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Werner Filmer / Heribert Schwan: Helmut Kohl -
ALLE LIEBEN HELMUT ODER DIE GERECHTE ANTWORT AUF DEN BIRNENSCHMÄH
"Ihnen merkt man an, daß Sie Amt und Macht und sich selbst in beiden lieben, und das wirkt ebenso gesund wie rechtschaffen." (Gernot Erler, SPD - Ehrlich nicht ironisch!)
Höchste Zeit! Das mußte endlich gesagt werden. Auf diese Verglimpfung unseres Bundeskanzlers hat die Welt gewartet - und die linken Pinscher stehen wie begossene Pudel im Regen. Jetzt ist es nämlich heraus und ein Buch. Es heißt wie unser Kanzler, kostet DM 38,- und hat zwei Herausgeber, also auch ziemlich Mitautoren. Dem Helmut, den Filmer/Schwan porträtieren, muß man nicht nur folgen, man muß ihn auch lieben. Was ihn auszeichnet?
Bescheidenheit
Da wird ganz energisch aufgeräumt mit der für einen schlag- und tatkräftigen Bundeskanzler wahrlich schwachen Vorstellung vom bloß gemütlichen Oggersheimer Weinschlucker, der ain Ende den Brutalitäten der Regierungs- und Staatsnotwendigkeiten nicht gewachsen wäre:
"Bereits als Pennäler entwickelte Kohl einen differenzierten Instinkt für Machbares, für Mehrheiten. In der Schule hatte er den eigenen Führungsanspruch entdeckt." (41)
Kein Wunder, daß dieser Mann, voll ausgereift und ausgewachsen, unbeirrbar und keineswegs zimperlich seinen Weg geht:
"Ein außerordentlich hoch entwickelter Machtinstinkt ist Kohl eigen. Auf ungewöhnliche Art wählt er seine Vertrauten. Fast alle haben eine Eigenschaft: Sie sind abhängig von ihm, ihm ergeben, zugänglich ... Kohl versteht es, sanften seelischen Druck auszuüben. Er besitzt einen sicheren Zugriff auf Menschen, die nicht zu den stärksten zählen. Menschen in Besitz zu nehmen, sie zu vereinnahmen, ist seine Stärke. Und er spielt sie aus." (337)
Wer sich also harte Köpfe wünscht und der geilen Alternative Schmidt/Strauß nachtrauert, wird von diesem Mann richtig bedient und nicht mit weichen Birnen beliefert. Außerdem: Wer ist denn heute Bundeskanzler? Ob Elbsegler oder Trachtenhut, der "lange Oggersheimer" (lieb, gell?) hat sie, die darüber geradezu schwach und blaß ausschauen, beide über den Tisch gezogen:
"Kohl ist nach meiner Meinung der meist unterschätzte Kanzler dieser Republik, so wie seine beiden Vorgänger bei aller Anerkennung ihrer individuellen Qualitäten maß los überschätzt wurden... Ich schätze den Kanzler wegen seiner Führungstugenden." (288/290)
"Strauß besitzt den schärferen Intellekt, aber der Pfälzer hat ihm die politische Klugheit voraus, und die wiegt schwerer... In den entscheidenden Kraftproben mit Kohl zog er fast immer den kürzeren... Strauß war der lärmende Verlierer, Kohl der stille Gewinner." (245/230f. - Auszüge aus der späten Rache Paul Puchers für die Verleumdung seines "Münchner Merkurs" als Oppositionsblatt durch Führungskräfte der CSU)
Das kann kein Zufall sein!
