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Die Grünen
ALTERNATIVE - WOVON UND WOZU?
Die GRÜNEN sind eine politikfähige Partei, d.h. politisch zu allem fähig, wie es sich für eine parlamentarische Konkurrenz gehört. So bieten sie dem Wähler lauter Alternativen an: eine NATO ohne Pershing; einen Kapitalismus ohne Waldsterben; einen Klassenstaat ohne Flick-Korruption und schließlich eine unverbrauchte Garnitur sauberer Politiker fürs Opponieren, Tolerieren und demnächst auch fürs Koalieren. Kohls "geistig-moralische Wende" alternativ und von unten! Das hat Erfolg - inzwischen um die 10%. Ob das der bundesdeutschen Republik gerade noch gefehlt hat?
"Hoffnungsträger"
Auf der Suche nach einer sympathieheischenden Selbstcharakterisierung sind die Grünen auf "Hoffnungsträger" verfallen. Sie wollen sich bescheiden-unbescheiden als Beauftragte eines sehr allgemeinen menschlichen Besserungswillens betrachtet sehen. Das Hoffen-Dürfen soll mittlerweile Nachdruck dadurch erhalten haben, daß es DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG (erwünschte Großschreibung) gibt. Denen ist die klassische Selbstanpreisung "Frischer Wind in die Politik" nicht anspruchsvoll genug. Vielmehr behaupten sie geradezu ihre Unverzichtbarkeit, würde doch der Politik ohne sie ein ganz wesentlicher Bereich abgehen:
"'Stern': In Hessen und Bremen wird im Herbst gewählt. Droht den Grünen dort der Untergang?
O. Schily: Ich glaube es nicht. Das wäre ein schwerer Schaden für die deutsche Politik. Schließlich haben die Grünen die anderen Parteien dazu gezwungen, sich mit Überlebensfragen zu beschäftigen."
Enttäuscht und desillusioniert, wie sie sich von den "etablierten Parteien" geben, wollen sie ihnen ausgerechnet auf deren angestammtem Betätigungsfeld gegenübertreten. Daß es dem Parlament offensichtlich nie was ausgemacht hat, von den alteingesessenen Politikhängern bevölkert worden zu sein, hindert sie nicht daran, dem Hohen Haus große Hochachtung entgegenzubringen. Im Gegenteil: Durch ihren Eintritt soll das Parlament sogar an neuer Ansehnlichkeit gewinnen. Die Grünen machen sich mit Feuereifer daran, einen Parlamentarier neuen Typs zu verkörpern, der den vorgefundenen Politikern nicht nur nicht feindselig gegenübersteht, sondern ihnen sogar imponieren will:
"In genau diesem Dschungel ist dennoch mit großer Beharrlichkeit viel an sachlicher politischer Arbeit gewachsen. Hier soll nicht gelobhudelt oder geschönfärbt werden, aber wir sollten das Urteil der so zwiespältig beobachtenden SPD ernst nehmen, die bewundert, wie viel solche unerfahrenen Parlamentsneulinge wie wir auf die Beine gestellt haben." (Bericht zur Lage der Fraktion, 1984)
Dafür braucht es erst einmal einen Bienenfleiß, der von der Auffassung getragen ist, daß "parlamentarische Arbeit" wirklich Arbeit ist:
"Die Fraktion DIE GRÜNEN IM BUNDESTAG war... weitaus die produktivste. Die parlamentarischen Initiativen unserer Fraktion übertreffen die der Sozialdemokraten bei weitem, wenn man die Fraktionsstärke zum Vergleich nimmt.
Unsere Fraktion hat 7,7% aller Gesetze eingebracht... Mit 8 Gesetzesentwürfen hat sie einen mehr produziert als sämtliche Regierungsfraktionen und - gemessen an der SPD - mit einem Siebtel der Abgeordneten mehr als halb soviele Gesetzesinitiativen...
Der/die 'durchschnittliche' GRÜNE Abgeordnete ist auf jedem Gebiet der/die Fleißigste des ganzen Bundestages..." (Bericht...)
Wer sich jetzt vielleicht fragt, ob allein die Masse der Gesetze ein Argument sein kann, der hat doch tatsächlich vergessen, daß es sich hier um lauter Gesetze vollgestopft mit "Überlebensfragen" handelt. Diese Gesetze, auch wenn sie sich notgedrungen eine konkrete, abstimmungsfähige Form geben müssen, sind mit der üblichen "parlamentarischen Routine", dem "gesetzgeberischen Kleinkram" - so belieben die Grünen die alltägliche Verwaltung der Armut, Förderung des Kapitals und imperialistische Herrichtung der ganzen Welt zu benennen - nicht zu verwechseln. Und wenn sie ganz überzeugend formuliert sind, dann kann sich auch die breite Mehrheit des Bundestags dem Anhauch des Höheren nicht verschließen:
"Inzwischen scheint sich sogar abzuzeichnen, daß unser Antrag zum Verbot des extrem giftigen und langlebigen Pflanzenvernichtungsmittels 'Paraquat' der zweite konkrete parlamentarische Erfolg nach der Zustimmung aller Fraktionen zu unserem Antrag für ein Importverbot für Produkte aus Meeresschildkröten werden könnte." (Bericht...)
Man sollte das nicht für lächerlich halten. Der grüne Parlamentarier hat nämlich auf diese Art und Weise und unter Einsatz seiner Person Fragen höchster Menschheitsdringlichkeit ins Hohe Haus eingebracht, und da kommt es auf den konkreten Inhalt so gut wie gar nicht an, sehr aber auf die damit demonstrierte Auffassung vom alternativen Politikmachen. Die Parteinahme für die Meeresschildkröten ist nicht ohne Berechnung: Gerade die praktische Harmlosigkeit unterstreicht - weil es um nichts Bedeutendes geht, aber um ein Symbol - die erhabene politische Moral, die hier vor die Öffentlichkeit tritt. Der Parlamentarier neuen Typs kann die Meeresschildkröten sehr gut dafür gebrauchen, glamourös aus den Niederungen der gewohnten Politik hervorzutreten und Fragen eines neuen Typs aufzuwerfen -
"Menschheitsfragen": Alternativlose Scheinalternativen
Vor allen Überlegungen, was darunter eigentlich zu verstehen sei, steht fest, daß diese hohen Güter absolut keinen Widerspruch dulden, daß jeder dafür sein muß. Der/die durchschnittliche grüne Abgeordnete geht nämlich vom ausgebildeten staatsbüigerlichen Bewußtsein aus, das nie auf den Einwand verfallen würde, daß ihm das eigene Hemd näher ist als ein Schildkrötenpanzer. Er/sie baut darauf, daß jeder schon automatisch "versteht", wie sich hier höchste Verantwortlichkeit für "die Menschheit" betätigt: Gewöhnliche, einzelne Menschen mit ihren Interessen und beschränkten Lebensumständen sind damit nicht gemeint. Stattdessen soll man sich Sorgen machen - und bei den Grünen gut aufgehoben wissen -, die jedes partikulare Interesse übersteigen, Menschheitsinteressen eben. Was einen einzelnen Menschen mitten im Kapitalismus so drückt und welche Besserungen er sich für sich vorstellen könnte, das taucht als Bebilderung auf; und werin es nur einen kleinen Moment lang ernst genommen wird, dann steht es sofort im Widerspruch zu den höchsten Gütern.
"Umwelt"
Wenn die Grünen ihr Meeresschildkrötengesetz inkl. der Zustimmung aller Parteien als Erfolg feiern, dann ist das schon eine Milchstraße von der Frage entfernt, was man eigentlich davon hat. Künftig - nach Wiederufforstung der Bestände - mehr Schildkrötensuppe auf den Tisch? Nein, es geht ausschließlich darum, daß es dieses Stück Natur gibt - mit der gleichzeitigen Behauptung eines Gegensatzes des menschlichen Bedürfnisses dazu. Die Natur ist ein Wert a n sich, was sachlich zwar idiotisch, ideologisch aber ziemlich wuchtig ist.
Die simple Tatsache, daß die Natur überhaupt, bloß im Verhältnis zum menschlichen Bedürfnis interessant ist - mit allen Gesellschaftsformen hat der Kapitalismus gemeinsam, daß die Naturtrümmer den menschlichen Bedürfnis zugeführt werden, allerdings mit dem entscheidenden Zusatz, daß ein Stück Profit herausspringen muß, was weder den natürlichen Ressourcen noch der menschlichen Natur gut tut -, drehen die Grünen aus ihrem ideologisch-moralischen Interesse genau um: Wer sich für die Natur getrennt von menschlichen Bedürfnissen stark macht, dem ist garantiert kein Eigennutz vorzuwerfen. Es wird zwar den Meeresschildkröten nicht weiter weh tun, aber ein bißchen eine Vergewaltigung ist es schon, wenn sie fürs Vorzeigen einer anti-materialistischen Gesinnung hergenommen werden, denn auf die Idee wären sie beim Flosseln nie gekommen.
