehrlos, in der "nuklearen Geiselhaft" der Sowjetunion. Sachlich betrachtet handelt es sich angesichts der waffenstarrenden imperialistischen Kriegsfamilie rund um die Sowjetunion herum um eine lächerliche Behauptung - aber niemand lacht.

Die Kritiker des SDI-Programms

haben aus der radikalen Zuspitzung einer Ideologie keinen Schluß auf eine dem zugrundeliegende Absicht, dem "Rüstungswettlauf" eine abschließende Wendung zu geben, gezogen; sie haben auch von der Weigerung der Sowjetunion, diese neue Waffe auch nur ansatzweise in den "normalen" Vergleich der "normalen" Waffen einzubeziehen, und durch die Schärfe, mit der die Sowjets den "Tod" des SDI-Programms verlangen, sich nicht belehren lassen, daß die Rüstungskonkurrenz in ein neues (End-)Stadium getreten ist.

Vielmehr haben sie sich bemüßigt gefühlt, die Vereinbarkeit des SDI-Programms mit ihren Vorstellungen von "Abschreckung" zu untersuchen.

"Gegenwärtig wird nach Überzeugung der Sicherheitspolitiker der Frieden durch die atomare Abschreckung garantiert. Abschreckung besagt, daß ein Angreifer mit einem umfassenden Atomschlag den Gegner als Nation zwar auslöschen, nicht aber alle seine strategischen Atomwaffen zerstören könnte. Dem tödlich Getroffenen blieben immer noch genügend Raketen übrig, um auch den Angreifer zu vernichten. Da dies in Washington wie im Kreml klar sei, werde ein Atomkrieg nicht in Erwägung gezogen. Das atomare Inferno ist also bisher dadurch verhindert worden, daß es keiner der beiden Weltmächte gelungen ist, die eigene tödliche Verwundbarkeit zu beseitigen.

Angenommen, dieses sicherheitspolitische Dogma sei richtig (es beseitigt allerdings nicht die Gefahr eines Atomkrieges aufgrund technischer Pannen, Fehlannahmen und Fehlinterpretationen gegnerischen Handelns), so wird die Gefahr rasch deutlich, die eine funktionierende Weltraumabwehr für das Gleichgewicht des Schreckens und die 'Stabilität' durch Abschrekkung bedeuten würde: Wer sich wirklich schützen kann, ist dann auch in der Lage anzugreifen." (Anton Andreas Guha in: Frankfurter Rundschau, 16.10.)

Der Rüstungskritiker ist also ein großer Anhänger der "Abschreckungs"-Ideologie. Er glaubt tatsächlich, daß die riesigen Waffenarsenale nur dafür angehäuft worden seien, um den Krieg zu verhindern. Politiker kommen in diesem Friedenssicherungskunstwerk nur als Handlanger eines hinter ihrem Rücken waltenden "Gesetzes" der Kriegsunmöglichkeit vor: Mit welcher Absicht auch immer sie die Waffen aufgestellt haben, am Schluß verbieten eben die Waffen ihre eigene Anwendung, ja, sie sind Subjekte und Garanten des Friedens. Die Gegenbehauptung, die Waffen würden "den Frieden unsicher machen", begeht übrigens denselben Fehler.

