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Dieser Artikel ist in der MSZ 7-1984 erschienen.

Systematik

Sowjetische Bedrohung II
DIE NATO WARNT VOR DER SOWJETISCHEN ÜBERLEGENHEIT

Die bekundete Untauglichkeit der sowjetischen militärischen Gegenmaßnahmen gegen die NATO-Rüstung ändert natürlich nichts daran, daß das Militärpotential der SU an NATO-Ansprüchen gemessen prinzipiell nach wie vor viel zu groß ist. Der Entlarvung sowjetischer Schwäche folgt deshalb die Ausmalung ihrer Stärke auf dem Fuß.

Die Sowjetunion hat 34000 Atomsprengköpfe und damit 8000 mehr als die USA, vermeldet das Pentagon. Nicht, daß es auf die Zahl entscheidend ankäme, weshalb sich Reagan und Weinberger als "nicht allzu besorgt" erklären. Aber als Beleg der "dringenden Notwendigkeit neuer strategischer Interkontinentalraketen" tun die 8000 schon ihren Dienst, damit "niemand auf die Idee kommt zu glauben, die höheren sowjetischen Sprengkopfzahlen machten doch keinen Unterschied aus" (Weinberger).

Und in Europa ist die NATO dem Warschauer Pakt auf der ganzen Linie unterlegen, teilt das Generalsekretariat des Bündnisses in seinem neuesten Streitkräftevergleich mit. Und zwar nicht nur bei der konventionellen Rüstung, sondern "auch im nuklearen Bereich, wenn nicht zusätzliche Anstrengungen unternommen werden". Der "entscheidende militärische Nachteil" der NATO liegt demnach vor allem darin, daß im Unterschied zum Warschauer Pakt, der den überwiegenden Teil seines Militärpotentials in Europa stationiert habe, die Streitkräfte der NATO-Staaten, "insbesondere amerikanische Verbände auch außerhalb des NATO-Bereichs Verantwortung übernommen haben." Die Bedrohung durch die SU ist eben eine Sache der Definition auf Basis der weltweiten Ansprüche des westlichen Bündnisses. Da nimmt sich dann die strategische Einkreisung der Sowjetunion wie eine einzige Schwäche der NATO aus. Das freihändige Er- und Auffinden eigener Unter- oder Überlegenheit je nach Region oder Waffenart, die Vorführung des Kriegsgegners als zähnefletschender Papiertiger, dient als Material der Pflege des Feindbildes gemäß der Grundregel psychologischer Kampfführung: Stelle den Feind als ebenso gefährlich wie besiegbar dar! Das verleiht dem eigenen menschlichen Kriegsmaterial die einsatzfördernde Perspektive des lohnenden Opfers.