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Dieser Artikel ist in der MSZ 9-1985 erschienen.

Systematik

Der "Referentenentwurf eines Zivilschutzgesetzes"
HEIMATFRONT IM GRIFF - DER KRIEG KANN KOMMEN

Die 'Wende'-Regierung möchte ihren im Juni letzten Jahres veröffentlich ten Entwurf für ein Zivilschutzgesetz (ZSG) nach der parlamentarischen Sommerpause verabschieden. In 59 Paragraphen will dieser Entwurf das rechtlich Nötige dafür getan haben, daß sich im "Spannungs- und Verteidigungsfall" der Geltungsbereich dieses Gesetzes als Heimatfront bewähren kann. Seinem Gegenstand entsprechend, denken die Urheber des Gesetzeswerks mit einer Konsequenz vom Standpunkt des eingetretenen Kriegsfalles aus, daß für ein unvoreingenommenes Urteil eines außer Zweifel steht: Diese Leute kalkulieren mit dem Krieg und halten die BRD-Gesellschaft, der sie vorstehen, für uneingeschränkt kriegstauglich.

Die friedensbewegten Vorwürfe gegen Zimmermanns ZSG, es könne "den Schutz der Zivilbevölkerung nicht wirklich gewährleisten" und sei womöglich nur zwecks Aufrechterhaltung der "Illusion eines funktionierenden Zivilschutzes" erfunden worden, täuschen sich. Ohnehin keineswegs ein Einwand gegen Krieg, sondern gegen seine Erfolgsaussichten, verwechselt diese Sorte Kritik mit zielstrebiger staatsbürgerlicher Untertänigkeit die staatlichen Absichten in Hinsicht auf die Bevölkerung mit Schutz und Fürsorge - selbst noch da, wo das Töten und Sterben im Staatsauftrag in Rede steht! Demgegenüber stellt der ZSG-Entwurf als passende Ergänzung zur Wehrgesetzgebung klar, wie das demokratische Staatswesen BRD auch mit seinen Zivilisten kalkuliert: als dem Menschenmaterial einer erfolgversprechenden Kriegführung.

V -Fall: Alle Zuständigkeiten geregelt

Dies wird schon an folgendem deutlich: Das christlich-liberale Gesetz will sich von seinem sozialliberalen Vorgänger, dem Entwurf eines "Gesundheitssicherstellungsgesetzes", geradezu demonstrativ dadurch unterscheiden, daß es den "Verteidigungsfall" keineswegs als bloßen Sonderfall aller möglichen quasi naturwüchsigen "katastrophen" herunterspielt, sondern sich selbstbewußt zum Krieg als dem regelungsbedürftigen Fall bekennt und umgekehrt die gewöhnlichen "Katastrophen", die ein demokratischer Kapitalismus so mit sich bringt, als bedingt vergleichbare mindere Vorstufen des "Verteidigungsfalles" auffaßt. Die dafür längst vorhandenen gesetzlichen und sachlichen Mittel werden folgerichtig als durchaus kriegsverwendungstauglich gelobt:

"Im Verteidigungsfall steht neben den Einheiten und Einrichtungen des erweiterten Katastrophenschutzes auch das sonstige in den Ländern vorhandene Hilfspotential zur Verfügung. Die gesetzlichen Aufgaben und Zuständigkeiten der Länder... bleiben im Verteidigungsfall unverändert. Dies gilt auch für die Aufgaben nach den Katastrophenschutzgesetzen der Länder, da der Begriff 'Katastrophe' nicht auf eine friedensmäßige Ursache abstellt. Der Einsatz des übrigen Hilfspotentials der Länder ist somit im Verteidigungsfall aufgrund Landesrecht gesichert. Die vorliegende bundesgesetzliche Regelung beschränkt sich deshalb auf die Einheiten und Einrichtungen des erweiterten Katastrophenschutzes, die speziell für den Verteidigungsfall vorgehalten werden oder hierfür zusätzlich ausgebildet und ausgestattet werden." (Begründung, S. 28)