Aufrechter Gang
"Die Strategie, nach der er seine Karriere plante, war einfach und schlüssig: Hohe Ämter anpeilen, öffentlich und zum richtigen Zeitpunkt Anspruch darauf erheben, offensiv, ohne Umweg drauf losmarschieren." (153)
"In den fünfziger Jahren sondierte der Heidelberger Student Kohl Möglichkeiten des politischen Weiterkommens." (50)
"Zur Skepsis gegenüber den Nazis erzogen" (41)
durchschaute der überzeugte Christ
"rasch den Mechanismus der Macht. Für ihn kam vor allem die 'Partei im Regierungsamt' in Frage." (79)
Es waren auch keine wissenschaftlichen Flausen, die ihn zur Promotion veranlaßten. Der "gradlinige junge Mann" wußte, daß der Titel seinem politischen Fortkommen förderlich sein könnte. Ohn' Unterlaß glänzte das "Genie in Sachen eigener Karriere" (230) neben anstrengenden und anerkennenswerten Wahlkampfaktivitäten etwa als er sich nachts bei wilden Plakatklebeaktionen "nicht nur als energischer Anführer, sondern auch als streitbärer kampfeslustiger Raufbold profilierte. Sein Prestige wuchs." (85) - "mit Bravour" und mit analytischen Glanzleistungen der folgenden Art:
"Die Pfalz beheimatet... einen fröhlichen und weltoffenen Menschenschlag, der viel Sinn für gesellschaftliches Zusammenleben und die Freuden der Zeit hat und dem dogmatischen Denken abgeneigt ist. ... Neben einem ausgeprägten Sinn für Toleranz besteht jedoch häufig ein allzu starkes unangenehmes Selbstgefühl." (66)
Erkenne dich selbst! Das war immer der Leitspruch dieses an Sprüchen so unendlich reichen Menschen. Und was hat er da entdeckt in den tiefen Gründen seines Menschenschlags? Zuerst den Ministerpräsidenten -
"Ungeniert peilte der selbstsichere und entschlossene Helle den Sessel des Ministerpräsidenten an. Er kannte Altmeiers ungeschützte Stellen, wußte, wo er empfindliche Treffer landen konnte. Mit Schuldzuweisungen war er schnell zur Stelle." (80) -
und dann den Bundeskanzler
"Das bemerkenswerteste Besserwissen war seine Gewißheit, deutscher Bundeskanzler zu werden." (175)
Bewundernswert, wie er "seine lieben Freunde" für seinen Weg einsetzt:
"Kohl nutzt seine Fähigkeit, Menschen für seine Zwecke zu gebrauchen, manchmal bis zur Skrupellosigkeit. Er nutzt die Fertigkeiten anderer, setzt auf ihre Fähigkeiten, vermittelt ihnen Vertrauen, auch Geborgenheit. Aber wehe, wenn sie nicht auf seiner Schiene laufen, dann kann er unerbittlich nachtragend sein." (336/7)
Raffiniert, wie er den Linken markierte -
"Die CDU sei zu verbürgerlicht, habe eine zu geringe Mitgliederzahl und keine Flügelbildung mehr, insbesondere keinen sogenannten linken Flügel." (77) -,
so daß er sich den Ruf eines "Kommunisten", den er mannhaft wegsteckte, eingehandelt hat, um am Sessel des Ministerpräsidenten zu sägen.
Ehrlichkeit
Und kein anderer hat seinen Erfolg wohl so verdient wie der Kanzler! Für sein Amt hat er nicht nur die schon erwähnten Leistungen, sondern auch Opfer gebracht. Was hat er nicht alles durchgemacht. Alle Leiden und Berufe seines beherrschten Volkes kennt er aus eigener Erfahrung: "Ein Musterknabe war er nicht." (21) Dafür Kaninchen- und Seidenraupenzüchter. Kindersoldat im Schülerlöschtrupp und Wehrertüchtigungslager. Klassensprecher.
"Rechnet man die Semesterferien als Werkstudent zusammen, kommt Helmut Kohl auf über drei Jahre Hilfsarbeitererfahrung in der BASF. Dieser Kontakt mit der Arbeitswelt, die Erfahrung des Geldverdienens durch eigener Hände Arbeit - die im übrigen ganz erträglich ist! -, das Bewußtsein, sich selbst über Wasser halten zu können, das Vertauschen der Bücher mit dem praktischen Arbeitsleben gibt uns Zwanzigjährigen ein ungeheueres Gefühl der Unabhängigkeit und Selbständigkeit. A great feeling. Ein Geruch von Freiheit." (87)
"Beinahe wäre er Bauer geworden." (27)
Der Mann kennt sich also aus. Er hat die Plackerei in der Schleiferei, den Mist auf dem Hof wie auch die Verantwortung des leitenden Angestellten nicht klagend e r-, sondern echt pfälzisch fröhlich getragen. Natürlich hat er Humor! Deshalb hätte man den geistreichen Gag von seinem Hund "Igo", dem er beigebracht hatte, bös zu bellen, wenn das Wort "Sozi" fiel, ruhig öfter als die kläglichen vier Mal ins Buch aufnehmen können. Beim Preis seiner "Führungstugenden" hat man sich ja gottlob auch keinen Zwang angetan.
Ja, Helmut Kohl möchte ein Mann des Volkes sein, und darum ist er's auch. Er achtet Vater und Mutter, weil sie sich jedem Scheiß angepaßt haben.
