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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1985 erschienen.

Systematik


DIE LAGE IN NICARAGUA

Wenn ein US-Flugzeugträger mit 6.000 Mann und 90 Flugzeugen in der Karibik kreuzt, ergänz.t durch 15 Marineeinheiten der USA; wenn in Honduras eine US-amerikanische Fallschirmeinheit abspringt, die beim "Straßenbau" eingesetzt werden soll; wenn Aufklärungsflugzeuge der Amerikaner über Nicaragua jede Bewegung auf dem Lande kontrollieren und amerikanische Kriegsschiffe jede Seefracht nach Corinto, dem größten Hafen Nicaraguas, begleiten; wenn weltöffentlich Überlegungen über unerlaubte (wer erlaubt hier wem was?) Waffenlieferungen an die Sandinisten angestellt werden, dann kann man konstatieren: Eine US-Invasion in Nicaragua findet eindeutig nicht statt! Das ist sogar die Wahrheit, wenngleich nur die halbe. Denn das, was da zur Zeit in und um Nicaragua passiert, ist alles andere als eine Unterlassung:

Die Invasion findet nicht statt. Nur Krieg!

Wenn die USA über ihren CIA ausgerechnet zur Kaffee-Erntezeit die Contras zu verstärkten Einsätzen ins Land schicken und entsprechend ausrüsten; wenn also die Verrichtung der alltäglichen Arbeit in bestimmten Gegenden des Landes eine Sache von Leben und Tod ist, dann läßt sich auch dazu sagen: Eine US-Invasion in Nicaragua findet nicht statt. Und auch daran ist eben soviel wahr, daß amerikanische Dollars, Waffen, militärische Ausbildung, Logistik und Befehle einen Bürgerkrieg anheizen, ohne daß auch nur ein amerikanischer Ledernacken höchstpersönlich seinen Fuß auf nicaraguanischen Boden gesetzt hat. Also:

Die Invasion findet nicht statt. Nur Krieg!

Diese gemeine Logik ist sehr gezielt inszeniert worden. Da setzen die Amerikaner gleich am Tage nach Reagans Wiederwahl mit unverhüllten Drohungen, Manövern und Truppenbewegungen erst die Invasion in Nicaragua auf die weltpolitische Tagesordnung. Wochenlang haben die imperialistischen Hetzblätter nur zwei Themen: erstens, wann die Invasion zu erwarten sei; und zweitens, daß das Volk von Nicaragua schon lauthals nach seiner Befreiung durch amerikanische Raketen und Bomben schreie. Dann stellen die USA fest, daß die Invasionsdrohung bereits ein Mittel ist, ein Land wie Nicaragua fertigzumachen. Sie verzichten fürs erste darauf, die militärische Endlösung unmittelbar in die Hand zu nehmen. Und schon gelten ausgerechnet die Opfer der mit Krieg flankierten Invasionsdrohung als die Blamierten: als Hysteriker, die wohl selbst etwas im Schilde führen müssen, wo ihre Mobilmachung doch offensichtlich jeder Grundlage entbehre.

Die Lage in Nicaragua ist also trostlos: Jeder Versuch der Sandinisten, sich auf die offen angekündigte militärische Endlösung mit einer allgemeinen Mobilmachung, mit der Versetzung von Erntebrigaden von den Plantagen zum Bau von Schützengräben, mit dem Einkauf von Waffen, die sie überhaupt nur noch in der Sowjetunion und verbündeten Staaten bekommen, mit täglichen Übungen und Erste-Hilfe-Kursen für die Bevölkerung usw. vorzubereiten, beschert ihnen gleich doppelten Ärger.

Erstens kann ein Land wie Nicaragua all die - ohnehin durch Somozas blutiges Wirken begrenzten - Kräfte, die es zur Landesverteidigung aufbietet, nicht bei der Ernte, in den Fabriken und Schulen einsetzen.

Und zweitens handelt sich Nicaragua mit der Mobilmachung gegen die Invasionsdrohung neue Angriffe ein: Die USA und ihre Verbündeten entdecken darin neue "Beweise" dafür, daß sie mit ihrer längst feststehenden Verurteilung Nicaraguas als Regime, dessen Tage gezählt sind, recht haben.

Auch dem geübten imperialistischen Auge, hierzulande wie in den USA, gilt der vor Nicaragua kreuzende Flugzeugträger Nimitz als Teil eines harmlosen Manövers; wohingegen die Einberufung von Reservisten in Managua im Zweifelsfall "beweist", daß Nicaragua Honduras überfallen will. So ist die dauernde Invasionsdrohung und der laufende Krieg in Nicaragua wegen der entsprechenden militärischen Abwehrmaßnahmen und der Dauermobilmachung der sehr bewußt von den USA in die Wege geleitete, allmähliche Ruin der Sandinisten - und dient zugleich zur "Begründung" weitergehender Maßnahmen seitens des Westens.

Geheimverhandlungen zwischen den USA und Managua haben von seiten der USA denn auch nur einen Sinn: festzustellen, wie erfolgreich ihre Operation bereits ist und ob die Sandinisten vielleicht schon Verhandlungsangebote vorlegen, die ihre Kapitulation einschließen. Wie immer ist das Schöne also an solchen Verhandlungen, daß sie kein Ersatz für den Waffeneinsatz sind, sondern gerade umgekehrt mit dem Waffeneinsatz erreichte Erfolge am grünen Tisch einheimsen sollen. Von wegen, wo geredet wird, wird nicht geschossen. Wo geschossen wird, haben die Gewinner gut reden!

So kann sich der Krieg der USA gegen Nicaragua noch hinziehen. Damit ist er imperialistischer Alltag. Aus den Schlagzeilen ist Nicaragua schon lange verschwunden. Wo käme die westliche Journaille auch hin, wenn sie über jede imperialistische Schlächterei dauernd berichten würde. Wenn die Operation "Sandinisten müssen weg" erfolgreich zu Ende geführt wird, dann werden Presse und Fernsehen sich noch einmal diesem Schauplatz des 3. Weltkriegs zuwenden. Das reicht ja wohl!