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Schmiergeldamnestie:
DER STAAT: SAUBER!
Geschafft! Das Volk hat einen Sieg errungen. Einen "dreisten Anschlag auf das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung" abgeschlagen. Hans-Jochen Vogel hat der Bevölkerung im Namen des Volkes und seiner Partei an höchster Stelle, in ihrem Bundestag, seinen Dank für die Verhinderung dieses Anschlags ausgesprochen. Die Demokratie in Gestalt der FDP hat erst mit Mühe, dann doch noch bravourös Recht, Moral, Gewalt und die Figuren, die all das vertreten, vor selbstmörderischen Aktivitäten bewahrt - mit einem Wort die Demokratie gerettet.
Der Tatbestand
Seit Jahrzehnten ziehen die demokratischen Parteien, C-Gruppen und Liberale allen voran, Millionenspenden an Land, indem sie ihren Geldgebern illegale Wege eröffnen, diese politischen Schmiergelder nach den Vorschriften für Gemeinnütziges von der Steuer abzusetzen. Der Bedarf der Parteien ist gewachsen in dem Maße, wie diese Parteien eine reichere, mächtigere, also nach innen und außen anspruchsvollere Staatsgewalt zu managen und dementsprechend alternativlose, also dümmere Wahlkämpfe zu bestreiten haben. Gewachsen sind ebenso die Spendengelder, aus demselben Grund: Je anspruchsvoller der Staat, um so gewichtiger die Anliegen der nationalen Geschäftswelt und ihre politische Pflege. Zielstrebig ausgeweitet wurde daher auch die Vielfalt der Möglichkeiten, Parteispenden per Steuerhinterziehung zu finanzieren - bis hin zum logischen Endpunkt: Seit einem halben Jahr gelten die Parteien selber - nach eigenem Parlamentsbeschluß - für gemeinnützig; der alte Umweg über die Illegalität wird überflüssig. Gleichwohl wird gegen Steuerhinterzieher nach dem alten Modell strafrechtlich weiter ermittelt, ebenso gegen die Anstifter zur Steuerhinterziehung aus den Reihen der Parteien. Ein Amnestiegesetz, ausgedacht von den hauptsächlich betroffenen Koalitionsparteien, soll diese Ermittlungen stoppen.
Die öffentliche Empörung
ist sehr heftig, leider aber mindestens genauso dumm. Sie richtet sich nämlich nicht
- gegen die Politik, für deren Ausarbeitung und wahlkämpferische Durchsetzung die demokratischen Parteien sich von den Reichen dieser Gesellschaft das nötige Geld schenken lassen (soweit sie es sich nicht aus Steuergeldern, also zwangsweise von den Nicht-Spendern der Nation beschaffen). Daß für das Wachstum des Eigentums und eine geregelte Armut, für die weltweiten Ansprüche und die vielfältigen Mittel deutscher Macht gesorgt werden "muß", und zwar demokratisch, also in hingebungsvoller Konkurrenz der Liebhaber dieser Geschäfte: das ist der selbstverständliche Ausgangspunkt aller redlichen "Empörung".
- gegen die Freiheit der Parteien, durch Steuern wie auch durch Steuererlaß dem deniokratischen Herrschaftsapparat einschließlich seiner Funktionäre und seiner Parteienklüngel jede Summe zu verschaffen, die zum Führen und Verführen des Volkes nötig ist. Nicht einmal gegen die neue Rechtslage, nach der es gemeinnützig, also steuerbefreiend ist, mit dicken Geldspenden auf die eigenen Interessenslagen und das Gewicht gewisser Ansprüche an die Politik aufmerksam zu machen, wenden sich die Wortführer der "Empörung" - Zweifel daran sind beim Verfassungsgericht abgeliefert.
- gegen die Frechheit, mit der die demokratische "Nomenklatura" der BRD ihr eigenes Vergnügen, im Geld zu schwimmen, sämtlichen Bürgern als gewichtige Sorge vorschreibt. Keine "Empörung" ohne die eilige Versicherung, natürlich sei die Finanzierung der Parteien ein enormes "Problem", für das jedermann Verständnis habe!