"Frieden"
Während bei letzterem Beispiel ein menschliches Interesse nicht einmal dem Anschein nach vorkommt, könnte man im Fall "Paraquat" ja immerhin noch an so gewöhnliche Dinge wie Vergiftungen und sonstiges Unwohlsein denken. Wie gesagt, denken soll man schon daran, aber als Bebilderung Für das Leiden der Natur, ungefähr nach dem Motto: Was dem Menschen schadet, ist vor allem für die Natur von Übel. Der Angriff auf das Pflanzenvernichtungsmittel verläuft streng nach der Linie, daß es versäumt, Pflanzen zu schützen. Um dem Vorwurf der böswilligen Interpretation zu entgehen, machen wir mit Petra Kelly den Übergang von "Umwelt" zu "Frieden" - und wieder zurück.
Anläßlich der "Manöverbehinderungen" gab sie vor dem Deutschen Bundestag eine Erklärung ab:
"Umweltzerstörung und Rüstungswettlauf stehen in beiden Militärblöcken in einer engen Wechselbeziehung. Gerade in der Bundesrepublik überzieht der Militärkomplex das Land wie ein Krebsgeschwür, mit einem dichten Netz von Depots, Flugplätzen, Militärstraßen, Übungsgebieten und Rüstungsbetrieben. Die Militäranlagen beanspruchen mittlerweile ca. 3% der gesamten Fläche der Bundesrepublik. Im Vergleich: nur 0,9% des Bundesgebietes sind als Naturschutzflächen ausgewiesen. Der militärische Landschaftsverbrauch geht noch weiter: für die neue NATO-Konzeption der "Vorwärtsverteidigung" sollen in den nächsten Jahren noch zusätzlich 200.000 Hektar zum Opfer fallen und der Bevölkerung entzogen werden.
Der Militärkomplex frißt 10 Prozent der Rohstoffe für seine Zwecke. Bereits 1983 ließ sich die Bundeswehr 700 Millionen zusätzlich gewähren, um viele Millionen Liter Öl für die energiefressenden Lastkraftwagen, Panzer, Flugzeuge und U-Boote zu kaufen. Zur Herstellung militärischer Geräte werden oftmals extrem giftige Stoffe wie z.B. Plutonium, Cadmium, Beryllium verwendet. Mit dem gestiegenen Umweltbewußtsein ist die Bereitschaft gewachsen, sich nicht mehr nur gegen zivile, sondern auch gegen militärische Eingriffe in die Umwelt zur Wehr zu setzen."
Wer jetzt fragt, wo die "Manöverbehinderungen" bleiben, hat den Witz versäumt. Die paar symbolischen Aktionen kamen ihr grad recht, um auf die moralische Unanfechtbarkeit ihres Anliegens hinzuweisen. Und da ist es wirklich kein Schwindel, "Umwelt" und "Frieden" in einen Topf zu werfen, wo sie doch zwei Phrasen fürs selbe sind: Es ist in grüner Logik eben kein Widerspruch, das Militär als entartete Naturerscheinung ("Krebsgeschwür") zu bezeichnen. Am Militär interessieren nicht Auftraggeber, Zwecke und Geschädigte, sondern nur die wohlfeile Gelegenheit, vehement den Standpunkt einer allumfassenden Gemeinschaft angesichts einer angeblichen Naturgefährdung vorzutragen. Wem in der Abteilung Militär und "Frieden" bloß noch ein allerunschuldigstes und garantiert unrenitentes Opfer einfällt, der will in der ganzen übrigen Welt keinen Unterschied, geschweige denn Gegensätze mehr entdecken, sondern nur noch eine gemeinsame Pflicht: Zusammenschluß zur Wahrung der höchsten Güter - unter grüner Anleitung, versteht sich. Diese Fiktion der Gemeinsamkeit macht nicht einmal vor den Soldaten halt. Sie entdeckt am selbstbewußten Handwerker des Kriegs einen Konflikt zwischen dem Menschen in Uniform und einem "Räderwerk", das mit keinem ehrenwerten politischen Zweck etwas zu tun haben soll und insofern seine Funktionäre mißbraucht.
"Natürlich ging es auch uns dabei nicht darum, den Soldaten zum Sündenbock zu stempeln und als Mitmenschen, nur weil er Uniform trägt, anzugreifen. Doch kam es uns darauf an, mit zivilem Ungehorsam und mit gewaltfreien Aktionen, die niemals gegen Menschen gerichtet waren, auf die Funktion jedes Soldaten im Räderwerk einer Kriegsmaschinerie aufmerksam zu machen, die mit aggressiven und völkerrechtswidrigen Angriffs- und Nuklearstrategien zur Gefahr für uns alle wird und auch den Soldaten mißbraucht."
"(Über)Leben"
Die Kritik der Grünen an der "etablierten" Politik, ihren Parteien und Parteigängern, heißt nicht, wie "traditionell" für linke Opposition üblich, hier würden einseitig bestimmte Interessen so vertreten und durchgesetzt, daß andere ungerecht dabei wegkämen. Ein uraltes Argument der politischen Rechten gegen die "zersetzenden" Umtriebe von Leuten, die von Klassengegensätzen reden, das Ganze, sprich: Volk, Nation und Staat, sei das Wichtige und Erhaltungswürdige, wird in verallgemeinerter Form von den Grünen neu entdeckt.
Den Parteien wird vorgehalten, sie würden doch glatt das Entscheidende übersehen: das bedrohte Überleben der Gattung Mensch auf dem Planeten. Vor dieser Gefahr zählen keine gesellschaftlichen Interessensgegensätze, keine Klassen und keine imperialistischen Ordnungsmaßnahmen. Wenn der einzig kritikable Punkt nur noch der ist, daß man sich die Auslöschung des Menschengeschlechts vorstellen könnte, dann kennt die Kritik nur noch ein Ziel, nämlich die an die Wand gemalten Schrecken zu verhindern - ein neuer Höhepunkt kritischen Dafürseins.
"Die in Bonn etablierten Parteien verhalten sich, als sei auf dem endlichen Planeten Erde eine unendliche Produktionssteigerung möglich. Dadurch führen sie uns nach eigener Aussage vor die auswegslose Entscheidung zwischen Atomstaat oder Atomkrieg, zwischen Harrisburg oder Hiroshima." (Präambel des Bundesprogramms, Entwurf)
Die Verwandlung aller wirklichen Gründe und Zwecke der Politik in ein Katastrophenszenario ist das Gegenteil von einer Absage an die Politik, vielmehr geradezu ihre Verherrlichung: Politik ist im Grunde Dienerin der höchsten und verantwortlichsten Aufgabe, "Erhalt des Menschengeschlechts", was man gerade dann merkt, wenn sie "alles" vergeigt. Diese Endzeit(verhinderungs)vision hat sich längst von so einfachen Dingen verabschiedet wie,
- daß die demokratischen Politiker überhaupt nicht an einer "unendlichen industriellen Produktionssteigerung" interessiert sind, sondern auf eine sehr "endliche", nämlich profitable Ausbeutung der menschlichen und natürlichern Ressourcen zum Wohle der eigenen Staats und in Konkurrenz zu anderen Staaten aus sind,
- daß sie die "auswegslose Entscheidung zwischen Atomkrieg und Atomstaat" gar nicht treffen, sondern beides haben wollen und für Mittel zur Durchsetzung ihrer Zwecke halten.
Diese Konstruktion eines Total-Versagens der Politik, die an deren ehrenwerten Einrichtungen nichts auszusetzen hat, will ja nur darauf hinaus, die eigene moralische Abscheu hervorzukehren und sich selbst in den Besitz unanfechtbarer (Menschheits-)Titel zu versetzen. Der niemand und nichts kritisierende Ausruf "Das kann doch keiner wollen!" beantwortet der Schuldfrage ersten Teil - die Verantwortlichen haben versagt, ohne daß man ihnen aber böse Absichten unterstellen wollte - und ruft zugleich nach einer neuen, moralisch lauteren Politikermannschaft, die endgültig nur noch den höchsten Werten der Menschheit verpflichtet ist.
