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Dieser Artikel ist in der MSZ 7-1984 erschienen.

Systematik

Iran/Irak
SINNVOLLE FORTSCHRITTE EINES "SINNLOSEN" KRIEGS

1. Die stillen Teilhaber

"Der Irak hat... von der Sowjetunion für seine Bomberflotte zwei hochmoderne zielgenaue Raketentypen für den Krieg mit dem Iran erhalten... Der Irak verfügt auch über Kurzstreckenraketen des sowjetischen Typs Scu-B und über französische Exocet. Offenbar in Erwartung einer neuen iranischen Offensive will der Irak in Chile Streubomben kaufen, die zur Bekämpfung massierter Infanterie-Angriffe geeignet sind... elektronische Bestandteile aus amerikanischer Produktion... Die USA haben nach Angaben des Pentagon mit einigen Staaten erfolgreiche Verhandlungen über den Stop von Waffenlieferungen an den Iran und den Irak geführt," (Süddeutsche Zeitung, 9.6.)

Ost und West sind also die Ausstatter der einen Kriegspartei - der anderen übrigens auch. Aus eigener Kraft sind die Kontrahenten am Golf gar nicht in der Lage, jahrelang nach allen Regeln heutiger Zerstörungskunst gegeneinander anzutreten. Ohne das Spezialgerät aus aller Welt wäre dieser Krieg undurchführbar. Zugleich sind die USA vor der Weltöffentlichkeit schwer aktiv, andere Staaten von Waffenlieferungen abzubringen. So selbstverständlich ist es, daß die Führungsmächte darüber entscheiden, ob den kriegführenden Parteien das Gerät ausgeht. Es geht ihnen nicht aus, dafür bieten eigene Waffen in fremder Hand - ganz abgesehen vom Geschäft - viel zuviel politischen Einfluß. Für westlichen Geschmack allerdings noch lange nicht genug.

2. Die Eingreiftruppen

"Saudi-arabische Kampfflugzeuge haben ein Flugzeug, das in den Luftraum Saudi-Arabiens einzudringen versuchte, angegriffen und abgeschossen." vom Frühwarnsystem Awacs entdeckt... In der vergangenen Woche hatte Riad aus den USA zur Verstärkung seiner Luftverteidigung 400 Stinger-Raketen erhalten, Der Luftraum über Saudi-Arabien und über weiten Bereichen der Region des Persischen Golfes wird von mehreren amerikanischen Awacs-Flugzeugen überwacht, die Washington Saudi-Arabien leihweise zur Verfügung gestellt hat." ( SZ, 6.6.)

"Die USA dürfen nach den Worten des amtierenden ägyptischen Ministerpräsidenten Kamal Hassan Ali den Stützpunkt Ras Banas am Roten Meer benutzen, falls sie auf der Seite der Golf-Staaten in den iranisch-irakischen Krieg eingreifen sollten. Ali betonte aber, daß Ras Banas dadurch nicht zu einem amerikanischen Stützpunkt werde. Die Basis bleibe ägyptisch, die USA dürften sie lediglich benützen. Ras Banas wird derzeit mit US-Hilfe ausgebaut." (SZ 14.6.)

"Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich haben sich nach Angaben der britischen Wochenzeitung 'The Observer' in einem geheimen Abkommen auf die Bedingungen einer eventuell gemeinsamen Militärintervention im Persischen Golf festgelegt. Ein solches Eingreifen solle jedoch nur im 'äußersten Notfall' erfolgen, wenn alle diplomatischen Bemühungen gescheitert seien, hieß es." (FAZ, 12.6,).

Während noch allseits darüber spekuliert wird, ob und wann die USA sich wohl zu einem Eingreifen veranlaßt sehen könnten/sollten, ist die westliche 'Einmischung' längst Wirklichkeit - und zwar gleich als totale Kontrolle der ganzen Region, die früher als umstritten zwischen den Großmächten gegolten hat. Arabisch geflogene - von US-Piloten betreute - US-Maschinen, von amerikanischem Militär in der Luft aufgetankt und vom US-Radar gelenkt, zeigen dem Iran seine Grenzen, indem sie seine Flugzeuge abschießen. Ägyptische Stützpunkte werden mit vollem nationalen Einverständnis als US-Basen eingerichtet. Die US-Flotte, die den Golf beherrscht und längst über ein Netz von Stützpunkten verfügt, wird erst gar nicht mehr erwähnt. Und das alles nur, weil zwei untergeordnete Länder einen verrückten Krieg führen?

