Info

Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1986 erschienen.

Systematik


DIE DEMOKRATIE KÄMPFT GEGEN IHR ELEND - DA MUSS ETWAS FAUL SEIN

Hungersterben in Afrika und anderswo, Krüppel, Verblödete, ganz gewöhnliche Jammergestalten und Habenichtse auswärts oder gleich um die Ecke daheim: Zum guten demokratischen Ton gehört es, daß diese "Schattenseiten des Lebens" nicht verschwiegen werden. Elend, und zwar weltweit und in all seinen widerlichen Erscheinungsformen, ist das ganze Jahr über öffentliches Thema, und zum Jahresausklang feiert es Hochkonjunktur.

Unter Berufung auf es in all seinen Schattierungen läuten Christen die hohe Stunde der Nächstenliebe ein; Politiker mischen sich werbewirksam unter die Andachtsprediger für das Lumpenpack aus aller Herren Länder; Bekanntheiten aus der Öffentlichkeit rühren Tombolas für gute Zwecke, und die Zeitungen sind voll von "Tragödien", die sich, von niemandem bemerkt, gleich im Nachbarhaus abspielen. Massenhaft wird Elend ans Licht gezerrt und bekanntgemacht - in der einzigen Absicht, bei denen Betroffenheit zu erzeugen, die dazu aufgerufen sind, es durch mildtätige Gaben zu bekämpfen. Daß beides so gut zueinanderpaßt, die jahraus jahrein sorgsam ausgemalten Statistiken des Elends und die Bilanzierung der auf den Spendenkonten eingegangenen Gelder hinterher; dieser gute demokratische Brauch, solange es Elend gibt, auch "etwas" tun zu müssen "gegen" es, wobei jede gute Spendentat wie von selbst als Auftrag für ein "weiter so! " verbucht wird - das sollte einen nicht beruhigen. Sondern vielmehr fragen lassen, ob denn dieser beharrliche "Kampf gegen das Elend" nicht die Methode ist, in der alle guten Demokraten, aber durchaus nicht alle in gleicher Weise, ihren Frieden mit dem Elend der Demokratie abwickeln. Warum verschwindet es denn wohl nie bei all der vielen Hilfe?

Eine verkehrte Gewissensfrage

Das Vorführen von Elendsgestalten per Bild, Film oder Berichterstattung hat, durchaus beabsichtigt, etwas Unwidersprechliches an sich. Bilder von ausgezehrten Negerskeletten, Hungerbäuchen und dergleichen mehr sind überhaupt nicht darauf berechnet, die Frage nach dem "Warum?" des vor Augen gebrachten Elends aufzuwerfen und auf Antwort zu drängen. Im Gegenteil, die bunte Berichterstattung aus den weltweiten Elendsregionen hat vor, zusammen mit dem schlichten Sachverhalt, den sie wiedergibt, sogleich für die rechte Einstellung ihm gegenüber zu sorgen: Über das Gefühl des Betrachters soll dieser Kenntnis nehmen davon, daß es da etwas gibt, was sich nicht gehört und wogegen man schlechterdings Partei nehmen muß. Ganz ohne den Umweg des Nachdenkens über den Grund von all dem Dreck, mit dem man vertraut gemacht wird, soll man diesen ausschließlich begreifen als das, als was er einem in dieser Präsentation erscheint: als ein augenfälliges Dementi all der gewohnten Maßstäbe, nach denen man sich sein eigenes Leben und Fortkommen zurechtlegt. Und diese moralische Betroffenheit, die sich beim Vorführen lebender und toter Zeugen der verletzten Maßstäbe von Anstand, Würde und ähnlichem einstellt, soll zugleich auch noch für etwas anderes gut sein: Mit dem Mangel, den man da bemerken soll, soll sich auch gleich und ebenso unwidersprechlich die Methode aufdrängen, wie ihm abzuhelfen sei - "Denen muß man helfen!" - "Da muß jeder tätig werden!"