Der Schuldfrage zweiten Teil muß sich allerdings "die Menschheit" aufmachen lassen, die sich unbewußt und saturiert in diesem Wahnsinn hat mittreiben lassen. Daß sie es, bei der "Zerstörung der Umwelt" mit einer Unterabteilung kapitalistischer Armut zu tun haben - die schöne Natur ist nämlich wegen ihrer Verwendung für den eigentümlichen Reichtum für die Bedürfnisse der gewöhnlichen Mehrheit nicht mehr tauglich -, entgeht diesen Moralfritzen sehr programmgemäß:
"Wir halten es, für einen Irrtum, daß die jetzige Verschwendungswirtschaft noch das Glück und die Lebenserfüllung fördere; im Gegenteil, die Menschen werden immer gehetzter und unfreier. Erst in dem Maße, wie wir uns von der Überschätzung des materiellen Lebensstandards freimachen, wie wir wieder die Selbstverwirklichung ermöglichen und uns wieder auf die Grenzen unserer Natur besinnen, werden auch die schöpferischen Kräfte frei werden für die Neugestaltung eines Lebens auf ökologiicher Basis." (Präambel)
Das ist nichts anderes als die Überhöhung der "Wende"-Ideale, die "geistig-moralische Erneuerung" des Kanzlers Kohl von unten: Es ist die Kritik des "Alles-geht-den-Bach-hinunter-wenn-sich-nicht-am-Riemen-gerissen-wird!" Und wer sich da zusammenreißen soll, das sind wieder einmal "wir alle", sprich: der Mensch, dessen materialistischer innerer Schweinehund den in ihm angelegten eigentlichen idealistischen Selbstverwirklicher am Ausschlüpfen verhindert.
Es ist eben der unbeschränkte Anspruch auf Seiten des Menschen, den Grüne in allen Klassen am Werke sehen. So wird der kapitalistische Reichtum zum "wirtschaftlichen Wachstumswahn", der Profit zur "materiellen Habsucht", die Monopole werden "kapitalistische Dinosaurier", die Ausbeutung ist "Verschwendung", und nicht zuletzt ist das Lohneinkommen bedenklicher - "Lebensstandard":
"Statt der kurzfristigen, materiellen Orientierung auf einen möglichst hohen quantitativen Lebensstandard, der aber tatsächlich äußerst ungleich verteilt und allgemein sehr zweifelhaft ist, wollen wir eine neue Lebensqualität." (Burgmann)
Zweifel wollen die Grünen kaum anmelden an der zweckdienlichen Lüge vom Lebensstandard, zu dem "wir" es gebracht haben. Gleich fünf Schimpfworte und ein Komma halten sie bereit zur Abkanzelung von Unbescheidenheit und für den Imperativ der Selbstbescheidung eines vorbildlichen und darin ganz unnachgiebigen Staatsbürgers. "Materialismus" heißt die "Herausforderung unserer Zeit" - und die Grünen zeigen sich ihr gewappnet im Sinne der Kelly'schen Verballhornung der Feuerbach-These;
"Bisher hat sich der Materialismus begnügt, die Welt zu verändern; jetzt kommt es darauf an, sie zu erhalten."
Auch eine Art, den Geschädigten die matte Weisheit beizubringen, daß sie und wir alle über ihre = unsere Verhältnisse gelebt haben!
Immergrüne Ideale und knallgrüner Sachzwang
Die Ideale der staatlichen Daseinsvorsorge - gepaart mit denen charakterfördernder Bescheidenheit -, die in der Ideologie der Grünen eine so hervorragende Rolle spielen, sind auch den "etablierten Parteien" als Berufungsinstanz für ihren Staats-Egoismus geläufig. Diese haben allerdings zugleich eine allgemeine ideologische Vorkehrung dagegen getroffen, von bekennenden Idealisten - wie eben manchen Grünen - wörtlich auf allgemein anerkannte schöne Phrasen festgelegt zu werden. Ihre andere, im Zweifelsfall höhere Berufungsinstanz heißt: Sachzwang. Mit der Generalklausel, daß "es" - nämlich das, was sie gerade ins Werk setzen - gar nicht anders geht, erteilen sie sich und ihrer Politik Absolution, wann immer jemand meint, sie vor ihren eigenen Idealen blamieren zu können. Das ist dann "Realismus"; und der behält unter standhaften Demokraten noch allemal recht gegen jedes "Schön wär's!"
Diese Pose der illusionslos wahrgenommenen Sachnotwendigkeit ist genauso verlogen wie die idealistische Überhöhung der praktizierten Politik zum Dienst an Menschheitsidealen. Beliebte "Ableitungen" wie: 'Damit die Konjunktur läuft und Arbeitsplätze geschaffen werden, müssen die Unternehmer viel verdienen und die Arbeiter auf Lohn und unrentabel gewordene Arbeitsplätze verzichten', drücken kein ökonomisches Gesetz aus, sondern eine entschiedene Parteinahme für das Recht des Eigentums aufs Geschäftemachen und für die Pflicht der Lohnarbeiter, sich dementsprechend als Manövriermasse behandeln zu lassen. Für bürgerliche Politiker ist aber nichts leichter, als ihre politischen Richtlinien als die Ausführung unabweisbarer Sachnotwendigkeiten auszugeben: Eine Gesellschaft, die für den Dienst am Eigentum und der Staatsgewalt hergerichtet ist, funktioniert logischerweise nur in dem Maße zweckmäßig, wie Geschäft und Gewalt erfolgreich ihren Gang gehen; sie braucht Herren, die mit ihr zufrieden sind.
Solche ideologischen Zusammenhänge aufzudecken, war einmal das Anliegen etlicher Linker; auch solcher, die heute an der Parteiideologie der Grünen mitformulieren. Gegenüber jenen kritischen Zeiten haben sie allerdings entscheidend dazugelernt, die "Lektion" nämlich, daß kritische Anliegen in dieser Gesellschaft bestenfalls unter die nicht ernst zu nehmenden Idealismen fallen, und daß die Berufung auf "Sachzwänge" zu den wirksamsten Waffen im ideologischen Parteienstreit gehört. So haben sie ihren Verstand darauf verwendet, den grünen Idealismus, der die Heuchelei der bürgerlichen Parteien an Ehrlichkeit überbieten will, in einen Realismus zu übersetzen, der jede "etablierte" Sachzwang-Ideologie an Illusionslosigkeit übertreffen soll.
Das logische Muster dafür haben die Grünen ihren Gegnern abgeschaut: 'Wenn nicht geschieht, was wir wollen, dann kommt noch einiges andere ganz anders!' Mit Hilfe dieser rhetorischen Figur läßt sich z.B. der grüne Wunsch nach Bescheidenheit als ökonomischem Grundgesetz so ausdrücken, daß nichts daran vorbeiführt: Wenn "wir" uns nicht auf die Notwendigkeit "eines völligen Umbruchs unseres kurzfristig orientierten wirtschaftlichen Zweckdenkens" einigen, dann nimmt "die Zerstörung der Lebens- und Arbeitsgrundlagen und der Abbau demokratischer Rechte ein bedrohliches Ausmaß an." (Entwurf zu einer Präambel)
Im "dann"-Satz stehen die Hinweise auf Zustände, deren allgemein anerkannte Verabscheuungswürdigkeit die Grünen voraussetzen; im "wenn"-Satz steht die Absage ihrer Partei an eben diese Zustände bzw. ihre idealistische Umkehrung - oder auch andersherum. Daß sich mit grüner Politik besser leben ließe, ist deren Vertretern zu wenig. Sie wollen beweisen, daß es ohne sie überhaupt nicht weitergeht:
"Die ökologische Weltkrise verschärft sich von Tag zu Tag. Die Rohstoffe verknappen sich, Giftskandal reiht sich an Giftskandal, Tiergattungen werden ausgerottet, Pflanzenarten sterben aus, Flüsse und Weltmeere verwandeln sich in Kloaken, der Mensch droht inmitten einer späten Industrie- und Konsumgesellschaft geistig und seelisch zu verkümmern." (Präambel)
Man muß schon fest auf dem Standpunkt eines artenreichen Tierlebens, einer vielfältigen Flora, eines reichhaltigen Rohstoff-"Schatzes", einer durch Konsum unbehelligten Ökologie des menschlichen Charakters usw. stehen, um diese Diagnose erstens zu teilen und zweitens entsetzlich zu finden - genauso wie der Standpunkt des guten Geschäfts vorausgesetzt ist, wenn der Gewinn als Bedingung für alles und jedes, seine Schmälerung als "Krise" gewürdigt werden soll. Doch ebenso wie die Apologeten des Kapitals mögen die Grünen nicht die Zwecke ihrer Politik zur Debatte stellen, sondern mit der Lüge Eindruck machen, die Nicht-Befolgung ihrer politischen Vorschläge müßte und würde sich furchtbar rächen - an allem, was einem anständigen Menschen lieb, teuer und lebensnotwendig ist.
