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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1986 erschienen.

Inner-Deutsche Beziehungen
DDR HILFT BRD SAUBERHALTEN IN BELIN

Endlich ist die "Mauer mitten durch Berlin", unter der "wir" ansonsten leiden, weil sie uns von den "Brüdern und Schwestern" trennt, ein Stück undurchlässiger gemacht worden. Die DDR hat versprochen, keine in der BRD und Westberlin unerwünschten Ausländer durchzulassen. Zu diesem Zwecke läßt sie sie ab 1. Oktober bei sich nicht mehr rein.

Grund zur Freude bei den Regierenden in Bonn samt ihrer Opposition, weil diesmal deutsche Kommunisten ihren demokratischen Kontrahenten am BRD-Ruder die Gefälligkeit erwiesen haben, "uns" einen Teil der Schmuddelkinder aus der "Dritten Welt" vom Leibe zu halten, die via Ostberlin-Schönefeld massenhaft in die "Freiheit" drängen.

Nun hat die Freiheit unter den Wolken allerdings ihre Grenzen, und in Berlin entdeckten die Bonner Herrschaften auf einmal, daß eine solche die Hauptstadt der DDR von Westberlin trennt. Die Mauer soll nicht mehr einfach so weg, sondern je nach Bedarf als anti-asylantischer Schutzwall und als "schreiendes Unrecht" brauchbar sein. Die DDR-Kommunisten haben mit ihrem Beschluß, keinen Ausländer mehr nach Berlin zu lassen, der nicht ein "Anschlußvisum" für die BRD/Westberlin vorweisen kann, einen Pluspunkt im Zensurheft der Freien Welt vermerkt bekommen. Für die Demonstration der Bereitschaft zu "gutnachbarlichen Beziehungen" haben sie ansonsten gar nichts gekriegt, nicht einmal einen kleinen finanziellen Ausgleich wegen der 3,6 Mio. Mark pro Jahr in harten Devisen, auf die ihre Interflug-Gesellschaft jetzt verzichten muß. Dafür haben sie sich einiges geleistet:

- Die DDR gibt dem unbeirrbaren Bonner Rechtsanspruch nach, daß Westberlin Teil der BRD ist und die Grenze für den Westen nicht existiert, weswegen das sozialistische Deutschland für den imperialistischen Teil die Drecksarbeit des Ausländersortierens zu übernehmen hat.

- Die deutschen Kommunisten sorgen ab sofort mit dafür, daß die vom Imperialismus produzierten Elendskreaturen aus Asien. Afrika und Lateinamerika auch ordentlich zu Hause bleiben und krepieren, anstatt dem westdeutschen Staat unnötige Spesen zu verursachen.

Das hat die wunderschöne Konsequenz, daß der "Freie Teil Deutschlands" sein Asylrecht vorerst weiterhin grundgesetzlich anpreisen kann, während der deutsche Friedens- und Fortschrittsstaat keinem Verfolgten auf der Welt auch nur ein Flugticket verkauft, es sei denn, die BRD hätte ihn per Visum ausdrücklich eingeladen.

Warum machen sie das, die Genossen von der SED? DDR-Kommunisten sind allen Ernstes der Auffassung, daß sie es sich mit Bonn um keinen Preis verderben dürfen. Da kann ihnen der mächtigste NATO-Staat in Europa eine "Nach"rüstung nach der anderen vor die Haustür semmeln - in der Hauptstadt der DDR träumt man weiterhin von einem "deutschen Sonderinteresse an Entspannung". Die führenden Köpfe der SED, einer Partei, die dadurch entstanden ist, daß die SPD zumindest in Ostdeutschland mit guten Gründen und historisch mehr als gerecht endlich abgeschafft worden ist, glauben mit Inbrunst daran, daß sie von Ersatz-Birne Rau mehr zu erwarten haben als vom Original-Kohl. Deshalb servieren sie ausgerechnet Egon Bahr, dem Ober-Roßtäuscher des gesamtdeutschen Imperialismus, der sie schon bei den Ost-Verträgen gehörig über den Tisch gezogen hat, kostenlos und frei Haus einen Wahlschlager. Und was für einen! Die SPD darf jetzt damit prunken, daß der regierungsamtliche Rassismus der westdeutschen Anti-Ausländer-Hetze bei ihr den effektivsten praktischen Vollstrecker hat. So sehen sie aus - die Früchte "freundschaftlicher Zusammenarbeit" zwischen den zwei "größten Arbeiterparteien" aus beiden deutschen Staaten samt Westberlin!

Andererseits kriegen die öffentlichen Meinungsbildner in der Freien Presse ihr aktuelles Feindbild "Asylanten" lässig mit ihrem traditionellen Antikommunismus in Einklang. Das geht so oder so ähnlich in "Bild" und beim Regierungssprecher: Erst schikaniert uns die Ostzone mit zehntausend Kanaken, und jetzt gibt sie nach, weil wir ihr mit Härte gezeigt haben, daß es so nicht weitergeht. Kriegen tut sie rein gar nichts dafür. Wenn die DDR für die BRD-Ausländerpolitik den Büttel macht, dann ist das ihre "gutnachbarliche" Pflicht und Schuldigkeit!

Und der bundesdeutsche Bürger soll froh und dankbar sein. Erstens weil seine Regierung und/oder die Partei, die er gerne an der Regierung haben möchte, die DDR "zum Einlenken gebracht" hat. Und zweitens, weil jetzt die "Gefahr einer Asylantenflut" zu einem Gutteil gebannt ist. Der Bürger scheint mehrheitlich abgebrüht genug, so zu denken, als wär' er selbst der Zimmermann: Der menschliche Abfall aus aller Herren Länder soll zweckmäßigerweise besser verrecken, bevor er bei uns, die Umwelt verschmutzt. Gemäß dieser Regel schicken deutsche Behörden und Gerichte Türken nach Hause zu den Folterknechten, Tamilen zurück ins nächste Massaker ihrer srilankischen Herren usw. usf. Jetzt kank@ nur noch passieren, daß ein verzweifelter Pakistaner nachts versucht, über die Mauer nach Westberlin rüberzumachen. Schießen dann die Vopos oder die freiheitlichen Ordnungskräfte?