So banal nun einerseits das Mitleid ist, wenn man an sich das Unbehagen darüber bemerkt, wie dreckig es einem anderen geht, so verkehrt ist und wird es andererseits, wenn ausgerechnet diese Regung zur Tat schreiten soll. An die Stelle der Frage nämlich, welche Gründe und Interessen denn wohl das "Schicksal" zu verantworten haben, mit dem man sich da auf so ergreifende Weise konfrontiert sieht, tritt zuallererst und ausschließlich die Gewißheit, daß es sich hier um "Schicksal" handelt: Von Tätern will man absolut nichts wissen, aber daß es sich bei verhungernden Negern um bleibende Opfer handelt, dessen ist man sich auf jeden Fall sicher. So sicher, daß gegen alle vorhandenen Notwendigkeiten aus dem Reich von Geschäft und Gewalt, denen man getrost die Gründe für Hunger und das restliche Elend entnehmen kann, ein neuer und ganz privater Maßstab von Notwendigkeit und Praxis aufgemacht wird: Für wildfremde Menschen in entlegensten Weltgegenden will man sich da plötzlich verpflichtet und verantwortlich fühlen, zuständig sein und Gutes tun.

Ganz so, als hätte man sie erfunden, erklärt man sich zum persönlichen Anwalt der Gültigkeit jener Maßstäbe, an denen entlang offiziell das weltweite Elend gemessen wird und an denen man selbst es auch als grundloses "Opfer" beklagt - und schreitet als Anwalt der Humanität zu entsprechenden Taten, sooft die verlangt werden. Und diese offenbaren einiges über die Maßstäbe, die hier als zur "Hilfe" verpflichtend in Anschlag gebracht werden:

Da wollen Leute, die zeit ihres Lebens mit dem Reichtum, den es gibt, ohnehin nicht anders befaßt sind als mit der Kunst des Einteilens der knappen Mittel, die ihnen zugedacht sind, ausgerechnet noch die Pflicht verspüren, anderen was zukommen zu lassen - und warum? Weil es denen - augenscheinlich - noch schlechter geht! Zielstrebig beschert einem der Vergleich, der da angestellt wird, wenn man sich die formen bitterster Not vor Augen führt (bzw. führen läßt) und befindet, daß man es schon noch besser erwischt hat als die Hungerleider und Elendsdarber, das schlechte Gewissen, in dem die eigene eingehildete Zufriedenheit glatt noch als unverdiente Gnade erscheint. Die hat einem folglich schon auch etwas wert zu sein, so daß sich ein gutes Gewissen einstellt, wenn man ein paar Pesos für die Neger und andere übrig hat.

Daß sie ein einziges Zeugnis ihrer Armut abliefern, wenn sie dem Hungerneger den Hirsebrei und dem Inder die Reisschüssel spenden und dabei meinen, das wäre sie schon - wenigstens ansatzweise, wenigstens symbolisch -, die Hilfe, wollen diese mildtätigen Menschen natürlich überhaupt nicht wissen. Was sie in ihrer moralischen Selbstbezichtigung zuwegebringen, wenn ihnen die Besichtigung der Elendsschauplätze ein schlechtes Gewissen beschert, ist ja nichts weniger als die Übersetzung der eigenen Armut in einen Auftrag, sich dennoch gut bedient zu wissen. Und dieses Demutsprogramm schafft sich auch denen gegenüber sein Recht, an denen man sein Gewissen wieder heruhigen will: Da wird im Namen der "Humanität" ganz lässig darüber befunden, daß Neger und andere keinen Grund mehr zur Klage haben, wenn ein paar oder Tausend von ihnen länger am Leben bleiben oder einmal die Woche satt werden! Und man selber kommt sich entsprechend keineswegs zynisch, sondern großartig menschlich vor, wenn man dabei mitwirkt, ihnen dazu zu verhelfen!

Deshalb stört bei dieser Hilfe auch jede ernsthafte Frage nach ihrem Erfolg. Den Nachweis, daß es sie braucht, heute und immerzu, liefert der ganz gewöhnliche Gang von Geschäft und Politik in der stattlichen Anzahl der "Opfer" frei Haus, die ihrer - auswärts und daheim bedürfen. Und wo an diesen dieselben Standards von Wohlbefinden und Zufriedenheit angelegt werden, die ein demokratischer Untertan sich und anderen allenfalls noch zubilligen mag, da können Erfolge bei der "Hilfe" gar nicht ausbleiben, die man den allerletzten Kreaturen angedeihen läßt: Ein Baby, das überlebt - kann man da noch mehr verlangen?! Darf man da noch fragen, wie es denn lebt?! Und wieviel Tausende daneben verrecken?!

Und lauter falsche milde Gaben: Für den weltweiten Hunger - Nächstenliebe und 'Brot für die Welt'!