Um das Instrumentarium für die kriegsmäßige Indienstnahme auch aller zivilen bundesdeutschen Volksgenossen haben sich sämtliche bisherigen Landes- und Bundesregierungen (auch die SPD war da mal wieder nicht vaterlandslos!) bereits so erfolgversprechend gekümmert, daß sich ein Bonner CSU-Innenminister anno 85 neben der "Weiterentwicklung des materiellen Zivilschutzrechts" darauf konzentrieren kann, der vom 3.7.1980 datierenden einstimmigen Bundestags-"Forderung nach Zusammenfassung, Vereinfachung und besserer Transparenz des Zivilschutzrechts Rechnung zu tragen" (Begründung, S. 2). Der ausgesprochen bürokratische Eindruck, den sein Gesetzeswerk hinterläßt - die minutiöse Verteilung der Zuständigkeit zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Kreisen, "Hilfsorganisationen" etc. samt "Stadtstaatenklausel" und Datenschutzregelung im V-Fall macht einen Großteil des Entwurfes aus -, beweist schlagend, daß sich die demokratische Amtsgewalt mit der Kriegsplanung für die Heimatfront bislang keine anderen Sorgen zu machen braucht als um die interne Festlegung ihrer Befehlskompetenz! Was - als Gesetzestext - daherkommt fast wie der Idealismus, als wäre mit der rechtlichen Regelung aller Sachverhalte, die der "Spannungs- und Verteidigungsfall" auf die Tagesordnung setzt, auch ihr praktisches Gelingen quasi schon garantiert, drückt nichts aus als die Gewißheit der BRD-Staatsmacher - und die ist ja leider alles andere als eine haltlose Einbildung! -, daß ihren Ge- und Verboten durch ihr Uolk getreulich Gefolgschaft geleistet wird, auch wenn Krieg ist. Und die unzähligen Querverweise des ZSG auf andere Gesetze und Verordnungen - und zwar nicht nur auf die auch heute schon respektable Anzahl in "Katastrophen"-Dingen einschlägiger Rechtsvorschriften, sondern auch auf Arbeitssichcrstellungsgesetz, Lohnfortzahlungsgesetz, Reichsversicherungsordnung, Entschädigungsbestimmungen, Entwicklungshelfergesetz usw. usf. geben über eines klare Auskunft: das zivile Leben der demokratisch verfaßten kapitalistischen BRD bringt im Frieden alle Mittel hervor, sachlicher Natur ebenso wie hinsichtlich der Mitmacherqualitäten ihrer Bürger, die ihre politischen Kommandogeber für die Bewältigung des Ernstfalls brauchen. Die Zuversicht, ihre Untertanen als Manövriermasse für Krieg und Frieden behandeln zu können; die Sicherheit, daß diese im Krieg erst recht für ihre Obrigkeit einstehen; kurz: die Tatsache, daß das Volk seine Politiker bisher durch alltäglich praktizierten Nationalismus verwöhnt hat - das ist der praktische Ausgangspunkt einer Staatsgewalt, die ihrem Kanonenfutter ein Heimatfrontförderungsgesetz präsentiert. Die totale Verrechtlichung des zivilen Daseins und jetzt auch noch des "Zivilschutzes", also der totale Zugriff der Staatsgewalt auf die Lebensbedingungen ihrer Leute, macht es ihr außerdem noch ausgesprochen einfach, ihr Wirken unter striktester Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit abzuwickeln. So daß Paragr. 57 ZSG ("dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot entsprechend) tatsachlich den Gipfel der Demokratie markiert:

"Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit der Person, der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt."

Besser ist Demokratie eben nicht zu haben als mit dieser Klarstellung, daß die Zurichtung der Heimatfront für den Krieg gegen die "Unfreiheit" aus dem "Reich des Bösen" die Vollendung von Freiheit und Demokratie darstellt!

