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Jahr der Jugend 1985
JUGEND - WIE GEHT DAS?
Auf keinen Fall durch den Nachweis eines Lebensalters. Schließlich kann kein Mensch aus dem schlichten Befund "Alter zwischen zwölf und einundzwanzig " eine Ideologie herleiten, aus der sich schlüssig ergibt, was sich für die Unglücksraben der so umschriebenen Generation ziemt. Und noch weniger läßt sich aus den gezählten Jahren ein Rezept dafür entnehmen, welcher Sorte Selbstdarstellung sich die Halbwüchsigen befleißigen sollen.
Die farbenprächtig gelebten Vorsätze und Bekenntnisse der Jugend, die in sie von Eltern, Politik und Kirche gesetzten Hoffnungen, die ihr entgegengebrachte Verachtung, das besserwisserische Gewährenlassen, welches mit dem Scheitern sämtlicher idealistischer Anwandlungen lebenserfahren kalkuliert, die Drohungen und die Ratschläge - all das und die Taufe des 85er Jahres auf den Namen "Jugend" hat partout nicht mit dem Geburtsjahr des so speziell bedachten sozialen Standes zu schaffen.
Der merkt zwar, daß sein Begriff sehr eindeutig mit dem Interesse a n ihm zusammenfällt, macht sich aber andererseits intensiv daran, sich und allen anderen zu beweisen, daß er selbst, "die Jugend", etwas ganz Eigenes darstelle.
Die Rechtschaffenen
üben sich nach Kräften in der Tugend der Bewährung. Konfrontiert mit den Techniken der Auslese, in der über ihre künftige Stellung in der Hierarchie der Berufe entschieden wird, machen sie sich denselben Reim auf ihre "Lage" wie andere Generationen vor ihnen auch. Daß sie an ihrer Perspektive basteln, können sie freilich heute nicht nur den mahnenden Worten von Eltern, und Lehrern entnehmen; eine ganze Öffentlichkeit, vom Kanzler bis zur Bildzeitung und kommunalen Wegweisem, macht sich daran zu schaffen, die Bedingungen zu erläutern, die für das Fortkommen der Heranwachsenden gelten. Und da die Chancen durch so maßgebliche Instanzen wie "Wachstum" und "Arbeitsmarkt" umschrieben sind, kommt es wie immer darauf an, sie zu nutzen. Heute umso mehr, als besagte Chancen nicht sehr reichlich bemessen sind. Daß eine zügige Verwendung jugendlicher Tat- und Arbeitskraft in dem Umfang, wie sie zur Verfügung steht, nicht vorgesehen ist, wird täglich ausposaunt - und dazu die Botschaft, daß die Anstrengungen zum Beweis der eigenen Brauchbarkeit entsprechend auszufallen hätten.
Die Abteilung Jugend, bei der diese arbeitsplatzwirtschaftlichen Weisheiten auf "Verständnis" stoßen, legt sich jedoch nicht nur brav ins Zeug und lernt - desinteressiert an der Sache, weil sehr orientiert an der Perspektive. Sie legt sich auch noch das dazugehörige "Problembewußtsein" zu, so daß die regierungsamtlichen Melodien landauf landab auch noch auf Kindertrompeten gespielt werden. Zur Pflichterfüllung vor allem in den Schulen gehört heute mehr denn je der Vorweis einer Gesinnung, welche von der Einsicht in die Notwendigkeit der verordneten Notwendigkeiten zeugt. Gewissermaßen als Betroffenenecho wird da der Dank dafür abgestattet, daß bei der offen vollzogenen Scheidung in Brauchbare und Ausschuß der Jugend immerhin der Status eines nationalen "Problems" zugestanden wird. Freudig nehmen die Wortführer der so bedachten Abteilung den Ball auf; kaum kommen sie einmal im Fernsehen dran, wälzen sie schon die Gefahren ihrer Vernachlässigung fürs Allgemeinwohl und sorgen sich, ganz staatsbürgerlich beschlagen, altklug um ihr Recht auf Anerkennung und Mitwirkung. Vom überkommenen Weltverbesserungsdrang, vom idealistischen Jüngling, der sich berufen wähnt und befähigt, "die Welt umzugestalten oder wenigstens die ihm aus den Fugen gekommene Welt wieder einzurichten" (HEGEL), ist da wenig zu spüren. In ihren den Machern abgelauschten Phrasen, in ihrer Selbstdarstellung als Problemfall der "Gesellschaft" verraten generationsvertretungsbeflissene Jugendliche dieses Typs nur, daß sie schon genauso wie Erwachsene denken und schwätzen können. Ihr bißchen Energie verschwenden sie hauptsächlich auf die sturzdumme "Forderung" nach einem ideellen Lohn. Und da sich der in den Mühlen von Ausbildung und Arbeit so gar nicht einstellt, suchen sie ihn nebenher, den Sinn. Die einen im kirchlichen Betrieb, die anderen im höchstpersönlichen Einsatz für Frieden und Natur, wieder andere im Genuß der musikalischen und Dichtkunst, die auf schwarzen Scheiben und Rockkonzerten ihre Blüten entfaltet. Irgendwann, irgendwo, irgendwie treffen sie daselbst notgedrungen auf
Die Alternativen
Das sind die anderen, die aus dem Sinn am liebsten ihren ganzen Lebenszweck verfertigen möchten. In konsequentem Mißverständnis dessen, was Staat und Kapital mit ihnen (nicht) anstellen, widmen sie sich ihrem besseren Verständnis von sich und der Welt. Ihr Programm läßt die Armseligkeit des Vorhabens "Nicht- Anpassung" in allen Farben erstrahlen. In roten Gewändern und grünen Haaren laufen sie als eine einzige psychologische Botschaft herum, in schwarzen Trachten und silbernen Gürteln bilden sie die Gemeinschaften, in denen Jargon und körperlicher Einsatz für Gemütlichkeit bürgen. Die Zurschaustellung einer ganz besonderen Besonderheit, das Sich-Auszeichnen füllt diese Menschen so sehr aus, daß sie sich als echt gelebte Freiheit vorkommen. Ob sie in der Jugendarbeitslosenstatistik geführt werden und wieviel an ihrer ganz eigenen Kultur verdient wird, ist ihnen genauso egal, wie ihnen ihr Anderssein wichtig vorkommt. Mit ihrer haupt- oder halbberuflichen Anstrengung, sich und nicht die Welt einzurichten, kommen Kapital und Staat eigentlich ganz gut zurecht. Solange Bhagwans und Punker die öffentliche Ordnung nicht stören, hält sich die amtliche Kritik in Grenzen. Es gibt ja auch noch die Guten, und einer Jugend, die sich in die besagten zwei Abteilungen scheidet, kann man doch, von der Bundeswehr einmal abgesehen, "ihren Lauf lassen". Zumal sich in den "Lebensformen" auch nichts anderes ankündigt als die Sortierung in zweckmäßig zu kontrollierenden sozialen Ausschuß und gottgefällig-gute Deutsche.