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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1985 erschienen.

Die Moralwächter der Nation
GOTTES FÜNFTE KOLONNE

Was wäre der Protest in diesem Lande ohne die moralische Schirmherrschaft prominenter Oberchristen wie Gollwitzer, Albertz, Sölle und Konsorten? Ihr auf jeder besseren Unterschriften- oder Rednerliste zu findender Name wiegt fast mehr als das jeweils vertretene Anliegen, denn er bürgt für die "Glaubwürdigkeit" derer, die es teilen. Dafür stehen sie mit ihrem demonstrativ vorgelebten Glauben ein.

Für die rechtgläubigen Brüder erfüllt ein solches Hineinziehen von Gottes Namen in die Niederungen politischer Opposition freilich den Tatbestand der Blasphemie, der die christlichen Kritiker nur umso verdächtiger macht:

"Hier werden das Elend der Dritten Welt und das Wort des Neuen Testaments mißbraucht, um dem höchstpersönlichen Ennui an einer Gesellschaft gleichsam heilsgeschichtliche Dimensionen zu geben. Jede Mark für 'Brot für die Welt' oder für 'Misereor' ist hilfreicher als dieses Geschwätz." (FAZ über Dorothee Sölle)

Seit wann läßt sich denn das christliche Glaubensbekenntnis dazu hernehmen, gegen die christliche Obrigkeit Klage zu erheben? Diese beispielsweise für das "Elend der Dritten Welt" verantwortlich zu machen, anstatt für das Bekenntnis, daß es "uns allen" doch um nichts anderes als dessen Beseitigung zu tun ist, mit einem, auch noch so bescheidenen Geldbetrag einzustehen? Sollten sie es ihrer Herrschaft nicht vielmehr danken, daß diese ihre Bürger in aller Freiheit des Christenmenschen ihren irdischen Verpflichtungen nachgehen läßt? Was müssen das also für Typen sein: "höchstpersönlicher Ennui" - oder fünfte Kolonne Moskaus?

Bekenner aus Passion

Dabei würden die christlichen Protestanten auch das Bekenntnis, gegen die "politisch Verantwortlichen" nichts als die allerbesten Absichten zu hegen, zuallerletzt verweigern wollen:

"Wir wollen wissen, was ist, und wir wollen wissen, was kommt. Ist dies falsch? Muß man deswegen in den politischen Quartieren von Bonn aufgeregt sein?... Dies alles sage ich und frage ich, ohne damit irgendjemand stürzen zu wollen. Ich sage es und frage es, weil ich denen, die ihre Verantwortung zu tragen haben, helfen will." (Albertz)

Nun nehmen es diese Leute schon auf sich, den Machthabern bei der Ausübung der von ihnen hochgeachteten "politischen Verantwortung" Beistand zu leisten - und diese pfeifen doch glatt auf die moralische Kraft, die sie daraus beziehen könnten!

Schon der erste Grund zum Zweifel, ob der "Verantwortung" des hohen Amts hier denn tatsächlich in vollem Umfang entsprochen wird!

"Die Politiker haben ja die Wahl, uns zu apathischen Zynikern zu machen. Das ist sehr leicht geschehen. Sie können es haben, sie können eine gelähmte Bevölkerung auf der ganzen Welt haben... Wir wollen uns nicht lähmen!" (Böll)

Wenigstens einige wenige, die der Bequemlichkeit eines ganz ordinären Untertanendaseins entraten, weil sie immerhin so verantwortlich sind zu beherzigen, daß ihre Politiker keine "apathischen Zyniker", sondern pathetische Moralisten ihres Schlages benötigen. Und zwar solche, die ohne jede Bevormundung seitens der öffentlichen Meinungsmacher für ihre Ansichten ganz persönlich haften! Kaum eine größere politische Verfehlung können sie sich daher denken, als wenn die Obrigkeit ihre Meinung herabwürdigt und sich damit an ihrem höchsteigenen Gewissen vergreift. So sehr sie für die Ableistung ihrer "Treuepflicht" gegenüber dem Staat einstehen - auf dessen Kommando hin Ergebenheitsadressen abzuliefern, ist ihnen zuwider, da eine Versündigung der Herrschaft gegen die ihr christlicherseits zugedachte höchste Aufgabe, einzustehen für die "Freiheit eines jeden, selber sein Bekenntnis zum Frieden zu formulieren":