"Sie versuchte, mit den veränderten Bedingungen fertig zu werden. Und es gelang ihr - ich bewundere sie noch heute dafür." (18)
Er ist nicht nur mutter-, sondern auch tierlieb (Bemühung um einen "kleinen Raben mit gebrochenem Flügel"), hat also ein Herz für die Schwachen, auf die er stark, wie er ist - keine schwächliche, staatsabträgliche Rücksicht nimmt:
"Im Innern überrannte Kohl - ohne nennenswert wägende Diskussion bei der Haushaltssanierung und den Spargesetzen - den Widerstand des politischen Gegners und den Aufschrei der Betroffenen. Darüber setzte sich die neue Koalition hinweg. Arbeitslosengeld und Sozialleistungen wurden gekürzt, staatliche Förderung für Studenten gestrichen, Vergünstigungen für Behinderte bereinigt, Rentenanpassung verschoben sowie ein Krankenversicherungsbeitrag angekündigt. Auch die Kürzung des Kindergeldes Besserverdienender und monatelange Lohnpausen im öffentlichen Dienst wurden fast widerstandslos hingenommen." (184)
Das soll man ihm nicht nur hoch anrechnen, man kann es ihm einfach nicht übelnehmen, wo er doch selbst Verzicht und Askese vorlebt:
"...ohne Wenn und Aber nach Bonn zu gehen, den goldenen Sessel des rheinlandpfälzischen Ministerpräsidenten mit dem schlichten Klappstuhl des Bundestagsabgeordneten zu vertauschen." (164)
"Kohl ist nicht an Geld interessiert, sondern an Macht. Er ist nie korrumpierbar gewesen in einem primitiven Sinne... Was ihn interessiert, ist Macht. Politik hat für ihn immer bedeutet, sein Land patriotisch zu vertreten, als Anruf - da bist du hingestellt, jetzt mußt du im staatlichen Interesse handeln." (262)
Mens sana in corpore sano
Und bei allem ist er doch kein Kind von Traurigkeit: "Wein und Fleisch vermag er lustvoll zu genießen." (38) Kein Wunder, daß nicht nur reife Frauen sich in ihn verlieben:
"Etwas geht von dem Riesen aus, auch wenn er eingenickt ist, das den Unbilden um ihn herum trotzen möchte. Vier steile Falten sind zu sehen, manchmal zuckt sein Gesicht. Er entspannt sich, ist daran gewöhnt, daß sein Verhalten mißdeutet wird. Jede Wirklichkeit bricht sich an der Eigenwilligkeit eines lebendigen Wesens." (261)
"Der Kanzler sinniert. Die Lederpantoffeln wippen. Blaue Socken trägt er diesmal. Helle Latschen. Die Brille belastet seine Nase nicht. Ein gemütliches Gesicht. Grotesker Humor ist, wenn man die Logik auf den Kopf stellt, wenn man mit der Sprache spielt, wenn man aus dem fünften Gang seines Autos den Müßiggang macht. Der Kanzler frotzelt, pflaumt..." (349 f.)
Wer von beiden - Werner Filmer oder Heribert Schwan - nun so verknallt ist, daß er ihm mit der Interviewfrage gleich die Antwort in den Mund legt -
"Wer als Kanzler politisch wirksam sein will, darf vor was nicht zurückschrecken?" "Vor dem Risiko der Unpopularität seiner Entscheidungen." (422) -
das bleibt wohl das süße Geheimnis der beiden. Schön ist diese herzliche Beweihräucherung unseres Häuptlings vor allem deswegen, weil sie diese drei Frohbotschaften nicht einfach einseitig-einsilbig hinsagt, sondern von 56 verschiedenen Persönlichkeiten - vom Schulkameraden bis zum Kardinal - einprägsam wiederholen läßt, so daß das Selbstprotrait des Kanzlers dann auch wirklich sitzt:
"Ein Bundeskanzler muß die Fäden in der Hand halten, ohne diese in allen Fällen selbst zu ziehen. Er muß die politischen Grundlinien vorgeben, aber nicht schon die sachliche Ausfüllung in Einzelheiten präjudizieren. Ich glaube, daß die Minister in meiner Regierung mehr Auslauf haben, als dies bei manchem meiner Amtsvorgänger der Fall war. Dies ist möglich, weil zwischen ihnen enge sachliche und persönliche Beziehungen und ein hohes Maß an Fairneß im Umgang miteinander bei den Kabinettsitzungen herrscht, der wohltuend ist. Dieser Führungsstil gibt den Ministern Raum für eigene Initiativen, belebt die Arbeit und bringt die Politik voran." (344)
Das sitzt auch bei Gewerkschaftern, die sich beklagen dürfen, daß er "für seine Freunde in den Gewerkschaften keine Zeit mehr findet" (406), und bei Petra Kelly:
"Helmut Kohl hatte nicht begriffen, daß man aus der Geschichte der eigenen Nation nicht flüchten kann, auch wenn man keine persönliche Schuld trägt." (303 f.)
Schöner hätte es der Kohl auch nicht sagen können. Alles in allem: Endlich ein rundum positives Schrifttum, das voller Lebensfreude aufs erfreulichste die Verehrung von Amt und Person ineinssetzt, anstatt ersteres immer durch Verunglimpfung der letzteren in den Himmel zu heben.