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Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Wladyslaw Bartoszewski
POLNISCH, KATHOLISCH, ANTIKOMMUNIST
DM 25.000 gibt der Börsenverein des Buchhandels heuer dem Polen Bartoszewski aus. Der Grund für die Ehrung, daraus macht die offizielle Laudatio kein Hehl, liegt ausschließlich in Biographie und Existenz dieses Mannes begründet, von dem höchstwahrscheinlich die meisten Preisverleiher auch zum ersten Mal im Leben gehört haben.
Nach dem Südamerikaner Octavio Paz, einem entschiedenen Apologeten des demokratischen Imperialismus und seiner Führungsmacht USA in der "Dritten Welt", war diesmal wieder ein Fan von Freedom und Democracy aus dem Ostblock dran. Die Buchhändler geben sich inzwischen nicht einmal mehr den Anschein, als ginge es bei ihren Prämierungen um irgendwelche literarische Qualitäten oder originellen Gedankenreichtum: Sie gehen einfach mit der Konjunktur, der politischen, und fragen wahrscheinlich direkt beim Auswärtigen Amt an, wen man denn fürs laufende Jahr empfehlen könnte.
Gerade weil's um das freiheitsdurstige polnische Völkchen wieder etwas ruhiger geworden ist, bot sich zur Auffrischung dieser Wunde im Fleisch des Hauptfeindes ein dissidierender Pole an, mit für den Feierzweck tadellosem Lebenslauf. Bartoszewski war
"von September 1940 bis April 1941 im Konzentrationslager Auschwitz, hat im Frühsommer 1941 in einer katholischen Widerstandsgruppe mit einer Hilfsaktion für verfolgte Juden begonnen, sich 1944 am Warschauer Aufstand beteiligt, war von 1946 bis 1954 wegen angeblicher Spionagetätigkeit mit kurzer Unterbrechung in Haft, wurde 1954 als unschuldig anerkannt, aber immer wieder Repressalien ausgesetzt, gehörte 1980/81 auch der freien Gewerkschaft 'Solidarität' an und war von Dezember 1981 bis April 1982 in Haft."
Um für so ein Schicksal in der Bundesrepublik gelobt zu werden als "leidenschaftlicher Pole", darf man selbstverständlich nicht gerade ein Kommunist gewesen sein oder ein Spion für die östliche Seite; und als Teilnehmer an Widerstandsaktionen kriegt man in Westdeutschland bestenfalls ein Berufsverbot. Herr B. hingegen tat das alles vor allem auch als "leidenschaftlicher Katholik und als leidenschaftlicher Humanist für seine Heimat", also ein C-Politiker in der Volksrepublik und ein polnischer Nationalist im Warschauer Pakt. Als polnischer Patriot gewissermaßen naturgemäß eine fleischgewordene Anklage gegen die Sowjetunion.
Deshalb erinnert man sich in Bundesdeutschland in Sachen Nazigreuel gegen fremde Völker noch am liebsten der Leiden des polnischen Volkes: Nahtlos wird der Übergang zur Trauer über das "tragische Schicksal" dieses "großen freiheitsliebenden und gottesfürchtigen" Menschenschlags veranstaltet, der jetzt schon wieder diesesmal unter russischer Fuchtel, unter einem "totalitären Regime" ächzen muß.
Daß sich da drüben "die Werte verschoben" haben kann inzwischen jedes frei erzogene Schulkind auswendig pfeifen. Wenn es aber ein Pole ist, der das gleiche Konzert anstimmt, noch dazu einer, der als lebendiger Märtyrer dieser Werteverschiebungen pfeift, klingt dasselbe gleich viel ergreifender:
"...daß im Ostblock eine andere Hierarchie der Werte besteht. Der Einzelne wird der Gesellschaft untergeordnet, und der Staat gewährt Rechte wie etwa das Recht auf eine Wohnung..."
- also lauter niedrig-materielles Gelumpe.
Ganz im Unterschied zu hier, wo der über alles geliebte Staat gar nicht daran denkt, seinen Schäflein so etwas Handfestes wie eine Wohnung zu versprechen, sind laut Bartoszewski
"in den Verfassungen der Ostblockstaaten (nur) schöne Formulierungen zu finden, die aber entsprechend der anderen Wertehierarchie ausgewertet und auch zurückgenommen würden. Denn es istja der Staat, der die Rechte gewähre."
Gott bewahre, daß sich in der freien Bundesrepublik je einer vom Staat ein Recht gewähren ließe, das dieser nach seiner Wertehierarchie auch wieder zurücknimmt, wann es ihm paßt. Nie käme es der Bundesregierung in den Sinn, etwa über die Zurücknahme des Asylrechts zu spekulieren oder gar mit Hilfe des Demonstrationsstrafrechts das Demonstrieren zu einer lebensgefährlichen Sache zu machen. Unsere Grundrechte können nämlich gar nicht zurückgenommen werden, weil sie nach Bartoszewski vom Menschen, nicht vom Staat ausgehen. Im Gegensatz zum Ostblock heißen die Grundrechte hierzulande, wo der Mensch gleich als grundberechtigter Untertan auf die Welt kommt, nämlich nicht nur Menschenrechte - Bartoszewski "warnt vor der Magie des Wortes im Osten (!)" -, sondern sind in der Tat "Rechte, die in der menschlichen Person begründet sind (!)".
