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Friedrich Nowottny
BONNER CHARAKTER
Was macht einen, der jeden Freitag, Woche für Woche, Jahr für Jahr seinen Bericht aus Bonn abgibt, dabei so vergnügt? Als habe er immer wieder höchst amüsante Dinge zu berichten, beginnt Nowottny schmunzelnd, kündigt jede der Reportagen mit schon erheitertem Augenzwinkern an, um beim Schlußkommentar über sein ganzes Gesicht zu strahlen. Und dabei ist keine einzige Pointe vorgekommen.
Verständnis
Nownttny hat eine Technik politischer Berichterstattung zu seiner Spezialität gemacht, die ungefähr immer folgende zwei Muster variiert:
- Da haben sie sich was vorgenommen und es klappt nicht. Streit in der Koalition oder kein Geld da oder sonst irgendwelche Hindernisse.
- Da machen sie große Sprüche, verkünden erhabene Prinzipien - und es geht ihnen bloß um sich selbst bzw. die eigene Partei.
Fazit: So geht es nun mal zu in der Welt. Das ist schon immer die ganze Mitteilung übers politische Tagesgeschehen. Damit ist er fertig und strahlt zufrieden.
Nowottny ergreift niemals Partei für irgendein politisches Vorhaben, Rentenreform, Scheidungsrecht oder was auch immer, und noch viel weniger für eine Partei oder einen Politiker. Genausowenig würde er sich über "Skandale" entrüsten oder an "Problemen" leiden, also die Demokratie im Namen der Ideale rühmen, die sie immer so unzulänglich realisiert. Nowottny gibt sich alleweil gelassen-distanziert, und das ist auch schon die ganze Botschaft, die er losbringen will: Man solle sich nicht von den Spiegelfechtereien und wohltönenden Reden täuschen lassen; Politik sei immer etwas ganz anderes, als sie von sich selbst behauptet, nämlich in Wirklichkeit "bloß " allzu menschliches Parteierigezänk und ebenso menschliches mühsames Handwerk. Er ergreift also Partei, und zwar gleich für die Demokratie als Ganzes, als richtig zu würdigendes Geschäft.
Das kann nie in Kritik ausarten, genau entgegengesetzt ist das schiere Verständnis das einzige Resultat und offensichtlich für ihn und seine Gemeinde ein sehr zufriedenstellendes Resultat. Mit dem Hinweis auf Schwierigkeiten des Geschäfts im demokratischen procedere und angebliche Schwächen seiner Protagonisten, also mit dem Deuter auf die Methode der Demokratie stellt sich Durchblick ein. Der macht, so öde die einschlägigen Einsichten auch sind, seine Eigentümer vergnügt, insofern sie sich selbst bescheinigen, wie sehr sie doch über der Sache stehen, die Politik heißt. Man kennt den Laden; man weiß, was gespielt wird; man läßt sich nichts vormachen.
Moral
So thront Nowottny als professioneller Drübersteher hinter seinem Pult und verbreitet die reine Zufriedenheit im Gestus der abgeklärten Distanz. Es ist allerdings eine unwahre Distanz, eine Pseudo-Souveränität: Denn weder wird irgendetwas erklärt durch Erläuterungen der Art, jetzt sei ein großer Entwurf wieder einmal bloß als Stückwerk realisiert worden oder hinter folgendem politischen Vorhaben stecke bloß eine Parteienintrige. Noch steht der Inhaber solcher Einsichten schon reell über oder außerhalb der Politik, nur weil er sie belächelt. Nowottny empfiehlt vielmehr mit seinen zwei Techniken der Desillusionierung eine Haltung zur Normalität von Geschäft und Gewalt, die heißt: sich über nichts aufregen, statt dessen alles als Unterhaltung nehmen. Das ist allerdings eine Empfehlung, die sich mit der alltäglichen Erfahrung von Gedeckelten weniger gut verträgt, sondern erst auf der Grundlage einer sicheren Nutznießerschaft so richtig genießbar wird. Die Säuernis der notorischen Opfer der Politik, die das proletarische Abwinken, man kenne die Brüder da oben, enthält, teilt die nowottnymäßige Weltweisheit nicht. Sie ist einfach nur zufrieden. Eine elitäre Moral also, eine Moral für Bessergestellte, die mit der Politik nur gut fahren, sich also das Vergnügen leisten können, von deren materiellem Gehalt einfach abzusehen und die gelungene/weniger gelungene Machart für das einzig Interessante zu befinden.