"Ob ich diese Bundesrepublik Deutschland begeistert für den besten Staat der deutschen Geschichte oder mißmutig für den übelsten Staat West(!)europas halte - beides sind subjektive Meinungen, für die mir unsere Verfassung die Freiheit gibt, und meine Treuepflicht, die ich beschworen habe, ist gänzlich unabhängig von ihnen." (Gollwitzer)

Wo Gollwitzer doch beide Ansichten über sein Gemeinwesen geläufig sind, läßt er sich bei aller Treue nicht vorschreiben, wann er welche von sich gibt - und betont letztere insbesondere anläßlich dessen, daß die erstere von ihm verlangt wird.

Umgekehrt mag der selbstbewußte Gottesknecht auch seinen Antikommunismus nicht auf Anordnung hin unter Beweis stellen, ohne zumindest einige Widerworte anzubringen: Die von ihm erwartete Verurteilung Polens z. B. absolviert der listige Jens mit der Entgegnung, wir seien doch schließlich nicht im Osten!

"Kein markiges Wort, das nur deshalb nach Warschau geht, um, zackig, wie es klingt, in Bonn oder München Eindruck zu machen. Soll erfüllt, Kameraden. Nein, so nicht."

Solche Schafe des Herrn wollen ganz ausdrücklich nicht mit den Wölfen heulen; die Freiheit des Christenmenschen sehen sie in der gottgefälligen Verrichtung der irdischen Pflicht nicht schon erfüllt, sondern meinen sie ständig erst noch durch ihr eigenes Exempel unter Beweis stellen zu müssen.

Dabei nehmen sie in Kauf, als "Zersetzer" gebrandmarkt, bzw. der geheimen Komplizenschaft mit dem Hauptfeind verdächtigt zu werden; auch einer solchen Zumutung begegnen sie erhobenen Hauptes:

"Frau Ranke-Heinemann versicherte mit ausdrücklichem Hinweis auf ihre theologische Qualifikation gegenüber der FR, daß auch Kommunisten für den Frieden sein könnten." (FR, 7.6.84)

Ob die Einschätzung der guten Frau ganz bibelfest ist, sei dahingestellt. Was ihrem Verweis auf ihre theologische Qualifikation jedoch in erster Linie zu entnehmen ist: daß sie - Kommunisten hin oder her - auf jeden Fall Wert auf die Feststellung legt, daß sie über eine jedem Zweifel entzogene Gesinnung verfügt. Daß der Christ sich durch seinen Glauben nicht nur eine tröstliche Perspektive, sondern auch durch sein Bemühen, seinem Glauben auch gerecht zu werden - ein jederzeit vorzeigbares Gewissen erwirbt, wissen die christlichen Eiferer ganz besonders zu schätzen. Gerade ihnen kommt es sehr darauf an, ihren Glauben als Berufungsinstanz zu zitieren, die ihre kritischen Einwendungen geradezu unwiderstehlich machen soll. Ihre Aufmüpfigkeit ist schließlich jenseits von gut und böse, da Dokument ihrer absoluten Gefolgschaftstreue, und zwar gegenüber der allerhöchsten Gerichtsbarkeit:

"Einspruch erheben, ist etwas, war wir aus der Bibel lernen. Nicht nur Ja und Amen sagen!" (Sölle)

"Wir hängen nur ab von dem Ruf und der Sendung unserer Herrn, der sagt: Euch jedenfalls rufe ich und rüste ich aus zur Lobby für den Frieden. Darum bitten wir dich, unseren Herrn Jesus Christus: Mach uns noch ganz anders als bisher zum Friedensmenschen, und dazu gib dann Segen und Erfolg zur Lebensbewahrung der heute so durch unser Rüsten gefährdeten Menschen! Amen." (Gollwitzer)

Für die "unbequemen" Amen-Sager dieses Schlages gäbe es bestimmt nichts Schlimmeres als den Eindruck zu hinterlassen, sie wollten aus ihrem Protest auch nur die geringsten persönlichen Vorteile ziehen. Wenn sie ihren Einspruch anmelden, dann zuallerletzt deswegen, weil sie um ihr "eigenes Heil" besorgt wären. Als wollten sie die weltlicherseits durchgesetzte Verachtung von Ansprüchen, die jemand für sich stellt, noch überbieten, beklagen sie vielmehr allenthalb en ein

"Konten- und Profitdenken, und ewig dieses Denken an seine eigene Seligkeit ein verheerendes Denken!" (Böll)

Wenn sie dagegen was zu vermelden haben, dann doch nicht etwa deshalb, weil sie z.B. selbst zu den vielbeschworenen "gefährdeten Menschen" gehörten!