Die Zivilbevölkerung: Soldaten der Heimatfront

Geradezu lächerlich, gemessen an der Sicherheit der maßgeblichen Politiker über das Gelingen ihres Zugriffs auf Land und Leute im Kriegsfall, nehmen sich die Zweifel der Standesgruppen aus der Friedensbewegung aus, ob "Zivilschutz" heute denn überhaupt machbar sei. Die politischen Befehlshaber der Demokratie, denken eben auch dann, wenn sie z.B. im ZSG-Abschnitt "Warnung vor Gefahren" die versammelten Schönheiten moderner Kriegführung von "Luftangriffen oder Fernwaffenbeschuß" bis "radioaktiven Niederschlag, biologische oder chemische Kampfmittel" auflisten, keineswegs in moralischen Kategorien von "Menschheitskatastrophen", sondern in nüchternen strategischen Kategorien der eigenen Siegfähigkeit: Den militärischen Kalkülen, wie durch Ausschaltung feindlicher Waffen-'Optionen' die eigenen erhöht, dem Kriegsgegner auf jeder erreichten Stufe des Krieges bei eigener Freiheit zur Eskalation die Kapitulation 'angeboten' werden kann etc., ordnet die real existierende Kriegsplanung das eigene Territorium als möglichen Frontabschnitt, als Hinterland der Kriegführung und als Nachschubbasis zu. Weit entfernt von der Kassandra-Perspektive des ,Im Atomkrieg geht doch alles kaputt', wollen die bundesdeutschen Kriegsplaner im vollen Bewußtsein, daß sie bei einem Waffengang allerhand an Land und Leuten bei sich daheim aufs Spiel setzen, die möglichst reibungslose Funktionsfähigkeit der Heimatfront für den Kriegszweck gewährleisten. Dies und sonst nichts ist der wirkliche Maßstab des "Zivilschutzes", der zeigt, daß die Unversehrtheit des "geschützten" Volkes absolut kein Zweck staatlicher Kriegführung ist (sonst käme ja auch ein Krieg niemals zustande!), sondern nur interessiert im Sinne seiner Kriegsverwendungsfähigkeit - also um das Leben der werten Volksgenossen immer erneut zu riskieren!

Man sollte also den Quatsch mit "Zivilschutz geht gar nicht" lassen und statt dessen, z.B. anhand der Vorschriften für Schutzräume im ZSG, zur Kenntnis nehmen, wie ein Staat, der an Krieg denkt, mit seinen Leuten rechnet, auch wenn die nicht an der Front stehen. Das weiß er nämlich auch, daß etwa gegen einen (einkalkulierten!) atomaren Volltreffer kein Bunker hilft, so daß sich sein Interesse am Bunkerbau, durchaus im Unterschied zu Weltkrieg II, in Grenzen hält. Andererseits weiß er genausogut (und besser als seine Friedensbewegung), daß auch beim modernen Krieg nicht auf einen Schlag über Sieg oder Niederlage entschieden wird - schließlich haben die größten atomaren Wuchtbrummen bis heute keinen Schuß Karabiner-Munition überflüssig gemacht, und der sog. "konventionelle" Krieg erfreut sich Mitte der 80er Jahre komischerweise sogar bei Friedensfreunden steigender Beliebtheit! Und dafür hegt die staatliche Voraussicht in Hinsicht auf die Heimatfront eben ein bedingtes Interesse an "Schutzbauten" und ordnet z.B. an:

"Bauliche Anlagen, insbesondere Tiefgaragen und U-Bahn-Anlagen sowie Kellerräume in Schulen, können so errichtet oder ausgebaut werden, daß sie der Bevölkerung als öffentliche Schutzräume zur allgemeinen Benutzung zur Verfügung stehen (Mehrzweckbauten)." (Paragr. 12)

Vom staatlichen Ernstfalldenken aus sind Schulen und U-Bahnen eben verschenkt, wenn sie bloß einem, nämlich ihrem Zweck dienen! Ferner erscheint diesem Denken die "Wiederherstellung früherer Schutzbauwerke", die der Rechtsnachfolger BRD vom Führer geerbt hat, auswahlsweise nützlich; dazu wird noch "die Höchstgrenze der Geldbuße für unerlaubte Änderungen an Schutzräumen" von 5.000 auf 200.000 DM angehoben.