Nun könnte die Aufkündigung der alten Abschreckungsideologie durch die Ankündigung, daß erst mit SDI "wirkliche Abschreckung" (Reagan) gewährleistet sei, die Anhänger dieses Harmonieideals - das gerne mit der abgeklärten Manier des demonstrativen Schauderns vorgetragen wird: "Paradoxon", "Gleichgewicht des Schreckens" - ein bißchen wachrütteln: Immerhin sind es dieselben NATO-Strategen, die früher die "Abschrekkung" dem Volk als ihre gelungene Sorge für die Friedenssicherung verklickert haben, die nun eine neue Ideologie verkünden, nämlich die Verteidigungsunfähigkeit aufgrund der vorhandenen "Abschreckung". Statt daraus zu lernen, daß eine Ideologie auf den Misthaufen geworfen wird, weil das imperialistische Lager auf Grundlage der erreichten Aufrüstung und im Besitz neuer Mittel ein paar kriegsmäßige Fortschritte im Sinn hat - und rückblickend o tut, als ob der vorherige Zustand ein Zeichen von Schwäche und auf eine unhaltbare Theorie zurückzuführen sei -, kommt der SDI-Kritiker nur zu der Feststellung, daß eine "Gefahr" drohe, weil das "Gleichgewicht der Bedrohung" verletzt würde. Wie aber? Dadurch, daß die Politiker durch Waffen, die sie sich selbst hingestellt haben, verführt werden könnten, einen Angriff zu wagen. Die Redeweise "Die Verteidigung, die den Angriff möglich macht" (Guha) will ja die wirklichen Zwecke und Absichten eines Rüstungsfortschritts nicht wahrhaben. Der ganze Vorwurf besteht darin, die unbeirrt geglaubte Absicht eines Verteidigungsvorhabens könnte auf gefährliche und von den Politikern nicht recht kontrollierbare Weise sich gegen sich selbst kehren und schließlich sogar in einen Angriff "umschlagen". Die Verlockung liegt in der angeblichen völligen Sicherheit: Man muß nur den Wahnsinnsgedanken, "tödliche Verwundbarkeit" sei eine feine Sache, da "stabilisierend", umdrehen, um aus der Fiktion der "Unverwundbarkeit" eine menschheitsbedrohende Gefahr herauszudestillieren. Und wer den jeweils vorhergehenden Zustand, dessen Qualität ausschließlich im "Noch-nicht-Krieg" besteht, hochhält, der möchte die Avantgardisten der NATO doch tatsächlich auf ein konservatives Rüstungsdenken verpflichten. Auf die Frechheiten, die Reagan zu seinem SDI verbreitet: "Wir wolle alle Atombomben abschaffen!", antworten diese besorgten Menschen allen Ernstes: "Um Gottes willen, behalten wir sie doch lieber!"

Diese Sorte Rüstungskritiker bleibt jederzeit ihrem demokratischen Urvertrauen treu: Politiker sind Gefangene ihrer Waffen; wenn diese die totale Überlegenheit versprechen, dann erst verfällt der Politiker "realistischerweise" auf die "Möglichkeit" des Krieges - vorher aber untersagen ihm die Waffen diesen Gedanken. Einer so komplizierten Ideologie zur Verteidigung einer immanenten Gutheit westlicher Aufrüstungsbemühungen ist natürlich die Einsicht fremd, daß die USA ihr SDI beschlossen haben, nicht um unversehens neue Prinzipien in die Kriegsvorbereitung einzuführen, sondern um mit den alten Absichten voranzukommen. Die US-Regierung will das "Gleichgewicht des Schreckens", eine Etappe der militärischen Konfrontation, überwinden - und wenn sie von der "Unverwundbarkeit" schwärmt, dann hegt sie dabei keineswegs die Illusion, die völlige Sicherheit der eigenen Waffen, geschweige denn ihrer Bevölkerung, damit herstellen zu können.

Der "Rüstungswettlauf"

erscheint im nachhinein also ausgerechnet den kritischen Menschen als eine richtiggehend gemütliche Sache - und das bloß, weil sich die USA die Freiheit zu einer radikalen Kritik daran herausgenommen haben. Deren pathetischen Beteuerungen, er habe nur zu einer Schwächung des westlichen Lagers geführt und den Feind gestärkt - "Verteidigungsbereitschaft gefährdet!" -, sollte man freilich keinen Glauben schenken. Es ist eh schon albern, das Fehlen eines hinzugewonnenen Handwerkszeugs des Krieges in einen grundsätzlichen Mangel - der Aufrüstung umzudichten; noch absurder ist die Behäuptung, eben deswegen sei diese Aufrüstung "in Wirklichkeit" eine dauernde einseitige Abrüstung gewesen.

Wenn die USA jetzt "entdecken", eine "wirkliche Abschreckung" sei bis dahin nicht gewährleistet gewesen - warum Gorbatschow nicht im Weißen Haus residiert, bleibt offen -, dann ist dies ein Hinweis auf den wirklichen Zweck des "Rüstungswettlaufes", nämlich den Gegner besiegen zu können. Und wenn der dem Pentagon 30 Jahre lang zu kurz gekommen ist, dann heißt das umgekehrt nur, daß er in eben dieser Zeit dauernd betrieben wurde: Daß sich mit SDI eine neue Zuversicht in Sachen Kriegskalkulierbarkeit breitmacht, unterstellt ja ein Waffenarsenal, das allen Anforderungen moderner Kriegskunst genügt.

