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Terrorismus in der Demokratie
DIE "GEWALTFRAGE" UND IHRE LIEBHABER
Innere Ordnung 1985:
- Bei Demonstrationen, neulich z.B. gegen die geplante Plutoniumfabrik in Ostbayern, treten regelmäßig fast mehr Polizeibeamte als Demonstranten an. Uniformierte Jugend überwacht das Geschehen mit der Maschinenpistole. Vom Zweck eines Protests erfährt man nur noch eins: Wie zufrieden war die Einsatzleitung der Polizei?!
Warum "muß" das so sein? "Wegen den Terroristen!"
- Zimmermanns Behörden überwachen ihr Volk genauer. Alle Datenspeicher werden mit denen der Polizei kurzgeschlossen und umgekehrt. Damit ihre Fütterung leichter geht, sollen die Ausweise computerlesbar gemacht werden. Bravheit schützt nicht vor Verdacht und Bespitzelung.
Warum "muß" das so sein? "Wegen den Terroristen!"
- Während der Abbau der Grenzkontrollen versprochen wird, werden die Kontrollen innerhalb der Staatsgrenzen und über sie hinaus vermehrt. Unübersehbare Straßensperren vermitteln dem Autofahrer von Zeit zu Zeit das beruhigende Gefühl, daß die bewaffnete Staatsgewalt sich nicht lumpen läßt bei seiner Beaufsichtigung. Die Jungs vom Staatsschutz haben nicht bloß im Verborgenen alle Freiheiten, sondern gehören außerdem vorgezeigt mit ihrem Bürgerkriegsgerät. "Von Polizeibeamten versehentlich zu Tode gebracht" - so was wird zur Routinemeldung.
Warum "muß" das so sein? "Wegen den Terroristen!"
Und so weiter.
Mit dem Hinweis auf eine Handvoll innere Krieger rechtfertigt die Regierung zur Zeit alles, was sie für den Ausbau ihres Gewaltapparats und was dieser zur Kontrolle des Staatsvolks unternimmt. Wegen den Terroristen und gegen sie mobilisiert der Staat ein Sonderkommando und ein paar Dutzend zusätzliche Leibwächter. Aber prompt will die gesamte Staatsgewalt, vor allem in ihren gewaltsamen Abteilungen und mit ihren gewalttätigen Aktionen, verstanden, gewürdigt und geliebt sein als die leider nötige Antwort auf ein terroristisches "Unwesen", das sich sonst am Grundgesetz und der Villa Hammerschmidt, der Bundeswehr und der freiheitlich-demokratischen Gewerkschaftsführung vergreifen würde.
In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt.
Terroristen treffen mit ihren Aktionen auf eine Staatsgewalt, die mit so etwas immer schon längst gerechnet hat. Ein demokratischer Staat wartet mit der Kontrolle seiner Bürger nicht ab, ob die sich tatsächlich einmal widerspenstig aufführen. Er behandelt von sich aus jeden Protest wie einen halben Bürgerkrieg und macht seine Polizeimacht nicht davon abhängig, wieviel "Unruhe" er wirklich zu "bekämpfen" hat. Nicht die Handvoll Terroristen: Der Staat selbst wirft bei jeder Gelegenheit, die seiner Regierung in den Kram paßt, die "Gewaltfrage" auf - ganz unabhängig davon, ob irgendwer seine Gewalt in Frage stellen will oder kann. Die Staatsgewalt ist eben auf nichts und niemanden eine "Antwort" - sie knallt ihren Anspruch auf unbedingten Respekt in die Welt. Darauf hat der "mündige Bürger" sich seine Antwort zu überlegen.
Das "Nein!" der Terroristen
hat nur seiner historischen Entstehung nach etwas mit Protest und Widerstand gegen die Werke der staatlichen Gewalt zu tun - gegen so moderne Errungenschaften wie Hunger in der "3. Welt" und massenhaft "Sozialfälle" zu Hause, proletarische Lebensverhältnisse im eigenen und militärische Eingriffe in fremden Ländern usw. Terroristen haben eine Erfahrung hinter sich, die leicht zu haben ist: Eine demokratische Staatsgewalt behandelt Kritik an ihren Werken, soweit es ihr paßt, als untertänigen Verbesserungsvorschlag - und soweit sie ihr nicht paßt, als unerlaubten Angriff auf ihr Prinzip. Und dieses Prinzip heißt schlicht und unmißverständlich: Sie will alleiniger Gewalthaber und -täter in der Gesellschaft sein. Kritik, die sich nicht von vornherein in den Rahmen der Parteienkonhurrenz einfügt, wird entsprechend eindeutig behandelt: als Polizeiproblem. Daraus haben die Leute, die sich den Namen "Rote Armee Frahtion" beigelegt haben, ihren verkehrten Schluß gezogen: Wenn schon der Staat aus ungenehmigter Kritik eine Gewalt- und Polizeifrage macht, dann hätten sie sich die Kritik gleich zu schenken und sich gleich bloß als Problem der Polizei aufzuführen. Der Verstoß gegen das öffentliche Gewaltmonopol wird für sie zum Selbstzweck; und außer Strategien für ihren privaten "Bürgerkrieg" überlegen sie sich gar nichts mehr.
Insofern passen die Terroristen sehr genau zu der "Gewaltfrage", die der demokratische Staat ohne Rücksicht auf Verluste in die Welt setzt. Ihr "Nein!" ist genauso inhaltsleer und rücksichtslos wie das "Jawoll!", das die Staatsgewalt ihren Bürgern abverlangt. Ihre alternativen Hinrichtungen sind eine "Sumpfblüte" nicht der Kritik am Staat, sondern der schrankenlosen Gewalt, mit der und in deren Namen eine demokratische Regierung sich Einsprüche gegen ihre nationalen Vorhaben verbittet.
"Sumpfblüte" übrigens auch in dem Sinn: Die RAF-Attentate dokumentieren nichts als die Ohnmacht einer eingebildeten Bürgerkriegsarmee - gegen eine Staatsmacht, die von ihrem eigenen Menschenmaterial nicht kritisiert wird. Nur die eine Anti-Kritik fängt die demokratische Obrigheit sich ein, wenn ihren Terroristen ein Anschlag gelingt: Sie wäre doch noch immer nicht gewalttätig genug. Das stimmt zwar vorn und hinten nicht; aber von demokratischen Politikern wird dieser "Einwand" gerne vernommen. Sie "beherzigen" ihn - als totalen Freibrief für die Gewalt, die sie längst haben.