Das Kriegführen wird dem Iran und dem Irak nicht verwehrt, schon gar nicht sein 'verrückter' Zweck. Die militärische Präsenz vor Ort sorgt dafür, daß die Schlächtereien kontrolliert vonstatten gehen. Krieg darf und soll ruhig sein, solange der Westen auf keine der beiden Mächte als treuen Satelliten setzt. Aber er muß begrenzt bleiben: Wehe, die westlichen Interessen an der Region und ihren ökonomischen und strategischen Diensten (es geht längst nicht mehr bloß um die Sicherstellung der Ölversorgung) werden ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen. Dann wäre die 'friedliche Diplomatie' der NATO gescheitert und selbstverständlich das Recht zum 'Eingreifen' gegeben. Inzwischen wird der Krieg zum Anlaß genommen, Saudi-Arabien samt Nachbarn zu einer vorgeschobenen Bastion auszubauen.

3. Die guten Öl-Scheichs

"Die übrigen erdölproduzierenden Golfstaaten, die sich nach Ausbruch des iranisch-irakischen Krieges zur gemeinsamen Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Interessen in dem Golf-Kooperationsrat (GCC) zusammengeschlossen haben, wollen ihren Kunden künftig die durch Angriffe auf Öltanker entstandenen Rohölverluste in voller Menge ersetzen... Konsultationen..., um von Fall zu Fall zu entscheiden, wie der Erdöltransport in der Golfregion am besten gesichert werden könne." (FAZ, 12.6.) "Während in Schiffahrtskreisen bestätigt wurde, daß Kuweit ohne größere Ankündigung dazu übergegangen sei, Öl auf Tankern in die weniger gefährdeten südlichen Golfhäfen zu transportieren, um es dort auf Supertanker umzuladen, wurde dies offiziell dementiert... betonte, Kuweits Fähigkeit, sein Öl zu exportieren, habe nicht gelitten." ( SZ, 13.6.)

Trotz und mit Krieg läuft also das Geschäft, von dem "wir" angeblich so abhängig sind, ungetrübt weiter. Während die Kriegsparteien, die sich immer noch aus dem Ölgeschäft ihren Krieg finanzieren, danach trachten, die Gegenseite wirtschaftlich auszubluten und ihr den Ölhahn abzudrehen, sorgen die arabischen Bruderstaaten dafür, daß der Krieg nicht zur Geschäftsschädigung gerät und die wirtschaftliche Leistung der Region für die zivilisierte Welt nicht darunter leidet. Der Westen läßt seine Schiffe ungerührt mitten durchs Kriegsgebiet fahren, läßt sich das Geschäftsrisiko vergüten und bringt sein Militär in Stellung. Und die Golfstaaten übernehmen - peinlich auf ihre Souveränität bedacht - die für sie vorgesehene Rolle als Wächter über den reibungslosen Ölstrom und als ortsansässige Eingreiftruppe der USA. Denn davon hängt ihre Souveränität ab und dadurch wächst sie.

4. Die Anwälte einer zivilisierten Kriegsführung

"Die Regierungen des Irak und des Iran haben sich am Sonntag bereit erklärt, die Artillerie-, Luft- und Raketenangriffe auf Städte und Wohngebiete beiderseits der Grenze einzustellen. Solche Bombardements hatten seit Anfang letzter Woche mehrere hundert Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung gefordert. Bagdad und Teheran entsprechen damit einem Dringlichkeitsappell von UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar. Wenige Stunden vor Inkrafttreten der Vereinbarung... beschuldigten sich die kriegsführenden Parteien allerdings, von Zivilisten bewohnte Städte beschossen zu haben." (SZ, 13.6.)