Im Unterschied zu bürgerlichen Ideologen müssen grüne Sachzwang-Theoretiker dabei allerdings heftig übertreiben. Ihre Gegner haben den eingerichteten Lauf der Dinge auf ihrer Seite; für die angebliche Notwendigkeit ihres Tuns können sie sich darauf berufen, daß "es" eben so doch funktioniert. Den Grünen steht für ihre moralischen Forderungen kein anderer "Sachzwang" zur Verfügung als die Ausmalung eines notwendigen Scheiterns der alltäglichen Praxis - das den Nachteil aufweist, immerzu "noch" nicht eingetreten zu sein. Dagegen hilft nur, die zukünftige Katastrophe um so schauriger darzustellen und überhaupt eine weitere Perspektive zu beschwören:
"Wir bürden den nachfolgenden Generationen eine unheimliche Erbschaft auf." (Präambel)
Wenn nicht überhaupt die Gattung vorher an der "Kurzsichtigkeit" ihrer Exemplare zugrundegeht...
Das Verhängnis und sein Heiland: Saubere Politik
Fest steht damit, daß die Politik in den grünen Menschheitsanliegen "Natur", "Frieden" und "Überleben" ihren objektiven Maßstab hat, auch wenn sie sich de facto einen Scheißdreck darum kümmert. Letzterer Befund verlockt einen Grünen eben nicht zur Erkundigung, welche "Menschheitsanliegen" denn tatsächlich gelten auf dieser verlotterten Welt, sondern beflügelt ihn zu der Warnung, man werde schon noch sehen - spätestens in den "nachfolgenden Generationen" -, an welchen elementaren Sachgesetzen die Politik sich vergangen hat und vergeht, statt ihnen zu dienen, was doch ihr eigentlicher Auftrag sei. Sein Vorwurf an die wirkliche Politik faßt sich so in einem Wort zusammen: Versäumnis.
Dieses Urteil ist erstens abstrakt: Es setzt sich vornehm über nichts geringeres hinweg als die tatsächlichen Zwecke staatlicher Gewalt in der BRD der 80er Jahre und die Zweckmäßigkeit ihrer entsprechenden Werke - die sind nicht, was ein Grüner für nötig hält, basta! Diese Betrachtungsweise ist zweitens moralisch: Wo das eigentlich unabweisbar Notwendige und Einleuchtende immerzu versäumt und verfehlt wird, da können nur verwerfliche Beweggründe im Spiel sein. Wenn doch ein klarsichtiger, guter Mensch sich aus Sorge ums ökologische Gleichgewicht an der Politik beteiligt, dann kann eine Politik, die andere Sorgen hat, letztlich nur aus sündhafter Ignoranz entspringen. Diese Verurteilung des tatsächlichen politischen Treibens ist und bleibt drittens politikgläubig: Daß Parlament und Ministerien der Ort sind, wo eigentlich um friedfertigere Menschen und das Überleben der Gattung zu ringen ist, das wird dem grünen Kritiker nicht einen Moment lang zweifelhaft.
So paßt sein fundamentaler, endzeitlich übertriebener Protest doch wieder hinein in den "Konsens der Demokraten". Denn dank seinem Moralismus übersetzt dieser Protest sich in die Sorte Opposition, die in der Demokratie zugelassen und vorgesehen ist: die Ablehnung der regierenden Mannschaft im Namen einer übertrieben hohen Meinung von den "eigentlichen" Aufgaben und Sach-Erfordernissen ihres Amtes. Pflichtvergessenheit, Pannen, Kurzsichtigkeit, sträfliches Nichtstun, das alles dürfen demokratische Konkurrenten dem demokratischen Regierungspersonal vorwerfen. Denn solche Vorwürfe kennen nur einen Maßstab: Ein politischer Führer muß seinem Amt Ehre machen.
Mit diesem Ideal haben sich die Grünen als der konsequent moralisierende nationale Stammtisch im Parlament niedergelassen; als Institution, die die Macher dauernd an dem totalen Anspruch der "sauberen Politik" messen will. Der grüne Politiker konfrontiert den "Etablierten" mit seiner erhabenen Menschlichkeit - wie's ausgeht, kann man sich denken. Um die Etablierung dieser Institution zu gewährleisten, ist es für die grünen Politiker selbstverständlich, es in den
Formen der politischen Selbstdarstellung
zu neuen Spitzenleistungen zu bringen. Gewisse Momente von Widerlichkeit sind nicht zu übersehen, wenn der "Hoffnungsträger" die allerglaubwürdigste Glaubwürdigkeit ausbaut. Als Verkörperung eines politischen Ideals herumzulaufen, verlangt wohlkalkulierte methodische Berechnungen des "Wie kommen wir an?", die die lauthals geäußerten Selbstzweifel und Probleme der grünen Fraktion witzigerweise einsichtig machen: Die tun nicht nur so - die sind so.
- Das geht gleich los beim ersten Auftritt im Parlament. Was soll man anziehen? Klar, alternativ soll es sein, dabei auch würdig. Aber nicht nur das, eine gewisse Symbolkraft ist auch verlangt:
"Und die Kleidung? So lächerlich das ist, jeder hat darüber schon ernsthaft nachgedacht. Es zeigt, wie jeder Schritt in diese neue Form des Abgeordneten, die im öffentlichen Leben mit so vielen vorgegebenen Regeln verbunden wird, von uns überdacht werden muß. Es ist ein ziemlich schwieriger Prozeß, alle Regeln auf ihre Glaubwürdigkeit und Aussagekraft zu überprüfen. Man lernt dabei, den Nebendingen große Aufmerksamkeit zu widmen.
Petra... Atomschutzanzug
Christa... langer, blauer Rock mit weißen Margueriten
Walter... Hemd der Fischer an der Nordstrander Bucht
Klaus... grüner Schlips
Otto und Gert... natürlich normaler Anzug usw. usw."
(Antje Vollmer: ... und wehret euch täglich! Bonn - ein grünes Tagebuch)
- Das Erscheinungsbild der Fraktion als die absolute Spießbürgermannschaft muß gewährleistet sein. Also fährt der Grüne nicht nur demonstrativ mit dem Fahrrad zu den Sitzungen bzw. äußert sofort in aller Öffentlichkeit große Selbstzweifel, wenn er läßlicherweise mal die Fahrbereitschaft des Bundestages bemüht, sondern überwacht auch strengstens die sittliche Reinheit seines Haufens: Ein Busengrapscher in den eigenen Reihen - wie peinlich, wo sie doch gerade frau als Wert an sich etabliert haben.
- Auch Grüne geben sich leutselig und machen auf Volksverbundenheit. Ununterbrochen muß das Prinzip "Ja nicht abgehoben sein" vorgeführt werden. Wofür der Politiker eigentlich "verbunden" ist, und was das Volk davon hat, ist eine Frage, die bei einem grünen Politiker wohl nur Unverständnis hervorruft: Das Volk hat ein Recht auf glaubwürdige Politiker - als Grundlage fürs Vertrauen in die Politik -, also stellen sich ihm die Grünen als solche vor:
"Heute also ist die Hochzeitsfeier im Schützensaal. Eine Bauernhochzeit, wie es sie nur noch selten gibt: jung und alt zusammen. Irene trägt ein langes blaues Kleid, kornblumenfarben, und sogar einen Kranz im Haar. Sie bekommt ein Kind und sieht sehr schön aus. Die Landjugend ist vollzählig erschienen. Nichts kommt an Lebensfreude einem richtigen Landjugendfest gleich. Als Geschenk bekommt das Brautpaar ein Ferkel von einer bodenständigen Landrasse, vier Hühner werden auf den Balken gesetzt, Friedrich zeigt, wie Mann und Frau gemeinsam mit der Kleegeige biologisch säen können. Es wird getanzt, getanzt, getanzt. Alles durcheinander, Walzer, Marsch, Rock, Swing, sogar Rheinländer, dazu der etwas kulturlose Landjugend-Liederschatz. Bergeweise Brötchen werden durch die Menge gereicht. Ich wollte den ganzen Abend mittanzen, wollte mir die ganze Anspannung vom Leibe tanzen. Nachdem ich immer wieder erzählt habe, wie es so in Bonn ist, habe ich am Ende des Abends furchtbare Halsschmerzen vom Anbrüllen gegen die Kapelle. Draußen, am Ende eines Feldes unter einem Baum, fange ich an zu heulen. Ich weiß nicht, was soll das bedeuten..." (Vollmer)
Die grandiose Einsamkeit des Politikers im Volke: Sie macht ihm zu schaffen und er muß sie verstecken - hinterher aber in möglichst hoher Auflage vertreiben.
Komplementär zum eigenen Ideal vom politischen Menschen kann die Betrachtung des "etablierten Politikers" nur in die Feststellung eines Mangels münden; recht eigentlich scheitert er daran, daß er halt kein grüner Politiker ist, also die fürs politische Geschäft erforderlichen menschlichen Qualifikationen nicht mitbringt:
- Wenn Politiker ihrem Beruf gemäß, nämlich die anspruchsvollen Ziele des Staates gegen das eigene Volk und den Rest der Welt durchzusetzen, sich eine zweite Natur zulegen, die sich aus so hübschen Bestandteilen wie Skrupellosigkeit, Heuchelei, Zynismus u.a. zusammensetzt, um damit ihren eigenen Erfolg zu gewährleisten, dann belieben die Grünen, diese Charaktermaske als Unnatur aufzufassen: Handelt es sich bei denen überhaupt um Menschen?