Die Erstellung dieses Waffenarsenals richtete sich nach dem schon im 2. Weltkrieg ergangenen politischen Auftrag, den (aufkommenden) Weltmachtkonkurrenten zu beseitigen. Dafür war der Waffenbestand unablässig zu verbessern und die hinzugekommene Atombombe wurde freudig als ein Mittel registriert, dem Feind vernichtende Schläge versetzen zu können. Da man es mit einem Feind vom großen Kaliber zu tun hatte, für den die japanerprobte "Little boy" und "Fat man" keineswegs ausreichten, machte sich die US-Forces daran, die Bastion Europa aufzurüsten. Das komplementäre Angebot an die Sowjetunion und ihre vorgelagerten Staaten, sich per Marshall-Plan, IWF und GATT in die kapitalistische Konkurrenz des Weltmarkts einzugliedern, traf bei diesen auf keine Gegenliebe. Im Gegenteil mußte die Generalität feststellen, daß die Sowjetunion sich genau den "Block" aufbaute und auch gegen westliche Einflußnahme abschottete, der eigentlich systematischem amerikanischem Vorrücken anheimfallen sollte. So war schnell klar, daß die Verwirklichung des politischen Auftrags sich langwieriger gestalten würde als zunächst angenommen - was manchen alten Haudegen m nachhinein auf den Gedanken brachte, ob man die Atombomben statt über Japan nicht gleich über Rußland hätte abladen sollen.

Zugleich mußte die Führung der amerikanischen Streitkräfte zur Kenntnis nehmen, daß der Feind ebenfalls über die Atomwaffe verfügte, woraufhin man sie in der Stufenleiter der militärischen Eskalation in den Rang des "letzten Mittels" einordnete. Damit war aber gesagt, daß mit allen vorletzten Mitteln weiterhin ein ganz normaler Krieg zu führen ging, sie mußten eben nur auf dem Mosdernisierungsstand und mit der technischen Raffinesse versehen sein, den Waffen des Gegners überlegen zu sein.

Ein beispielloser Rüstungsboom war die Folge. Auch die Militärwissenschaft müßte besondere Anstrengungen unternehmen, die gestellte Aufgabe in alle ihre Einzelteile zu zerlegen, die Abstimmung der Mittel aufeinander, die Sicherung errungener Vorteile, die Stufen der Eskalation neu zu ordnen. Die Existenz des "letzten Mittels" bescherte nämlich insofern einige neue Probleme, als sein Einsatz die Reversion aller vorausgegangenen Kalkulationen und Schlachten in Aussicht stellte, bis hin zu dem "Szenario", daß eine nach gewohntem Urteil militärisch abgehakte Niederlage vom Gegner - aber auch von einem selbst - durch einen letzten Vernichtungsschlag zunichte gemacht werden konnte - auf Kosten eines politisch nützlichen Kriegsergebnisses, da die allseitige Verwüstung ja nicht als solches bezeichnet werden kann. Regelmäßig "sickerten" Pentagon-interne Nutzen/Schaden-Rechnungen "an die Öffentlichkeit", in denen das Publikum mit den Beschädigungen "unterhalb" des atomaren "Katastrophenfalls" vertraut gemacht wurde - durchaus offenherzig also die Gedankengänge der Herrschaft, allerdings mit der Kunst des Lügens durch Weglassen versehen. Daß das Militär die Sache noch nicht für so sinnvoll erachtete, wurde nicht erwähnt, so daß sich der beruhigende Schluß aufdrängte, die Führungsmannschaft hätte diese Berechnungen nur in Auftrag gegeben, um sich entsetzt von ihnen abzuwenden.