Kanzlergepäck
Wie sehr der leere Gestus der Ironie nur eine intellektuelle Variante des Dafürseins ist, bebildert Nowottny noch in eigener Person, wenn er von seinem Schiedsrichterstühlchen problemlos in die Rolle des Chefinterviewers überwechselt. Nicht umsonst reist er bei Staatsbesuchen gleich im Kanzlergepäck mit, um vor, während und nach den außenpolitischen Händeln sich und den Kanzler vor den Fernsehkameras aufzubauen und "kritisch zu fragen":
"Herr Bundeskanzler, wie beurteilen Sie den Erfolg Ihrer Reise...?"
Und dann erklärt der Kanzler seinem Herrn Nowottny und seinen Deutschen seinen Erfolg. Daß derselbe Nowottny, am Freitagabend die Ironie in Person, auf Staatsreisen mit den unterwürfigsten Fragen das ideale Medium für die Selbstbespiegelung der Politik abgibt, ist kein Charakterbruch. Er beherrscht eben die Kammerdienerperspektive in allen Facetten. Seine Methode, das Publikum mit den Intimitäten des politischen Geschäfts zu belustigen, lebt so grundsätzlich von dessen allseits anerkannter Bedeutung, daß ihm die werten Herren Politiker gleich per Staatsfernsehen ein allwöchentliches weitoffenes Schlüsselloch in Bonn eingerichtet haben. Mit einem Stromausfall bei ARD und ZDF wäre ja auch fast schon ihr ganzer Glanz dahin.
Wetter
Als ein auf den Methodensachverstand abonnierter Demokratiepropagandist ist Nowottny selbstverständlich überparteilich, der ideale Moderator für die jeweils fälligen "Bonner Runden". Die leibhaftige Ausgewogenheit, indem er jedem Parteivorsitzenden das Stichwort gibt, das dieser haben will, und ihn "moderiert", das sei natürlich bloß der CDSPFDU/Grüne-Standpunkt gewesen. Was den Politikern wiederum überhaupt nichts ausmacht, denn sie haben ihn damit ja vertreten.
Eine solche Kultur demokratischer Kritiklosigkeit, wie sie Nowottny repräsentiert, ist ein einziger Ausweis dessen, daß in der bundesrepublikanischen Demokratie alle reellen politischen Streitigkeiten ausgestorben sind und daß das auch alle Beteiligten wissen. Angesichts eines so stabilen Konsens aller nationalen Demokraten reduziert sich kritischer Journalismus dann eben auch auf die zwei Spielarten: entweder Skandale erfinden, sich in künstliche Aufregung versetzen, um das demokratische Treiben noch irgendwie spannend und die eigene Funktion bedeutsam zu machen, oder umgekehrt diesen Konsens zu der selbstzufriedenen Pose auszugestalten, immer schon mit allem fertig zu sein, jedes politische Vorkommnis mit einem 'das ist ja wieder bloß das...' "einzuordnen" und gleich von vorneherein und ganz prinzipiell abzuwiegeln, daß es doch nichts verdient, wirklich wichtig genommen zu werden.
"Meine Damen und Herren, auf Wiedersehen bis zum nächsten Freitag, das Wetter!"
So einer ist schließlich auch eine gute Intendantenbesetzung. Als einer, der Parteienproporz und Intrigantentum in Staatsfunk und -fernsehen zum Nutzen aller gegen jede "Einseitigkeit" beaufsichtigt, hat er sich ja schon eingeführt. Daran, daß er alle Erfordernisse der Staatspropaganda von Alles-klar-Uschi bis zu Theo M. Loch, uom Hausfrauen-Heimatfunk zu Lou van Biolek und anderen heißen Monitor-Eisen erfolgreich kommandieren wird, haben wir keine Zweifel. Daß er damit vom Bildschirm verschwindet, ist das einzig erfreuliche Moment an dieser Karriere.