"Ich lebe nur mit meinen Augen. Petra hat es später klassisch ausgedrückt, was ich empfinde: Mein Gott, die sind ja echt! Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl, Willy Brandt, Horst Ehmke, Egon Bahr, Rainer Barzel. Wie grau oder höhensonnengebräunt manche aussehen! Eine Herrengesellschaft durch und durch, und ich mitten darunter! Vorne, ganz vorne, Petras bunter Blumenstrauß: lila, rosa, violett, daneben das Bild von Winnie Mandela aus Südafrika." (Vollmer)
- Noch ganz in die Abteilung des fassungslosen Unverständnisses fällt die Charakterisierung des Politikers als schlechter Mensch - freilich schon mit einem eindeutigen Hinweis auf den Maßstab dieser Charakterisierung: Er versündigt sich an seinem Amt. Im Flickausschuß beteiligt sich Otto Schily federführend am parlamentarischen Kampf für eine saubere Republik, der ganz unverblümt davon ausgeht, daß die Politik für die Erhaltung und Beförderung des Geschäfts da ist (und das nicht nur in der Abteilung Wirtschaftspolitiik): Seine gesamte juristische Raffinesse verwendet er auf den öffentlichkeitswirksamen Nachweis der "Schweinerei", daß sich da welche persönlich bereichern bei ihrem Einsatz für kapitalisbschen Reichtum. Solche Personen verstoßen gegen die Würde der Politik, und es werden höchste Ansprüche an das Geschäft der Politik herangetragen, wenn die Politik von Geschäftsleuten parlamentarisrh untersucht wird.
- Vom Anprangcrn persönlicher Verfehlungen ist es nicht weit bis zum ersten Anflug des Bedauerns. Komplementär zur Feststellung eines Fehlers i m Menschen ist ja die verzeihende Feststellung, daß er eigentlich nichts dafür kann. Soweit den Politikern nicht der Vorwurf gemacht werden soll, daß sie "Böses" wollen, lassen sich ihre Taten nur aus Befangenheit erklären - im Innersten sehnen sie sich nach grüner Befreiung:
"Die gewaltfreien Grünen suchen nach Lösungen, in denen auch gewaltausübende Gegner als Menschen betrachtet und daher von der sie versklavenden Gewalt befreit werden müssen." (Flugblatt zur Bundestagswahl)
- Da keinem Gefangenen, erst recht, wenn er bloß Gefangener seiner eigenen Gewalt ist, die Menschenwürde abgesprochen werden kann, hat auch der bürgerliche Politiker Anrecht auf eine würdige Behandlung. Ein Schwalba-Hoth kann also nicht einen amerikanischen General mit Blut übergießen (wie verrückt es da zugeht, merkt man schon daran, daß der "Attentäter" ewig die Frage gewälzt hat, ob er nicht sein eigenes Blut hernehmen müsse, um darin noch einen letzten, aber wichtigen Rest menschlicher Verbundenheit herzustellen), und die grüne Fraktion muß Partei für die Würde des Generals ergreifen und sich bei ihm entschuldigen.
- Und wenn einem Joschka Fischer einmal ein unbedachtes "Arschloch" entfährt, muß er sich mit dem Ausdruck tiefster Zerknirschung entschuldigen, weil er die "menschlichen Grundlagen" angekratzt habe.
- Schließlich ist es kein Wunder, daß sich unter den Herrschenden selbst manches menschliche Glanzlicht auftut - der Grüne beharrt ja auf seiner Hoffnung, durch eigenes Vorbild die verschüttete Menschlichkeit gerade im hartnäckigsten Politiker hervorrufen zu können. Immerhin ist er doch von seinem Auftrag her eine hervorragende Figur.
"Die Sitzung wird von Minister Kiechle eröffnet, den ich hier zum erstenmal erlebe. Der Ton ist freundschaftlich, kollegial. Kiechle ist im Agrarausschuß einer der ihren. Eine selten kluge Entscheidung war das von Helmut Kohl, nicht den Bauernpräsidenten, den Freiherrn Heeremann von Zuydtwyck, zum Agrarminister zu benennen, sondern den Milchbauern aus dem Allgäu, Ignaz Kiechle. Er sieht aus wie ein Bauer, er spricht wie ein Bauer, er weiß, wovor die Bauern Angst haben, er kennt den Widerstand, der aus Süddeutschland gegen die herrschende Agrarpolitik kommt. Er wirkt bescheiden, kein großer Redner, aber einer, der fleißig arbeitet und seine Sache versteht, dabei mit einer guten Portion Bauernschläue. Auch auf mich wirkt dieser sympathische Eindruck. Hier ist für mich persönlich der eigentliche politische Gegner, an dem sich das, was wir zu vertreten haben, messen muß. Denn wenn einer die wachsende Wut und die wachsende Widerstandskraft der Bauern beruhigen und begütigen kann, so ist es dieser Ignaz Kiechle
...
Ich habe schnell gelernt, verschiedene Unterfragen sind verteilt... Ignaz Kiechle stellt sein Agrarkreditprogramm vor. Das ist auch jemand, der sehr schnell lernt." ( Vollmer)
Die grüne Entdeckung der Menschlichkeit im finanztechnischen Bauernlegen!
Politikfähigkeit: Mitmachen als konkretes Ideal
Wenn sich sogar im Regierungslager welche finden, denen menschliches Verständnis, Einsicht und Lernfähigkeit nicht abgesprochen werden können, dann ist der Schritt auch nicht mehr groß, daß der Grüne viel Verständnis für die "Zwänge und Sachnotwendigkeiten" des Postens aufbringt. Er sieht sich dazu allein schon deswegen genötigt, weil er mit seinem Sachzwang ja nicht abseits stehen will - und immerzu als institutionalisierter Zeigefinger herumzulaufen, der anklagend auf die höhere Moral der Politik deutet, ist auf Dauer keine parlamentarische Betätigungsweise. Die äußerst verantwortungsvolle Grundgesinnung muß sich schon noch ein wenig "konkretisieren". Das Mitdiskutieren in den höchsten Sphären der Ideologie stellt auch ein paar Anforderungen ans Mitmachen im Alltag der Politik. Da stellt sich dann schnell heraus, daß die gewünschte Politikfähigkeit, auch wenn sie als alternativer Sachzwang daherkommt, sich erstens einmal sachkundig in den offiziellen Sachzwängen herumzutreiben hat - also ganz gewöhnliche, biedere Oppositionspolitik a la SPD. Und daraus folgt zweitens unabweisbar die Forderung an sich selbst, auch zu all dem altemativ fähig zu sein, wozu ein Dregger fähig ist.
Wer rettet den Wald?
Zum Beispiel die parteiübergreifende Kampagne "Rettet den deutschen Wald!" (Dies übrigens die erste durchschlagende "Umweltschutz"initiative, die nicht von Grünen ausging, sondern von Wald- und Sägewerksbesitzern unter dem ausdrücklichen Patronat des Bundesinnenministers Zimmermann von der CSU.) Daß der Wald ein nationales Anliegen sei, die deutsche Automobilindustrie ein wichtiger "Arbeitsplatz" ist, die Autofahrer die Hauptschuldigen, der Dreckoutput der Fabrikschlote hier nur begrenzt Thema, das Ganze keine EG-Abmachungen verletzen darf - diesen ganzen Schrott von Sachzwangideologien hat die grüne Bundestagsfraktion nicht ernsthaft in Frage gestellt. Sie hat stattdessen ausgerechnet dem Zimmermann vorgeworfen, er sei ein "Ankündigungsminister", hat den Maßnahmen des Ministers vorgerechnet, sie seien "ungenügend", um schließlich der Regierung das Recht abzusprechen, sich als glaubwürdiger Waldretter darzustellen. Und das entscheidende Argument gegen die Tunixe auf der Regierungsbank: Sie trauten sich nicht, den Menschen ausreichend Opfer aufzuerlegen für den Wald!
So ergeht an die Gewalthaber die herbe Kritik, sie wären immer noch zu opportunistisch gegenüber einem von ihnen gewähnten Materialismus beim Bürger, dessen Idealismus die Grünen besser kennen und den sie vertreten wollen. Die Politik versagt vor ihrer Pflicht, die Opferbereitschaft der Massen gehörig in die Pflicht zu nehmen.