"Nein, ich kann nicht anders, denn als ein sehr besorgter reden..." (Albertz)

Das tut zwar noch so ziemlich jeder, jedoch scheinen den Kummerbolzen höherer Berufung die weltlicherseits gängigen "Werte" und "gemeinsamen Ziele", ohne deren Anrufung keiner das Maul aufmachen will, noch nicht hinreichend über jeden Verdacht erhaben zu sein, vielleicht doch nur ein niederes Interesse einzukleiden. Durch die öffentliche Inszenierung ihrer gottesfürchtigen Schafsnatur, eines Extra-Gefolgschaftsverhältnisses gegenüber der personifizierten Gestalt ihres eigenen Moralismus, beanspruchen sie Glaubwürdigkeit dafür, daß ihr staatsbürgerlich-besorgter Senf als Zeugnis eines absolut unbestreitbaren Gewissens verstanden sein will.

"Christsein bedeutet:... nicht so tun, als habe man nichts gesehen und gehört. Und die Wahrheit laut sagen! Die Leute, die das tun, heißen in der Bibel Propheten. Ihre Aufgabe ist nicht, etwas vorauszusagen, wie ein Wetterprophet, sondern einem Volk, einem König, einer Gruppe von Menschen ein Strafgericht anzudrohen: So wird es gehen, wenn ihr auf diesem Wege weitermacht." (Sölle)

Um ihre

Berufenheit zum moralischen Richteramt

zu unterstreichen, verzichten sie natürlich auch nicht auf die christliche Grundübung, mittels der wir-sind-alle-Sünder-Masche sich selber ganz eifrig in die Verantwortung für das bedenkliche Treiben mit einzuschließen. Das nationale "Wir", unter dem sich hierzulande jedermann die Machenschaften seiner Herrschaft ans Bein zu binden hat, entfalten sie unter dem Vorzeichen einer allseitigen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Allerhöchsten sogar zu einer Radikalität, gegenüber der jeder weltliche Appell zur "Solidargemeinschaft" noch eine matte Sache ist:

"Auch dann, wenn,wir es nur von anderen geerbt (!) haben, ist es Schuld, daß wir in einer Welt leben, die sich von Gott absondert und in der so viel Hunger herrscht, den es gar nicht geben müßte." (Sölle)

Da braucht's gar keine Beweisführung nach dem Motto: An jedem Butterbrot, das hier im Mülleimer landet, verhungert eine indische Familie! "Warum lassen wir das zu?", so fragen die Gewissenswürmer, und zwar ganz vorsätzlich in einer Weise, die jede andere Antwort als die, daß wir eben alle gewissenlose Schweine sind, von vornherein als gemeine Ausflucht zurückweist. Schließlich steht die Frage ja nach der "Schuld", will also weder von den politischen Zwecken etwas hören, für die die angeprangerten Waffen und Hungerleichen produziert werden, noch von den Gründen, warum die christliche Untertanenschaft "den Menschen, die diese Greuel vorbereiten, nicht in den Arm fällt". Einen Grund für die Häßlichkeiten demokratischer Gewaltausübung auch nur in Betracht zu ziehen, verbietet sich von vorneherein.

Imperialismus Häresie?

Die Beweisführung sieht entsprechend aus: Sie besteht in dem überaus sinnigen Vorwurf, der Imperialismus brauche sich bloß nicht einzubilden, daß seine Machenschaften durch den Katechismus gedeckt seien.