...und schon gar nicht
- gegen die Souveränität, die es den führenden Politikern der Nation gestattet, Gesetze als Instrumente ihres Vorteils zu behandeln - sogar auch in der Form, daß sie sich von deren Befolgung dispensieren, z.B. indem sie das Recht zweckdienlich ändern. Die "Empörung" über obrigkeitliche "Rechtsbeugung" ist ja genau und nur deswegen so heftig, weil sie sich mit ihrer praktischen Ohnmacht längst abgefunden hat, nur moralische Beschwerde sein will. Die durch Wahlen erlangte Ermächtigung, den eigenen Vorteil zum Gesetz zu machen, darf und soll nicht einmal entfernt in Zweifel gezogen werden.
"Kritische Stimmen"
Da rügt z.B. der "Stern": "Die Einstellung der Selbstamnestierer zu Staat und Gesetz offenbart eine Aussage von Benno Erhard, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium: 'Wir haben die Mehrheit im Parlsent, das zählt'."
Hat der "Stern" vielleicht ein anderes Prinzip entdeckt, das in der parlamentarischen Demokratie zählt? Oder will er dieses herrliche Herrschaftssystem dafür kritisiercn, daß es da für die Ausübung souveräner Gewalt auf den Besitz einer Parlamentsmehrheit ankommt und auf sonst nichts? Nein: von dem moralischen Schein möchte diese kritische Öffentlichkeit nicht lassen, Regierungspolitiker hätten sich ihre Souveränität nicht bloß durch Wahlerfolge, sondern auch durch Selbstlosigkeit und Zurückhaltung in ihrem Gebrauch zu verdienen.
"Spiegel"-Herausgeber Augstein notiert korrekt:
"Öffentlich zu verkünden, eine Amnestie sei 'ausgeschlossen', während man sie schon anvisiert: Das ist der Stil dieser Geißler-CDU. Nach außen hin gegen eine Amnestie zu sein, während man sie heimlich vorbereitet: Das ist der Kleinert-Stil der FDP, den Mischnick dann madonnenhaft salbungsvoll absegnet."
- und das war dann auch schon die ganze "Kritik":
"Sie können uns ja belügen und betrügen, aber irgendwo muß mit Lug und Trug auch mal Schluß sein."
Aber wo, Herr Augstein? Und warum "muß"? Wer am politischen Lug und Trug nichts als Stilfragen aufwirft, hat nichts Besseres verdient, als daß die "Lügner und Betrüger" auch noch auf den guten Geschmack ihres Spiegels scheißen. "Eingeklagt" wird da nichts als der matte Anspruch, die Chefs der parlamentarischen Herrschaft möchten doch die Arroganz der Macht, die ihrem Amt innewohnt, in ihrer Person ein bißchen dementieren - wenigstens nicht allzu offensiv herauskehren. Bitte! Machen könnt ihr ja, was ihr wollt. Es passiert euch ja eh nichts. Das ist mir auch egal. Aber wie gesagt: Lügt ein bißchen raffinierter! Wo bleibt sonst die politische Kultur?
"Wer einwenden will, die Politik bestehe halt hin und wieder aus ein paar Schurkereien, möge bedenken, daß auch zu einem Bubenstück eine gewisse Größe gehört." (E. Böhme, Spiegel)
Ein bißchen Mühe um den Schein, daß man es ehrlich mit dem Bürger meint, kann man doch erwarten: Vornehm geht die Welt zugrunde! Solche Zweifel plagen nur Leute, die sich nichts mehr wünschen als die Möglichkeit der totalen Identifikation:
"Man möchte ja gern sagen, daß wir einen ordentlichen Staat haben, in dem sich leben läßt. Man möchte sich ja gern zu ihm bekennen. Man möchte ja gern die Regierung dieses Staates zwar kritisch, aber doch mit Loyalität begleiten, nur: Wenn sich die Regierenden so unappetitlich wie jetzt verhalten, wenn sie das Recht nach ihrem Willen und zu ihrem Vorteil beugen, wenn sie sich als ertappte Täter selber amnestieren - wem kommt da noch ein überzeugtes Bekenntnis zu diesem Staat über die Lippen, den der Bundeskanzler so gern "Vaterland" nennt." (R. Winter, Stern)
Und Otto Schily darf für die Grünen im "Spiegel" klagen:
"Die Verhunzung, die Verelendung des Rechtsstaats hat ein schlimmes Ausmaß erreicht. Die Regierungsparteien wollen und können offenbar nicht riskieren, daß die großindustriellen Steuerhinterzieher geruhen, sich ungerecht behandelt zu fühlen." Ausgerechnet die C-Regierung - nicht souverän genug, vielmehr eine Gefangene des dicken Geldes, daher nicht frei, dem Rechtsstaat korrekt zu dienen?! Wie dient man, dein Rechtsstaat denn richtig? Die praktische Antwort noch jeder demokratischen Regierung ist eindeutig: Rechtsstaat - das ist ein Staat, der die gesellschaftlichen Interessen politisch nach ihrer Wichtigkeit würdigt und ihnen entsprechend viel Recht, also Staatsgewalt verschafft. Schily hält gegen diese unschöne praktische Wahrheit den höchst theoretischen Wunsch fest, ausgerechnet im Recht hätten die Unterschiede zwischen der Wichtigkeit des großen Eigentums und der Unwichtigkeit des kleinen Rechtssubjekts, zwischen der Souveränität des Gesetzgebers und der Gehorsamspflicht des Untertanen zu verschwinden. Und was, wenn in Wirklichkeit das Recht dazu da ist, genau diese Unterschiede herzustellen?! Sehr gläubig, was den schönen Schein des demokratischen Anstands betrifft; sehr bescheiden, was die Gesichtspunkte der Kritik angeht: So ergeht sich die öffentliche Empörung auf dem Feld der Moral und des Stils der dazugehörigen Heuchelei, und wie noch stets übersetzt sich hier Moral in die Frage nach Festigkeit bzw. Erschütterung der Koalition und ihrer Führungsfiguren: "Ist eine Männerfreundschaft in Gefahr?", eine Männerfreundschaft, die für die Stabilität der Koalition von großer Bedeutung ist," (Süddeutsche Zeitung)
Wo
"Praktische Konsequenzen"
gefordert wurden, fallen diese entsprechend lächerlich und staatstragend aus. Schily:
"Könnte das Volk nicht vielleicht bald in die Versuchung kommen, sich dieser tristen und trüben Regierung zu entledigen?"
Eine Revolution wegen der Steuerhinterziehungsamnestie? Nein: "Wählt grün!", will er sagen, umschrieben in einer Weise, der die Methoden politischer Heuchelei geläufig sind. Noch besser Augstein:
"...wer diese Art Politik nicht will, sollte auf jeden Fall zur Europa-Wahl gehen und irgendeine Partei wählen, nur nicht die FDP."
Die CDU vielleicht? Oder die SPD, deren Führung schlau genug war, eigene Amnestiepläne zurückzuziehen, und die sich jetzt als demokratischer Sittenwächter in Szene setzt? Die Macher der Nation soll man mit einem demokratischen Rechtstitel auf gesamteuropäische Macht und Arroganz ausstatten - und sich dabei fest einbilden, der FDP hätte man jetzt ab er ihre Stilfehler furchtbar heimgezahlt?
Die praktischen Konsequenzen
Nun, mit Idioten dieser Art hat die FDP schon längst gerechnet - und deswegen das ganze Amnestievorhaben doch noch im Vorfeld zu Fall gebracht. Denn ein Sieg der Moral, des völkischen Rechtsbewußtseins oder des demokratischen Anstands über Geld und Macht war es nicht, woran das großherzige "Entkriminalisierungs"-Projekt der Polit-Christen gescheitert ist. Die wissen nach wie vor Recht und Moral auf ihrer Seite. Denn auch die Moral behandeln diese begnadeten Macht-Profis sachgerecht praktisch: als schlaue heuchlerische Sprachregelungen - "unbescholtene Bürger" haben sich "entreichert" und müssen vor "Kriminalisierung" aufgrund von "Rechtsunsicherheit" bewahrt werden... -, in denen sie ihre Selbstgerechtigkeit auch "theoretisch" zum Maßstab der staatlichen Gerechtigkeit erheben, ganz so, wie ihr Gesetz es beinahe praktisch bewerkstelligt hätte. Verhindert hat das nichts als liberale Berechnung, die auch noch offen herausgesagt wird:
"Wir müssen die Amnestie verhindern, sonst klebt sie uns als lästiger Bonbon ewig am Hemd." (Baum laut "Stern")
"Die schnellstmögliche Aufgabe dieses Plans kann zu einer Überlebensfrage für den organisierten politischen Liberalismus in Deutschland werden." ( Westerwelle von den 'Ju Lis'laut "Stern")
Im Unterschied zu ihrem christlichen Verhündeten weiß oder wähnt die FDP ihre parlamentarische Existenz ab hängig von einer Anzahl hartgesottener Macht-Ästheten vom Schlage eines Rudolf Augstein. Denen hat sie Eindruck zu machen, und zwar einen guten. So wird das Amnestiegesetz für die FDP doch noch zur Chance, - zumindest nach Wunsch und Vorstellung der "aufmüpfigen Parteibasis": Mit seiner Verhinderung möchte sie ihren einzigen Konkurrenzpunkt gegen die C-Gruppen aufpolieren, ihr Image nämlich, mehr den demokratischen Anstand zu wahren als die skrupelloseren Christenbrüder. Von der Bedienung dieses besonderen moralischen Geschmacks lebt schließlich der "organisierte politische Liberalismus in Deutschland".