Womit die C-Mannschaft einmal gegen die SPD im Lande Stimmung gemacht hat - "Beförderung des Anspruchsdenkens" und so -, das kriegt sie jetzt von der radikalen Opposition zu hören. Mit dem kleinen Unterschied, daß für die Grünen die unberechtigten Ansprüche und schädlichen Privilegien schon beim Autofahren, Rauchen und Übergewicht vorliegen.
Wer schützt die Nation?
Kein Wunder, daß man den Grünen auch voll mit dem nationalen Sachwang N r. 1 kommen kann: Die Russen dürfen keinesfalls kommen, Herrschaft in der BRD muß deutsch bleiben! Dem offiziellen Titel der "Sicherung von Frieden, und Freiheit" wird entgegengehalten, daß NATO und Bundeswehr jetzt, d.h. seit der "Nach"rüstung den Frieden nicht sicherer und die Freiheit nicht noch freier (d.h. auch für die DDR und Polen) machen. Es herrscht Übereinsbmmung mit den "etablierten" Parteien, daß die BRD verteidigt werden muß, daß der Ostblock demokrabsiert werden soll und daß man sich über die Mittel und Wege produktiv den Kopf zu zerbrechen hat: Alternative Verteidigung = Kriegsvorbereitung grün! Dafür bemüht die Partei Sachverständigenverstand, auch wenn er gar nicht mehr in der Fraktion ist.
"Im Hinblick auf diese Entscheidung" (Anschaffung der Luftabwehrraketensysteme Roland und Patriot) "hinterließ Gert Bastian bei seinem Ausscheiden aus der Fraktion die Empfehlung, der Beschaffung dieser modernen, konventionellen Luftverteidigungssysteme, die ebenfalls in den Gesamtrahmen einer defensiven Heimatverteidigungsorganisation passen würden, mit drei gravierenden Einschränkungen zuzustimmen..." ( Bericht...)
In ihrem Bemühen, gerade auch an diesem national herausragenden Anliegen Kompetenz und Politikfähigkeit nachweisen zu können, gehen die Grünen so weit, allen Ernstes Debatten über Militärstrategie anzufangen.
Nach den Herbstdemonstrationen 1984 anläßlich der NATO-Manöver in der BRD gab's im Fernsehen erregte Diskussionen zwischen Schulungsoffizieren der Bundeswehr und Friedensdemonstranten aus der grünen Partei, wobei diese ausgerechnet jene mit größerer Sachkenntnis über Kriegstaktik und Gefechtsstrategie nicht nur zu widerlegen, sondern auch noch zu agitieren versuchten: "Airland Battle" widerspreche dem Verteidigungsauftrag des NATO-Vertrags! Dies war die Geburtsstunde einer alternative NATO von der Basis aus. Bei allen Diskussionen besticht seitdem die Fairness und die wechselseitige "menschliche Hochachtung", mit der sich die grünen Wehrexperten und die Experten von der Wehrmacht versichern, es sei der haargenau gleiche Wille zum Frieden, der beide Seiten im letzten motiviere und damit ehre.
Wer vertritt die deutschen Interessen richtig in Nicaragua...
Die neue Moralüberwachungsinstanz legt einen enormen Eifer an den Tag, wenn es ihr darum geht, den Anti-Imperialismus zu demonstrieren, den sie beherrscht: Mitberatung bei den Problemen des Imperialismus.
- Wenn die Freiheit zuschlägt, konstatieren ihre idealistischen Parteigänger Verrat an der Moral, aus der sie wieder einmal die Aufträge der Politik ableiten.
- Wenn die mächtigste Demokratie der Welt wieder einmal zeigt, wozu sie fähig ist, gerieren sich deutsche Grüne als Gralshüter der "Declaration of Independence" und beklagen ohne jede Scheu vor Pro-Amerikanismus, das schlechte Verhältnis von Legitimation und Politik bei den Amerikanern.
- So stehen sie beleidigt auf der Seite des Imperialismus, wenn sie ihm schlechte Problemlösungen in Mittelamerika zugutehalten. Anerkannt wird damit nämlich ausdrücklich, daß es sein Problem ist.
- Voller Zivilcourage macht sich die Solidarität der moralischen Riesen auch über den Sandinis us her. Dieser wird am Demokratieideal der Grünen (das ungefähr einem basisdemokratisch novellierten Grundgesetz entspricht) gemessen und an allen Ecken und Enden für äußerst problematisch befunden: Miskitos, Wehrdiensterweigerer etc. heißen die alternativen Stichwörter zur offiziellen Hetze in Sachen "totalitäre" Züge des "Regimes".
- Verbittert verkündet dann die grüne Partei in der BRD, daß die Nicas nicht dem Bild entsprechen, das sich die Freunde des Fortschritts von ihnen geschnitzt haben, um auch in Mittelamerika eine "Alternative" verehren zu können.
...im feindlichen Osten...
Eine Bewegung, die einen politischen Idealismus von unten für alle Ehrentitel, von Nation und Politik mobilisiert, schafft es auch, den ganz gewöhnlichen Antikommunismus hinter sich zu lassen. Ihre alternative Rechtschaffenheit beflügelt sie zu Fortschritten im bundesdeutschen Konsens. Grüne Mandatsträger nutzen ihre Möglichkeiten und die Parolen der CSU für Demonstrationen gegen den Osten im Osten! - Durch ihr demokratisches Engagement sind sie für sich die glaubwürdigsten Kritiker von Honecker, weshalb sie sich aufführen wie der konsequent zu Ende gedachte Geißler und sich nicht einmal vereinnahmt vorkommen, wenn sie von der FAZ als Kronzeugen vorgeführt werden.
...und im Nahen Osten
Ein alternativer Beitrag zum "Bild Deutschlands in der Welt" kommt ohne alternativen Polittourismus in Sachen "Vergangenheitsbewältigung" nicht aus. Die anschliessende Diskussion klärt dann, mit wem um was konkurriert wird. Schamlos werden die Parolen der amtlichen BRD-Staatsdoktrin als Selbstkritik übernommen:
"Dies ist wohl der gröbste Fehler der Nahost-Delegation: Ohne jede Sensibilität für die Geschichte des jüdischen Volkes gereist zu sein - deutscher geht's nimmer." (Pflasterstrand, Ffm.),
So bramarbasiert der Fraktionsnachrücker Jo Müller mit der kritischen Theorie des Stammtischs gegen seinen Kollegen Jürgen Reents, mit dem verbliebene Kenntnisse in Sachen Anti-Imperialismus aus seiner KB-Zeit durchgegangen waren; "ausgerechnet" in Israel:
"Die Palästinenser sind die Opfer der Opfer."
Das ist für den Müller "eine zynische Ungeheuerlichkeit". Dieser Aspirant auf den Fraktionssprecherposten hat alles gelernt, was es dafür braucht, und er wendet es an - gegen die "Fraktionsantiimpis vom Dienst", die noch immer "entlang der Linie der Blockkonfrontation" denken. Müller ist darüber hinaus und schon bei Axel Springer:
"Die gemütliche Formel für die deutsche orthodoxe Linke lautet...: Wir sind antiisraelisch und nicht antisemitisch. Wie sollen die israelischen Juden das eigentlich verstehen können, wenn so eine Formel von jungen Deutschen vorgetragen wird? ... Ein Volk, für das Pogrome und Antisemitismus historische Leidensnormalität war, neigt zu hysterischen Überreaktionen." (ebenda)
Und darunter fallen für den Weltpolitiker Müller alle Exkursionen der israelischen Armee zur Endlösung der Palästinenserfrage! Sensibler für einen "jungen Deutschen" geht's wirklich nimmer!
Doch: Wo bleibt das Grüne?
Selbst ein grümer Parlamentarier merkt, daß sich seine unverwechselbare Identität mittlerweile ziemlich ins gegnerische Lager aufgelöst hat. Alle Politikfähigkeit und Glaubwürdigkeit nützt ja nichts, wenn nicht überall die neue Qualität aus den Knopflöchern lugt - wo bleiben denn sonst die Wähler?!
Daß die von der "etablierten Politik" zweckmäßig verwaltete Differenz von Ideal und Tat nicht zu sein bräuchte, weil von und in der grünen Partei tendenziell aufgehoben, gehört sich also selbständig demonstriert. Die "Forderung", Politik müsse sich in ihre eignen moralischen Prinzipien auflösen, bedient sich der Stellung des stinknormalen Staatsbürgers zu seinem Staat, um sie zu überhöhen.