"Auf unseren (!) Granaten staht das Eisarne Krauz (!). Kann das noch ein Dank an Gott sein? Die drüben zu verwüsten? Völkermassenmord zu betreiben?" (Gollwitzer)

Für einen moralischen Radikalinski dieses Schlages ist eben die Politik ganz ausschließlich eine Angelegenheit zwischen "den Menschen" und "Gott", kann es also per definitionem keine anderen als Gewissensgründe geben. Und daß sie diese, so sehr sie ihre ausschließliche Geltung proklamieren, immer gar nicht eingelöst sehen können, treibt sie zu Befunden über die Politik, die anschaulich machen, wieso ein Christenmensch sich zuvörderst seine Einfalt zugutehält:

"Der Militarismus ist der größte Manschheitsversuch, Gott endgültig loszuwardan..." (Sölle)

"Unverträglich ist das gegenseitige Sich-Bedrohen mit Vernichtung, mit atomarer Varnichtung durch Ost und West mit der Einheit das Leibes Christi." (Gollwitzer)

"2000 Jahre danach ist immer noch Gethsemane: Jesus varkannt, in Gefahr, gekreuzigt zu werden - und seine Anhänger schlafan. Ja, wir kreuzigen ihn permanent selbst..." (Alt)

"Sind wir also dabei - oder versuchen es doch -, die Weihnachtsgeschichte in tagtäglichar Praxis zu widerrufen: Gegenspieler, nicht Parteigänger der Hirten? Das ist die Kardinal-Frage..." (Jens)

So verläuft das ebenso moralisch erbauliche wie geistig trostlose Geschäft, unter dem Motto "Vergleicht die Verheißung von Bethlehem mit der Wirklichkeit unserer Tage" (Jens) die Strategie der NATO in der Hl. Schrift immer partout nicht nachlesen zu können. Und da sich ein eingefleischter Gottesfan den Imperialismus aber partout nicht anders vorstellen kann denn als religiöse Verrichtung, muß dieser sich schließlich den Vorwurf der Häresie gefallen lassen:

"Dort werden die falschen Götzen angebetet... Der Gott 'dieser Welt' ist die Bombe." (Sölle)

Und wo der Teufel sein Nest hat, ist ja auch hinlänglich bekannt:

"Es entspricht der inneren Logik atheistischer Philosophien, am Tod durch immer mehr Atombomben weiterzubauen. Aber wer auf Gott vertraut; dürfte das nicht." (Alt)

Auch für einen an der Bergpredigt übergeschnappten CDUler steht schließlich fest, wo der Feind sitzt, auf dessen Verantwortung letztendlich das Übel dieser Welt zurückgeht! Während sich jedoch die christlichen Führer sehr sicher sind, daß jenem der Wert christlicher Freiheit nur in der Sprache der Gewalt zu verdolmetschen ist, liegt ihnen der fromme Alt damit in den Ohren, "daß schlechte Mittel noch allemal die beste Zwecke entheiligen" - im Atomzeitalter, versteht sich: Gottes schöne Schöpfung könnte ja durch einen Kreuzzug in seinem Namen einen Knacks bekommen!

"Die Sicherheitspolitik des 'christlichen' Westens läuft ebenso wie die des kommunistischen Ostens nach dem Motto des Alten Testaments: 'Aug' um Aug, Zahn um Zahn'."

"Für wie lange will der Westen seine Handlungsfreiheit an die Sowjetunion abtreten?" (ders.)

- und sich, indem er die SU zusammenhaut, noch nolens volens zum Erfüllungsgehilfen des atheistischen Traums machen, "die Schöpfung ungeschehen zu machen"? Dagegen sollte Gottes bevorzugte Welthälfte doch ihrer höheren Berufung innewerden und ihre unwiderstehlichen moralischen Qualitäten in Anschlag bringen: auf diesem Felde besitzt der Westen schließlich eine garantierte Überlegenheit, und wenn der allmächtige Hintermann das "Vertrauen" in ihn dadurch lohnt, daß er auch noch ein bißchen nachhilft, werden die Russen mit ihren Teufelsdingern vielleicht ganz schön Augen machen.

"Nicht Angst machen, sondern Angst nehmen, rät der Bergprediger.... Jesu Ratschläge sind praktisch und konkret": "Man stelle sich einmal den politischen Prestige-Gewinn für den vor, der eines Tages wirklich den Mut hat zur Umkehr!" (ders.)