Diese verkehrte wie verbreitete Anschauung von der eigenen Armut und fremder Not, die einen moralischen Menschen zur Verabreichung milder Gaben drängt, will von oben angeleiert und angeleitet sein, damit sie praktisch wird. Die Anlässe fürs Spenden gehen ja nicht aus, und wer sollte darüber besser Bescheid wissen als diejenigen, die sie praktisch in die Wege leiten oder für ihre Legitimation als "Schicksal" zuständig sind. Dafür haben Christen z.B. die Hungerleider in Afrika und anderswo geradezu lieb:

"Der bayerische Landesbischof Hanselmann erinnerte die Gläubigen daran, daß sie jedermann Liebe schuldeten, ohne Unterschied, ohne Ausnahme und ohne Ansehen der Person. Die Nächstenliebe müsse an die Stelle von Lieblosigkeit, Egoismus und Vorurteilen treten." (Eröffnungsrede zu "Brot für die Welt", "Süddeutsche Zeitung", 2.12.)

Für den Pfaffen und seine Gläubigen machen die Toten des Hungers Sinn. Im Sterben sind die Hungerneger für Christen das lebendige Anschauungsmaterial dafür, daß der Wille ihres Herrn seinen auch hierzulande angesiedelten Ebenbildern einen Sinn ihres Lebens beschieden hat und worin der besteht: Am Hunger haben Christen sich ihr Lebensschicksal zu vergegenwärtigen als eine mit Würde zu tragende Bürde im Jammertal der Erde, als gottgefällige Bewährung der Sündernatur, die jeden Hang zum "Materialismus" als vom Teufel und Egoismus zu geißeln hat. Dem ist man indes ausgeliefert, solange man noch einen Schnaufer tut, weswegen man dem Herrn Dank schuldet, wenn der einen abruft. Allein wie dies den Negerbrüdern widerfährt, so unschuldig und "nackt im Wind", das hat einen moralischen Menschen betroffen zu machen und zu Anteilnahme zu verpflichten.

Ganz "ohne Ansehen der Person" sollen ihren Oberhirten zufolge alle guten Christenmenschen die Hungernden in ihr Gebet einschließen, ihnen ein bißchen Brot und sich die Genugtuung spendieren, daß die nicht umsonst, sondern als Gottes Geschöpfe verhungern.

Für die Politiker - viel Vertrauen!

Auch demokratische Politiker entnehmen dem Hunger und dem weltweiten Elend ein gar nicht bloß moralisches Gebot: Beides deuten sie als Pflicht, "Verantwortung" zeigen zu müssen, die sie tragen. Daß sie durch den weltweiten Einsatz von Kapital und Gewalt den Hunger zustandebringen, sehen sie genau umgekehrt: Das Elend auf der Welt, was da als "Schicksal" über einige Teile der Menschheit hereingebrochen sei, schreie geradezu nach politischem Handeln. Und diesem Ruf können sich die angestammten Vertreter von Menschenrecht und -würde im Weltmaßstab einfach nicht verschließen - in aller Bescheidenheit, versteht sich:

"Das Meer des Hungers können wir allein nicht austrocknen. Aber wir können beharrlich Dämme bauen und Inseln befestigen." (Bundespräsident Weizsäcker, "Süddeutsche Zeitung", 2.12.)

Dem Hunger, den sie mit Außenwirtschaft und -politik erzeugt, tritt dieselbe Herrschaft als von ihr zu bewältigende Aufgabe entgegen und weiß auch sogleich, an wen die recht eigentlich adressiert ist: Dem Volk will sie Bescheid erteilen, daß es mit seinen milden Gaben für den Hungerkampf antreten soll. Vor dieser Schicksalsmacht "Hunger" sind nämlich erst recht alle gleich, die kennt auf der einen Seite nur schuldlose "Opfer" und auf der anderen nur Menschen, die sich schuldig machen, wenn sie nicht helfen. Und auch bei dieser gebotenen "Hilfe" gilt nicht der Unterschied zwischen der Herrschaft, die sie einfordert, und denen, die sie zahlen sollen. Von einem guten Herzen sind - so teilt es der Präsident mit alle getragen; allein dann noch das Rechte in die Wege zu leiten, bleibt den von Amts wegen dazu Berufenen vorbehalten:

"Das Herz bedürfe freilich einer Anleitung des Verstandes und eines nüchternen Sinnes für Realität."