So wenig also der Verdacht von Friedensfreunden zutrifft, der staatlich geförderte Bunkerbau sei bloß symbolisch gemeint und diene der Beruhigung der Bevölkerung (als würde die andernfalls einen Aufstand anzetteln!), so wenig stimmt die Unterstellung, von der aus dieser Verdacht erst aufkommt: die demokratische Staatsgewalt müßte "eigentlich " für den Schutz ihrer Leute da sein. Die hat nämlich im V-Fall entschieden andere Sorgen mit ihren Zivilisten. Da sind z.B. Panikreaktionen in den Griff zu bekommen. Außerdem: Abhauen, wenn die Kriegsmaschinerie zum Einsatz kommt, wird nicht nur beim uniformierten Personal der nationalen Verteidigung als Vergehen gegen die höchste Staatsbürgerpflicht behandelt:

"Zum Schutz der Bevölkerung oder (!) für Zwecke der Verteidigung kann angeordnet werden, daß der gewöhnliche Aufenthaltsort nur mit Erlaubnis verlassen werden darf." (Paragr. 17)

"Zum Schutz der Bevölkerung oder für Zwecke der Verteidigung können Bewohner besonders gefährdeter Gebiete vorübergehend evakuiert werden." ( Paragr. 18)

Wenn die Regierung den "Spannungs- oder Verteidigungsfall" beschließt, ist das Volk mit absoluter Ausschließlichkeit Manövriermasse für die Kriegsziele des eigenen Staates. Dann sorgt nicht nur der Verteidigungsminister mit seiner Wehrmacht, sondern auch der Innenminister mit dem entsprechenden Gewaltapparat nach innen für das Funktionieren der Nation. Das pure Überlebensinteresse seiner Untertanen darf Kriegsplanung und -verlauf nicht stören, so daß der "Schutz der Bevölkerung" zusammenfällt mit den "Zwecken der Verteidigung" (die unabsichtliche Ehrlichkeit des "oder" zwischen "Schutz " und "Verteidigung" ist schon gelungen!): Je nach militärischer Kalkulation wird das zivile Kanonenfutter am Ausbüchsen gehindert oder gemäß staatlichen "Anordnungen zur Evakuierung" an der Heimatfront verschoben.

"Helfer im Zivilschutz": Aufräumpersonal für die Heimatfront

Denn wer seinen Dienst am Vaterland nicht an den diversen Gerätschaften der neuen Deutschen Wehrmacht erfüllt, wird für die Verteidigung der Heimat gemäß ZSG eingesetzt:

"Männer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und nicht zum Wehrdienst im Verteidigungsfall herangezogen werden, können zum Dienst als Helfer im Zivilschutz herangezogen werden." ( Paragr. 38)

"...anerkannte Kriegsdienstverweigerer... Dieser Personenkreis ist in einem Verteidigungsfall nach Paragr. 75 des Zivildienstgesetzes zur unbefristeten Zivildienstleistung verpflichtet." (Begründung, S. 40)

"Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig Anordnungen... nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nachkommt...

Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldstrafe... bis zu 20.000 DM geahndet werden." ( Paragr. 50)

"Wer als herangezogener Helfer eine dienstliche Anordnung nicht befolgt,... eigenmächtig den angeordneten Dienst im Zivilschutz verläßt oder ihm fernbleibt..., um sich der Verpflichtung zum Dienst... dauernd oder für den Verteidigungsfall zu entziehen,... wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft." ( Paragr. 51)