"Präsident Saddam Hussein hat die irakischen Truppen aufgefordert, die erwartete iranische Großoffensive zurückzuschlagen. Sie sollten so kämpfen, als habe der Krieg eben erst begonnen." (SZ, 13.6.)"

Ein Deserteur und sein Vater, der ihn beherbergt hatte, wurden vor ihrem Haus", erschossen. Zur Abschreckung blieben die Leichen mehrere Stunden lang im Vorgarten liegen." (Spiegel, 11.6.)

"In Teheran werden offenbar zahlreiche Freiwillige für einen Großangriff zusammengezogen." (SZ, 14.6.)

"Khomeinis Staat gibt an die Eltern im Lande keine Informationen über die eigenen Kriegsgefangenen (Kindersoldaten) weiter," (Spiegel, 11.6.)

Ein zivilisierter Krieg ist das also nicht, den Saddam Hussein und Khomeini da führen lassen. Sie greifen nicht zum Mittel des Flächenbombardements auf Großstädte, das die Demokratien im 2. Weltkrieg zur 'Abkürzung der unmenschlichen Leiden' in die Militärgeschichte eingeführt haben - bis hin zu den US-Menschenleben schonenden Atombomben auf Japan. Diese "Fanatiker" lassen sich glatt festlegen auf die Abmachungen der Haager Konvention und dabei von neutralen Beobachtem überwachen. So "rückständig" und "mittelalterlich" sind sie, daß sie sich - wie es scheint - glatt von UNO-Resolutionen und ihren blockfreien Kollegen beeindrucken lassen. Wenn das mit diesem "sinnlosen" Krieg so weitergeht, dann nimmt er am Ende unter der Obhut der Völkerfamilie seinen Lauf, die auf Einhaltung der sauberen Spielregeln achtet.

5. Das Leben geht weiter, da unten und hier!

"Saudi-Arabien hat sich bereit erklärt, in diesem Jahr 150000 Pilger aus dem Iran ins Land zu lassen." (SZ, 14.6.)

"Streik, Zinsunsicherheit, Schuldenkrise, Golfkrieg... Zeit für Anleihen und Aktien - oder für Geld und Gold?" (Portofolio Management-Anzeige aus der FAZ)

"Kommunique der Ministertagung des Verteidigungs-Planungsausschusses

Am 16. und 17. Mai 1984 in Brüssel

Die Minister erinnerten an die auf der Bonner Gipfelkonferenz verabschiedeten Dokumente und bekräftigten die von ihnen eingenommene und bereits in frühren Kommuniques zum Ausdruck gebrachte Haltung hinsichtlich Entwicklungen außerhalb des NATO-Vertragsgebietes, durch die vitale Interessen von Bündnidpartnern bedroht werden könnten. Diese Haltung umfaßt die Notwendigkeit rechtzeitiger Konsultationen und gemeinsamer Bewertung aller Aspekte derartiger Entwicklungen und - auf Grund nationaler Einzelentscheidung - mögliche Reaktionen seitens derjenigen Länder, die zu Maßnahmen in der Lage sind, sowie solcher Länder, die Dislozierungen erleichtern können."

"Kommunique der Ministertagung des Nordatlantkrates

am 29., 30. und 31. Mai 1984 in Washington

Die Bündnispartner sind sich dessen bewußt, daß ihre gemeinsamen Interessen als Mitglieder des Bündnisses durch Ereignisse außerhalb des Vertragsgebiets beeinträchtigt werden können. Sie werden in rechtzeitigen Konsultationen über derartige Ereignisse eintreten, wenn festgestellt ist, daß ihre gemeinsamen Interessen berührt sind. Im Vertragsgebiet müssen ausreichende militärische Fähigkeiten gewährleistet bleiben, um eine angemessene Verteidigung aufrechtzuerhalten. Diejenigen Bündnispartner, die dazu in der Lage sind, werden sich bemühen, diejenigen souveränen Staaten, die bei der Abwehr von Bedrohungen ihrer Sicherheit und Unabhängigkeit um Hilfe bitten, zu unterstützen. Bündnispartner, die in der Lage sind, die Verlegung von Streitkräften außerhalb des Vertragsgebiets zu erleichtern, können dies auf Grund nationaler Entscheidung tun."