Gottes bekanntgemachter Wille

Solange jedoch der Imperialismus noch nicht im Stand der göttlichen Freiheit ist, den Feind schon durch seine überlegenen moralischen Qualitäten zu entwaffnen, solange die christlichen Machthaber dieser Überlegenheit, zu der sie nach der Überzeugung ihrer christlichen Kritiker fähig und berufen sind, noch selber mißtrauen, bleibt es den letzteren überlassen, für das, dem eigentlichen Sinn und Auftrag der nationalen Politik entsprechende bessere nationale Gewissen einzustehen. Sie tun dies, indem sie bei ihrer Herrschaft ständig Glaubwürdigkeit anmahnen, sie also damit belämmern, daß sie sich des Glaubens, den sie selbst für ihre Nation aufbringen, doch bitteschön würdig erweisen sollten. Daß sie dafür einige häßliche Reaktionen erfahren, die sie daran zweifeln lassen, ob von der an der Macht befindlichen Sorte von Christenbrüdern eine Politik ganz nach Gottes Geschmack auch erwartet werden kann, braucht sie ja - Gott sei Dank nicht "resignieren" zu lassen. Denn zum Besiegen von Zweifeln ist der Glaube ja schließlich da:

"Was ist eigentlich der Wille Gottes unseres Heilandes, daß er uns in dieser gefährdeten Welt, die sich selbst so gefährdet, leben läßt: Bis zum letzten Atemzug für das Leben stehen, gegen den Tod! Ob es Erfolg hat, ist eine andere Frage. Und. das ist dann der Trost des christlichen Glaubens, daß wir handeln und kämpfen können für das Leben und den Erfolg in Gottes Hand stellen. Gottes unbekannten Willen - wer weiß ihn:" (Gollwitzer)

Es wäre ja auch wirklich noch schöner, wenn dieser Sorte Christen ihr Glaube eine andere "Kraft" verleihen würde als die, die dieser Glaube seit seiner Erfindung den Gläubigen spendet: die "Kraft" dazu, es seiner "Vorsehung" zur Ehre gereichen zu lassen, daß man für sie hienieden bereitwillig den Deppen abgibt.

"Die Marxisten haben, an der primitiven Entgegensetzung: 'Widerstand oder Ergebung' interessiert, die Verbindung 'Widerstand und Ergebung',... in der sich das eigentliche Wesen des Glaubens ausdrückt, nie würdigen können."

Dies Wort in Gottes Ohr!

Ein christlicher Mahner von geringerem moralisch-intellektuellem Prestige, dafür aber mit mindestens gleicher Auflage und entscheidend höherer Einschaltquote: Franz Alts antiamerikanischer Nationalismus aus dem Geiste der Bergpredigt findet Sympathisanten im Lager der "ewig Gestrigen", die heute bei der Lektüre des "Spiegel" feststellen, wie modern sie schon wieder sind.

"Zitat der Woche

Fernseh-Moderator Dr. Franz Alt im SPIEGEL vom 9.10.1984: "Helmut Kohl und Erich Honecker hätten ja vielleicht über gesamtdeutschen Handel und Umweltschutz reden dürfen, aber über die größte Gefahr - die von den USA und der Sowjet-Union möglich gemachte atomare Apokalypse in Mitteleuropa - sollen sie nicht sprechen. Welch unwürdiges Schauspiel, das sich 75 Millionen Deutsche in Ost und West bieten lassen. So etwas läßt sich nur ein Volk gefallen, dem 39 Jahre nach Kriegsende von den Siegern noch immer Kollektivschuld eingeredet wird und daß sich diese Kollektivschuld einreden läßt. Kollektive Schuldzuweisung demoralisiert ein Volk, macht es moralisch-politisch widerstandsunfähig.

'Hätten wir Deutsche 1984 wirklich eine nationale Identität, wir hätten längst dafür gesorgt, daß die Wahnsinnswaffen hier verschwinden.'

Das ist haarscharf nationaldemokratische Meinung, der wir kein Wort hinzuzufügen brauchen." (Nationaldemokratische Zeitung, Nov./84)

Den brutalsten Moralinger des Jahres

brachte allerdings Frank Elstner in "Wetten, daß..." am 15.12.:

"Uns allen schmeckt der Festtagsbraten besser, wenn wir vorher an die hungernden Kinder in Äthiopien gedacht haben. Ich war schon bei meiner Bank..."