Ein anständiger Staatsbürger
- macht das kleine, aber entscheidende Zugeständnis, daß er den Staat braucht, weil ohne ihn nichts läuft;
- verwandelt seine Abhängigkeit vom Staat in einen mehr oder minder guten Glauben an ihn;
- läßt sich darum von der konkreten Unbill, die ihm die Taten seiner Herrschaft einbrocken, grundsätzlich nicht beirren, sondern kennt immer nur eine Antwort - Enttäuschung;
- sobald ein Machthaber auftaucht, weiß er trotz allem, den gebührenden Respekt aufzubringen;
- leitet also aus jedem Gesetz, in dem die eigenen Interessen untergebuttert werden, den Wunsch nach mehr Gerechtigkeit und ähnlichen schönen Wahnvorstellungen ab, hält unbeirrt an seiner Vorstellung vom (eigentlich) idealen Staat fest und wirft der Regierung deswegen vor, sie sei hinter ihrem Auftrag zurückgeblieben.
Das gefällt den Grünen so sehr, daß sie es für den Schlüssel zu einer neuen und besseren Politik halten. Aus den Verrenkungen der staatsbürgerlichen "Einsicht" machen die Grünen ihr methodisches Prinzip. Der Ausdruck dafür heißt Betroffenheit und ist ein - Gütesiegel: Irgendwie läuft jedermann damit herum, und sie ist eine einzige Unbedenklichkeitsbestätigung für Verbesserungsvorschläge, weil ein Ausweis der Unschuld. Diesen Anspruch auf Anerkennung haben sich die Grünen zum Inhalt gemacht: Es müßte doch eine endgültige Versöhnung von Politik und Betroffenen herzustellen sein - so ihre "Forderung", als die sie zugleich leibhaftig herumsitzen.
Das notwendige Auseinanderfallen von Ideal und Tat nehmen sie als günstige Gelegenheit, sich in Szene zu setzen. Den Realpolitikern treten sie als Leute gegenüber, die sich unentwegt bemühen, politische Taten zu ersinnen, welche den Idealen der Politik entsprechen. Ihre politische Kritik reimt sich also immer auf denselben Vers: "Dürfen die das?!", wobei man sich das "Dürfen" in dicken Lettern und das "das" winzig klein vorzustellen hat. Ununterbrochen fragen sie nach der Legitimierbarkeit der Politik, ohne daß ein einziges Mal der konkrete Inhalt untersucht würde - den degradieren sie zum bloßen Aufhänger für ihr eigentliches Anliegen. Anders ausgedrückt: Noch die offenkundigste Sauerei läßt sich auf den Rang einer Menschheitsfrage hinunterbringen - und totschlagen.
Für das Vorführen von Betroffenheit zum Zwecke der Bebilderung und Betonung grüner Eigenständigkeit lassen sich allerlei Exotika gut gebrauchen, die den unbedingten Eingrenzungswillen betonen: Bei uns kann sich jeder heimatlich geborgen fühlen. Die Volkspartei neuen Typs steht über allen Parteien und hebt deren Politik in sich auf. Sie ist eine Partei, die die Versöhnung von Macht und Moral "i m Herzen der Menschen" anstrebt und die "saubere Politik" von unten her organisiert, als Bewegung aller Menschen guten Willens:
"Mit dem von mir geprägten, leider oft mißverstandenen Begriff 'Anti-Parteien-Partei' habe ich mir eine Partei gewünscht, die immer in der Lage ist, zwischen Macht und Moral zu scheiden; eine Anti-Parteien-Partei, die schöpferischen Ungehorsam jeder Art von Repression entgegensetzt, die kühne Phantasie mit effizienter Arbeit verbinden kann, und die den Zusammenhang zwischen dem Frieden in der Welt und dem Frieden in jedem Einzelnen begreift... hat Erich Fromm einmal sehr deutlich ausgedrückt, als er sagte: 'daß zum ersten Mal in der Geschichte die physische Fortdauer der Menschheit von einer radikalen Veränderung der Herzen abhängt'." (Petra Kelly)
Stolz verweisen sie darauf, daß sie Engagement sammelt, anleitet und fordert, Engagement mit der staatstragendsten Grundlage, die man sich vorstellen kann: Opferbereitschaft aus Betroffenheit - Betroffenheit aus Opferbereitschaft.
Die ersten beiden politischen Elementarformen alternativen Engagements bringen Grüne von Geburt an mit: die 'Männerrolle' oder das Problem 'Frausein in einer Männergesellschaft'. Von da an gibt's nur noch "bewußtseinsschaffende Erfahrungen", von der Wohnsituation bis zu Ernährungsgewohnheiten, bzw. "autonome Organisationsansätze" für Mütter, Kinder, Homosexuelle, Lesben, Untermieter, Hausbesetzer usw. Der "Ansatz" läuft über Betroffenheit: den moralischen Ausweis, daß man ein Recht auf Gehör hat, weil man d a ist in einem "Zusammenhang", der nicht "gesellschaftlich diskriminiert" werden darf. In der grünen Parteiprogrammatik, die mittlerweile so umfassend ausgearbeitet worden ist, daß im Bundesprogrammentwurf nichts ausgelassen wird, womit auch CDU und SPD Politik machen, tauchen die Hauptobjekte der altemativen Fürsorge, von den bedrohten Arten bis zu den Kindern und Alten, als mangelhaft anerkannte und deshalb in ihrer Eigenart bedrohte Rechtssubjekte auf. Zum Beispiel
"Tiere dürfen juristisch nicht weiterhin als 'Sachen' betrachtet werden, sondern müssen einen besonderen Rechtsstatus erhalten. Tierquälerei ist streng zu bestrafen." (Bundesprogramm, Entwurf)
Zum Beispiel
"Strafgefangene müssen ihre bürgerlichen Ehrenrechte behalten." (ebenda)
Und schließlich auch noch die Forderung nach einem neu zu verankernden Grundrecht im Art. 3 GG, mit dem die freie Wahl der "sexuellen Orientierung" garantiert werden soll.
Fragen, was uns die Viecher nützen, wenn sie demnächst eventuell als "beseelte Wesen" gesetzgeberisch geführt werden; warum es im Knast das Wahlrecht sein soll, worauf's ankommt; oder ob ein einziger Schwuler besser fährt, wenn er mit dem Grundgesetz unterm Arm herumläuft - solche Fragen gehen am Anliegen der Grünen vorbei und werden von ihnen als 'menschenverachtender Zynismus' zurückgewiesen. Ihrem Motto: 'Was recht ist, muß Recht werden!' entzieht sich nichts unter der Sonne. Umgekehrt drängt sich bei der Beherzigung dieses Mottos manche Frage auf, die man nur als verrücktes Anliegen kennzeichnen kann.
So sind die Grünen die fanatischsten Idealisten der Verfassung und die idealistischsten Fans des Bundesverfassungsgerichts: Auf die Idee, gegen die "Nach"rüstung Verfassungsbeschwerde einzulegen, können nur Leute kommen, die sich dem Glauben hingegeben haben, vom Boden des deutschen Grundgesetzes könne auf keinen Fall etwas Schädliches ausgehen. Nach dem Spruch begeistem sie sich an der moralischen Wirkung des ihnen rechtgebenden Minderheitenvotums von 1 Karlsruher Richter und nehmen dafür stolz in Kauf, daß von jetzt an ihr Verfassungsverständis juristisch gesehen verfassungswidrig ist.
Heuchelei: Bürgerlich und grün
Die gewöhnlichen Politiker haben natürlich gemerkt, womit ihnen die Grünen den Wählerstrom abgraben wollen, nämlich mit dem in diesen Kreisen üblichen Mittel der Heuchelei - bloß daß die Grünen dieses Mittel gleich ins Prinzipielle steigern, wenn sie überhaupt nur noch die Berufung auf die Ideale vorweisen. Zum Zwecke der Unterscheidung unter- und gegeneinander erschien der "etablierten Politik" dieser Moralismus gar zu "undiffeienziert". "Frieden", na klar - aber immer mit dem Zusatz "...in Freiheit" (CDU/CSU) nder "...unter Wahrung der deutschen Souveränität" (SPD). Wurscht, ob da wirklich materielle Unterschiede verhandelt werden wenn's drauf ankommt, beschwören sie immer noch die "Gemeinsamkeit aller Demokraten" -, dient das der demonstrativen Abgrenzung, damit sich der Wähler auskennt bei seiner Wahl zwischen konkurrierenden Repräsentationen der gültigen Staatszwecke. Diesen technischen Bestandteil der Parteienkonkurrenz entdecken die Grünen als "Lücke" und machen daraus ihr Unterscheidungsmerkmal in der Parteienkonkurrenz.
Die vier möglichen Gegenmaßnahmen gegen die Grünschnäbel heißen frei nach dem Handbuch der CIA: Erstickung durch Umarmung, Sabotage, Denunziation, Liquidation.