Daß der Krieg ganz nach seinen Maßstäben vorbereitet und abgewickelt wird, auch bezüglich der Dienstverpflich teten an der Heimatfront, garantiert sich der Staat mit seinen Gewaltmitteln - bis hin zur detaillierten Regelung der staatlichen Rache an denjenigen, die sich aus kleinlicher Rücksicht auf ihr bißchen Leben seiner absoluten Verfügungsgewalt zu entziehen versuchen. Leute, die derzeit schon ihre Freizeit bei einschlägigen Vereinern verbringen, schätzt unser weitblickender Staat ganz besonders - als Fachkräfte für den V-Fall! "Helfer im Zivilschutz,... die aufgrund einer freiwilligen Verpflichtung ehrenamtlich in Einheiten... des Zivilschutzes mitwirken", verpflichtet das ZSG zu Manöverübungen für den anstehenden "Ernstfall":

"Der Helfer hat an Einsätzen, Ausbildungsveranstaltungen und am Bereitschaftsdienst teilzunehmen und die Weisungen seines Vorgesetzten zu erfüllen." (Paragr. 33)

Angeleitet werden die "Helfer" dabei natürlich von Profis, die sie im V-Fall möglichst zu ersetzen haben: Das Gesetz verspricht die

"Fortsetzung der bewährten Praxis... wonach besonders qualifizierte Helfer in der Ausbildung und Organisation des Zivilschutzes mitwirken, deren Verfügbarkeit im Spannungs- und Verteidigungsfall nicht gewährleistet ist. Auf die Fachkunde dieses Personenkreises, zu dem u.a. Soldaten und Polizeibeamte gehören, kann im Frieden nicht verzichtet werden." (Begründung, S. 46)

Die Zivilschutzvereine der BRD - je schon paramilitärische Verbände! Aber halt, wo bleibt das Humanitäre? Kommt schon - Gelegenheit zur Praxis von Aufräumungs- und Sortierarbeiten unter der "Zivilbevölkerung" verschafft die BRD ihren "Helfern im Zivilschutz" von der Abteilung "Technisches Hilfswerk" bei "humanitären Auslandseinsätzen" schon vor der Endabrechnung mit dem Hauptfeind:

"Die Bundesregierung nimmt in ständiger Praxis in Anspruch, humanitäre Hilfe im Ausland aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Pflege auswärtiger Beziehungen leisten zu können... Einsätze, die in der Vergangenheit relativ häufig auftraten, der letzte derartige Fall war der Libanon-Einsatz des Technischen Hilfswerks im Herbst 1983..." (Begründung, S. 51)

Katastrophen sind Klasse - vor allem solche im Ausland -, weil unentbehrliche Übungsfelder für unsere Jungs vom Zivilschutz für ihre große Stunde im V-Fall!

Gesundheitswesen: Instandhaltungsbetrieb für wiederverwendbare Volksgenossen

Ebenfalls "besonders qualifiziert" für bestimmte "Teilaufgaben des Zivilschutzes" ist nach staatlicher Definition das Personal "von Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung". Das ist ja auch wahrhaftig kein Wunder beim vorgesehenen Verschleiß von Menschenmaterial. Zur Bewältigung des regierungsamtlich kalkulierten "Massenanfalls von Verletzten im Verteidigungsfall" verpflichtet das ZSG das Gesundheitswesen zu folgenden "Maßnahmen":

"1. die Aufstellung und Fortschreibung eines Planes von Maßnahmen der gesundheitlichen Versorgung in einem Uerteidigungsfall auf der Grundlage vorhandener Einrichtungen und vorhandenen Personals,

2. die Planung der Kapazitätserweiterung bestehender Krankenhäuser,

3. die Bereitstellung von Hilfskrankenhäusern,

4. die Planung und Deckung des personellen und materiellen Bedarfs und

5. die Bevorratung von Sanitätsmaterial."

