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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1986 erschienen.

Systematik

SPDler in Washington
BEIM GROSSEN BRUDER "MISSVERSTÄNDNISSE" AUSGERÄUMT

Einmal dahingestellt, ob sich die Amis in der SPD tatsächlich täuschen oder ob ihnen der schnörkellose NATO-Kurs der CDU einfach besser schmeckt - auf jeden Fall hielten es die SPD-Abgeordneten Ehmke und Stobbe für unbedingt nötig, nach Washington zu fliegen und dort Regierungsbeamten zu versichern, daß die SPD - Nürnberg hin, Nürnberg her die Aufrüstungspartei ist und bleibt, als die man sie von der Schmidt-Regierung her kennt. Beim Hauptfreund der Frontstaat-BRD legten die SPD-Führer größten Wert auf die Klarstellung:

"Zwischen dem psychologischen Klima eines Parteitages und dem Verhalten einer Regierung bestünden Unterschiede." (Zitate aus: FAZ, 9.9.1986)

Was sich in Nürnberg so angehört hatte:

"Die SPD hatte einstimmig einen Aufstellungsstop und die Rücknahme der Stationierung von Pershing-II-Raketen und Cruise-Missiles-Marschflugkörpern durch die Vereinigten Staaten gefordert.",

wurde in Washington folgendermaßen eingedeutscht:

"Eine sozialdemokratische Regierung werde nicht im Allgeingang die Nachrüstung von heute auf morgen rückgängig machen, sondern Verhandlungen darüber aufnehmen."

Also: Die SPD will als zukünftige Inhaberin der Regierungsgewalt die Aufrüstung der BRD genau so vorantreiben, wie sie es mit dem von SPD-Kanzler Schmidt erfundenen NATO "Doppelbeschluß" eingeleitet hat. Sie will nur angeregt haben, auf diese bewährte diplomatische Technik auch weiterhin zurückzugreifen. Sprich: Man kann ja mal so tun, als könnten sich die Russen ganz gut freiwillig und per "Verhandlung" auf ihre eigene Entwaffung einlassen; und wenn sie das - wie leicht absehbar - nicht tun, dann sind an jedem westlichen Aufrüstungsschritt eben automatisch die Russen schuld.

Und zwar an den mittlerweile gelaufenen wie an den noch geplanten Aufrüstungsschritten. So gab es zwischen SPD- und US-Rüstungsexperten einen sehr konstruktiven "Meinungsaustausch":

"Sozialdemokratische Vorstellungen über die konventionelle Verteidigung habe man in Washington aufgeschlossen angehört."

Das nämlich meinen deutsche Sozialdemokraten, wenn sie dem Wählervolk vorwärtsblikkend-nostalgisch Weismachen wollen, unter Schmidt habe man auf Deutschland mehr gehört. Das schmeichelt dem gewöhnlichen Nationalismus, und das hofiert den Anti-Amerikanismus, der sich von der eigenen Herrschaft einen geschickteren Umgang mit dem Feind verspricht als vom "groben" Reagan. Und damit präsentiert man sich vor allem daheim als glaubwürdige Adresse für Friedensideale, während man gleichzeitig den politisch Maßgeblichen in Washington die unverbrüchliche Linientreue der SPD-Führer für den NATO-Kurs versichert.