Und der gebietet erstens, daß man auch weiß, wann und für wen man spenden soll. Schließlich sollen ja die Deutschen mit ihren guten Werken demonstrieren, wo und gegen wen ihre Politiker auf der Welt zuständig sind. Gestern Polen, heute Äthiopien, morgen... Zweitens darf das nationale Hilfswerk nicht zur bloßen Caritas verkommen. Schließlich ist denen mittelfristig am besten geholfen, wenn wir mit ihnen unsere Geschäfte machen:

"Kredite nützen wenig, wenn gleichzeitig die Wirtschafts- und Währungsentwicklung der industriellen Welt die Zinsen in die Höhe treiben. Zur Zielvorstellung ebenbürtiger Partner gehört auch ein fairer Austausch von Gütern mit Nutzen für beide Partner."

Ausgerechnet den Hungerländern, in denen man das Resultat des Schaltens und Waltens der demokratischen Herrschaft besichtigen kann, spendiert der Präsident das Recht, "von uns" als "ebenbürtiger Partner" behandelt zu werden. Und warum? Weil "wir" dann ein ebenbürtiges Partnerrecht darauf haben, daß sie dem Interesse nachkommen, das "wir" an ihnen haben, und der stinknormale und beinharte Imperialismus dann dasteht wie ein weltweites Fairneßprogramm.

Für die Elendstrommler der Öffentlichkeit - Respekt!

Neben den Pfaffen und Politikern kennt das Elend auch Moralisten aus Profession, die im humanitären Kampf gegen "Hunger-" und andere "Katastrophen" leuchtende Vorbilder sind. Da gibt es welche, die es als einen persönlichen Auftrag verstehen, unter Aufbietung großer Opfer in Äthiopien Antihungerprojekte zu organisieren und zwischendurch die heimische Republik zu bereisen, um dort für Erkenntnisse der folgenden Art zu werben:

"Immer wieder wird auf die Hoffnungslosigkeit hingewiesen, angesichts des Übermaßes an Elend, den Kampf dagegen aufzunehmen. Dabei ist die Erkenntnis, daß der einzelne zwar nicht die Welt verändern kann, aber sich selber, genauso entscheidend wie der Glaube daran, daß mit der Hilfe für einen allen geholfen ist." (Karlheinz Böhm)

Wahrlich ein glänzendes Vorbild des tätigen Mitleids, der Herr Böhm: Seine Karriere hat er aufgegeben, um sich ganz der Hilfe von Verhungernden zu widmen. Selbstlos und ohne den Anschein eines Eigeninteresses tut er Gutes. Unsere Politiker kritisiert er sogar, daß ihre Entwicklungspolitik falsch sei oder zu gering ausfalle und schlimme Folgen habe; daß statt für die Hungernden so viel Geld für die Rüstung ausgegeben werde. Auch daß die Politiker den Ost-West-Gegensatz zu einem Kriterium ihrer Entwicklungspolitik machen, mag er gar nicht.

Ein rundum guter Mensch, dieser Herr Böhm, weil er aus dem Wissen oder auch nur aus der Ahnung, woher denn die 800 Millionen Hungernden auf der Welt kommen, keinen Schluß zieht, sondern in Absehung von allen Gründen und Schuldigen für das weltweite Hungerelend sich dem edlen Zynismus verschrieben hat, als Mensch Menschen zu helfen und durch seine vorbildlichen Taten immer mehr Menschen dafür zu missionieren. In ihrem Glauben an das Gute im Menschen, der keinesfalls Berge versetzt, lassen sich Leute wie Böhm längst nicht mehr von der Trostlosigkeit der Auffassung beirren, einen, 100, vielleicht auch 1000 Neger am Leben zu halten, wäre etwas Feines. Wenn einem geholfen ist, so allen, heißt der religiöse Wahn der "humanitären Hilfe"; und seine besondere Glaubwürdigkeit erhält diese Gleichung dadurch, daß dieser Mann mit dem tätigen Mitleid "radikal ernst" gemacht hat. Das macht ihn so selbstsicher und unangreifbar. Und das erfüllt mehr als den Tatbestand der Spinnerei eines Menschen, der mit seinem "Gutes tun" weggetreten ist von allem, was wirklich läuft. Böhm, der zwar einem Menschen helfen will, aber nie auf die Idee käme, zweien, z.B. dem Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten, die in Afrika für kontinuierlichen Hunger sorgen, weil sie bei ihrer Entwicklungspolitik auf den deutschen Nutzen achten, ans Bein zu pinkeln, paßt den verantwortlichen Machern des weltweiten Hungers so richtig ins Konzept. Da können der Bundespräsident oder der Bundeshanzler den Böhm zu seinen guten Taten beglückwünschen und ihn dem Volk, das spenden soll, als vorbildhaft offerieren Denn das Gejammer über den Hunger, die mildtätige Spende, die selbstlose Tat vor Ort - das sind die erwünschten moralischen Zugaben zum Wirken des Imperialismus Made in Germany: Die selbstverständlich über jeden Zweifel erhabene, weil deutsche Politik sorgt in Afrika für das (Hunger-)Material an dem sich Böhm und sonstige Menschen guten Willens zum Wohle des moralischen Ansehens Deutschlands betätigen können. So kriegen die oben ihr gutes Gewissen hin, als Zugabe zu dem, was sie offensichtlich eigentlich treiben. - Da kann ja die Öffentlichkeit nicht abseits stehen:

Wenn sich "Helfen" gehört

Keine Zeitung will es sich nehmen lassen, in vorweihnachtlicher Zeit dem Elend eine spezielle Rubrik zu widmen. Das Abschildern des gewohnheitsmäßigen Lebensprogramms von Leuten, die sich weder Heizung noch warme Suppen leisten können, soll noch einmal bloß eines bewerkstelligen: Über die - entsprechend unschuldigen - Betroffenen ist ein "Schicksal" hereingebrochen und "Hilfe" steht zu Gebote. Verdient haben die Betroffenen mit ihrem "Los" auf keinen Fall ein regelmäßiges Monatseinkommen in ausreichender Höhe - wer hat das schließlich schon? -, sondern ein Almosen, dessen Wert die "Süddeutsche Zeitung" so liebgewonnen hat, weil sich die Erfolgsquote im Elendskampf gar nicht hoch genug ausrechnen läßt:

"Die weihnachtliche Hilfsaktion des 'Adventskalenders für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.' hat in all den vergangenen Jahren unschätzbare Erfolge gebracht: menschliche, berührende, aufrüttelnde."

Und das schon seit 1948! Auf wieviele "menschliche Erfolge" die bundesdeutsche Demokratie da hätte verzichten müssen, gäbe es ihr Elend nicht und die wackeren Streiter gegen es!

Und auch die kämen da gar nicht so schön zum Zuge, die zwar schon im Licht der Öffentlichkeit, aber noch nicht genug in dem ihrer guten Gesinnung stehen. Aber so können die Hofnarren des bürgerlichen Stalls aus Fernsehen, Film und Kulturleben einfach nicht mehr abseits stehen, wenn gleich neben ihnen und pünktlich zum 1. Aduent "unendliches Leid" bekannt wird: "Ich war tief erschüttert. Da muß man einfach helfen." (Thomas Gottschalk in "Na sowas!") Diesmal waren's "krebskranke Kinder", für die die Prominenz 1 Tag Autogramme und Lebkuchen verkaufte und Opfer brachte: "Für den guten Zweck nehme ich einen Schnupfen gerne in Kauf." (Ein Schauspieler, natürlich) Doch es geht auch ohne sichtbare Entbehrungen. Das gute Gewissen feiert geradezu Hochkonjunktur, wenn auf Galadiners und Festbanketts die Luxusabteilung ihre Erbauung an der eigenen Angeberei pflegt - ganz ohne Heuchelei, weil die ganze Veranstaltung, auf der man im Licht der Presse frißt und säuft wie gewöhnlich, dem guten Zweck gewidmet ist, der "Not lindern!" heißt. Der Teller Suppe ist ein Symbol, kostet entsprechend ein Monatsgehalt, was aber nichts macht und gerne bezahlt wird: Für den Hunger scheut man keine Kosten, und die Steuer honoriert einem diese Heuchelei ja obendrein auch noch.

Ein Sänger singt seine Opern für die "Erdbebenopfer" in Mexiko; ein Strapsgürtel namens "Madonna" "singt für Afrika" usw. usw. Kein Kulturschaffer will es sich nehmen lassen, in Sachen Elend und Hilfe seine Dienste anzubieten, so daß die Neger bei all dem, was sie kosten, doch immerhin auch die Kultur bereichern!