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Dieser Artikel ist in der MSZ 9-1984 erschienen.


DIE FRAGE DES MONATS - ODER OB ER ÜBERHAUPT NICHT KOMMT

Nicht gestellt haben die Russen diese Frage. Erich Honecker, der seinen Besuch zugesagt hat, auch nicht.

Gestellt haben sie bundesrepublikanische Politiker täglich von neuem. Ob und unter welchen Bedingungen er kommen darf, behandeln sie nämlich, entgegen dem von ihnen erzeugten Schein, als ihre Entscheidung.

Kommen darf er nur, um unsere Forderungen zu erfüllen, so daß man die sowjetische Kritik an der innerdeutschen Politik als großartigen Anlaß ausgenützt hat, klarzustellen, daß sich der Besuch lohnen muß - für uns selbstverständlich.

"Der Vorsitzende des innerdeutschen Bundestags-Ausschusses, Gerhard Reddemann (CDU), zu BamS: 'Die Sowjets wollen mit ihrem Störfeuer nur erreichen, daß wir in den Honecker-Besuch mit Null-Forderungen hineinzugehen."

Seitdem setzt man unablässig das Gerücht in die Welt, die Sowjetunion wolle Honecker den Besuch verbieten. Damit es auch noch der hinterletzte Depp mitbekommt, daß der Besuch abgewickelt wird, um Fortschritte in der innerdeutschen Politik zu erpressen, und zwar Fortschritte, die sich gegen die Sowjetunion wenden. Nachdem das klar war, hat Alfred Dregger den großartigen Einfall bekommen, die BRD könne sich in ihrer ganzen Souveränität etwas vergeben, wenn der Schein entstünde, es käme ihr auf den Besuch an. Das haben wir doch nicht nötig.

"Die Zukunft der Bundesregierung hängt nicht davon ab, daß der Honecker uns die Ehre seines Besuchs zuteil werden läßt. Ich möchte davor warnen, Honecker zu dem Besuch zu drängen, denn es ist eine große Aufwertung des Generalsekretärs sowie der DDR, wenn Herr Honecker hier in der Bundesrepublik empfangen wird."

Der folgende Streit über das Thema: "Wollen wir überhaupt, daß er kommt?" -

Kohl: "Ich sehe keinen Grund, warum er nicht kommen sollte." -

war ein mustergültiger Streit unter ebenso einigen wie unverschämten Nationalisten: Kommen soll er, weil wir es nicht im geringsten nötig haben, zur Durchsetzung unserer Forderungen der DDR auch nur ein Minimum an Anerkennung zu erweisen.

Daher heißt die korrekte Antwort auf die zwischenzeitlich aus Ostberlin eingetroffene Beschwerde auch ungefähr so: Die DDR solle endlich einmal die von ihr geführte Scheindebatte, ob er nun kommt oder nicht, beenden.

Journalist: "Muß Herr Honecker nicht endlich einmal Stellung nehmen?"

Kohl: "ja Wenn wir den Termin einhalten wollen, muß die Entscheidung jetzt fallen. Sie ist sozusagen überreif."

Eigentlich müßte sich Honecker öffentlich bei uns entschuldigen und darum bitten, einreisen zu dürfen. Es sei denn, er besinnt sich eines Besseren und kommt nicht.