Aufrüstung und Strategie drehten sich im Prinzip immer um einen Punkt: Die Atomwaffen von ihrem Charakter des "letzten Mittels" zu befreien, ohne dabei die Schlagkraft der Waffe zu vermindern, geschweige denn sie abzuschaffen. Der dafür zu beschreitende Weg war die Heranführung der "konventionellen" Waffen an die Schlagkraft und Wirkung der Atomwaffen, umgekehrt deren Ausdifferenzierung und Verfeinerung: "Taktische Gefechtsfeldwaffen", "Treffsicherheit" und "Wirkungsbegrenzung" sind hierfür die Stichworte. Das in den Hallen der Rüstungsbetriebe und in den Büros der Generalstäbe verfolgte praktische Ideal war eine Waffentechnik, die geeignet wäre, auch noch die "letzten Mittel" des Feindes zu bekämpfen. Die Aufgabenstellung ist klar: Man muß die Waffen des Gegners an ihrer Wirkungsentfaltung hindern und die eigenen Waffen gegen feindliche Einwirkung unempfindlich machen. Technisch sieht die Sache schon etwas komplizierter aus: Die diversen Versuche zur Raketenabwehr ("Safeguards" ) aren erst einmal recht unbefriedigend.

Die Kriegskalkulation hat sich aber von der Verwirklichung dieses Ideals nicht abhängig gemacht. Der Rüstungswettlauf richtete sich nach anderen Kriterien. Es ging darum, die Waffentechniken auf allen Ebenen zu verbessern und sich so immer neue Freiheiten bei der Bekämpfung des Gegners zu eröffnen. Der wiederum hat alles getan, um auf der entsprechenden Ebene mithalten zu können. Das war der Stachel für die Verbesserung des Waffenarsenals und für ein dauerndes Vorstelligwerden der Militärs bei ihren Auftraggebern und brachte die Militärdoktrin der Abschreckung hervor. Im Unterschied zu ihrer ideologischen Zwillingsschwester "Abschreckung" ist sie kein Hoffnungsquell, sondern die sachliche Bestandsaufnahme des für eine lange Zeit gültigen rüstungstechnischen Stands der Feindschaft und seiner vorhersehbaren Veränderungen.

Die Komplettierung der Rüstung

Präsident Reagan gewann seine erste Wahl nicht zuletzt mit Hilfe wüster Beschimpfungen an die Adresse seiner Vorgänger Carter, Ford und Nixon. Er warf ihnen nichts geringeres vor, als die Stärke Amerikas verspielt zu haben und von der Abschreckungsmacht Sowjetunion eingeschüchtert worden zu sein. Das ist zwar gemein, wenn man diese Herren kennt, andererseits aber auch gerecht: Sie haben es nämlich versäumt, aus den zuletzt von ihnen getragenen Aufrüstungen den einzig folgerichtigen Schluß zu ziehen: Das Verhältnis der Weltmächte entscheidet sich am Rüstungswettlauf - und den muß man endlich gewinnen.

Am Beginn des Reagan'schen Rüstungsprogramms steht also ein aus der gelaufenen Rüstung herausdestillierter und ausdrücklich als solcher bekundeter Siegwille: "Schluß mit der amerikanischen Nachgiebigkeit!" Dieser Wille geht nur scheinbar voluntaristisch - er beruht ja auf der Qualität des Vorhandenen, Waffen sowie weltpolitische Einkreisung der Sowjetunion - davon aus, daß sich die letztnötigen Mittel, dem Gegner den Gebrauch des "letzten Mittels" abzugewöhnen, schon finden werden. Zugleich mit einer die Abschreckungsdoktrin offensiv verwerfenden Rüstungsvervielfachung erging der Auftrag an die dazu berufenen Köpfe der Nation, alles, und sei es auch noch so phantastisch, an physikalischem Krempel auf Kriegstauglichkeit, sprich: seinen Beitrag zur Lahmlegung der gegnerischen Waffen, zu untersuchen. Und weit Amerika sich immer einen Schwung zu ihm passender Genies hält, konnte der alte Teller ("Vater der Wasserstoffbombe") seine bis dahin verkannte Idee des Röntgenlasers wieder heraus- und die reichlichen Forschungsgelder an sich ziehen. Die Russen haben keinen Moment lang behauptet, es handele sich dabei um eine Steven-Spielberg-Idee, kennen sie sich doch im Zusammenhang von Rüstungswille und Technik der Rüstung recht gut aus. Deswegen haben sie auch gleich die Kampfansage kapiert, die sich in der Verfolgung dieses zunächst phantastisch anmutenden Projektes manifestierte.