Es geht los mit der allgemeinen Übernahme "grüner Themen" in alle Parteiprogramme, mit der gleichzeitigen Behauptung, daß die dort viel wirkungsvoller aufgehoben wären, was die Grünen wiederum auch befürchten:
"Einerseits versucht die CDU mit ihrer Initiative 'Verantwortung für die Natur' im Bereich des konservativen/konservierenden Naturschutzer, dem Arten- und Biotopschutz (der von uns bisher ein wenig vernachlässigt wurde), Boden zu gewinnen. Auf der anderen Seite sind wir aber dabei ... in traditionell konservativ besetzte Gebiete einzudringen." (Bericht)
Es geht weiter mit dem Lafontainschen Angebot, in seine Regierung einzutreten, damit "sie sich auch mal die Hände schmutzig machen". Mit dem Drängen darauf, daß die Grünen sich doch auch "praktischer Themen" annehmen müßten, wenn sie "politikfähig" sein wollen. Das haben sich die Grünen auch schon gedacht, weswegen sie sich zu folgenden dialektischen Meisterwerken befeuert sehen:
"Unsere rchwierige Aufgabe irt, das gesellschaftlich Notwendige mit Vehemenz zu verfechten - und das ist radikal - und dennoch Kompromisse zu tragen, wenn sie eine Tendenzentscheidung in sich tragen. Entscheiden müssen wir uns dabei, welchen Begriff der politisch Machbaren wir wählen wollen" (Bericht).
Die Ehrenmänner aus den Koalitionsfraktionen gefallen sich in plattesten Angriffen auf die Personen der grünen Fraktion, die doch auch ganz gewöhnliche Sausäcke wären und nicht so tun sollten. Das wiederum erschreckt die Grünen sehr, weswegen eine Abgeordnete auf die Frage, wie sie sich eigentlich erlauben könne, aus Kanada drei Hummer mitzubringen - "bei Ihrem Anspruch!" -, eine lange Rede hält: Man könne ihr keineswegs verbieten, im festlichen Kreise mit einem Fischessen ("was wir alle mögen!"), die Familie zusammenzuschweißen. Wenn sie ab er gewußt hätte, daß die Hummer lebend eingeschweißt hergeflogen wurden, dann hätte sie darauf allemal verzichtet.
Schließlich fordert F.J. Strauß am Aschermittwoch: "Die Brüder muß man mit der Dachlatte zum Teufel hauen!" So wird der bloße Schein von Kritik, nur weil er eine größere Anhängerschaft gefunden hat, zur umstürzlerischen Absicht erklärt.
Der Kampf zweier Linien - mal produktiv
Solche Angriffe zeigen einem Grünen nicht, was "in diesem unserem Lande" wirklich los ist, sondern bestätigen ihn darin, daß seine Beteiligung an der Politik dringend notwendig ist. Dabei gibt es in der grünen Szene ein grundsätzliches Bemühen, der bürgerlichen Polemik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die neue Partei tritt den Beweis an, daß sie nicht nur die besseren Menschen, sondern auch die bessere Politik vertritt. Die Maßstäbe der anderen Seite sind ihr Verpflichtung.
Die grüne Partei ringt um Einklang mit dem Politikgetriebe bei gleichzeitiger Wahrung grüner Identität: Ein inszenierter Kampf zweier Linien. Mit dem beweist die Bewegung praktisch, daß sich ihr Idealismus des Programms durchaus mit dem "Realismus" verträgt, der ihre Politiker zum Umgang mit der Macht befähigt.
Der grüne Realpolitiker ("Realo") argumentiert so: Um möglichst viel von unseren Zielen realisieren zu können, wollen wir mitentscheiden. Damit wir aber mitentscheiden dürfen, müssen wir bei den Entscheidungen der SPD mitmachen. So stand Hessens Ausstieg aus der Kernenergie nicht zur Debatte, als die Grünen bei Börner einstiegen, um sich für einen Ausstieg Hessens aus der Kernenergie einzusetzen. Die Ideallösung, daß nämlich Hessen gar nichts verhindern kann in Sachen ALKEM und NUKEM, verriet Bonn leider erst, nachdem die hessischen Grünen sich entschlossen hatten, diesen Punkt zur Betonung ihrer Politik gegen den Ruch allzu glatter Fähigkeit zu benutzen und vorübergehend in die Opposition zu gehen.
Dagegen hat der grüne "Fundamentaloppositionelle" im Prinzip gar nichts einzuwenden. Auch er will ja "Verantwortung übernehmen" und mit seiner Fähigkeit dazu Stimmen sammeln. Sein Realismus verweist auf die Basis grünen Einflusses, Partei und Wähler, und warnt vor einer Überforderung der politischen Unterscheidungsfähigkeit, die am Ende gleich die SPD wählen könnte und nicht mehr ihren Mehrheitsbeschaffer. Noch schlimmer: Wenn die Grünen sich für die Drecksarbeit mitverantwortlich machen lassen, dann sind sie nur noch eine parlamentarische Alternative, verlieren ihren Charakter als alternative Bewegung und setzen sich der ganz normalen Parteienkonkurrenz aus. Deren Wähler entscheiden sich bekanntlich in der Mehrheit fürs "kleinere Übel" und nicht für ein komplettes Weltbild, auf das die Grünen ihr Volk verpflichten.
Im Parteileben der Grünen, namentlich auf den Parteitagen, wo auch fürs Fernsehen geredet wird, koexistieren Realos und Fundis prächtig, weil sehr funktional für die Partei: Kopien bewährter Tricks der "etablierten" Parteien sind dabei so augenfällig, daß man sich schwer tut, sie noch für unbeabsichtigt zu halten:
- Der Hamburger Parteitag wählt sich mehrheitlich einen fundamentalistischen Bundesvorstand erklärtermaßen als Korrektur zur Bundestagsfraktion, die qua Funktion vorwiegend von den Realos profiliert wird. Mit dem Dualismus zwischen "Orientierungsrahmen"halter Willy Brandt und dem Macher Schmidt hat die SPD immerhin über zehn Jahre alle ihre Flügel und Wähler bestens bedient.
- Das häufigst erwähnte Schlagwort der innerparteilichen Diskussion um Koalition, Tolerierung oder Totalopposition sind die "grünen Inhalte".
Damit meinen sie jene unwidersprechlichen Knüller allseitiger Betroffenheit, welche sie zum Inhalt aller Politik emannt haben und nun einbringen möchten, wann immer sich Gelegenheit bietet. Und da alles und immer dazu Gelegenheit ist, sind sie drauf und dran, die Figur jener politischen Devotionale anzunehmen, die bei Genschers Mannen "liberale Politik" heißt und wegen der die FDP für Deutschland unverzichtbar sein soll.
Nicht bloß symptomatisch für die politischen Fortschritte der Partei "Die Grünen", sondern der Begriff davon, ist die Debatte um die Rotation. Dieser Bewegung kann es eben nicht gleichgültig sein, ob ein Abgeordneter X oder eine Mandatarin namens Y für den deutschen Wald in die parlamentarische Bresche springt, solange nur die Sache korrekt vertreten wird.
Was jetzt als Konflikt ausgetragen wird, ist derjenige zwischen dem parlamentarischtaktischen Kalkül, das sich in Sachen Publikumswirkung etwas von der Prominenz verspricht, und dem Festhalten an einem moralischen Postulat, mit dem man vor zwei Jahren einen großen Teil der Wähler gekeilt hat. Die Lösung der Partei und der Fraktionsmehrheit, einerseits die Rotation abzuschaffen, andererseits jetzt noch einmal aus Prinzip zu rotieren, besticht: So bleibt die Glaubwürdigkeit nicht nur erhalten, sie ziert vielmehr verstärkt die jetzt entsagenden "Zugpferde" und wird sicln in zwei Jahren auszahlen, wenn die Rausrotierten wieder reinrotieren dürfen.
In der parteiinternen Diskussion über die Rotation geben die Grünen "etablierten" Konkurrenten in jeder Hinsicht recht: Politik ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, der Sachkompetenz, der Persönlichkeit, der Kontinuität...; sie ist eine Arbeit, die effektiv erledigt sein will, ein einziger Auftrag - also kein schmutziges Geschäft.
"Manöver-Müllbeseitigung
Zur Müllkippe wurde gestern der Vorplatz des Stuttgarter Landtags. Was nach den Manövern an den Übungsplätzen von zwei "Pershing-II" Einheiten eingesammelt wurde, schichteten die Grünen als "symbolische Aktion" vor dem Landtagsparlament wieder auf (Foto). Darunter waren NATO-Drahtrollen, Tarnnetze und leere Konservendosen. Eine Protest-Welle löste der grüne Abgeordnete Thilo Weichert später im Plenum aus, als er die verbündeten Streitkräfte als "Besatzer" bezeichnete und den Behörden "Kollaboration" mit den "Bedrohungs- Vernichtungsmächten" vorwarf. Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) sprach von einer nie dagewesenen "Agitationsrede". ("Abendzeitung" München)