Per saldo: Ein Sieg der Demokratie?
Ja! Sie ist nicht besser!
"Freispruch durch den Richter, ja, Amnestie durch den Bundestag, nein!" (Schmude, SPD)
"Wir haben ein neues Gesetz gemacht. Das müssen wir beachten. Wenn wir es nicht beachten können, müssen wir es ändern." (Baum, FDP)
Gewaltenteilung - eine pfiffige Einrichtung
1954: Der Bundestag beschließt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden.
1958: Das BVG erklärt die steuerliche Begünstigung von Parteispenden für verfassungswidrig.
1959: Der Bundestag bewilligt Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln und stockt sie in den folgenden Jahren laufend auf.
1966: Das BVG erklärt die öffentliche Mittelzuwendung für die "gesamte Tätigkeit der Parteien im Bereich der politischen Willensbildung" für verfassungswidrig.
1968: Der Bundestag beschließt die Wahlkampfkostenpauschale.
1970 ff.: Die Parteien fördern die Spendierfreude der Kapitalisten durch staatliche Zuschüsse auf Umwegen.
1973 ff.: Flick entreichert sich sinnlos.
1975: Die Steuerfahndung kommt dem auf die Schliche und verfolgt seitdem die Spur.
1981: Erste Amnestiepläne der sozialliberalen Koalition
1982: Graf Lambsdorff kommt ins Gerede.
1983: Der Bundestag erklärt Parteispenden für steuerbegünstigt, weil Parteien gemeinnützig seien.
1984: Die Amnestie scheitert. Im Herbst die ersten Prozesse.
1990: Mysteriöser Doppelselbstmord von Flick und Lambsdorff in Stammheim
1993: Außenminister Genscher tritt zurück wegen des Verdachts auf Selbstbegünstigung.
Mann kann das natürlich auch so sehen: Die Finanzämter und Staatsanwaltschaften, mit denen die Parteien natürlich überhaupt nichts zu schaffen haben, billigen duldend eine Spendenpraxis, die die Parteien als Schatzmeister ausgeheckt haben, weil sie sich als Bundestag nicht genügend aus der "finanziellen Krise" geholfen haben. Keine Spur von Unrechtsbewußtsein, wenn man als Finanzminister sich als Finanzamt die Weisung erteilt, sich als Aufsichtsrat einer Bank nicht auf seine Finger zu sehen, wenn man sich als Schatzmeister ein paar Markt zuschiebt. So bleibt man sich treu.
Hauptsache Entschiedenheit und Handlungsfähigkeit
"Ich war überhaupt nicht informiert: ich habe mich auf die Herren Kohl und Genscher verlassen, trotzdem waren wir von anfang an solidarisch. Wir tanzen nicht aus der reihe; wir lassen niemanden im Regen stehen. "(F.J.S.)
1. hat man entschieden, 2. nicht gewußt worüber, 3. voll dazu gestanden, damit 4. treu zur Koalition gestanden, die man ist, und 5. immer einen Regenschirm dabei.
Erfolg der Amnestiedebatte
"Ermittlungen wegen Parteispenden gegen Bayer-Konzern eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft Bonn hat ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Parteispenden gegen den Leverkusener Chemiekonzern Bayer eingestellt. Die Sprecher der Staatsanwalt, Johannes Wilhelm, teilte auf Anfrage mit, das Verfahren sei mit Rücksicht auf Ermittlungen in einem anderen Fall eingestellt worden. Die Strafprozeßordnung sehe im Paragraphen 154 vor, daß aus prozeßökonomischen Gründen auf die Strafverfolgung in einem Fall verzichtet werden könne, wenn die Vorwürfe in einem anderen schwerer wögen. Laut dpa geht es hierbei ebenfalls um Steuerhinterziehung." (Süddeutsche Zeitung)
Man muß nur genügend auf dem Kerbholz haben, dann werden einem die kleinen Vergehen geschenkt - man muß nur Bayer heißen und an CDU und FDP gespendet haben.