Den Qualitäten seiner menschlichen Person als polnischer Fan des westdeutschen Grundgesetzes verdankt Bartoszewski es ja immerhin, daß er ans Wissenschaftskolleg in Berlin geholt wurde die Eric-Voegelin-Gastprofessur an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität München genießen durfte und derzeit an der Katholischen Universität Eichstätt unter dem Präsidenten Nikolaus Lobkowicz, einem bekannten Freund des Friedens und der "Contras", predigen kann. Auf seinen
"vielen Reisen in die BRD (hat Bartoszewski) gelernt und erfahren, daß es das andere Deutschland gibt, daß hier Menschen aus allen Konfessionen und Weltanschauungen und politischen Richtungen leben, die über die Vergangenheit hinweg, über die noch nicht zugeschütteten Gräben ein neues Verhältnis zu meinem Volk aufbauen wollen."
Daß die Menschen im anderen Deutschland, hier also dem bundesrepublikanischen, die über Gräben hinweg ein neues Kapitel mit den Polen wollen, vor allem von einem beseelt sind, vom Antikommunismus, ist dem Gast aus Polen auch schon zu Ohren gekommen. In dieser Gesellschaft von Menschen fühlt er sich augenscheinlich wohl, weshalb er sich auch nach Kräften bemüht. So setzte er z.B. kürzlich auf dem Kongreß "Kirche in Not", noch bevor er über "Schein und Sein der Menschenrechte in Ostblockstaaten" sprach, gegen den 'Schein' des Kongresses als "antikommunistisch eifernde" Veranstaltung ganz unideologisch das 'Sein':
"Wir sind hier keine Ideologen, wir sind hier Menschen guten Willens, die alles tun, um anderen Menschen zu helfen."
Für Menschen, die zu blöd sind, aus dieser good-will-Tour herauszuhören, daß ihr polnischer Freund schon wieder ins Träumen darüber gekommen ist, wann endlich alle Polen unter einem frei gewählten Zwangszusammenhang vor allem Lämmer Gottes sein dürfen, tischt Bartoszewski noch ein extra schleimiges Glaubensbekenntnis auf:
"Weder Reden auf Pfingsttreffen noch einzelne Embleme, noch revanchistische Äußerungen können mir diesen Glauben (an die besseren Deutschen) nehmen, denn ich habe inzwischen erlebt, was es bedeutet, Freunde in einem Land zu haben, das schrecklich bezahlen mußte für den Überfall auf Polen und Europa."
Kein Neonazi sollte uns Deutsche davon abhalten, gestraft wie wir sind durch das Kriegsergebnis, zu sehen, daß die deutsche Schuld einen Auftrag in Richtung Osten enthält. Noch Zweifel darüber, daß Bartoszewski und seine revanchistischen Freunde hierzulande unter nichts so sehr leiden wie unter der schrecklichen Grenze, die man in derselben Himmelsrichtung auf der Landkarte findet, in der auch Polen von Westdeutschland aus gesehen zu finden ist?
Christen als unverbesserliche Revanchisten?
Keineswegs! Denn:
"Jede christliche Aktivität tritt immer für etwas ein, für die Menschenrechte, die Menschenwürde."
Jeder Christ kann, ja muß also, wenn erst der Fackelzug Richtung Polen abgelaufen ist, das mit seinem menschlichen Recht und seiner menschlichen Würde vereinbaren und als ganz und gar dem himmlischen Frieden dienlich empfinden. Sollten sich dabei wider Erwarten einige Häßlichkeiten wiederholen, die die Polen vom 2. Krieg her kennen so liegt das wie schon damals nicht an den gewaltsam in Anschlag gebrachten Ansprüchen der Staaten, sondern an den Menschen, denn:
"Menschen haben das Menschen angetan. Nicht Deutsche Polen. Das war die Einsicht, die zu Frieden und Versöhnung führen könnte."
Frieden und Versöhnung? Solange Polen in den Händen der Bolschewisten ist? Wie zum Aufwiegeln möchte Bartoszewski eine Idee niemals in Vergessenheit geraten lassen:
"Die Idee, daß der Mensch zu allem fähig ist, vor allem, wenn die Deiche brechen, wenn es zu einem totalitären System kommt."
Quellen:
W Bartoszewski, Katholische Universität Lublin, in: Wesen und Aufgabe einer katholischen Universität, hrsg. von Franz Kardinal König, Düsseldorf 1984
Ders., Herbst der Hoffnungen, Freiburg i. Breisgau 1983
Frankfurter Rundschau vom 4. August
Noch ist Polen nicht verloren...
"Papst Johannes Paul II. hat der vom polnischen Episkopat geführten Kampagne gegen den Alkoholismus, insbesondere den Wodka, seine Unterstützung ausgesprochen. Vor rund 2000 Landsleuten in Castelgandolfo bei Rom sagte der Papst, wenn die Polen ihre Schwächen nicht überwänden, würden sie von anderen Völkern dominiert, das habe die Geschichte gelehrt." (Frankfurter Rundschau, 23.8.)
...die Polen müssen nur den Weisungen des Hl. Geistes folgen und die Spirituosen in die Weichsel kippen. Ermutigend sind jetzt schon die Meldungen aus dem Reich des russischen Unterdrückers über den horrenden Wodka-Konsum, der Gorbatschow fast so viel Sorgen macht wie SDI.