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Dieser Artikel ist in der MSZ 11-1985 erschienen.

Systematik

Zeitung lesen - eine Kunst
HEUTE: DAS SCHAUBILD IM WIRTSCHAFTSTEIL

Entschärfung eilt: Die Schuldenlast der Entwicklungsländer ist heute zweieinhalbmal so hoch wie vor acht Jahren. Viele können ihre Zinsen nicht mehr aufbringen - von Tilgung ganz zu schweigen. Stundungen und neue Kredite haben den Notstand bisher notdürftig überbrückt. Die Lage bleibt aber explosiv. Nicht weniger groß ist möglicherweise die Zerstörungskraft einer anderen Zeitbombe der Weltwirtschaft. Die USA importieren weitaus mehr als sie exportieren. Normalerweise müßte unter solchen Bedingungen der Dollarkurs in den Keller rutschen. Aber der Dollar bleibt überbewertet. So wird die schließlich doch unausweichliche Kursanpassung immer weiter hinausgeschoben und immer folgenschwerer." (SZ)

Immer wieder erreichen uns in der Redaktion der MSZ Beschwerden, und sie betreffen immer wieder die Unverständlichkeit von Sätzen, ja von ganzen Artikeln. "Nicht so schwierig, lieber einfach und anschaulich" wird gefordert.

Dem würden wir natürlich gerne nachkommen. Deshalb haben wir uns gerade in bezug auf die leidigen Wirtschaftsartikel um Material für die Anschauung bemüht. Und was müssen wir feststellen? Statt einem das Denken zu ersparen, stürzen die Bilder den Betrachter ganz gehörig ins Fragen und Sinnieren. Von wegen "mit einem Blick" die Sache erfassen! Zuerst kapiert man überhaupt nichts, dann guckt man länger hin - und schon hat man lauter Rätsel am Hals und hält es im Kopf nicht mehr aus. Und die Hinweise zur Lösung der Bilderrätsel, die freundlicherweise erteilt werden, tragen nur zur Ratlosigkeit des Auges bei. Hier so ein Fall:

Und hier einige der Fragen, die uns das Abonnement verleiden:

  1. Warum werden auf dem oberen Bild, das sich offenbar durch jede Menge sachlicher Veränderungen vom unteren unterscheidet, die Schulden verschiedener Länder zusammengezählt?
  2. Wer hat denen überhaupt das Geld gegeben? Wo ist das Geld jetzt eigentlich? Was haben die sich dafür gekauft, wenn es fort ist?
  3. Wieso ist der Summe von 865 Mrd. - die ja nicht in den USA zustandegekommen ist und trotzdem Dollar heißt - der Charakter eines Feuerwerkskörpers zuerkannt worden? Was fürchtet der barfüßige Mann mit dem Sombrero? Dem haben sie doch nicht etwa das viele Geld gegeben? Oder weist er, im Gedenken an die altmexikanische Weisheit "Geld macht nicht glücklich", die Knete zurück?
  4. Wer hat die Zeitbombe eigentlich gezündet? Gibt es denn keinen Weltwirt, der sie ausmacht? Wo doch "Entschärfung" eilt? Oder soll man den Feuerwerker durch Drehen des Bildes suchen?
  5. Wievieleinhalbmal so hoch wie vor 32 Jahren war die Schuldenlast denn vor 8 Jahren? Wieso Last? Wer hat denn dazu Lust gehabt?
  6. Was bedrückt denn Uncle Sam, wo er doch gar keine Schulden hat? Ist ein Defizit in der Handelsbilanz etwa dasselbe? Schämt sich der gute Mann, weil er weniger exportiert als importiert? Hat er vielleicht noch andere Verbindlichkeiten?
  7. Was ist an 150 so explosiv, daß man eine völlig veraltete Sorte Sprengkörper besichtigen soll? Was geht denn kaputt, wenn dieser vergleichsweise harmlose Böller seine "Zerstörungskraft" entfaltet? Wieso ist letztere möglicherweise "nicht weniger groß"?
  8. Wenn Schulden überall dasselbe drohende Unheil für die Weltwirtschaft hermachen, warum zählt man sie dann nicht gleich zusammen? Das wäre dann nur eine Bombe, bloß ein bißchen größer, oder?
  9. Welche Idioten verkaufen wiederum den Amerikanern ihr Zeug, wenn die nicht bezahlen können?
  10. Ist jetzt das Defizit gefährlich oder der Dollar nicht normal? Was soll er im Keller? Ist die Bombe denn in der Weltwirtschaft ihrem Wohnzimmer?
  11. Können die USA nicht ihre Schulden von ihren Guthaben bei Entwicklungsländern einfach abziehen? Wo ist das Haben bei so viel Soll?
  12. Müßte der Maler unter solchen Bedingungen nicht normalerweise in die intellektuelle Reservearmee rutschen? Wieso bleibt er überbewertet? In welchem Land sind denn solche Kursanpassungen mit dem Griffel unausweichlich?