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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1985 erschienen.

Sumpfaustrocknung alternativ
DIE VERHINDERTEN VERHINDERER

Die verbliebenen Reste der RAF führen ihren privaten Kleinkrieg, der Staat veranstaltet ein groß es Gezeter und macht anläßlich dieser Gelegenheit locker den Übergang zur Gleichsetzung von Kritik und "Terrorismus" - und was fällt dazu der "alternativen Tageszeitung" "TAZ" ein?

Selbstbezichtigungen

Trotz jahrelanger Kleinarbeit ist es ihr und der deutschen Linken nicht gelungen, 20-25jährige vom Blutspurenziehen abzuhalten. Die Enthüllungen über die internen Strukturen waren nicht enthüllend genug, das früher verwendete Vokabular war martialisch und konnte darum von den Terroristen tatsächlich ausgebeutet werden, die kritische Diskussion gab sich nicht die notwendig eindeutige Stoßrichtung, sondern duldete überkritisch noch mißverständliche Begriffe - wer hätte aber auch mit der Zähigkeit dieser Brut gerechnet?

Diese Behauptungen über vergangene Anliegen der Linken, die sie nicht konsequent genug gegen ihresgleichen verfolgt hätte, sind natürlich erstunken und erlogen. Man kann der deutschen Linken ja viel nachsagen - daß sie eine Jugendbesserungsanstalt sein wollte, geht denn doch zu weit. Daß sie aber eine war und ist, steht auf einem anderen Blatt und wird von eben dieser "TAZ " aufs unschönste beweisen. Angesichts der Unerbittlichkeit der Staatsgewalt, die sich um die fortschrittlichen Motive dieser Staatsverbesserungsillusionen einen Teufel schert, betreibt sie nämlich

Tätige Reue

Ihre Geschichtsklitterung beinhaltet ja immerhin die "Einsicht", daß die Aufgabe der Linken darin bestünde. Also verkündet sie jetzt als erstes mal ihre Sprachlosigkeit und betont als zweites ihren Übergang zur "Normalität": "Proletariat rekonstruieren"? - nie gehört, das kann doch kein normaler Mensch verstehen. Sie nimmt also offiziell Abschied von ihren eigenen Ideologien, die darin bestanden, dem Proletariat denselben fortschrittlichen Drang wie der deutschen Linken anzudichten und die mangelnde Begeisterung der Proletarier nicht in die Notwendigkeit von Agitation, sondern in ein "Rekonstruktions"Problem zu übersetzen. Spätestens jetzt, wo sich an der RAF zeigt, wie unumschränkt der Staat sein Volk hinter sich weiß und dementsprechend vereinnahmt, ist es an der Zeit, offen und deutlich zu sagen, daß die eigenen Vorstellungen völlig "unnormal" sind. Diese Linken stehen zu ihrem Läuterungsprozeß, der umstandslos auf die Formel zusammenschrumpft, daß die RAF schlimmer sei: Ihre Killermethoden überträfen den Polizeiapparat noch allemal an unmittelbarer Skrupellosigkeit. Dieser Vergleich ist zwar mittelbarer Quatsch und blamiert sich unmittelbar vor den Gewaltakten demokratischer Herrschaft daheim und auswärts - aber was macht's, wenn man, von der Staatsgewalt vor die Alternative gestellt, sich unbedingt zur legitimen Gewalt, zum Recht, bekennen will. Dafür waren sie ja schon immer, diese Herren Linken, nur noch ein bißchen verbessert hätten sie sich das Recht vorstellen können - wenn ihnen aber Zimmermann sagt, daß es heutzutage "wegen der Terroristen " halt nicht änders zu haben ist, dann sind sie doch lieber dafür, daß es so erhalten bleibt, wie es ist. Der Übergang von der Sprachlosigkeit zum alternativen Verfassungsschutz ist längst vollzogen.

Damit gibt sich linkes Selbstbewußtsein natürlich nicht auf, sondern arbeitet nur schonungslos seinen eigenen Begriff heraus, nämlich daß man sich die Staatsgewalt noch effizienter vorstellen könne. Den Selbstbezichtigungen folgt die

Selbstanpreisung

auf dem Fuß: Möge doch die Polizei endlich einsehen, daß man die Terroristenhatz noch viel geschickter anstellen könne. Wenn man doch die Linke endlich als die Jugendverbesserungsanstalt anerkennt, dann ließe sich der Sumpf im Keim ersticken. Beim Integrieren der Jungen Generation ist sie unschlagbar, was man daran merkt - ein kleiner kritischer Zungenschlag muß jetzt doch herein, zum Zwecke der Betonung der eigenen Unverzichtbarkeit -, daß die Polizei mit ihren überzogenen Maßnahmen die Politisierung zum Terroristen vorantreibt. Laßt doch uns die Aufklärungsarbeit machen - in unseren kritischen Diskussionen wird noch jede Staatsgegnerschaft wegdiskutiert!

taz, Donnerstag 7.2.85

"Wer verhindert die RAF?

Nicht nur das Bundeskriminalamt, auch die linke Öffentlichkeit war einigermaßen überrascht von der Zähigkeit, mit der in den letzten Wochen verschiedene Anschläge bis zum Mord an dem MTU-Vorstandsvorsitzenden Zimmermann die Tradition der RAF fortsetzten. Mehr als zehn Jahre der politischen Auseinandersetzung und verschiedene Enthüllungen über die internen Strukturen dieser Gruppe haben es nicht zu verhindern vermocht, daß eine neue Generation von 20-25jährigen die Blutspur weiterzieht. Der Bekennerbrief des 'Kommandos O-Hara' muß nun vollends sprachlos machen: 'Proletariat rekonstruieren', 'Kampf für die Einheit der revolutionären Front', 'Angriff gegen die Säulen der imperialistisehen Macht' - ist das nicht das alte linke, vertraut martialische Vokabular, wie von einer Schellack-Platte vorgespielt?

'Proletariat rekonstruieren'- das versteht zu Recht kein normaler Mensch; es kann aber jetzt nicht darum gehen, die dumme Aneinanderreihung großspuriger Worte zu entlarven. Vielmehr muß die linke Öffentlichkeit, die die Ideologie der RAF in ihre kritische Diskussion mit einbezogen hat, sich fragen lassen, warum sie so wenig überzeugen konnte, warum die gemeinsamen Begriffe so mißverständlich bleiben.

Jeder, der von dieser linken Öffentlichkeit nicht abgehalten wird, der wird von der Polizei abgehalten - auf ihre Weise. Und die ist durchaus in der Lage, ihren Teil zur Schaffung immer neuer RAF-Generationen beizutragen. Die 20-25jährigen RAF-Anhänger haben doch gar keine eigenen ErEahrungen mit dem 'Proletariat', sonst könnten sie über ihre Kommandoerklärungen nur lachen oder heulen. Ihre Politisierung wird durch sog. 'polizeiliche Maßnahmen' vorantetrieben. ...

Nun bestätigt auch ein Polizeiapparat, der ermächtigt ist, so mit Staatsbürgern umzuspringen, nicht die Behauptung der RAF vom 'Vernichtungsinteresse'. Da müssen diejenigen, die sich gegen solche polizeilichen Maßnahmen aussprechen, deutlicher werden und differenzierter parteilich: Vernichtungsphantasien gibt es, aber gerade auch auf Seiten der RAF. Ihre Killermethoden übertreffen den Polizeiapparat allemal an unmittelbarer Skrupellosigkeit. (Klaus Wolschner)"