Träger und Inhaber von Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung haben auf Verlangen die Auskünfte, die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlich sind, zu erteilen..." (Paragr. 26)

Die staatlich organisierte "gesundheitliche Versorgung" einerseits und der kriegstaugliche Einsatz des medizinischen Personals und Instrumentariums andererseits sind demnach keineswegs sich widersprechende Zwecke, wie dies die standesbewußten Gewissenswürmer von "Ärzte gegen den Atomkrieg" usw. ihrem obersten Dienstherrn vorhalten. Der - nicht erst von Blüm und Co kostengedämpfte - Betrieb zur Billigbetreuung verschlissener Gesundheit funktioniert nämlich schon immer im staatlichen Auftrag der Volksgesundheit. Und was das heißt, ist kein großes Rätsel. Das Zusammenflicken noch brauchbarer ebenso wie das Ausmustern nicht mehr "therapiefähiger", weil im Dienst an der "freien Marktwirtschaft" und ihrer feinen "Rechtsordnung" verbrauchter Arbeitsleute - dieser in 40 Jahren BRD-Frieden praktizierte Auftrag des Gesundheitsdienstes wird durch das ZSG nur in einer Hinsicht modifiziert, die freilich dem moralischen Schein des einschlägigen Standes eine harte Nuß zu knacken gibt: Das medizinische Reparieren und Aussortieren erfolgt "unter den Bedingungen" und "nach den Erfordernissen des Verteidigungsfalles" = der Behandlung des Kanonenfutters nach seiner Kriegsverwendbarkeit.

Die "Regelungen" über den "personellen und materiellen Bedarf " sowie detaillierte Sortierungslisten für "Katastrophenopfer" gibt's im übrigen längst für die "friedensmäßige Gesundheitsversorgung":

"Die Regelungen ergeben sich aus dem Grundsatz, daß der Bereich des gesundheitlichen Zivilschutzes auf der Versorgung in Krisenfällen als Teil der friedensmäßigen öffentlichen Versorgungsaufgabe der Einrichtungen des Gesundheitswesens aufbaut. Ohnehin müssen bei der Planung von Krankenhäusern als den Schwerpunkten der Hilfeleistung in Notfällen Gesichtspunkte der Bewältigung einer plötzlich anfallenden großen Anzahl von Verletzten und Erkrankten und sonstigen Gefahrenlagen, die sich aus der technischen Umwelt (!) ergeben, berücksichtigt werden." (Begründung, S. 36)

Die im Staatsauftrag von der Atom- bis zur Chemieindustrie gestaltete "Umwelt" dieser Republik bietet der Bevölkerung nämlich "ohnehin" die Aussicht auf solche "friedensmäßige Gefahrenlagen" wie größere oder kleinere GAUs, Giftgaswolken u.ä. staatlich kalkulierte "Notfälle", für deren ordentliche Abwicklung alles Nötige zur Verfügung steht: vom Triage-geschulten Mediziner-Personal bis zu farblich sortierten Selektionszettelchen für "Katastrophenopfer". Die einschlägig engagierten Moralpinsel könnten sich ihre Aufregung über die kriegsmäßig auf die Spitze getriebene ärztliche Sortierungs-Kunst wirklich schenken, solange sie gegen die Gründe solcher "friedensmäßigen" Zustände nichts einwenden wollen ! Was die "Bereitstellung des für einen Einsatz im Verteidigungsfall erforderlichen Personals im Gesundheitswesen" betrifft, sind die "erforderlichen Maßnahmen im Arbeitssicherstellungsgesetz (Paragr. 24)" ebenfalls schon so weit "geregelt ", daß die ansonsten den demokratischen Arbeitsdienst verwaltenden Arbeitsämter auch für die Rekrutierung zum "zivilen" Kriegsdienst zuständig sind. Paragr. 29 ZSG garantiert darüber hinaus den staatlichen Zugriff auf die gesamte Personalreserve für das Lazarettwesen:

"Bei einer Mobilisierung der Personalreserve der Bundeswehr und Feststellung der Einsatzbereitschaft der Einheiten des erweiterten Katastrophenschutzes würde aus dem zivilen Gesundheitswesen eine große Anzahl qualifizierter Fachkräfte abgezogen... Um zu gewährleisten, daß zusätzliche Mittel und ausreichend Ersatzpersonal gestellt wird, sind rechtzeitig personelle Bedarfsschätzungen und Anordnungen vorzunehmen."

"Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ermächtigt, die Meldepflicht der nicht berufstätigen Angehörigen der Gesundheitsberufe zu bestimmen und den meldepflichtigen Personenkreis, die meldepflichtigen Angaben, den Zeitpunkt der Meldung... sowie das Verfahren der Erfassung im einzelnen zu regeln." (Paragr. 29)

Priorität bei der Verteilung seines Menschenmaterials auf die Dienste, die der BRD-Staat für den Sieg seiner Freiheit über das "menschenverachtende System im Osten" plant und vorbereitet, hat selbstverständlich der Einsatz in der Militärmaschinerie. "Ausreichendes Ersatzpersonal" für die an die Leos, Tornados etc. abkommandierten "Fachkräfte" aus der Gesundheitsverwaltung besorgt sich der Arbeitsminister aus den Reihen derjenigen, die sich jemals im bundesdeutschen Gesundheitswesen nützlich gemacht haben. Die Ausbildung für den Medizinbetrieb schließt also, rechtsstaatlich korrekt kodifiziert, die Kriegsdienstverpflichtung von Haus aus mit ein.

FAZIT

So stellt sich an Zimmermanns Gesetzentwurf zur Sicherstellung der Kriegstauglichkeit der Heimatfront Punkt für Punkt heraus, daß die demokratischen Staatsführer fest damit rechnen, den Friedendienst ihrer Untertanen an der deutschen Nation erfolgreich in den Kriegsdienst überzuführen, wenn sie den Eintritt des "Verteidigungsfalles" beschließen. Offenbar befähigt das unbehelligte Gebieten der Sachwalter des demokratischen Kapitalismus über die Friedenszustände, genannt "unser System der Freiheit und Demokratie", diese zu politischen Ansprüchen, die nur mit Krieg zu haben sind.

Arzt am Srheideweg

Kritische Ärzte halten es für moralisch verwerflich, sich an kriegsmedizinischer Aus- und Fortbildung zu beteiligen, weil "im Atomkrieg ärztliche Hilfe nicht möglich ist".

Die Bundesärztekammer hält dagegen die Vorbereitung von Ärzten auf Kriegszustände für moralisch geboten. Ihr Geschäftsführender Arzt Michael Popovic schreibt dazu im "Ärzteblatt", im Krieg werde es "neben einer Vielzahl an Toten zu einer ebenso großen Anzahl Verletzter, Verwundeter, Verbrennungsverletzter und Strahlengeschädigter kommen". Dann müsse jeder Arzt "zur Verfügung stehen und kann weder straf-, zivil- oder berufsrechtliche noch politische Argumente anführen, die ihn von seiner Verpflichtung zur Hilfeleistung freistellen könnten."

Preisfrage:

Welche Moral ist die bessere? Warum?

Oder ist Gegnerschaft zum Krieg und seinen Machern vielleicht gar keine Frage der Moral, sondern des Interesses?

Skandal: DGB beim Herrichten der Heimatfront übergangen!

Harsche Kritik hat der schwarz-rot-goldene Gewerkschaftsbund am Zivilschutzgesetz zu vermelden:

"Bei keiner der vorgesehenen Maßnahmen (ist) eine Beteiligung der Vertretungen der Arbeitnehmer vorgesehen, und zwar weder der Betriebsvertretungen noch der Gewerkschaften. Dies trifft insbesondere auch Informationen, von Mitwirkungsrechten ganz zu schweigen." (Stellungnahme des DGB zum Referentenentwurf eines Zivilschutzgesetzes)

Kriegsvorbereitungen ohne verantwortungsvolles Mitquatschen und -bestimmen der gewerkschaftlichen Vertreter der Manövriermasse für Krieg und Frieden - da sind die Führer der deutschen Arbeitsfront schwer beleidigt.

Wer hat nun recht? Der Minister, weil im Krieg der Kaiser keine Parteien mehr kennt, oder die Gewerkschaft, weil es wirklich ungerecht ist, eine solche Säule des Staats vom Mitgestalten der Heimatfront auszuschließen?