Mit SDI steht das praktische Ideal der atomaren Kriegsführung vor seiner Einlösung. Konsequentes Hinarbeiten an alle Waffenkategorien hat sich gelohnt: Deren Überlebensfähigkeit ist einem eigenen Waffensystem anvertraut - das ist der militärische Sinn von "defensiv"! -, wodurch ihre exzeptionelle Güte erst so richtig kriegsstrategisch gewürdigt werden kann; sie werden frei handhabbar insofern, als sie sich nicht die dauernde Rücksichtnahme auf den atomaren Gegenschlag gefallen lassen müssen. Die blumige Redeweise des Ronald Reagan macht da durchaus einen Sinn: Es gibt einen "Schild", der mit dem Auffangen der gegnerischen Schläge betraut ist, wodurch das "Schwert" erst seine ganze Wucht entfalten kann. Die mit der Rüstung vor SDI noch nicht aufgelöste Einerleiheit von Aktion und Reaktion, Offensive und Defensive, sieht ihrer Abschaffung entgegen: Die "maßlose" Verwendung der Atomwaffe, nämlich einen Angriff gleich unter dem Gesichtspunkt starten zu müssen, daß er sozusagen im selben Atemzug die Erledigung des zu erwartenden Gegenschlages mitbeinhaltet, dabei aber auch nie eine Sicherheit über den Ausgang dieses Auftrags zu haben; die im Stand der wechselseitigen atomaren Bedrohung eingebaute "Unklarheit", ob ein atomarer Schlag den Gegner gleich vernichtet - ein kriegs-unlogisches, da zu hohes Ziel -, oder nur die Revanche für einen selbst erhaltenen bzw. antizipierten Schlag -, die den Gegner an seinem Erfolg nicht froh werden läßt - diese Verwendung der Atomwaffe wird ersetzt durch einen "harmonischen" Einbau des schärfsten Geräts in den gesamten Kriegsapparat. In diesem strategischen System kann dann die Atomwaffe ihre besondere Vernichtungskraft entfalten.

Damit ist freilich ein Mißverständnis in die Welt gekommen - man erinnere sich an die kritischen Besorgnisse anläßlich einer angeblichen "Unverwundbarkeit" - und wird auch von der US-Regierung zum Zwecke der psychologischen Mobilmachung eifrig geschürt, daß nämlich mit Etablierung des SDI der sichere Sieg gewährleistet sei. Dieses verrückte Ideal propagieren insbesondere die "Geht nicht!"-Kritiker: Wenn sie die Gefahren der "trotzdem durchkommenden" russischen Raketen beschwören, so stellen sie sich offensichtlich den technisch vollkommenen, den Wunderkrieg vor, und es wäre ihnen anscheind gerade recht, wenn der Russe zur totalen Hilflosigkeit verurteilt wäre; da sie ihn sich so niedergemacht auch wieder nicht recht vorstellen können, bezweifeln sie den Wert der neuen Waffe ausgerechnet mit dem Argument, daß sie ihrem Siegideal nicht vollständig Rechnung trägt. Das nennen sie dann "Spiel mit dem Feuer". Nun kann aber eine Technik zwar das Kriegsglück zu eigenem Gunsten wenden, nie aber sieggarantierend sein - oder anders: Das wäre ein toller Krieg, wo der Sieger von vornherein feststeht. Solche Kriege wurden unseres Ermessens nie begonnen.

Gerade in seinen "Visionen" und seinen markigen Ansprachen gibt Präsident Reagan zu erkennen, daß ein Krieg noch allemal in die politische Entscheidung fällt und nicht von Computern diktiert wird. Darum "genügt" ihm ja schon, eine Waffe in Händen zu haben, die die gelaufene Aufrüstung dahingehend komplettiert, daß Offensive und Defensive auseinandergelegt sind und militärisch auch getrennt kalkuliert werden können. Das ist der wirkliche Fortschritt in Sachen "Kriegsführbarkeit". Nicht daß der Atomkrieg bisher nicht führbar gewesen wäre, wie die nachträglichen Fans der Abschreckungsideologie glauben. Es geht um eine neue Methode, ihn erfolgreich zu führen.